Kapitel 18

Nachdem ich eben mit Königin Cinderella gesprochen habe, bin ich ziemlich durch den Wind. Sie sieht angeblich Potenzial in mir - MIR, der durchgeknallten Waisen! - und möchte ein Buch über mich schreiben. „Warum? Ich habe kein interessantes Leben", habe ich daraufhin mit einem lachenden und einem weinenden Auge gesagt. Sie meinte, das käme noch, darauf soll ich vertrauen. Ich habe nur mit den Achseln gezuckt und den Vertrag unterschrieben, ohne ihn zu lesen. Meinetwegen. Vielleicht werde ich so berühmt und ein Prinz wird mich aus meinem Turm der Einsamkeit befreien. Außerdem ist sie diejenige, die das Buch über Princesse Bellina und Prinz Nevis veröffentlich hat. Und eine Königin ist sie dazu auch noch. Ich hab ihr einfach mal vertraut.
Allmählich frage ich mich jedoch, ob es die richtige Entscheidung war. Ich meine, hat mal jemand darüber nachgedacht, wie sie  an ihre Informationen kommt? Hat sie welche, die mich von heute an Tag ein, Tag aus beobachten werden? Das wäre nicht nur gruselig, die würden höchstwahrscheinlich einen in die Eier von mir bekommen. Im Zuge dessen habe ich die Prinzessin aus Villeneuve wiedergetroffen und Schreiberling Johanna kennengelernt. Sie ist eigentlich keine Figur aus der Märchenwelt, aber durch das Schreiben hat sie den Weg in diese Welt gefunden. Eigentlich ist das ungewöhnlich, denn erst die toten Autoren schaffen es hierher. Dadurch bin ich auf den Autor meiner Geschichte getroffen - Hans Christian Andersen. Ich habe mich bei ihm beschwert, warum meine Eltern, meine Familie sterben mussten. Er konnte sich die Antwort nicht erklären, da er das Ende nicht hatte vorgesehen. Anschließend wollte ich erfahren, wie er auf die Geschichte gekommen ist. Die Idee kam ihm im Schlaf, denn im Schlaf verarbeite man die Gedanken und Geschehnisse des Tages. Er hatte zu der Zeit seine beste Freundin verloren und egal, wo er suchte, er konnte sie nirgends finden. Ich habe ihn versucht zu trösten, als er zu weinen anfing, weil es meine Schuld war. Er sagte lächelnd, dass ich ein liebes Kind sei und er genau deswegen weine. Angeblich war es etwas besonderes für ihn, mich zu treffen und ich sei so ein gutes, liebes Kind, dass ich auf mein Herz aufpassen müsse, nicht dass es jemand erfrieren lässt. Aber ich war gerade ganz woanders, nämlich bei dem Schreiberling Johanna. Anscheinend sind Johanna, Cinderella und Bellina jetzt das CiBeJo-Gespann oder sowas in der Art. Nä, klingt nicht besonders cool. Ich muss mir einen neuen Namen für die drei überlegen. Eigentlich sollte ich Cinderella ja anrufen, da sie befürchtete, ich käme dem Sturm wegen nicht sicher an, aber sie hat dann doch ihre Gute Fee geschickt, die mich in ihr Büro getragen hat. Nach dem Gespräch wäre ich nämlich mit Mad in der Stadt von ihren Schwiegereltern in Spe verabredet, also hat mich die Gute Fee netterweise mit ihrem Bibedibabedi zu sich bestellt und nun bin ich hier.
Mit einem weiteren Bibedibabidi bin ich zuletzt hier in New Orleans gelandet. Oh nein, ich meine Maldonien. In New Orleans wäre Tiana gern, aber ihr Gatte ist der König von Maldonien. Vor einem Gebäude mit der Überschrift Pina-Colada-Partytime wartet Mad auf mich. „Gerda, du bist echt gekommen, du Vampir. Verträgst du überhaupt noch Sonnenlicht, solange wie du da oben keins mehr abbekommen hast?"
Haha. Aber ich muss ihr zustimmen. Schnee zu dieser Zeit ist ziemlich ungewöhnlich, selbst für Arendelle. Wir haben gerade Mai und vor Milles Schlosstor wütet ein böser Sturm. Unnormal oder unnormal? Unnormal. Recht ungewöhnlich, bizarr. Trotzdem bin ich kein Vampir. Ich gehe einfach nur nicht auf so viele Partys wie sie. Das heißt im Effekt nicht, dass ich ein blutschlürfender, bissiger Vampir bin. Außer sie meint meine Art... das wäre nämlich gut möglich. Bissiger Charakter - ja, immer.
