> Part 9
Am Morgen habe ich kurz überlegt, ob ich vielleicht blau machen sollte, aber dann machte ich mir Gedanken darüber, wie feige es wäre. Und ich ließ es bleiben.
Jetzt stand ich vor dem Schulgebäude und traute mich nicht reinzugehen. Meine Hände zitterten ein bisschen. Was wird mich dort drin erwarten?
Ich gab mir einen Ruck - wovor hatte ich Angst? Schlimmer konnte es nicht werden.
Ich betrat Gebäude 1 und ging geradewegs zu meinem ersten Klassenraum - Englisch.
Eigentlich müsste ich noch zu meinem Spind gehen um meine Englischbücher herauszuholen, aber dort waren noch die Reste von dem Quark drin, die gestern nicht auf mir oder dem Fußboden gelandet sind. Mrs Wiehert benutzte ohnehin so gut wie nie die Bücher und ich hoffte, dass sie es heute auch nicht tat.
Mike war schon da, genauso wie Mira und dessen Freundinnen. Sie lungerten auf den Tischen rum und unterhielten sich schnatternd, weswegen sie mich Gott sei Dank nicht bemerkten, als ich reinkam und mich in meiner Ecke 'versteckte'. Auch Mike schien keine Notiz von mir zunehmen, was mich ehrlich gesagt überraschte. Aber ich war froh drum.
Und das blieb auch so. Während des Unterrichts warf er mir keine gehässigen Blicke zu oder machte beleidigende Anmerkungen, wie sonst immer. So auch Mira. Sie schienen mich auch in der zweiten Stunde als wir Mathe hatten und in der Dritten bei Erdkunde völlig zu ignorieren - was mir natürlich nur recht war.
Ein kleines Stimmchen in meinem Hinterkopf fragte sich, ob es Mike vielleicht peinlich gewesen war von einem Mädchen geschlagen zu werden. Oder gerade, weil ausgerechnet ich es war. Aber dann dachte ich mir nur: Wieso sollte es ihm peinlich sein? Gerade weil ich es war, die ihn geschlagen hat ganz bestimmt nicht. Ihm war es egal, denn ich zählte nicht.
Deutlich entspannter ging ich zur Cafeteria und setzte mich an einen leeren Tisch. Aus den Augenwickeln sah ich wie Mira und Mike mit anderen Leuten einige Tische weiter saßen und lachten. Damian war auch unter ihnen. Keiner schien mich zu beachten.
Damian und ich sind heute zwar zusammen zur Schule gegangen, aber ich glaubte, er war sauer auf mich. Als ich ihn gefragt hatte, ob alles okay war, antwortete er nur mit einem kurzen Nicken und schwieg weiter. Ich tats ihm nach und als wir dann auf dem Schulhof waren, ging er ohne sich zu verabschieden zu Mike rüber und ließ mich stehen. Ich wusste ja, dass ich ihn nicht hätte anschreien soll, denn er wollte mir ja nur helfen und war ... besorgt? War er das? War er wirklich besorgt um mich? Wie auch immer, er schien sauer und verärgert zu sein. Und ehrlich gesagt, tat es mir auch leid. Aber mit einer Sache hatte ich recht: Es war meine Sache. Außerdem war es sowieso das erste und letzte Mal gewesen - da war ich mich absolut sicher - also warum sollte ich dann Hilfe brauchen? Ich brauchte sie nicht, nicht von ihm und auch von keinen Anderen.
Ich holte mein Handy aus der Vorderseite meiner Tasche und entsperrte es. Während meine Hände das Handy verbargen, laß ich die Nachricht, die ich von Leah bekommen hatte:
Kino? Heute um 15 Uhr? Der Film mit Josh Hutcherson ist draußen!
Und dahinter hatte sie tausende von Herzen-Smileys hintergeklatscht. Ich überlegte. Kino klang gut und ich war schon lange nicht mehr dort gewesen. Mit wem denn auch? Also schrieb ich ein kurzes 'Alles klar. x' und sperrte mein Handy wieder, als eine weitere Nachricht ankam.
