Kapitel 26
Mit pochenden Herzen drücke ich den Klingelknopf des großen, schweren Tores. Das Schloss ist wie jedes andere von einer undurchdringlichen Mauer umgeben. Ein Versuch, drüber zu gucken, würde nichts nützen. Und mit diesen Informationen versuche ich mich nur von dem eigentlichen Thema abzulenken. Ist er mein Opa oder ist er es nicht? Lebt er noch? Hat er etwas, was er mir über meinen Vater erzählen kann? Kennt er ihn überhaupt? Wird er mich vielleicht versuchen loszuwerden? Will er mich gar nicht sehen?
Okay, die Überlegungen mit der Mauer waren mir da doch lieber, als die Fragen. „Wer ist da?", schnauzt eine Frauenstimme wahrlich unhöflich in die Sprechanlage. Ich linse auf den Notizzettel, den ich in meiner Hand halte. Meine Hände fangen zu zittern an. Die herzlose Begrüßung macht es mir gerade nicht leichter, ruhig zu bleiben. „I-ich... ich... ich bin Gerda und ich wollte den König besuchen", nachdem ich gestottert hatte, was ich sonst seit Jahren nicht mehr getan hatte, beruhige ich mich allmählich.
„Der König empfängt keinen Besuch mehr. Erst recht keinen unangemeldeten Besuch." Ihr Tonfall macht mehr als deutlich, dass sie nicht vorhatt mich reinzulassen.
Rasch erwidere ich: „Aber ich habe ein wichtiges Anliegen. Mich abzuweisen wäre mehr als unklug."
„Wenn es so ist, dann trag mir jetzt dein Anliegen vor und der König wird davon unterrichtet werden", kommt die Stimme nicht weniger unhöflich aus der Sprechanlage.
Mit selbstsicherer Stimme und zitternden Knien spreche ich in den Lautsprecher: „Das ist leider nicht möglich, gute Frau. Lassen Sie mich rein. Meine Nachrichten können nur persönlich übertragen werden."
Es folgt eine kurze Stille und ein leises, angenervtes Seufzen. Die Dame am anderen Ende der Leitung gehört anscheinend nicht zu den geduldigsten Geschöpfen und ich gehe ihr dabei wohl gewaltig auf die Nerven. Das wäre meine Chance, den König zu sprechen! Ich werde einfach so lange auf sie einreden, bis sie nachgibt. Wenn sie jemanden wie mich nicht abwimmeln kann, dann hat sie definitiv den falschen Beruf gewählt. So!
„Hören Sie," setze ich wieder an, „Mein Anliegen betrifft das Leben des Königs und ich-"
„FairyBI, antreten!!! Beschützt Euren König!!!! Dalli!", bölkt die Anstandsdame in den Hörer und ich werde das Gefühl nicht los, dass mir so eben mein Trommelfell geplatzt ist. FairyBI, was ist denn das? Oh Gott, mir dämmert es. Das ist das FBI in unserer Welt. Heilige Scheiße, ich muss hier weg. Wie ist das denn passiert? Ich habe doch gar nichts verbrochen... ich... oh verflucht! Ich habe gesagt, dass mein Anliegen das Leben des Königs betrifft. Ich nehme die Beine in die Hand und laufe. Laufe, was das Zeug hält. Bloß weg... Weg von hier, weg von den Verrückten... Bei dieser Gelegenheit sollte einmal angemerkt werden, dass diese Worte nicht Wirklichkeit sind und diese Worte nicht von der eigentlichen Autorin abstammen, sondern von drei Verrückten. Ihr versteht nicht, was ich meine? Eigentlich ist diese Szene ganz anders von dannen gegangen, das werdet ihr gleich sehen, aber erstmal sollte die Situation aufgelöst werden: Heute bin ich - Schreiberling Johanna - die Autorin, die sich die Perspektive von Gerda zu Herzen nimmt, aber anstatt voranzukommen mit dem Schreiben, haben meine vier Freunde, ihre Namen sind Hannah, Johanna, Darran und Marcel, meinen Laptop an sich gerissen und das Kapitel netterweise für mich weiter geschrieben, da es aber nicht der Realität, was wirklich geschehen ist, entspricht, werden wir nochmal von vorne beginnen:
Meine Güte, ich habe echt Wahnvorstellungen. Die Dame wird schon nicht das FairyBI rufen, oder? Vielleicht gibt es ja einen netten Herrn, der gleich fragen wird, wer ich bin, um mich dann zum König zu führen. „Wer ist da?", zischt eine nach einer Frau klingenden Stimme in die Sprecheinrichtung, die am Tor befestigt ist.
