Cinders Prolog
Es war einmal die noch junge Bande der Jäger - die Jägerbande sozusagen. Diese Bande bestand aus den Kindern der bekanntesten Jägern aus den Märchen. Das war zum einen Peter, der Sohn von Paula. Paula beschützte einst die Ziegenutter vor dem großen Bösen Wolf, der sich später als der Vater der Geißlein und somit als harmlos, beziehungsweise ungefährlich herausstellte, wobei man das auch unterschiedlich sehen konnte. Aber das ist eine andere Geschichte. Zum anderen gibt es da noch Hunter, Sohn von Stefan, welcher Rotkäppchen vor dem Wolf retten wollte, obwohl sie sich bereits in das Monster verliebt hatte. Dann wäre da noch Jornandes, auch bekannt unter dem Namen Jay, Sohn von Florian, dem Jäger, der Schneewittchen laufen ließ und sich lieber selbst dem Tod übergab, als ein so bezauberndes Kind umzubringen. Auch der Sohn vom Wolf höchstpersönlich war anwesend, das war er ständig, denn die anderen Jungs zählten ihn zur Bande dazu. Des Weiteren waren an diesem Tag auch Prinz Nevis und Lennox mit dabei, weil sie Freunde von Jay waren. Für Verwunderung aller war der Peter diesmal noch nicht erschienen. Sonst verpasste er nie ein einziges Treffen.
Doch da kam er um die Ecke, aber war er nicht allein. An seiner Hand hatte er ein hübsches Mädchen in dem gleichen Alter der Jungen. Sie hatte braunes, fast schwarzes Haar und wahr ziemlich mager. Das Mädchen trug ein rotes Kleid mit einer gelben Jacke. Die Jungs machten große Augen, als hätten sie noch nie in ihrem ganzen Leben ein Mädchen vor Augen gehabt. Was nicht ganz falsch war, da Mädchen sonst nicht zu ihren Treffen eingeladen waren, Peter sagte ihnen, sie sollen ihre Münder wieder zu machen, sonst fliegen Fliegen rein. Darüber kicherte das Mädchen, was sich als Heidi entpuppte.
Heidi und die Truppe beschlossen mittels Flaschendrehen Wahrheit oder Pflicht zu spielen. Prinz Nevis war als erster an der Reihe. Er war ein höflicher Prinz, das Benehmen wurde ihm mehrmals, mit Strenge wenn nötig, beigebracht, sodass er von Peter nur wissen wollte, ob dieser die Heidi mochte. Darauf antwortete er mit Ja, denn er mochte das Mädchen sehr gerne. Die Runden gingen ähnlich weiter, bis Lennox Pan an die Reihe kam und meinte die lahme Runde etwas auffrischen zu müssen. An den eher schüchternen Jay gerichtet wollte er fragen, was dieser bevorzugte: „Wahrheit oder Pflicht, Jay?"
Der Junge wusste, er würde zum Angsthasen erklärt werden, wenn er sich für Wahrheit entscheiden würde, daher nahm er wenig begeistert die Pflichtaufgabe. Er wusste in etwa, was ihn erwartete, er kannte Pans Sohn seit Jahren, wo er doch mit Nevis befreundet war, doch das hatte er Nox nun wirklich nicht zugetraut. „Küss. Hunter. Auf. Den. Mund. Mit. Zunge."
Unsicher sah Jay zu Hunter. Das konnte er doch nicht erwarten. Die anderen protestierten, warfen Pans Sohn mit Kissen ab. Hunter nickte wenig hilfreich. War er mit einem Kuss einverstanden, um das nahende Chaos zu vermeiden? „Hey, hey, Leute! Wir machen es, okay? Okay."
Der Jägerssohn schloss angestrengt die Augen, schob seine Brille nochmal weiter nach oben auf die Nase, drehte seinen Kopf in die Richtung seiner Pflicht und wartete. Wartete weiterhin, bis er plötzlich die Lippen von Hunter federleicht auf seinen spürte. Dann kam seine Zunge ins Spiel. Jay hatte keine Ahnung, was er tun sollte. Er war noch sichtlich unerfahren auf diesem Gebiet, dem Küssen. Doch Hunter. Hunter wusste, was er machen musste, um diesen Kuss unvergesslich für beide Seiten werden zu lassen. Viel zu schnell endete dieser Wahnsinnskuss, wo man die Funken förmlich sprühen sehen konnte.
Während die beiden immer noch im Taumel dieses Gefühlschaos steckten, machten die anderen ungerührt weiter. Eigentlich wäre ja Jay an der Reihe gewesen, aber Lennox hatte die Flasche an sich gerissen und wandte sich an Heidi. Auch diese fragte er, was sie wollte und auch sie entschied für Pflicht. Diesmal spitzte Pans Sohn die Lippen. „Dann musst du mich jetzt küssen, Heidilein."
Peter, der die Szenerie genauestens beobachtet hat, sprang nun auf. „NEIN!" Wütend zog er die verdatterte Heidi hinter sich her. Lennox kriegte sich gar nicht mehr ein. Dabei packten die anderen zusammen. Ihnen war der Spaß an dem Spielverdorben worden. Connor, der Sohn vom Bösen Wolf, verabschiedete sich mit Hunter zusammen in eine andere Richtung. Die übrigen drei - Nevis, Lennox und selbstverständlich Jay - machten sich auf dem Weg zu Schneewittchens Schloss. Dort wohnte ihr Sohn Nevis und aber unmittelbar neben der Burg auch Jays Familie. Lennox war zu Besuch im Land von Schneewittchen und schlief heute bei dem Prinzen. Sein übliches Zuhause war bekanntlich in Nimmerland, wo seine Eltern, seine zig Geschwister und er selbst lebten.
