> Part 85
,,Endlich", rief ich und ließ mich vorwärts auf die Couch im Wohnzimmer fallen. Nachdem wir den ganzen Vormittag und ein Teil des Nachmittages mit Aufräumen verbracht hatten, waren wir gegen halb drei endlich fertig.
,,Wehe, Mum findet einen Staubkorn." Damian ließ sich mit Absicht auf meine Beine fallen, sodass ich schmerzerfüllt hochschreckte - naja so gut es ging, denn er saß ja auf meinen Beinen und ich konnte mich somit nicht zu ihm umdrehen.
,,Geht's noch? Geh runter!"
,,Dann mach Platz."
,,Ich war als Erste hier."
,,Und ich habe Geburtstag!" Seufzend bedeutete ich ihm von meinen Beinen runterzugehen, damit ich mich vernünftig hinsetzen konnte.
,,Wie 'n altes Ehepaar", kommentierte Sid, der sich auf den Sessel gequetscht hatte. Die Augen hielt er geschlossen und den Kopf hatte er erschöpft in den Nacken gelegt. Ohne ihn wären wir wahrscheinlich noch bis heute Abend mit Aufräumen und Putzen beschäftigt, weshalb ich ihm echt dankbar war. ,,Und was hast du jetzt noch vor?"
Damian zuckte die Schultern. ,,Und du?"
Sid öffnete seine Augen und stützte sich mit seinen Ellbogen auf den Knien ab. ,,Kommt drauf an."
Gerade als Damian antworten wollte, klingelte mal wieder das Telefon. ,,Ist eh für dich", sagte ich und Damian nickte, stand auf und ging schleppend in die Küche, wo er das Telefon zuletzt abgelegt hatte und ließ Sid und mich alleine. Ich spürte, dass er mich anstarrte, vermutlich machte er das auch extra, aber ich wich seinem Blick aus. Ich kannte Sid eigentlich gar nicht, und er wusste ein Geheimnis von mir, das sonst kaum jemand wusste und nun saß ich hier mit ihm, alleine, ohne ein Wort zu reden - es war kein Wunder, dass die Situation mehr als ungenehm war, zumindestens für mich.
,,Du musst nicht nervös sein", sagte er, klang dabei spöttisch, wie so oft.
,,Wieso sollte ich auch?"
Er überging meine Frage und schwieg, weshalb ich mich nach einer kurzen Bedenkpause zu ihm drehte. ,,Was ist?", wollte ich schließlich wissen. Ich hörte Damian aus dem Nebenraum reden.
,,Muss dir nicht peinlich sein", sagte er und sprach hastig weiter, als ich ihm widersprechen wollte, ,,ich weiß, dass es so is'. Ich werd's keinem erzählen oder so, falls du dir deshalb Sorgen machst. Euer kleines Geheimnis, meine ich. Damian ist schließlich mein Freund, also." Er zuckte mit den Achseln, als genügte das als Begründung. ,,Doch ich frag mich, wie das mit euch weitergehen soll."
In seinen dunkelgrünen Augen konnte ich die leise Besorgnis sehen, die zeigte, dass er sich wirklich Gedanken darum machte.
,,Soweit habe ich ehrlich gesagt noch gar nicht gedacht", gestand ich. Bis jetzt war ich mir nicht mal mehr sicher, ob es überhaupt weitergehen würde. Schließlich hatten wir nichts besprochen, kein Wort darüber geredet und ich wusste nicht, wie Damian darüber dachte.
,,Naja, es kommt, wie es kommt, richtig?" Er grinste. ,,Das hat jedenfalls meine Tante gesagt als sie im sechsten Monat schwanger war und nicht wusste, ob sie mit ihrem Freund Sex haben sollte oder lieber nicht."
Mit großen Augen starrte ich ihn verdutzt an.
,,Was?", fragte er. ,,Meine Tante ist bei solchen Themen sehr offen."
,,Wer ist offen?" Damian kam gerade zurück ins Wohnzimmer mit einem Glas Wasser und einer Schmerztablette, die er schließlich einnahm.
,,Meine Tante. Cassie."
,,Will ich die Story überhaupt hören?"
,,Vermutlich. Wirst du aber nicht", sagte Sid. Ich zog meine Knie an mich und stütze mein Kinn darauf.
,,Wer war am Telefon?", fragte ich.