Ich sage für ein paar Minuten erstmal nicht, bis sie mich erneut fragt. Oha, sie hat dieselbe angepisste Stimme wie in meinen Wahnvorstellungen. Ob das gutgeht? Ob sie nicht doch eher das FairyBI herbestellt? Bestimmt nicht, sofern ich die richtigen Worte mit Bedacht wähle. Ich räuspere mich, dann spreche ich. „Hallo, ich bin Gerda Vinter und ich bitte um eine Audienz beim König."
„Tut mir leid, der König empfängt niemanden mehr." So wie Rose, beziehungsweise Dornröschen? Soweit ich weiß lebt die einstige Prinzessin abgeschottet von der Welt, mit der Angst, dass der Königssohn zurückkehren und sie erneut vergewaltigen würde. Ich weiß zwar nicht viel darüber, was in der Märchenwelt abläuft, aber soviel habe selbst ich mitbekommen. Prinz Phillip hatte sie damals von ihrem Fluch erlöst, das bekannte Märchen halt, aber statt ein wahrer Held zu sein, hat er sich lieber für die Arschlochvariante entschieden. Er hat sie nie geküsst, nur vergewaltigt und ist dann abgehauen. In ihrem Hundertjahreschlaf wurde sie schwanger und später von dem Geschrei ihrer Zwillinge wach. Die Geschichte ist krass, ich weiß, aber wahr. Angeblich. Um ihre Kinder tut es mir jedoch besonders leid, denn meines Wissens nach dürfen die zwei kaum vor die Tür, weil sie Angst hat, er würde sie ihr wegnehmen. Ob dieser König, mein Vielleicht-Großvater, genauso lebt, wie sie? So allein?
„Glauben Sie mir, er wird mich empfangen wollen."
„Aus welchem Grund? Bist du eine Journalistin, die meint, sie wäre seine verloren geglaubte Tochter?", meint sie kühl. Brr, da wird mir glatt kälter.
„Nein, ich bin keine Journalistin. Und Geld will ich auch nicht. Ich möchte nur wissen, ob er meinen Vater kannte. Ich habe ebenfalls jemanden verloren. Gleich fünf meiner Liebsten, um genau zu sein. Bitte gewähren Sie mir Einlass. Bitte", flehe ich. Na gut, es läuft schon mal ein bisschen anders, als in meiner Vorstellung ab. Das ist doch was. Oder? Doch dann bleibt es auf der anderen Seite still. Super gelaufen, würde ich sagen. Was jetzt? Weiter nerven? Aufgeben? Toll, super, einfach nur super. Gerade lasse ich mich an dem nassen Holz des Tores hinunter rutschen, da öffnet sich dies langsam, sodass ich in den Schnee falle. Ich rappel mich hoch, um durch das nun geöffnete Tor mehr oder weniger zu stolpern, als mich ein auf mich stürzendes Objekt zu Boden reißt. Und nein, es ist nicht das Tor, sondern viel eher ein fliegendes Etwas. Meine Freundin als fliegendes Etwas. Besser gesagt, meine Freundin in einer Ritterrüstung mit Flügeln. Warte, was? Seit wann gibt es denn sowas? Träume ich? Nein, ich bin wach. „Calix, was machst du denn hier?"
„Dich retten?", kommentiert sie, als sie sich ihren Helm abnimmt. Ihr Outfit ist soooo cool... Ich will auch ein solches Kostüm. Seit Jahren steht es auf meiner Wunschliste, aber der Weihnachtsmann erfüllt es mir leider nicht.
„Mich retten? Wozu?"
„Ich will nur sicher gehen, dass der König kein kranker Spinner ist, der dich in sein Schloss sperrt. Ich werde einfach ums Haus herum fliegen und durch die Fenster dich im Blick behalten. Wenn du mich brauchst, rufst du mich. Außerdem kommt Dad wahrscheinlich auch noch, weil er sich Vorwürfe macht, dass er dir den Namen des Königs gegeben hat und überhaupt nicht weiß, dass ich dir gefolgt bin."
„Danke, aber..."
„Kein Aber, los, rein mit dir. Verschwinde wie der Furz im Winde oder so!"
Ich werfe ihr lachend einen Kussflug - oder heißt das anders? - zu, dann laufe ich auch schon durch den Garten, bis mir der schwebende Schatten neben mir auffällt. Verwirrt sehe ich sie an. „Ist was?"
