Kapitel 1
Der Abschlussball. Das mit Abstand gehypeteste Fest im Märchenland. Jeder wollte eine Einladung, doch nur wenige bekamen eine. Warum? Weil jener Ball nur, wirklich ausschließlich nur, von dem Internat des Goldes veranstaltet wird. An dieses Internat gingen bis vor einiger Zeit nur die Adeligen. Seit ein paar Jahren ist es gewissen Sonderfällen gestattet, das Internat zu besuchen. Einer dieser Ausnahmen bin ich - Jay. Und mein Kumpel Connor. Ich hatte besagte Möglichkeit durch die Freundschaft zu Nevis, er hingegen hat es Königin Cinderella zu verdanken. Ach ja, es gäbe da auch noch Pans Familie als weitere Ausnahme. Auch ihnen verhalf Nevis oder besser gesagt seine Familie zum Start in ein besseres Leben. Das habe ich komplett vergessen, weil Lennox Pan sich jedesmal so sehr aufspielt, dauernd in seinem unehrlich verdienten Geld badet, dass er glatt als Prinz durchgehen könnte. Das ist der Grund, warum ich mich mit der Zeit immer mehr von Prinz Nerz entfernt habe. Ich mag den Prinzen viel zu sehr, aber ich muss auch an mich selber denken und daher entschied ich mich, auf Abstand zu gehen. Vielleicht bringt die Zukunft ja eine neue Freundschaft zu ihm. Schön wäre es auf jeden Fall, wo mir unsere frühere Freundschaft doch von Zeit zu Zeit fehlt. Die Tage mit allen anderen aus der Truppe - Connor, Nevis, Hunter, Peter und ich und ja, auch Lennox.
Aber ich schweife vom Thema ab. Heute ist der Ball. Natürlich laden andere Schulen ebenso zu Bällen ein, doch keiner ist derart spektakulär. Nevis läuft an mir vorbei und der Höflichkeit halber spreche ich ihn auf ein kurzes Gespräch an, aber er lehnt ab, sagt etwas, wie, dass seine Freundin schon viel zu lange auf ihn vor der Tür in der Kälte warten musste, er aber später gerne mit mir reden würde. Als er in der Menge verschwindet, schaue ich zu meinen drei Schwestern. Sie waren es, die mich genötigt hatten, herzukommen und sie konnten wirklich überzeugend sein. Leider. Meine ältere Schwester Trude, ihr richtiger Name lautet Edeltraud, verabschiedet sich, um in der tanzenden Meute unterzutauchen. Die anderen beiden, Walda und Hilde, eigentlich Knuthilde, unsere zwei jüngeren Schwestern, werfen mir diesen verschwörerischen Blick zu, bei dem ich genau weiß, dass sie etwas von mir wollen. „Jay?", synchron klimpern die zwei mit den Wimpern
„Was denn?"
„Du kennst doch Cédric, oder?" Würden sie aufhören mit dem Geklimpere, wäre es deutlich leichter. „Ja. Wieso?"
Allmählich dämmert es mir. Oh nein, bitte nicht. Doch zu allem Übel bestätigen sie meine Vermutung: „Kannst du uns nicht mit ihm vertraut machen?"
„Nein, kann ich nicht. Ich sagte, ja, ich kenne ihn. Das heißt nicht im Umkehrschluss, dass er mich kennt. Schon vergessen? Ich bin euer langweiliger, meist schüchterner Bruder."
Mein Blick schweift ab und trifft auf braune Augen. Diese Augen würde ich überall wiedererkennen. Warum wusste ich selbst nicht. Vielleicht wegen unserem Kuss aus Kindertagen? Wer weiß. Doch was macht er hier? Er war nicht aufs Internat gegangen. Ach, wegen Connor, dem Wolf, war er bestimmt hier. Nicht wegen mir oder so. Wahrscheinlich erinnert er sich nicht mal mehr an mich. Eigentlich schade, was aus der Jägerbande von früher geworden ist. Vor mir schnippst meine kleine Schwester Hilde wild herum. Walda und sie sehen sich mega ähnlich. Manchmal fällt es mir schwer, meine Schwestern voneinander zu unterscheiden. Alle sind wir blond. Alle meine drei Schwestern tragen ihre Haare lang. Die Unterschiede sind die Brille von Hilde, die wenige Schminke von Trude und zu guter Letzt das Auftreten von Walda. Walda ist momentan in der Pubertät, schwärmt den bösen Jungs hinterher und schminkt sich für meinen Geschmack viel zu krass, auch ihre Kleiderwahl missfällt mir derzeit meistens.
Lachend schüttelt besagte Schwester den Kopf. „Jay, Jay, Jay... Mein armer Bruder. Mach besser deinen Mund zu, du sabberst Hottie Hunter hinterher. So viel Sabber, da braucht man demnächst eine Badewanne", scherzt sie. Meine andere Schwester stimmt in das Lachen ein. Ich verziehe grimmig da Gesicht. Ich sabbere nicht wegen Hunter, dass das klar ist. „Was wollt ihr von dem Rosenprinz?"
„Äh, hallo?! Hast du dir den Leckerbissen von einem Mann mal angesehen? Wir wollten mit ihm reden. Was denn sonst?", meint Hilde augenverdrehend. „Du kannst nicht behaupten, dass du nicht auf ihn stehst. Du stehst sogar auf Prinz Dominick aus Barbie Die Prinzessin und das Dorfmädchen. Auf den steht keiner. Keiner kann seinen Gesang leiden."
„Nein, das werde ich nicht unterstützen. Ich werde nicht riskieren, dass ihr heute entweder heulend oder gar nicht nach Hause kommt. Ich kenne die Geschichten rund um den Rosenprinzen. Außerdem hat er Blanchette mit dem Kuss der Wahren Liebe erweckt. Und nein, ich stehe nicht auf den Prinzen aus einem Barbiefilm."
„Das wissen wir längst. Schon vergessen? Blanche ist auch unsere Freundin. Bitte vertrau uns einfach. Du sollst ihn uns nur vorstellen, nichts weiter. Bitte" Ich weiß genau was jetzt kommt, dennoch schaue ich hin. Dummer Fehler. Beide setzen sie ihren Schmollmund und den Dackelblick auf. Dem kann ich nichts entgegen setzen. Außer, dass ich es hasse, wenn sie das tun. Und ich noch immer darauf reinfalle. „Mama, wir sind gleich wieder da", statte ich ihr Bericht ab.
„Okay, bis gleich, meine Süßen."
Aufgeregt hüpfen meine Schwestern vor mir auf und ab, hin und her. Ich gehe auf jenen Prinzen zu und spreche ihn versucht freundlich an. Um ihn herum tummelt sich bereits ein großer Haufen Mädchen. Schön wär es, wenn so viele für misch schwärmen würden, aber das ist etwas, was nie passieren wird. Ich weiß ja noch nicht mal, ob ich auf das weibliche Geschlecht oder das männliche oder beide Geschlechter stehe. Vielleicht denke ich nach all den Jahren nur an den Kuss, weil es eine Erinnerung von vielen an die längst vergangene Freundschaft ist. „Seid gegrüßt, Prinz Cédric."
Der Prinz dreht sich zu mir um und mustert mich schräg. Die Mädels fangen schon an mich in Grund und Boden zu starren. Die haben es ja echt auf ihn abgesehen. Oha. In einen Krieg mit denen will ich nicht verwickelt sein. „Kennen wir uns?"
„Ich bin Jay aus einigen deiner Kurse."
„Jay... sagt mir nichts."
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