Kapitel 6
Ich bin dabei", eröffnet Hunter und prostet diesmal ihr zu. Ein fröhlicher Mensch, wie sie nun mal von Natur aus ist, prostet sie ihm zurück. „Es ist an der Zeit, die alte Bande wiederzuvereinen."
Peter kommt zu uns, legt die Hände um seine Freundin, nachdem er uns zugenickt hat und schaut in die Runde. „Was war das Thema eures Gespräches? Lass mich raten, es war... Ach nein, besser sag ich es nicht, sonst muss ich heute auf der Couch schlafen. Oder hat Adelheid es euch erzählt?"
Die Angesprochene schlägt ihrem Freund spielerisch auf die Brust. „Nenn mich noch einmal so und du liegst nicht nur auf dem Sofa, du kauerst", droht sie. Oh, wie ich sie doch verstehe. Würde mich jemand mit Jornandes rufen, würde ich ebenfalls durchdrehen. Ich hasse meinen richtigen Namen. Jay klingt da deutlich besser. Selbst der Spitzname Jayjay ist nicht ganz so übel wie mein eigentlicher Name.
Wir beiden reißen die Augen auf. „Wuhu. Hast du ihr das beigebracht? Gewaltiger Fehler."
„Ich habe ihr nichts dergleichen beigebracht. Hätte ich sie erziehen dürfen, wäre sie um einiges netter mir gegenüber."
„Jungs, tut nicht so, als wäre ich vorher nie so gewesen. Ich war nie einfach zu bedienen."
„Das stimmt", gibt Peter ihr recht.
„Hast du es ihnen erzählt?"
„Habe ich. Hunter ist dabei. Jayjay konnte noch nicht antworten."
Abwartend schauen daher nun drei Augenpaare auf meine Wenigkeit herab. „Ich, äh..."
„Du hast noch Zeit", besänftigt mich Peter. Dankbar nicke ich ihm zu, dann aber überlege ich kurz. Es wäre schön, wieder alle zusammen vereint zu sein. Außerdem bin ich erwachsen. Warum sollte ich es nicht wagen, in dieser Wohngemeinschaft mit einzusteigen? Dort habe ich alle, Heidi, Peter und Hunter um mich. Meine Freunde. Doch was ist, wenn das ein großer Fehler ist und wir einfach einen Strich unter die Rechnung setzen sollten?
„Du musst nicht. Wir sind dir deswegen nicht böse, glaub mir. Und wenn du dich jetzt dafür entscheidest, aber später dagegen, weil, keine Ahnung, unerfindliche Gründe auftreten, kannst du dich immer noch dagegen entscheiden. Das mit dem Geld bekommen wir schon geregelt. Es ist deine Entscheidung. Wir zwingen dich zu nichts. Denk daran."
Ich denke nach. Wiederhole den Vorgang erneut. Dann grinse ich breit. „Solange es noch was anderes gibt, als dieses scheußliche Zeug", damit halte ich den Becher hoch. Die anderen lachen. „Vorher muss ich jedoch noch mit meiner Familie reden."
„Ist doch klar", der Peter klopft mir auf die Schulter.
„Ich auch", sagt Hunter. Er fragt um Erlaubnis? Kennt man gar nicht von ihm. Als seine Lippen auf meinen lagen, hatte er zuvor auch nicht um Erlaubnis gebeten. Ich blinzel. Nicht daran denken. Bloß nicht daran denken.
„Darauf sollten wir anstoßen!" Mit den bunten Pappbechern stoßen wir an. Sobald das Gesöff meinen Mund erreicht, fangen die anderen an zu lachen. „Saufabende werden wir wohl nur ohne ihn veranstalten können."
„Einen Abend werde ich bestimmt überstehen", behaupte ich. Ich fühle mich unwohl in meiner Haut. Wieso muss man in meinem Alter Alkohol geil finden? Ich will nicht wieder der unbeliebte sein. Ob es wirklich die richtige Entscheidung war? Als ich die Blicke meiner Freunde sehe, weiß ich, dass es richtig war. Das werden drei wunderbare Jahre mit meinen Freunden. Irgendwie weiß mein Kopf das schon längst. Jetzt muss ich nur noch meinen Bauch davon überzeugen. Im Kopf summe ich das dazu passende Lied von diesem Mark Forster aus der Menschenwelt. „Wovon träumst du nachts?"