Dad: Sally & ich fahren heute Mittag weg. Essen steht im Kühlschrank. Wartet nicht auf uns, könnte spät werden. xxx
Ich steckte mein Handy ohne zu antworten in die Tasche und stand auf. Damian und seine Freunde waren nicht mehr da, vermutlich sind sie zum nächsten Unterricht gegangen.
Unsere Klasse hatte jetzt eine Stunde Sport mit dem Hass-Lehrer der Schule; Mr Glint, der einzige Sportlehrer der Schule. Er war ein junger, aber schmieriger und notgeiler Typ, der sich an den Mädchen in Sportshorts und engen Tops erfreute, weswegen er auch häufig Turn- und Gymnastikübungen machte. Mich widerte es an, aber den anderen schien es nichts auszumachen, solange sie dann eine gute Note bekamen. Ich fand es einfach nur armselig. Aber das war nicht der einzige Grund, warum ich Sport nicht mochte. Nicht weil ich faul wäre oder keine Lust darauf hätte, aber Tollpatschigkeit und Unsportlichkeit ist keine gute Kombination. Damals als ich kleiner war und Mum noch lebte hatte sie mich in einer Tanzschule angemeldet. Ich bin den Kindern dort so dermaßen oft auf die Füße getreten (inklusive mir selber) oder habe ihnen (ausversehen!) beim Tanzen meine Arme ins Gesicht geklatscht, dass ich irgendwann freiwillig gegangen bin, bevor meine Tanzlehrerin mich rauswerfen konnte.
Als ich meine Sportkleidung aus dem kleinen Sportspind holte, verdrückte ich mich wie immer in die hinterste Ecke der Mädchenumkleide. Ich zog mein Bauch ein, als ich mir ein verblichenes T-Shirt über den Kopf zog und zog blitzschnell meine Jeans aus und die Jogginghose wieder an. Als einer der Ersten ging ich in die Sporthalle, wo ich mich auf die Bank setzte und wartete, bis wir anfingen.
***
"Hat irgendwer meine Klamotten gesehen?", fragte ich verzweilfelt an die Mädchen gewandt. Wir hatten in der Sportstunde nur drei Runden Völkerball gespielt - ohne irgendwelche Übungen! - und wir durften uns sogar zehn Minuten früher umziehen gehen. Was ich auch gerne gemacht hätte, wäre da nicht das kleine Problem mit meinen Anziehsachen: Sie waren nicht mehr da.
Die Mädchen ignorierten mich entweder oder schüttelten einfach den Kopf. Seufzend setzte ich mich auf die Bank und ließ meinen Kopf in die Hände fallen. Sollte ich jetzt mit verschwitztem T-Shirt und Jogginghose durch die Schule latschen? Verdammt, wo waren meine Klamotten?
Nach und nach verschwanden die Mädchen aus der Umkleide und ich war alleine. Ich ging zu dem großen Spiegel der im Bad über dem Waschbecken angebracht war und betrachtete mich. Das T-Shirt war in einem ausgeblichenen blassen hellgrün mit pinkem Schriftzug und es war ein bisschen zu groß für mich. Die Jogginghose war schwarz und weit, aber sie wurden an den Knöcheln ein wenig enger. Alles in einem wirkte ich noch fetter, als ich sowieso schon war. So konnte ich doch nicht in den Unterricht gehen.
Aber mir blieb eigentlich nichts Anderes übrig als so rauszugehen. Außer ich würde in den nächsten zehn Minuten meine Anziehsachen wiederfinden.
"Aria?", ertönte eine Stimme hinter mir und ich erschrak heftig. Ich drehte mich um und sah meinen Sportlehrer mit einem Bündel in der Hand. "Das hier hab ich gefunden. Sind das deine Klamotten?" Er reichte mir den Bündel und tatsächlich waren es meine Sachen.
"Ehm, danke", sagte ich. "Wo - wo haben Sie die her?"