„Ja, ich bezweifle, dass der König Tiere für gutheißen wird." Sie zeigt auf etwas am Boden. Langsam lasse ich den Kopf von meinem Körper zu meinen Füßen hinunter wandern. Tatsächlich sehen mich zwei Augenpaare abwartend an. Lillemor und Flocke. Fast hätte ich die beiden vergessen. Mit einem Knurren von dem Schneeleoparden hebe ich meinen Polarfuchs auf und reiche ihn Calix, dabei fängt Lillemor noch heftiger an zu knurren. Verwundert sehen wir uns an. Was ist denn bloß mit Milles Haustier falsch? Sonst würde sie doch alles tun, meinen kleinen Schneefuchs in die Falle zu hauen. Das eine Mal hatte ich mit Calix telefoniert, als Lillemor Flocke durchs Schloss gejagt hatte, sie weiß also genau, dass etwas nicht stimmt, denn solche Situationen sind nciht nur einmal aufgetreten.
„Oh."
„Ich dachte, die zwei können sich nicht ausstehen. Hat mich schon gewundert, dass du sie überhaupt mitgenommen hast", mit gestreckten Finger zeigt sie auf keinen anderen, als den Schneeleoparden.
„Dachte ich auch."
Da mein Herzschlag sich erst beruhigen wird, wenn ich diese Erfahrung hinter mir habe, krame ich in meiner Tasche nach Leckerlis. Krame und krame, hole das ganze Zeug raus, um dann festzustellen, dass ich keine dabei habe. Darum wühle ich nochmal durch den Rucksack - und werde schließlich fündig. Ein paar Leckerlis gebe ich Cax, dann locke ich mit einem anderen Leckerli die Schneeleopardin. „Benimm dich, Lill." Mit diesen Worten reiche ich nun nochmal Flocke an meine Freundin weiter, um Lillemor mit Handzeichen anzudeuten, dass sie dort bleiben soll. Dann winke ich und gehe weiter. Mit jedem neuen Schritt komme ich einem Herzstillstand gefährlich nahe. Am besten konzentriere ich mich einfach auf den schönen Garten um mich herum, doch leider geht es nicht so einfach, wie ich mir das vorstelle. Immer wieder schwenkt mein Blick zurück zu der Tür, zurück zum Eingang. Atmen, Gerda, atmen. Puh, okay. Ich kriege das hin. Garten... einfach den Garten bestaunen, denn er ist wirklich husch, wobei er mir ein bisschen zu perfekt ist. Ein Garten, der nur ein bisschen Platz für Chaos hat, gefällt mir persönlich besser, aber ich bin auch nicht die Prinzessin, die am Garten gefallen finden muss. Wahrscheinlich bin ich nicht einmal eine Prinzessin und die Märchen um meine Familie sind ausgedacht oder behandeln eine andere Familie. Andererseits hatte Andersen sich über mich gefreut, mich erkannt, aber er ist auch ein älterer Mann und freut sich vermutlich über jeden Besucher, der behauptet, aus seinem Märchen zu stammen. War das jetzt fies? Ich glaube, dabei meinte ich das nicht mal so. Guckt, ich kann gar keine Prinzessin sein. Prinzessinnen sind immerzu nett, hilfsbereit und freundlich. Nicht zu vergessen: mega hübsch. Was bin ich denn davon? Nichts. Ich bin nicht hübsch, nicht attraktiv, nicht freundlich und so weiter und so fort. Ich bin halt normal. Ein normaler Mensch. Das ist doch auch etwas in dieser bunten, fantasievollen, manchmal durchgeknallten Welt. Völlig in Gedanken erreiche ich die Tür. Oh nein, die Tür. Jetzt geht es wieder los. Gerade hatte ich mich tatsächlich ablenken können und jetzt ist alles für die Katz. Muss ich nochmal klingeln? Hier gibt es echt noch eine weitere Klingel. Wofür? Soll ein Einbrecher erst am Tor klingeln und hier noch einmal, um Einlass zu bekommen? Voll bescheuert, finde ich, aber gut. Ich drücke den Knopf, da öffnet sich bereits die Tür - von Zauberhand. Denn als ich nach der Person suche, die mir die Tür geöffnet haben muss, kann ich niemanden entdecken. Wie...? Ich sehe mich um, suche verwirrt nach jener einlassgewährenden Person, um kurz danach über etwas zu stolpern. Oh halt, jemanden. Ich bin über jemanden gestolpert. Eine Zwergin - was ist denn die weibliche Form von Zwerg? - reibt sich über den Rücken. Sie reicht mir genervt die Hand, um mir aufzuhelfen. „Entschuldigung - undskyld!"
„Der König wird Sie sogleich empfangen. Möchten Sie Tee?"
Ich erinnere mich an den Brief, den ich Findus geschrieben habe. Dort verriet ich ihm, was mein Lieblingsgetränk war, nämlich das Gleiche wie seins. „Ich hätte gerne einen Kakao, mange tak." mange tak, danke.
