Bellinas Prolog
Es war einmal ein kleiner Junge mit weißem Haar, schneeweißem Haar um genau zu sein. Seine Eltern - beide fast dieselbe Haarfarbe wie der Junge - küssten zum Abschied seine Stirn. „Benehme dich, mein Sohn", sagte der Vater belustigt.
„Und gib ja auf deine große Schwester acht", ergänzte die Mutter.
Sie winkten ihrem geliebten Sohn. Der Mutter wurde schweren Herzens bewusst, was für eine schreckliche Mutter sie doch sein müsse, dass sie ihre Kinder an Weihnachten alleine ließ. Der Vater legte den Arm um seine Frau, die ihre weißen Locken, die an eine Wolke erinnerten, unter einer Haube versteckte. Welche Mutter ließ ihre Kinder an Weihnachten alleine? Dieser Gedanke wollte sie nicht loslassen, doch sie hatte eine Aufgabe, die darin bestand, die Welt zu retten. Leider gab es in jener einen Klimawandel, sodass es in vielen Ländern immer seltener schneite. Aus diesem Grund hatte ein Bekannter sie geschickt und dafür versprochen, auf seine Kinder aufzupassen, aber leider hatte er ebenfalls eine fast noch wichtigere Aufgabe, als die ihre, zu erfüllen. Er brachte Kindern Geschenke und spendete ihnen Hoffnung, Freude und Liebe. Ein letzter Blick zu ihrem Sohn, dann gingen sie nach draußen und reisten durch ein buntes, magisches Portal in eine andere Welt, in der es zu viel Leid gab, das sie mit allen Mitteln verhindern wollten. Sie wollten nicht, dass unschuldige Kinder starben, weil die Erwachsenen Kriege führten. Auch wollten sie keine Waffen, die ganze Länder auslöschten und sie wollten am liebsten jedes Leben schützen, es retten, um ein Leiden von den Menschen fernzuhalten. All das wollten sie, aber die Umsetzung war kompliziert und schien unmöglich.
Unterdessen spielte der kleine Junge - er muss gerade sechs oder sieben geworden sein - mit einer Eisenbahn, da kam ein anderer Junge und setzte sich. „Jules, das ist mein Name", stellte dieser sich vor.
Unser kleiner Junge nickte bloß und spielte weiter. Anstatt zu gehen, zuckte Jules mit den Achseln und spielte mit. Schließlich war es seine Eisenbahn. Außerdem hatte er abgesehen von seiner Schwester eh keinen Spielkameraden, besonders nicht bei der Eisenbahn. Wäre da nicht Immy Häkelchen, die sich rührend um die Kinder kümmerte. Frau Häkelchen war in jedes Geheimnis eingeweiht, als könnte sie selbst die Gedanken flüstern hören. Die Frau wusste, dass die Mutter des stillen Jungens sich schlecht fühlte, weil sie eigentlich Kinder liebte und sich immer welche gewünscht hatte. Früher da hatte sie die lieben Kinder reich beschenkt, aber die bösen bestraft, damit diese lernen würden, sich zu benehmen. In dieser Hinsicht waren sich die Eltern gar nicht so verschieden. Der Vater hat ebenfalls die guten belohnt, die schlechten dafür links liegen lassen. Als er noch jünger war, hat er sich den boshaften Kindern gegenüber geschämt. Natürlich waren sie nicht brav gewesen und hätten es somit verdient, aber manche Kinderlein waren eben nur so wegen der Erziehung ihrer Eltern. So in etwa hatten sich die Eltern des Jungen gefunden. Durch den Scharm, die Trauer, die sie verspürt hatten. Jetzt bräuchten sie sich keine Sorgen mehr machen, wäre da nicht die Sache, dass sie gerade auf dem besten Weg waren, ihre Kinder Mal wieder im Stich zu lassen.
Immy hatte ihre Tochter an der Hand. „Wollt ihr eine warme Schokolade?"