,,Mum. Erst hat sie mich mit Geburtstagswünschen überfallen und dann hat sie versucht vorsichtig nach dem Wohlbefinden des Hauses zu fragen. Ich habe ihr erzählt, dass die Terasse abgebrannt ist und die Bullen gekommen sind. Sie hat es tatsächlich geglaubt."
,,Das ist ein wahrer Vertrauensbeweis", witzelte Sid. ,,Herzlichen Glückwunsch."
Damian verdrehte die Augen und rollte sich einen Augenblick später zusammen, drehte sich zur Seite und schloß stöhnend die Augen. ,,Sid, wieso rollst du dich eigentlich nicht vor Schmerz auf dem Boden oder kotzt dir deine Eingeweide aus?"
,,Weil ich nicht so eine Lusche bin, wie du? Schau dir Lev an, er ist 14 und verträgt beinahe mehr als du."
,,Es war ja auch nicht Lev, den ihr mit einem Eimer Bier abgefüllt habt", sprach Damian, wobei er seine Lider geschlossen hielt. Er hatte eine Hand unter seine Wange gelegt und die andere presste er hart auf seinen Kopf, während seine Füße zwischen meinen angezogenen Beinen lagen.
,,Dafür also der Eimer", murmelte ich. Vorhin noch hatte ich mich gefragt, warum ein weiterer nasser Eimer in unserem Wohnzimmer stand und dachte erst, jemand hätte dort hinein gepinkelt.
,,Ich werd' dann mal gehen", sagte Sid und stand mit seinen Worten auf, ,,wenn mit dir nichts los ist, du Waschlappen. Sehen wir uns morgen?"
,,Mal schauen", murmelte Damian müde. Sid wuschelte ihm noch grinsend durch die Haare, bevor er mir zuwinkte und dann betont fröhlich pfeifend durch unsere Haustür verschwand. Damian stöhnte gequält auf, legte sich auf der engen Couch in eine andere Position, sodass er auf dem Rücken lag, beide Hände hinter dem Kopf verschrenkt und die Beine wie selbstverständlich auf meinen Schoss gelegt. Ich sagte nichts dazu und legte meine Arme auf seine Beine. Es vergingen einige Minuten - Zehn? Fünfzehn? - in denen er sich nicht rührte und die Augen ruhig verschlossen hielt, weswegen ich dachte, er sei eingeschlafen. Vielleicht war es das ja auch kurz, doch als ich wieder zu ihm schaute, standen seine Augen offen und sein Blick lag trübe auf mir. Er gähnte herzhaft ohne sich die Hände vor dem Mund zu halten.
,,Jetzt wäre der passende Augenblick mir zu erzählen, was gestern alles passiert ist, bevor ich wieder in das Reich meiner Einhörnerarmee verschwinde", sagte er.
,,Und du willst ein Mann sein?"
,,Ich bin ein Krieger. Somit auch ein Mann. Aber lenk nich' ab."
,,Was willst du denn hören?" Ich wollte nicht über das, was gestern passiert war, nicht sprechen, aber natürlich würde Damian nicht locker lassen. Ich lehnte mich mit dem Ellbogen auf die Sofalehne und schaute ihn abwartend an.
,,Wo bist du gestern mit Justin gewesen? Woher hast du den blauen Fleck? Hab ich unser kleines Rendevouz gestern Nacht geträumt? Hast du deinen Pulli wirklich falsch herum an?"
,,Oh Mist." Tatsächlich: Ich hatte überhaupt nicht gemerkt, dass ich meinen Pullover verkehrtherum angezogen hatte und anscheinend hatte es bis jetzt auch keiner nötig gehabt, mir Bescheid zu sagen. Aber ich wollte mich in dieser gemütlichen Position auch nicht nach oben begeben, um es richtig zu drehen und hier, vor seinen Augen, wollte ich es auch nicht tun, also ließ ich es, wo es war, mit dem Etikett vorne heraushängend. ,,Was den Rest betrifft: Bin ich bei einem Verhör oder was?"
,,Ja", antwortete er schlicht.
,,Du erzählst mir auch nicht, was du gestern getrieben hast."
,,Wieso sollte ich?"
,,Willst du mich verarschen?", gab ich zurück. Aber ich sollte ich alles erzählen?!
Er lachte bloß. ,,Na schön, was willst du denn wissen, Drama-Queen?"