„Einen Kakao will die junge Dame... nichts lieber als das... vielleicht mische ich ihr einfach irgendwas unter... Was haben wir denn im Angebot? Kaffee?", murmelt die Zwergen. Ja, vielen herzlichen Dank auch. Und ich soll noch einmal nett sein, ts. Erstmal sollte die freundlicher sein. Es war nicht meine Absicht, über sie zu stolpern. Sie hätte ja vorwarnen können, dass sie dort steht. Mann. Außerdem könnte sie mir ruhig sagen, wenn sie keinen Kakao da hat, dann kann ich auch was anderes nehmen. Unauffällig sehe ich mich um, während ich am Eingang stehen bleibe. Was sollte ich sonst tun? Mich auf eigene Faust umsehen? Ich glaube, das kommt nicht so gut an. Ich sehe alte Gemälde und wie üblich schwere Ritterrüstungen. Es riecht nach diesem ganz bestimmten Geruch, den alte Gegenstände annehmen. Nicht gerade angenehm, aber ertragbar. Die Atmosphäre hier ist auch eher gruselig. Um ehrlich zu sein, finde ich bisher nichts angenehm, aber vielleicht - und das hoffe ich stark - ändert sich das noch. Ich höre jemanden röcheln: „Amethystia... wo... bist du?"
Amethystia? Ist das der nicht so gastfreundliche Zwerg? Mit all meinem Mut gehe ich in die Richtung, aus der ich die Stimme vernehme. Hinter der nächsten Ecke sitzt ein alter, gebrechlicher Mann in einem noch älteren Sessel. Der Mann sieht gar nicht gut aus - krank und des Lebens müde. Sein Anblick macht mich traurig. Ob das der König ist? Und obwohl ich nur um die Ecke gelinst hatte, entdeckt mich der ältere Herr. „Wer bist du? Amethystia! Wir werden überfallen, komm sofort her, du dickes Ding!!" Die arme Zwergin. Die hat wohl auch kein leichtes Leben. Vielleicht hätte ich einfach einen Tee nehmen soll, dann hätte ich sie nicht derart grantig gemacht. Aber woher sollte ich wissen, dass sie unter keinen freundlichen Umständen arbeitet? Ich lebe halt für meinen Kakao, da kann ich nichts dran ändern, so leid es mir tut. „Keine Sorge, mein Herr. Ich bin nicht hier, um Sie zu überfallen. Ich suche König Otto."
Der Mann setzt sich aufrechter hin auf seinem Sessel und sieht mich argwöhnisch an. „Ich bin König Otto. Was willst du von mir?"
„Ich möchte nichts." Wie oft muss ich das noch jedem weismachen?? „Nur reden."
„Niemand will nur reden", stellt er weiterhin grimmig guckend fest.
„Doch, ich."
„Worüber?", grunzt er. „Mach dich nützlich und gib mir die Decke, vielleicht höre ich dir dann zu." Na danke. Wofür mache ich das hier eigentlich? Ich habe eine Familie und ich hatte einst einen wunderbaren Opa, den besten um genau zu sein. Wozu bin ich also hier? Ich weiß es nicht. Weil mein Herz es so wollte, vielleicht. Aus dem Grund, dass ich mich über diese Frechheit am liebsten viel zu sehr aufregen würde, gebe ich sie ihm besser nicht, sonst würde ich sie ihm noch vor die Füße schmeißen.
„Über meinen Vater. Elvar. Und meinen Onkel Mathies. Die beiden waren Eure Söhne, richtig?", komme ich direkt zur Sache, denn anscheinend möchte der König keinen Smalltalk halten.
„RAUS AUS MEINEM HAUS!!", brüllt er. In dem Moment kommt die Zwergin mit einem Tablett zur Tür rein, auf dem sie Tassen, Zucker, süß duftendes Gebäck sowie Besteck balanciert und sieht mich noch finsterer als vorhin an. „Aber, König Otto", wende ich ein.
„RAUS!!!!"
„Nein", sage ich voller Tatendrang. Ich habe diesen Weg nicht umsonst auf mich genommen. Ich will Antworten. Antworten bezüglich meiner Familie, Antworten bezüglich meiner Selbst. ich lasse mich nicht verjagen. Der König kann mir gar nichts. Calix passt von draußen auf mich auf und könnte mich entweder sofort aus seinen Fängen befreien oder meine Familie alarmieren. „Raus. Aus. Meinem. Haus", bestimmt der König diesmal ganz ruhig. Wieder schüttel ich nur den Kopf. Er kann tun, was er will, lassen, was er will, aber mich wird er nicht los.