„Auuu ja!!! Wo ist Fjella?"
„Deine Schwester hat ihren Kakao bereits geschlürft. Sie wartet draußen mit einem Schlitten auf euch. Los, beeilt euch, nicht dass sie erfriert."
Liebevoll streichelte sie die Wangen der beiden Jungs.
💙
Das kleine Mädchen mit den schneeweißen Haaren - sie hatte nämlich die gleichen Haare wie ihr Bruder - war längst erwachsen geworden. Sie hielt die Hand von Immy, die ihr beruhigend darüber strich. Die junge Frau, die schließlich kein kleines zerbrechliches Mädchen mehr war, schrie vor Schmerzen, bis ihre Schreie sich mit den Schreien eines Kindes, ihres Kindes vermischten. „Du hast gerade deine Tochter zur Welt gebracht, liebes Kind. Welchen Namen soll sie bekommen?"
„Snegurotschka. Snegurotschka soll sie heißen. Wie die Schneeflöckchen vor meinem Fenster. Ein kleines Schneemädchen, mein kleines Schneemädchen", schluchzte die zu junge Mutter überglücklich. Doch plötzlich erstarb der Schrei des Neugeborenen. Erstarrt richtete sich die Mutter auf. In dieser Nacht waren nicht nur ihr Kind und der Vater ihres Kindes gestorben, nein, es war auch der Tag, an dem ihr gutmütiges Herz Geschichte war. Tief unten fing es ganz langsam an zu verdunkeln. Niemand hatte die Spiegelsplitter wahrgenommen, die sich in dem Herzen der Frau festgesetzt hatten. Nicht einmal Frau Häkelchen hatte es bemerkt. Die Gute saß bis zum Morgengrauen an dem Bett der jungen Frau, die ihren Geliebten und ihr Neugeborenes verloren hatte, doch am nächsten Tage war eben diese Frau verschwunden.
Ihr Bruder mit den Schneehaaren, der mittlerweile um die vierzehn, fünfzehn Jahre alt war, suchte sie vergeblich. Er rannte durch Wälder, durch die verschiedenen Welten, auf der Suche nach ihr, doch sie wart verschwunden. Die Eltern wussten bis dahin noch nichts von der Schwangerschaft ihrer geliebten Tochter, aber als sie von alldem erfuhren, waren sie außer sich vor Wut, schrien Frau Häkelchen an, beschimpften ihren geliebten Sohn und weinten zehn Nächte lang, doch immer noch gab es keine einzige Spur von ihrer ebenso geliebten Tochter. Selbst den Leichnam ihrer Enkelin Snegurotschka konnten sie nicht finden. „Wo ist sie nur, Jack?", weinte die Mutter.
Der Junge machte sich erneut auf die Suche. Zusammen mit seinem Freund Jules, doch auch zusammen war die junge Frau unauffindbar. „Jack, mein Lieber..." Die Mutter tat ihm so leid, es tat ihm schon im Herzen weh, sodass er nicht aufgeben würde, bis er mindestens ein Zeichen seiner Schwester fand. Zu gerne wäre er einfach aus diesem Alptraum erwacht, hätte mit seiner Schwester stattdessen Schneestürme herauf beschwört, doch diese Zeiten waren schon vor einigen Jahren vorbei, seit sie diesen für ihn doofen Cem kennengelernt hatte. Seit diesem Tage schon war es nicht mehr dasselbe mit ihr - sie wirkte erwachsener, was die Mutter erst erfreute, dann jedoch wurde ihr klar, was das für ihren Sohn bedeuten musste.
Leider wurde ihr in dem Moment der Trauer nicht bewusst, wie ihr Sohn unter dem Verschwinden seiner Schwester litt. Die Mutter fragte nicht, wie es ihm ginge. Sie interessierte nur ihre Tochter, die verschollen war, nicht ihr anderes Kind und nicht das mitunter wertvollste der Welt: die Liebe und die Hoffnung.
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