"Die lagen im Mülleimer." Er zuckte mit den Schultern. Im Mülleimer? Warum lagen meine Klamotten im Mülleimer?
Ich nickte nur, wusste nicht was ich sagen sollte. Aber anscheinend erwartete Mr Glint irgendeine Antwort, denn er ging nicht. "Hat sich wohl einer ein Spaß erlaubt." Ich lachte kurz nervös auf. Wieso starrte er mich denn so an? "Ehm... ja. Ich würde mich dann gerne umziehen."
Irgendwas lag in seinem Blick was mich erschrak. "Nur zu."
"W-wie bitte?", stammelte ich und hielt meine Sachen fest umklammert. "Ich wäre Ihnen sehr d-dankbar, wenn Sie - " Aber er ließ mich nicht zu Ende sprechen, da drückte er schon meine Handgelenke inklusive mich mit seinem gesamten Körper fest gegen die Wand. Ich ließ meine Klamotten vor Schreck fallen.
"Was soll das?!", schrie ich entsetzt und schaute auf meine Handgelenke, die großen Hände des Lehrers fest um sie geschlossen. "Lassen Sie mich los!" Verdammt, was passiert hier gerade?
Seine Augen funkelten wild und er ließ seinen Blick auf mir auf und ab wandern. Er drückte fester zu. "Aua, lassen Sie das! Lassen Sie mich gehen!", rief ich. Meine Stimme zitterte vor Angst.
Aber da presste er auch schon seine feuchten Lippen hart auf meine. Ich war zu einer Salzsäule erstarrt, konnte mich nicht bewegen, die Augen vor Schreck aufgerissen. Sein Kuss wurde immer drängender, doch ich konnte mich nicht bewegen. Mein Körper war angespannt, jeder einzelner Muskel. Das Einzige, was ich in dem Moment dachte, war: Bitte, lass das nicht wahr sein. Lass das gerade nicht passieren.
Als er endlich seine Lippen von meinen nahm, ließ er mein linkes Handgelenk los. Er leckte sich über die Lippen und starrte mir in die Augen. Und ich starrte zurück, ich konnte nicht fassen was gerade passiert war. Ich löste mich erst aus der Schreckensstarre, als er mein T-Shirt anhob, sodass man die Hälfte meines Bauches sah.
"HILFE!", schrie ich, so laut ich konnte und versuchte mich loszureißen. "HILFE!!"
Doch er umfasste wieder meine beiden Handgelenke, so fest, dass ich ich mir einbildete, das leise Knacken der Knochen zu hören. "Hier ist keiner mehr, der dich hören könnte. Niemand, außer uns beiden."
"Bitte! Lassen Sie mich gehen! Was wollen Sie von mir?!" Ich zitterte wie verrückt und meine Stimme überschlug sich vor Verzweiflung.
Er war um einiges größer als ich, weswegen er in mein Ausschnitt gucken konnte, da mein T-Shirt total verrutscht war. Ich zappelte wie verrückt und schrie schrill.
"Du gefällst mir", flüsterte er. "Bist nicht so ein Hungerhaken, wie die Anderen. Hast mehr zu bieten."
"Sie sind doch nicht mehr ganz dicht!", schrie ich ihn an. "LASS MICH LOS!" Ich setzte all die Kraft, die ich hatte in den Tritt, den ich ihm verpasste, genau zwischen seinen Beinen. Sein lüsterndes Gesicht verwandelte sich in eine schmerzverzerrte Grimasse und er ließ meine Handgelenke los, während er in die Knie ging. So schnell ich konnte rannte ich an ihm vorbei, in die eigentliche Umkleidekabine, doch gerade als ich die Tür aufreißen wollte, packten mich zwei Hände am Bauch und zogen mich zurück. "VERPISSEN DICH!", kreischte ich hysterisch.
Er zog mich zurück in das Badezimmer und schloß auch die Tür. Bevor ich erneut um Hilfe schreien konnte, hielt er mir den Mund zu.
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