„Ich weiß, wie es ist, wenn einem die ganze Familie weggenommen wird. Ich war zehn, als es geschah... Meine Familie... alle waren tot. Mein Vater, meine Mutter, Onkel und Tante. Alle. Das Haus - zerstört, verbrannt. Seit Jahren bin ich auf der Suche nach Spuren von meiner Familie. Ich frage mich, ob es noch andere Verwandte gibt, aber bis auf diese Spur, die zu Euch führt, habe ich keine. Ich weiß nicht, ob es noch welche gibt oder ob es keinen mehr gibt. Und Ihr wollt mir diese Hoffnung, dass es da draußen noch jemanden geben könnte, nehmen, indem sie mich rausschmeißen?"
„Jawohl, also gehe nun. Ich habe diese Wort andauernd gehört. König Otto, wir sind Eure Nachfahren! oder Sir, ich bin es, ihr Enkel. Erkennen Sie mich denn nicht?. Obwohl ich zugeben muss, dass du eine der hartnäckigsten bist. Aber jetzt verschwinde."
„Ich gehe nicht, denn wisst Ihr, was mich von den anderen noch unterscheidet? Ich meine es ernst. Und ich will kein Geld, Genua genommen brauche ich gar nichts von Euch. Das einzige, was ich möchte, ist Gewissheit. Wollt Ihr nicht auch Gewissheit? Wenn Ihr mir noch nicht vertraut, bitte, ich lasse einen Test machen. Mein Vater hieß Elvar und angeblich war er Ihr Sohn, also gebt mir bitte diese einzige, nur diese einzige Information."
Ich drehe mich gerade zum gehen um, in der Hoffnung, er würde so reden, als er leise zu sprechen beginnt: „Ja."
„Hm?" Als er bejaht, drehe ich mich wieder zu ihm. Womöglich hat er es eingesehen, dass ich nicht gehen würde, ehe ich meine Antworten bekäme.
„Die Antwort auf deine Frage ist ja." Er nimmt die Decke entgegen, die ihm nun seine Bedienstete hinhält. „Prinz Elvar den Melankolske und Prinz Mathies den Melankolske waren meine Söhne, bis sie sich von mir abwandten", lautet seine bloße Erwiderung, es klingt fast abwertend.
„Herr, wollt Ihr ihr nicht die Wahrheit verraten? Das Kind ist halb durchgefroren, nur um mit Euch zu reden", mischt sich die Zwergin ein und langsam fange ich an sie zu mögen. So übel ist sie gar nicht. Sie drückt mir eine dampfende Tasse in die Hand und zerrt mich auf das ebenso alte Spfa, auf das ich mich nun wegen der Tasse mit bedacht fallen lasse.
„Amethystia, nein", zischt der König. Ich sehe zwischen den beiden hin und her. Was ist die Wahrheit? Was will er mir nicht erzählen? Oh Mann, ist das ein sturer Bock, aber nicht sturer als ich. Dennoch bin ich aufgekratzt, will wissen, was er verheimlicht, warum er es verheimlicht. Wieder geht mein Puls in die Höhe. Mein Arzt wäre nicht erfreut, so hoch müsste mein Puls bereits sein.
„Doch, Herr. jetzt oder nie. Ihr werdet es bereuen. Eines Tages."
„Vorher musst du mir sagen, wie der Name deiner Mutter war." Ist das ein Scherz? Na, von mir aus. Da brauche ich gar nicht lange nachzudenken. „Rosenrød", sage ich daher frei heraus.
„Unmöglich... das... du musst ihre Tochter sein. Anders kann es gar nicht sein. Kaum jemand weiß, dass sie so hieß. Das..."
„Es gibt das Internet", herrscht Otto Amethystia an.
„Ja und? Das Internet weiß eben nicht alles! Ich habe nachgeguckt. Nichts über diesen Namen, zumindest nicht in der Verbindung mit deinem Sohn. Und sieh sie dir an. Sie sieht aus wie sie und genauso hat sie aber auch was von ihm. Der Mutter wie aus dem Gesicht geschnitten, aber dieselben Locken wie ihr Vater und die gleichen Augen wie die Euren, als ihr noch des Lebens glücklich wart, Herr." Als würden ihm die Worte der Wahrheit entsprechend erscheinen, schaut er mich an, winkt mich sogar näher zu sich. Unbehaglich umfasse ich mit der Hand meinen anderen Arm. Möchte ich, dass er mein Großvater wird? Um die Wort der Zwergin zu unterstützen, ergänze ich: „Zwar weiß ich nicht viel über meine Familie, aber was ich weiß, ist, dass mein Vater meine Mutter sehr geliebt hatte. Tagein, tagaus schenkte er ihr rote Rosen. Rote Rosen, die ihn an die Schönheit meiner Mutter erinnerten. Von Bildern weiß ich, dass Snehvid meiner Mutter eine rote Rose auf den Bauch mit mir drin gemalt hatte. ich weiß, wie sehr sie sich jeden Tag geliebt hatten, selbst wenn sie stritten. Und ich wusste, dass sie mich liebten. Sie waren gute Menschen, die nicht hätten sterben dürfen", bei den letzten Worten laufen mir die Tränen übers Gesicht. ich kann nicht anders - ich vermisse sie so. Ich will kein Mitleid, aber ich wäre gerne mit ihnen gestorben, dann wäre ich jetzt nicht alleine auf dieser Welt, doch ich weiß auch, dass sie das nicht gewollt hätten. Sie wollten stets, dass ich ein schönes Leben hatte und das war der Grund, warum ich vor all diesen Jahren aufgestanden bin, um meine Krone zu richten, würde jetzt eins dieser schlauen Spruchbücher sagen. „Sie hatten wenig Geld, aber sie haben immer darf gesorgt, dass ich davon nichts mitbekomme. Irgendwie haben sie es geschafft, dass ich ein gutes Leben ohne viel Geld hatte. Denn ich hatte Liebe, hatte den sanften Blick meiner Mutter und das herzliche, ansteckende Lachen meines Vaters, die unlustigen Scherze meines Onkels, die aufregenden Geschichten meiner Tante und einen wunderbaren Bruder sowie den allerbesten Opa."