An diesem Tag war jeden klar, dass dieser Veränderungen mit sich brachte, mit sich bringen würde. Zwischen Jay und Hunter hatte sich etwas geändert und zwischen Heidi und Peter war etwas geschehen, was sie selbst zu diesem Zeitpunkt noch nicht verstehen konnten. Aber auch für Nevis und Connor. Die zwei hatten die Liebe zwischen beiden Paaren gespürt und hofften auf das gleiche, unbeschreiblich schöne wie das, was den anderen widerfahren war. An diesem einen beinahe unscheinbaren Tag.
Heute hatte Jay keine Lust länger bei seinem Kumpel Nevis zu bleiben. Nicht so lange sich Lennox nicht wenigstens entschuldigte für sein Verhalten, was er heute an den Tag gebracht hatte. Gott sei Dank verstand der Prinz ohne viele Worte, warum sich sein Freund von ihm verabschiedete und nicht wie sonst mit ins Schloss kam.
Vor dem Schluss wartete ohnehin bereits Mutter Imke, die ihren Sohn vor den Augen der anderen beiden ganz doll an sich drückte. Beschämt schon er seine Mutter leicht von sich. „Mama, bitte nicht vor den anderen. Zuhause, ja?"
„Wenn dir das lieber ist."
Gleich, nachdem er es ausgesprochen hatte, tat es ihm schon leid. Frustriert über seine dämliche Reaktion ließ er den Kopf hängen, aber seine Mutter legte nur ihren Arm um ihn und zog ihn durch die Tore des teuren Schlosses. Nach einigen Metern hielt der Junge Imke an. „Mama?"
„Ja, Jornandes?"
„Wäre es schlimm für dich, wenn ich... wenn ich schwul wäre?", stellte er die Frage, die ihm seit dem Kuss auf dem Herzen lag.
„Um Gottes Willen, nein! Eine Mutter liebt ihr Kind erstens immer und immer und immer wieder, egal, was es tut, wieviel Mist es baut oder wen oder was es liebt. Zweitens wäre es egal. Es ist das wichtigste zu wissen, was man selbst fühlt, was man selbst empfindet. Wenn du auf einen Jungen stehst, dann ist das vollkommen deine Sache. Du kannst machen, was du willst, lieben, wen du willst. Eine Mutter ist nicht dazu da, ihr Kind nach ihren Regeln, ihrer Richtigkeit zu erziehen. Sie ist dafür da, dem Kind den möglichen richtigen Weg zu zeigen, was es damit anfängt, ist dem Kind selbst überlassen. Was ich damit sagen möchte ist, du hast die Wahl. Du entscheidest über dein Leben, aber ich werde für dich da sein. Immer.", antwortete sie mit solch einer Liebe, die nur eine Mutter übermitteln könnte.
„Bin ich schwul?", fragte er weiter. Die Mutter ließ sich auf einer Bank nieder. Diese Art von Gespräch benötigte Ruhe, sollte besser nicht im Laufen geklärt werden.
„Das weiß ich nicht, Liebling, das musst du selber herausfinden. Hierbei kann ich dir kaum helfen. Liebe ist kompliziert. Du kannst sie auf Anhieb finden oder ganz plötzlich verlieren... Liebe ist vielfältig, einzigartig..."
„Woher weiß ich, ob ich liebe?"
„Du wirst es erkennen."
Lange blieb es zwischen den zweien still. Irgendwann klopfte Imke Jay aufs Knie. „Wollen wir nach Hause? Die Mädels warten auf uns, um mit uns Barbie zu gucken und die Lieder mit dir zu singen."
Der Junge stöhnte auf. Er liebte seine Schwestern Trude, eigentlich Edeltraud, Walda und Knuthilde, seine Mutter wollte unbedingt althochdeutsche Namen für ihre Kinder, wirklich, aber manchmal würde er lieber Cars oder sowas in der Art gucken. Zum Glück gab es dafür die Jagdfreunde. „Wie war die Arbeit heute?"
„...Gut..."
„Warum redest du nie über deine Arbeit? Ich meine, ich weiß, wo du arbeitest, aber trotzdem."
„Es gibt halt nie interessante Dinge zu berichten", wandte sich die Mutter. Seit sie eine Witwe war, die allein für vier Kinder sorgte, war sie so distanziert, was ihre Arbeit betraf. Das ging nicht spurlos an ihren Kindern vorbei, die ihr alles Glück der Welt wünschten.
„Das glaube ich dir nicht jedesmal."
„Ach ist das so?"
„Ja, Mama, das ist so. Schneewittchen hat andauernd irgendwas über ihren Job als Königin zu äußern."
„Darf sie das überhaupt?"
„Weiß ich nicht. Habe mir keine Gedanken darüber gemacht. Ich finde, sie ist eine coole Königin."
„Das stimmt, Jay, aber das, also die Politik, ist meist Ansichtssache."
Unterdessen war Hunter zu Hause angekommen. Doch genau wie Jay wollte ihm der Kuss nicht aus dem Kopf gehen. Er ballte die Hände zu Fäusten. Auf einmal klingelte es an der Tür. Seine Eltern konnten es nicht sein. Die waren arbeiten, er hatte also sturmfreie Bude. Wenn er an der Tür gewesen war, konnte er am Fernsehen in aller Seelenruhe zocken. Entnervt stand er auf und ging zur Tür. Dort stand ein Fuchs in einem grünen Aufzug. „Hallo. Meine Eltern sind nicht da. Was kann ich für Sie tun? Soll ich meinen Eltern etwas ausrichten?"
„Ich bin wegen dir hier."
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