Finster kneife ich meine Augen zusammen, da kommen Liora und Connor um die Ecke. „Was wird denn hier gefeiert?", fragt er gelassen in die Runde. An seiner Stelle säße ich zusammengekauert hinter der nächsten Ecke, bis alles vorbei ist. Seine Freunde haben eine Party mit ihm und doch reden sie nur ohne ihn, weil er seine Freundin hat. Na gut, ich habe auch keine Freundin, von daher bin ich eh anders. Liora mustert einen der Reihe nach, bis Heidi sich zusammenreißt und anfängt, sich mit der Prinzessin zu unterhalten. Connor scheint es ungemein zu freuen, dass sie sich nicht wieder an die Gurgel gehen. Ob er seine Halbschwester doch tief in seinem Inneren mag? Verständlich wäre es. Am liebsten würde ich ihn darauf ansprechen, aber ich habe es Heidi versprochen. Manchmal frage ich mich wie Heidi so gutherzig werden konnte. Sie hatte kein leichtes Leben. Nachdem ihr Märchen und das ihrer sechs Brüder geschrieben war, schickte ihre Mutter die Sieben Geißlein zu dem Alm-Öhi in die Berge. Es war der Vater von ihrem Neuen, ein Mensch. Heidi lebte ihre ersten Jahre dort oben in den Bergen. Sie liebte ihren Opa. Für sie war es nämlich der richtige Großvater. Irgendwann entschied die Mutter jedoch, die Brüder müssen unbedingt zur Schule und dafür sollte sie mit, aber Heidi weigerte sich mit allen Mitteln. Daher und weil der Böse Wolf wieder aufgetaucht war, was nach neustem Stand ihr Vater ist, brachte sie Heidi schweren Herzens zu der gleichaltrigen Klara Sesemann. Nachdem das nichts gebracht hatte, die Gefahr, sprich der Wolf, gebändigt war und die Mutter ihre Tochter vermisste, kehrte Heidi zu ihrer Familie zurück. Der Alm-Öhi lebte von da an ebenfalls bei der Familie. Es war fast wie in dem Klassiker Heidi. Aber ein Unterschied gab es: Heidi kehrte nicht in die Alpen zurück. Wahrscheinlich hatte die Familie das Peter zu verdanken. Mit Peter konnte sie überall glücklich werden. Peter. Er war es. Dadurch ist sie so wie wir sie kennen. Gutherzig.
So tief in meinen Gedanken habe ich gar nicht bemerkt, wie sich fast alle entfernt haben. Nur Heidi bleibt zurück. „Sei mir nicht böse, dass ich frage, aber bist du dir sicher, dass du nicht auf Hunter stehst?"
„Absolut sicher."
„Hör mal", sie umfässt meinen Arm. „Seit diesem Kuss bist du verändert. Seid ihr beide. Deswegen hatte ich wohl seit wir so jung waren gehofft, ihr würdet eines Tages zusammenkommen. Habe wohl sowas wie die Wahre Liebe in euren Augen gelesen."
Ich lache. Diese entzückende Ironie. Verdattert guckt mich Heidi an und ich erkläre ihr, wie es uns Jungs damals ging, dass wir das, was sie anscheinend in Hunters und meinen Augen gesehen hat, wir stattdessen in ihren und Peters Augen gesehen haben. Jetzt stimmt sie mit in mein Lachen ein. „Verrückt."
„Ja, oder? Wer hätte das gedacht. Mal ehrlich, ich, ich stehe nicht auf Hunter, glaube ich."
„Glaubst du oder weißt du?"
„Wie wäre es damit, ich werde mir erstmal über meine eigenen Gefühle klar, gehe mit Valerya auf das Date. Dann erst reden wir weiter."
„Du musst es mir nicht sagen. Du kannst, wenn du möchtest. Du musst nicht", betont sie.
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