„Du hattest ein Geschwisterkind?", fragt er interessiert. Allmählich schien es, als würde er anfangen, mir zu vertrauen. Er reichte mir sogar eigenständig ein Taschentuch. „Danke", schniefte ich und dann weiter: „Ja, ich habe einen Bruder. Kay. Eigentlich ist er bloß mein Cousin, aber für mich war er schon immer wie ein Bruder gewesen und jetzt, wo wir von Elsa adoptiert wurden, ist er ohnehin mein Bruder. Halt Adoptivbruder."
König Otto, möglicherweise mein Großvater, überlegt, sieht mich dabei lange an. „Folge mir, Kind." Er versucht aufzustehen, sich aus dem Sessel zu heben, da er es jedoch nicht von eigener Kraft her schafft, stütze ich ihn. Gefolgt von seiner Dienerin führt er mich entlang der Räume durch die Flure, vorbei an Gemälden. Bei einem bleibe ich stehen. Es ist ein dermaßen erschreckendes Bild, dass man nicht umhin kommt, stehen zu bleiben und sich mindestens ein bisschen zu gruseln. Auf dem Gemälde sind zwei Menschen abgebildet, eine Frau und ein Mann. „Kim und Tom den Melankolske."
Ahnungslos sehe ich zu dem Mann, der mich eben noch loswerden wollte. Anscheinend sind diese beiden Schauerpersonen die Vorfahren von meinem Vater, sonst würden sie hier ja nicht hängen. Das habe ich im Unterricht gelernt. Die Gemälde in einem Schloss haben entweder eine symbolische Bedeutung oder es sind Familienbilder. „Kenne ich nicht."
„Musst du auch nichts. Die sind gruselig, oder? Früher habe ich mich vor denen gefürchtet. Dein Vater auch, musst du wissen. Du brauchst dich also nicht schlecht fühlen." Puh, zum Glück. Als hätte ich gerade die Luft angehalten, lasse ich die Luft in einem Schwung wieder raus. Die beiden sind echt schaurig, gruselig. Sie starren einen durch das Gemälde an, der Blick geht direkt in meine Richtung und ihre Augen stehen weit offen. Der arme Künstler, der die zwei zeichnerisch einfangen musste. „Aber Vorsicht, angeblich geistern ihre Seelen noch durch das Schloss", warnt mich Amethystia. ich versuche nicht verängstigt drein zu schauen. Geister spüren Angst, oder? Oder waren das Vampire? Hilfe.
„Das war ein Scherz, oder?"
„Wer weiß." Der König lacht, sodass seine Bedienstete überrascht aufschaut. Das Lachen war hier wohl schon lange erstorben. Wir gehen geradeaus auf eine Tür zu und da es ziemlich düster in diesem Teil ist, bekomme ich es doch mit der Angst zu tun, trotzdem stütze ich den König weiter, bis wir vor der Tür stehen. Er öffnet sie. Ich bekomme Bange, dass er mich hinein schubst, die Tür zu sperrt, verriegelt und ich festsitze, doch stattdessen gehen wir gemeinsam durch die Tür. Sobald meine Augen sich an die Dunkelheit gewöhnen, sehe ich mich um. In dem Raum gibt es einen Flügel, ein großes, nein riesiges, monströses Bett, zwei Schränke, ein Regal mit Playmobilfiguren sowie anderen kleinen Soldaten, auf dem Bett liegt eine Kuschelschlange - nebenbei gesagt von Ikea, das kann ich auf Anhieb erkennen - und auf dem Nachtisch steht ein Bild, auf dem ich meine Tante mit meinem Onkel drauf erkenne, dann gibt es noch drei Türen, die jedoch geschlossen sind. „Ist das...?"