Jetzt, wo er mich fragte, fiel mir nichst ein, klar. Natürlich könnte ich ihn fragen, wie weit die Freundschaft mit dieser Marie und ihm ging, bei wem er sich den Lippenstiftabdruck auf seinem Shirt geholt hatte oder ob und wenn, was er gestern in meiner Abwesenheit mit anderen Mädchen getrieben hatte, aber das wären Fragen gewesen, die mir selbst schon zu eifersüchtig und besitzergreifend rüberkamen und so wollte ich auf gar keinen Fall wirken. Er gehörte mir schließlich nicht. Also fragte ich:
,,Was hast du so geschenkt bekommen?"
,,Einen Nike-Pulli, Haar-Gel, was ich eigentlich gar nicht brauche, Alkohol, Ina wollte für mich strippen, Patrick hat ein paar Bilder von uns allen entwickeln lassen ... uhm, eine Jacke, irgendein Scherzkeks hat Kondome mitgebracht mit der Aufschrift ' for the little ones ', 'n Gutschein und Sid, Patrick, Matt, Lev und Jeremy haben mir eine Gitarre gekauft." Er überlegte. ,,Vielleicht hab ich auch noch was vergessen."
,,Eine Gitarre?", staunte ich. ,,Wow."
,,So und jetzt bist du dran", forderte er.
,,Na schön. Justins Freunde wollten gestern 'um die Häuser ziehen' und da es mir hier ... zu voll wurde, bin ich einfach mit ihnen mitgegangen. Justin war ja auch dabei."
,,Wie beruhigend", murmelte er. ,,Was habt ihr so getrieben?"
,,Jetzt bin ich erst dran", sagte ich. ,,Ina wollte also für dich strippen?"
Grinsend wackelte er mit den Augenbrauen, bevor er sagte: ,,Ja, ich hab die Gelegenheit verpasst."
,,Wie schade", meinte ich sarkastisch. Ich erinnerte mich, wie Ina vor versammelter Schülerschaft mittem im Schulflur fragte, ob ich nun endlich größere Brüste bekommen hätte oder es nur Speck wäre. Daraufhin bin ich wegelaufen, und hab, wehleidig, wie ich nun mal war, geheult, bevor Damian mich gefunden und in den Arm genommen hatte.
,,Geht so. Also?"
Ich holte tief Luft. ,,Wir sind mit seinen Freunden halt durch die Gegend gelaufen. Ich kam mir aber auch irgendwie fehl am Platz vor, wie du dir sicher denken kannst. Aber naja, irgendwann kamen wir an einem Platz an, da waren viele Leute, Jugendliche wie wir. Leah war auch da. Justins Freund Louis hat dann einem anderen Typen angeboten mit ihnen einen Joint zu rauchen und dann saßen wir da, die Jungs haben einen Joint geraucht und ich fragte mich, was ich hier zu suchen hatte." Damian blinzelte und ich fuhr fort. ,,Und irgendwann hat der Kerl, den Louis angesprochen hat - Maik hieß er übrigens - angefangen sich mit einem anderen Typen zu prügeln." Vor meinem inneren Augen sah ich nochmal die Szene, wie es aufeinmal lauter wurde, die Menschen sich um die beiden versammelten und es immer voller um uns wurde. ,,Keine Ahnung, ob der Joint es war, der ihn so aggressiv gemacht hat, aber es wurde immer schlimmer und der andere Junge konnte sich irgendwann gar nicht mehr wehren und es kamen immer mehr Leute, die nur zugeschaut haben und Justin und ich saßen da immer noch auf dem Boden, aber ich verstand nicht, wieso die Leute nicht geholfen haben. Ich meine, viele von denen hätten sicher eine Chance gegen Maik gehabt, oder sie hätten die Polizei rufen können oder so, aber das haben sie nicht und ich war aufeinmal so wütend, ich weiß auch nicht."
,,Wenn jetzt das kommt, was ich ahne, dann frage ich mich, wie dumm und mutig man zur selben Zeit sein kann", sagte Damian und sah ziemlich ungläubig aus.
,,Ich weiß selber, dass es dumm war, aber was hätte ich denn sonst tun sollen?", verteidigte ich mich. ,,Stell dir vor, ich wäre da sitzen geblieben und kein anderer wäre an meiner Stelle dazwischen gegangen. Was wäre dann passiert? Darüber hat sich keiner von denen Gedanken gemacht."
,,Was ist mit Justin?"
