Kapitel 25 - Hunter

In der Zeit des Aufbruches sehe ich Jay die Angst an. Ich hätte ihn ernst nehmen sollen. Er hatte eine Befürchtung und statt ihm zu helfen, habe ich mich über ihn lustig gemacht. Wer ist diese Cruella? Während er schon zur Tür hinaus ist, wende ich mich an Carlos. „Wer ist diese Cruella?"
„Meine Schwester ist vielen Menschen verständlicherweise ein Dolch im Auge. Keine Ahnung, ob deine Braut sie persönlich kennt, aber auf jeden Fall solltet ihr auf euren Hund achten."
Ich bin gewagt, ihm zu sagen, dass es nicht mein Hund ist, aber da ich Jay als meine Frau ausgegeben habe, sollte ich das wohl besser lassen. „Wir sind übrigens Hunter und... Jay." Nein, ich habe seinen Namen nicht vergessen, bloß weiß ich nicht, ob es so förderlich wäre, wenn jeder erfährt, wer er ist. Nicht, dass das seinen Hund in die Schussbahn besagter Schwester bringt.
„Hier", er drückt mir eine Tasche, ja, eine Stofftasche, in die Hand, aus der mir ein köstlicher Duft entgegen weht.
„Was ist das?"
„Euer Essen."
In meinen Taschen kramend suche ich das Geld zusammen. „Wieviel bekommst du?"
„Geht aufs Haus, sieh zu, dass ihr wegkommt", scheucht er. Hat er Angst vor seiner eigenen Schwester? Die muss ja echt eine verrückte Psychotante sein, diese Cruella. Nun sehe ich wirklich zu, hinter meiner Frau herzukommen. Gerade, als ich mich für seine Gastfreundschaft bedankt habe und dabei bin, die Kneipe zu verlassen, höre ich Schritte, die schrill vom Boden widerklingen. „Sei nicht immer so freundlich, Devil!" Sympathisch. Statt De Vil, deren Nachname, zu benutzen, macht sie daraus Devil, sprich Teufel auf Deutsch, als Spitznamen. „So verlieren wir unsere Kunden und... rieche ich da etwa einen Hund? Einen Dalmatiner?? Freundchen, wage es nicht, mich anzulügen. Ich habe ein Gespür dafür. Wo ist mein Pelztier?!"
„Wahrscheinlich musst du deinen Riecher kontrollieren lassen. Hier war kein Hund."
Drohend sehe ich noch ihren Finger in der Luft, dann fällt die Tür viel zu laut hinter mir ins Schloss. Jay ist schon ziemlich weit gekommen, aber ich bin schneller, daher hole ich ihn flink ein. Im Laufschritt neben ihn frage ich: „Woher kennst du die De Vils?"
„Du glaubst mir ja eh nicht." Das habe ich wohl verdient. Trotzdem lasse Ichsucht locker und versuche ihn nochmal zu fragen. Genervt antwortet er diesmal: „Mann, weil meine Familie schon seit ewigen Zeiten Dalmatiner züchtet. Daran habe ich mich erinnert, als wir das Gebäude betreten haben. Und kennst du den Disneyfilm zu Cruella? Ihr Gegenspieler ist ein Roger Dearly. Mein Großvater, soweit ich weiß. Irgendwas muss zwischen der Dearly-Familie und der Familie der De Vils vorgefallen sein und es macht mich fertig, nicht zu wissen, was und meinen Hund in Gefahr zu wissen kommt noch dazu. Verstehst du jetzt mein Problem oder glaubst du mir immer noch nicht?"
„Ich habe es kapiert. Ich war dumm, dir nicht zu glauben. Sorry, okay?"
Auf einmal kreuzt ein Mädchen unseren Weg. Verwundert bleibe ich stehen. Jay rennt erst weiter, entscheidet sich dann aber doch um und bleibt etwas abseits von uns stehen. Sein Hund Pongo setzt sich neben ihm demonstrativ in den Schnee. Das Mädchen entdeckt uns und sucht hinter mir Schutz. Okay... Was geht denn jetzt hier ab? „Wer bist du?", will ich unbedingt erfahren.
„Natascha", keucht sie atemlos.
Ich packe sie fest an den Schultern. Wieso haben alle so Angst in dieser Welt und vor was? Es ist eine verdammte Weihnachtswelt! Sollte das nicht etwas schönes sein? „Wovor fliehst du, Tascha? Vor einem Schneeball?", versuche ich mich an einem Scherz, um sie wieder zum Atmen zu bringen.
„Vor dem Weihnachtsmann, ob ihr es glaubt oder nicht." Fassungslos sehen wir sie an. Vor dem Weihnachtsmann? Sie flieht vor dem Weihnachtsmann? Wer flieht denn vor dem? Anscheinend sie. Ist sie sowas wie ein elf, der etwas vermasselt hat? „Was hast du getan, dass du vor ihm fliehen musst?", stellt Jay eine der vielen Fragen, die mir durch den Kopf gehen.