Nachdenklich lege ich einen Finger an mein Kinn. „Du wolltest übrigens eine Ratte essen, wenn ich mit auf eine deiner Partys komme. Hier bin ich", ärgere ich sie zurück. Ich drehe mich um meine eigene Achse, um ihr zu zeigen, wo hier ist.
„Gerda, sei nicht so kindisch. Das ist keine herkömmliche Party. Seine Ma ist dabei. Hallo? Ich kündige nur meine Verlobung an, wir plaudern ein bisschen und ich verkünde die Wahl meiner Brautjungfern. Mit Glück hauen wir richtig auf die Kacke, wenn die feinen Damen da sind."
„Da sind feine Damen dabei?"
„Jepp, was denkst du denn? Thambi ist ein Prinz und seine Mutter die Königin. Da gehören feine, langweilige Damen dazu. 'Tschuldigung, die Ladies sind nett, aber ich glaube nicht, dass man mit denen abfeiern kann."
„Wart's ab, alte Damen können ebenso cool sein", erwidere ich.
„Stimmt, du bist charakterlich gesehen auch eine von denen."
Sie klinkt sich bei mir ein und stößt die Tür zum Club - ist das ein Club? - auf. Die Hitze springt mir direkt ins Gesicht. Ich will zurück in mein kuscheliges Zimmer, wo ich halluzinationshafterweise heute morgen eine neue Nachricht an meinem zugefrorenen Zimmer vorgefunden habe. Für den Sturm, einfach alles. Verzeihst du mir? Natürlich habe ich mich an einer Antwort versucht. Diese ging in etwa so: Was kannst du dafür? Und wer bist du? Halluziniere ich? Prompt stand dort eine neue Botschaft von der unbekannten Person: Das wirst du noch herausfinden. Hat dir schon mal jemand gesagt, wie neugierig du bist? Ich werde dir meinen Namen verraten. Irgendwann, versprochen. Hab einen schönen Tag und nein, du halluzinierst nicht. Ich bin echt. Du könntest mich anfassen, mich sehen und mich küssen, wenn du das willst.
Das ist krank und trotzdem habe ich noch eine letzte Nachricht hinterlassen, nur um sicherzugehen, ob er männlich oder weiblich ist. Du hast eine schöne Schrift. Bist du eine Frau?
Die Antwort darauf habe ich nicht mehr gelesen, um nicht zu spät zu meinem Treffen mit Cinderella zu kommen und die Gute Fee womöglich noch allzu lange warten zu lassen. Eine Frau in Mads Alter drückt mir und der Verlobten einen Drink in die Hand. Darf ich den trinken? Unsicher sehe ich zu Mad rüber, die ein paar Jahre älter als ich ist. Manon kommt zu mir und umarmt mich. „Du darfst den Alkohol trinken. Ich habe mit deiner mor besprochen, dass ich auf deinen Alkoholkonsum aufpasse." Manon ist die Mutter der Braut in Spe und zugleich meine Stiefmutter.
„Und ich soll sagen, dass sie das wirklich gut kann, weiß sie angeblich Adleraugen besitzt." Verschwörerisch wedelt ihre Tochter mit ihren Händen vor meinem Gesicht herum.
Die Königin trägt ein elegantes, grünes Kleid, als sie auf mich zukommt, sagt „Ich weiß nicht, wer du bist, aber seit gestern sind alle Freunde Madelens auch meine Freunde." und mich umarmt. Sie riecht nach ihrer Gebäckspezialität. Köstlich, süße Beignets, womit ich die Umarmung nur zu gerne über mich ergehen lasse, selbst wenn ich mich seit dem Tod meiner Familie nur noch von wenigen umarmen lasse. Nicht weil ich alle für den Mord an meiner Familie verantwortlich mache, sondern weil... ich weiß auch nicht.
„Tiana, du kennst sie. Das ist Gerda. Wir haben dir doch gesagt, dass sie gewachsen ist", erinnern Manon und ihre Tochter die Königin an meine Wenigkeit.
„Ihr scherzt. Das ist die kleine Gerda? Nehmt mich nicht auf den Arm. Du bist die, die mich gestern angerufen hat?"
Ich nicke zur Antwort. „Ja. Ich habe Sie gestern wegen meinem Patenkind Lennja angerufen."
„Aber... aber... Als ich dich das letzte Mal gesehen habe, bist du zu mir gelaufen und hast mir gesagt, wie sehr du meine Beignets liebst. Da warst du aber um einiges kleiner, gingst mir bis zum Bauch", verdattert sieht die Königin von mir zu ihrer Schwiegertochter in Spe zurück zu Manon.
„Dann ist das bestimmt über sechs Jahre her", meint meine beste Freundin.
„Niemals."
„Doch", stimmt meine Stiefmutter ihrer Tochter lachend zu.
„Ihre Beignets liebe ich übrigens immer noch."

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