,,Ich hab Maik kurz davon abhalten können weiter zuzuschlagen - irgendwie muss er mir dann mit seiner Faust das da verpasst haben", ich deutete auf meine Schulter, ,,aber danach wusste ich nicht, was ich tun sollte, und er kam auf mich zu, doch dann kam Justin und hat ihn solange ... geschlagen, bis wir weglaufen konnten. Ende."
Damian schien ziemlich sprachlos über meine Geschichte zu sein, wahrscheinlich hatte er was ganz anderes erwartet und sich schon selbst irgendwas zusammengereimt. ,,Und was mit dir passieren könnte, war egal, nicht wahr?"
Anstatt zu antworten, musterte ich ihn. Keine Ahnung, was er dachte oder ob er sauer war (obwohl es dazu ja nun echt keinen Grund gab), er schaute mich bloß an, als erwartete er tatsächlich eine Antwort auf seine rhetorische Frage.
,,Ich hab in dem Moment nicht daran gedacht", antwortete ich schließlich. Er seufzte und setzte sich mit Schwung auf, sodass er mir gegenüber saß.
,,Du kannst stolz auf dich sein, das weißt du?"
Wieder zuckte ich bloß mit den Schultern, gab keine richtige Antwort darauf, so wie bei Justin gestern, weil mir einfach nichts zu sagen einfiel. Jetzt, wo ich wieder darüber nachdachte, wurde mir klar, dass ich eigentlich selbst von mir überrascht war - hätte mir vorgestern jemand gesagt, dass ich zwischen eine Prügelei gehen würde, hätte ich demjenigen ins Gesicht gelacht, denn ich wusste, wie feige ich normalerweise war.
,,Was hast du denn gedacht, was ich mit Justin vorhabe?", fragte ich dann themawechselnd.
,,Rummachen in einer dunklen Gasse mit anschließender Heroineinnahme?"
,,Aha."
,,Vielleicht die harmlosere Version."
,,Überhaupt gar keine Version", widersprach ich energisch. ,,Er hat eine Freundin!"
,,Ja und? Für manche ist das echt kein Hindernis."
,,Denkst du wirklich, ich wäre so eine?", ich hielt inne. Ich bin so eine. Schließlich hab ich Damian geküsst, obwohl er Leah hatte, wobei genaugenommen nichts Ernstes zwischen ihnen war, jedenfalls nach Damian. ,,Kann ich dir noch was erzählen? Aber du musst mir versprechen mit keinem darüber zu reden."
Er machte große Augen und nickte heftig. ,,Ich liebe Geheimnisse, die mich nichts angehen."
,,Du klingst wie Gossip Girl."
,,Gossip Girl?" Verständnislos schaute er mich an.
,,Du kennst Gossip Girl nicht?"
,,Ich hab das Gefühl, dass ich mich dafür entschuldigen müsste ... "
,,Nein. Obwohl doch, schon, aber das ist jetzt 'n anderes Thema. Ich war ja gestern bei Carter, deinem Freund."
,,Ja."
,,Und Carter hat ja einen Mitbewohner. James."
,,Komischer Typ", kommentierte er.
,,Ich saß da also auf dem Sofa und dann kommt James runter - halbnackt."
,,Klingt bis hierher doch schon ganz interessant."
,,Und hinter ihm tauchte plötzlich Riley auf und hatte auch nicht sehr viel an - "
,,James ist schwul?"
Diesmal war ich diejenige, die verständnislos war. ,,Nein? Riley ist ein Mädchen. Justins Freundin", fügte ich hinzu und hoffte, ihm mein Problem klargemacht zu haben.
,,Oh ... ", sagte er. ,,Oh!"
,,Und Justin denkt natülich, alles wäre zwischen ihnen gut und ich weiß, dass er sie liebt und ich will seine Beziehung nicht kaputt machen, indem ich ihm sage, dass Riley ihn betrügt, aber das ist doch das einzig Richtige, oder?"
,,Aria, du zerstörst seine Beziehung nicht indem du die Wahrheit sagst", sagte er, plötzlich wieder ernst. ,,Außerdem ist seine Beziehung längst zerstört, nur weiß er das noch nicht."
,,Und es liegt an mir, es ihm zu sagen." Um ehrlich zu sein, war mir das die ganze Zeit klar; wenn nicht ich ihm das sagte, wer denn dann? Schließlich konnte ich ihm nicht im Unwissenen lassen, oder?
,,Ganz recht", bestätigte Damian nickend. ,,Wenn du willst, können wir gleich direkt zu Justin gehen. Dann hast du es hinter dir. Vielleicht gibt's ja was zu lachen."