„Herr Gott nochmal, Natascha! Warum zum Kuckuck haust du ab?"
Wow... Da steht er. Mein Kindheitstraum. Mein Idol. Mein Held. Die Person, die ich mir als Vater gewünscht hätte. Aber... Er sieht anders aus als in meiner Vorstellung. Kein wegen Keksen kugelrunder Bauch und kein weißer Bart. Fast kommt mein Kindheits-Ich ans Licht und will losheulen. Das ist nicht der Weihnachtsmann. Das ist gewiss nicht mein Weihnachtsmann. Dieser hier hat fast mehr Muckies als ich und ein Milchbubigesicht ohne Anzeichen auf einen Bart. Mir fallen bald die Augen aus dem Kopf und Jay scheint es nicht anders zu ergehen. „Weihnachtsmann?", bringe ich wie erstarrt hervor.
Der Mann in roten Klamotten dreht sich zu mir um. „Oh, äh, hallo. So sollte mich eigentlich keiner sehen. Kindheitszerstörung und so..."
Die Frau hinter mir klammert ihre Nägel in meinen Unterarm. Vorsichtig löse ich ihre Finger von mir. Au, Mädels haben einen echt fiesen festen Griff. Jedenfalls dieses, aber ich glaube Heidi und somit alle anderen Mädchen auch.
„Natascha, bitte. Sei nicht so. Es tut mir leid, ich... habe", er schaut zu uns mit einem peinlich berührten Gesicht, dann spricht er leiser, jedoch nicht weniger eindringlich, zu ihr: „keinerlei Erfahrungen... mit Frauen wie dir..."
Oha, oha. Das endet böse. Frauen wie dir. Wie das allein klingt. Das nimmt wirklich kein gutes Ende. Ist Santa lebensmüde? Bestimmt. Weiß er nicht, wie man mit Frauen umgeht oder was? Vor Unglaube zieht nicht nur Jay scharf die Luft ein. „Frauen wie ich, ja? Was bedeutet das, hm?! Sag's mir!", fordert sie ihn auf zu sprechen.
„So habe ich das nicht gemeint... Ich meinte... Oh Mann... Okay, pass Mal auf. Natascha, ich kümmere mich um kleine Mädchen und lebe mit meiner Schwester zusammen. Mit Frauen wie du meinte ich schlicht und einfach, überhaupt keine Erfahrung mit Frauen. Nur mit meiner Schwester, aber die ist eh anders. Bitte, so war das nicht gemeint."
Er macht einen Satz nach vorne auf sie zu und somit auch auf mich. Allen Erwartungen nach steigt mir bei dieser Nähe der Duft nach frischgebackenen Plätzchen in die Nase. Doch ich merke, wie Natascha mich loslässt und durch den tiefen, glänzenden Schnee läuft. Aber der Weihnachtsmann wäre nicht der Weihnachtsmann, wenn er nicht an Schnee gewöhnt wäre und somit besser vorankommt als sie. „Was willst du eigentlich von mir, Jules?"
„Dich. Ich will dich. Bitte. Bitte lauf nicht weg. Komm mit. Bitte, Natascha."
"Was ist, wenn ich nicht will?"
Der Weihnachtsmann zuckt mit den Achseln, dann wendet er sich an uns. „Solltet ihr nicht besser weiter? Ihr wart gerade vor irgendwas auf der Flucht, aber das ist mir gerade ziemlich egal. Wenn ihr kein Leben auf dem Gewissen habt, bekommt ihr sogar immer noch Geschenke von mir. Und wenn ihr dieses Geschehen vergesst, wäre ich euch sehr dankbar."
„Wir werden das hier vergessen", verspricht Jay, ganz der Brave.
„Vielleicht", füge ich hinzu, wofür ich böse Blicke von ihm ernte. Zum Glück hat Santa nichts davon mitbekommen. Der ist noch ganz fixiert auf die Frau in dem bunten Kleid mit einem roten Poncho drüber. Soll er doch. Der Weihnachtsmann hat schließlich auch Glück in einer Frau verdient. Dieser Gedanke wird mir bestimmt viele Geschenke bringen. Der zweite dafür aber sicher nicht. Na ja. Eigentlich glaube ich auch schon lange nicht mehr an Santa, aber das Erlebnis hier ändert natürlich alles. Zum Abschied winken wir noch, obwohl er uns wohl nicht mehr gehört haben wird, so wie er der Frau hinterher gesprintet ist. Wie sie wohl aufeinander getroffen sind? „Tschüss, Jules!!! Frohe Weihnachten?", ruft Jay noch. Schleimer.
„Ja, ja, God Jul euch auch!"

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