„Das Zimmer deines Onkels, ja, das ist es. Sieh dich ruhig um, fass aber nichts an." Okay... Ich strecke die Hände in die Luft, so von wegen, ich mache doch nichts. So ganz hat er sich wohl noch nicht mit mir angefreundet. Warum auch? ich bin ja nicht vielleicht seine Enkelin oder so. Er macht sich von mir los und kniet sich vor die Kommode, die ich in meiner Aufzählung vergessen habe. Die Kommode ist aus Holz, hat Verzierungen mit Tieren. „Die Kommode ist schön", das ist sie wirklich. Glatt bin ich neidisch, aber nur glatt. Die Tiere sind überwiegend Tiere, die man im Wald vorfindet, Bären, Wölfe. „Vor der Geburt von Mathies haben der König und seine Frau die Kommode selbst gebaut", erzählt mir Amethystia, während der, über den sie redet, beinahe in dem Schrankstück verschwindet. Kurz darauf taucht er wieder auf. Er hält mir Karten vor, nachdem er aufgestanden ist. Ich sehe mir die Karten an, als er anfängt zu erzählen. „Die erste Karte ist die Hochzeit von deiner Tante Snehvid und Mathies, danach kam die Einladung der Hochzeit deiner Eltern. Ich war auf keiner der Hochzeiten. Die letzte Karte, die ich erhielt, war von Elvar. Er schickte für seinen Bruder eine Einladung zu der Geburt dessen Sohnes. Als du mir erzählt hast, dass alle aus deiner Familie gestorben seien... Mir sind die Züge entgleist. Sagt ma das heute noch? Ich wollte meinen Enkel kennenlernen, aber ich habe es damals nicht geschafft, meinen Stolz zu überwinden. Also blieb ich zu Hause, kam nicht. Zu keiner Einladung, deshalb habe ich wohl auch keine mehr zu deiner Geburt bekommen. ich wusste nicht mal, dass mein Sohn eine Tochter hatte, dass ich eine Enkelin habe."
„Soweit ich weiß, hast du nichts verpasst. Die Feier zu meiner Geburt fand gar nicht erst statt. Ichlaute zwar nur ein paar Tage zu früh, aber es war keine leichte Geburt. Vor allem weil kein Geld mehr da war. Seitdem wurde als einzigstes Fest unsere Geburtstage im kleinen Kreis gefeiert. Nichts besonderes", meine ich achselzuckend. Es war wirklich nichts besonderes. Für uns Kinder natürlich schon, aber für einen König wäre es bestimmt nichts anderes als langweilig geworden.
„Einziges", korrigiert er mich, wobei ich einen Moment brauche, um zu verstehen, was er meint. Einziges und einzigstes, ist das nicht egal? „Ich hätte euch unterstützen sollen. Mit Geld. Ich hatte mehr als genug. Aber stattdessen habe ich meine Frau enttäuscht... Ich war zu stur, zu stolz, zu arrogant. Sie waren meine Söhne. Und ich habe mich gegen sie entschieden. Für die Krone." Besänftigend streift die Zwergin sein Bein, höher kommt sie schließlich nicht. „Dazu wurden sie erzogen."
„Was war mit Owe Vinter?", möchte er wissen. Ich lege den Kopf schief. Kannte er meinen Opa? „Was soll mit ihm sein?"
„Er war ein vorbildlicher Großvater, stimmt es?"
„Ja." Wieso sollte ich lügen? Er war der einzige für mich, der beste, der superste. Gibt es auch nicht? Dann halt nicht. Er war der Beste, so.
„Ich war es nicht."
„Nein." Ich lüge nicht. Es ist die Wahrheit. Wieso sollte ich gut reden, was er getan hat? Vielleicht sollte ich in seinem ALter das Gewissen nicht noch schlechter machen, aber lügen kann ich nicht gut. Außerdem wurde mir beigebracht, nicht zu lügen. Ich bin nur vernünftig. Und ehrlich. Plötzlich läuft mir ein noch junger Polarfuchs in die Arme. Das Fell ist strubbelig, ungepflegt. Ich nehme ihn auf den Arm und kraule beruhigend sein Köpfchen, um dessen Puls ruhig zu stellen. Was ist hier los? Ich hebe den Blick von dem Tier, hoch ins Gesicht meines Vielleicht-Großvaters. „Was hat das zu bedeuten?" Die Augen der Zwergin sind weit aufgerissen, sie knabbert an ihren Fingernägeln. Irgendwas stimmt hier gewaltig nicht.
„Du blödes Mistvieh!!", schreit jemand. Ich drehe mich zu der Stimme um. Die dazugehörige Person kommt sogleich durch die Tür zu uns. Als der Mann den König erblickt, bleibt er angewurzelt stehen. „Eure Majestät", er verbeugt sich.
„Mikkel, was tust du hier oben? Solltest du nicht unten sein?", zischt König Otto. Immer noch frage ich mich, was überhaupt los ist. Was hat der Polarfuchs zu bedeuten? Wieso zittert er noch immer am ganzen Leib? Was machen die in diesem Schloss mit diesen armen kleinen Tieren? Leider habe ich da so eine leise Vorahnung... „Wer ist Mikkel?"
„Ich. Der verrückte Berater, Professor, Entdecker...", stellt er sich eigens vor.
„Jaja, schön und gut. Und was machen Sie mit diesem Fuchs?", unterbreche ich ihn sofort. Dieses dämliche Drumrumgelaber brauche ich mir nicht länger als nötig anhören. Ich möchte eine Antwort darauf, was das zu bedeuten hat. Am besten sofort, sonst werde ich ungeduldig, wenn ich es nicht bereits bin.
„Ich... äh... Also..."
„Jens ist sein Haustier", übernimmt der König das Reden. „Hast du ein Haustier, Gerda?"
„Ja... mein Haustier", betont der Professor das letzte Wort mehr als eigenartig. Warum nur kann ich ihm das nur nicht glauben? Der mir fremde Mann streckt die Arme nach dem Kleinen in meinen Armen aus, doch ich weiche zurück. „Die Wahrheit, König Otto..."
„Gerda, waren wir noch nicht beim Du? Gib dem Mann sein Tier zurück."
„Ihr seid ein Arschloch klingt doch besser als du bist ein Arschloch, oder?", stelle ich eine rhetorische Frage. „Ich finde schon. Sicher ist sicher." ich weiche weiter zurück. Jetzt versuchen sechs Arme nach dem Fuchs zu greifen. Vergesst es! Ich lass nicht zu, dass diesem kleinen Wesen etwas zustößt. Je näher die drei mir kommen, desto mehr erzittert das Tier. Keine Angst, kleiner Polarfuchs, ich lasse dich nicht im Stich. Ich bringe dich weg von den Verrückten. „Was habt Ihr mit dem Tier vor, König Otto? Sagt es mir, los raus mit der Sprache. Ich warte. Und ich warte lange, wenn es sein muss." Mein Herzschlag pocht in demselben Takt wie das Zittern des niedlichen, kleinen Tieres in meinen Armen. Das Adrenalin pumpt durch mein Blut, meinen Körper. Ich lasse Jens nicht allein zurück. Calix ist draußen. Muss nur rufen und sie wird mich retten oder ich muss nur in meinen Stiefel greifen, indem ich zu Sicherheitszwecken immer eine Waffe verstecke. Trotzdem habe ich Angst vor dem, was mich in den nächsten Minuten erwarten wird. Werde ich wieder lebend rauskommen? Werde ich irgendwann noch Findus kennenlernen? Bestimmt. Irgendwann.
„Gerda..."
„Nein!" Niemand kann mir etwas anhaben. Niemand. Meine Familie beschützt mich vom Himmel aus als Schutzengel, davon bin ich überzeugt. Mir kann nichts passieren, solange ich an diesem Gedanken festhalte. Außerdem, was sollten ein alter, gebrechlicher König sowie ein verrückter, noch älterer Professor und eine Zwergin mir schon tun? Sie sind alle drei alt und somit ungelenkig. Eigentlich sollte ich bessere Chancen haben. Eigentlich. Alter, verrückter Professor namens Mikkel? Warte, da klingelt es bei mir. Ein Zeitungsartikel kommt mir in den Sinn, darüber, wie man die Schwester von Königin Bellina all die Jahre verheimlichen konnte... Bellina hat in der Tat eine Schwester, diese heißt meines Wissens nach Aliénor. Belle und Adam dachten, sie sei tot zur Welt gekommen, dabei hat ein gewisser verrückter Professor die Prinzessin in dem verlassenen, alten Schloss eingesperrt. Als Bellina dann mit Nevis dort einziehen wollte, fand sie ihre Schwester Aliénor vor. Nun glaube ich mich daran zu erinnern, dass dieser Professor ein dänischer Professor mit dem Namen Mikkel war. Kann das sein? Sollte dieser nicht hinter Gittern sitzen? Nein... scheinbar nicht. Mein Angeblich-Großvater muss ihn freigekauft haben oder Bellina hatte mal wieder ein zu gutes Herz und ließ ihn gehen, doch das glaube ich nicht. Aber... ist das möglich? Ist er es? Ist er der grauenvolle Entführer von Aliénor? Ich drücke den zitternden Fuchs fester an mich, küsse seine Stirn.
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