***
,,Denkst du, er wird sich freuen dich zu sehen?", fragte ich als wir vor seiner Haustür standen. Man erkennt deutlich, dass seine Eltern Geld haben, dachte ich. Und in diesem Haus hatten Damian und ich unseren ersten Kuss, damals auf Justins Geburtstagsparty.
,,Ich hoffe, sonst bin ich echt enttäuscht", gab er ironisch zurück und betätigte für mich die Klingel. Mein Herz flatterte und ich hatte absolut keine Ahnung, wie ich beginnen sollte. Doch Damian hatte Recht: Ich sollte es hinter mich bringen und Justin die Wahrheit sagen, bevor ich mich immer weiter davor drückte und ich war dankbar dafür, dass Damian mich begleitete. Obwohl Justin das wahrscheinlich nicht ganz verstehen wird ...
Als nach einer Minute niemand die Tür öffnete, klingelte er nochmal.
,,Ich komme, ich komme", rief eine Frauenstimme. Von Justin wusste ich, dass seine Eltern sehr viel arbeiteten (wodurch sich das ganze Geld erklären ließ) und daher hatte ich angenommen, seine Eltern wären nicht zuhause. Aber es war Wochenende, also waren sie vielleicht doch da, überlegte ich. Doch als die schwere Haustür geöffnet wurde, stand eine rundliche Frau vor uns, die nicht älter als dreißig war und eine altmodische Putzfrauenkluft trug. Ihre großen, freundlichen, braunen Augen schauten von Damian zu mir. ,,Guten Tag. Ich nehme an, Sie sind Freunde von Elias oder seinem Bruder? Elias ist allerdings nicht da." Ich sagte ihr, dass wir gerne zu Justin wollten.
Hastig nickte sie und ließ uns ohne weiteres Gerede eintreten. ,,Justin hat gerade Besuch, wissen Sie, aber ich werde ihn rufen." Was sie dann auch tat.
,,Justins Familie hat 'ne Haushälterin?", raunte Damian mir zu, was die Frau mitbekam. Sie lächelte.
,,Ich bin nur eine Reinigungskraft. Komme zwei Mal die Woche her, um die Unordnung aufzuräumen, die ich täglich hier vorfinde", sie seufzte. Dann war ich wahrscheinlich an den Tagen hier gewesen, wo sie frei hatte, denn auch ich wusste nicht, dass Justins Familie Hauspersonal hatte.
,,Was macht ihr hier?" Ich zuckte zusammen und blickte zu Justin, der oben auf dem Treppenabsatz stand. ,,Okay, nein, halt. Was machst du hier?" Verwirrt starrte er Damian an.
Mir fiel auf, dass er sein T-Shirt falschherum anhatte und nur eine Socke trug.
,,Wollt mal hallo sagen", erwiderte Damian.
,,Das hast du somit getan", sagte Justin und deutete auf die Haustür hinter ihm. Die Frau mit den freundlichen braunen Augen hatte sich unterdessen in einen anderen Raum begeben.
,,Für jemanden, der ungeladen auf meiner Party aufgetaucht ist, hast du 'ne ganz schön große Klappe."
,,Ah, stimmt. Alles Gute!"
,,Danke."
Ich warf den beiden einen perplexen Blick zu, kommentierte ihr komisches Verhalten aber nicht, sondern stampfte die Treppen hoch und wollte Justin an seinem Ärmel in sein Zimmer ziehen. Im Moment war ich mutig und ich wollte nicht warten, bis mein Mut aufgebraucht war.
,,Aria, was machst du - das ist echt keine gute Idee -" Nur widerwillig ließ er sich mitziehen und als ich sein Zimmer betrat, sagte ich mit rasendem Puls:
,,Ich will dir etwas sagen und das wird dir nicht -", ich unterbrach mich, als ich das Bett bemerkte. Es war sehr groß und wahrscheinlich auch total gemütlich, aber Justin stand direkt vor mir, die Stirn in Falten gelegt, und dann konnte es ja nicht sein, dass sich die Bettdecke ständig hin - und her wölbte, oder? Wenige Sekunden später wurde mir dann aber auch klar, wieso, denn plötzlich tauchte ein hellblonder Haarschopf an der Oberfläche auf. Rileys Mund formte sich zu einem 'O' als sie uns bemerkte. Ich beobachtete den Wechsel der Gefühle auf ihrem Gesicht, wie die Empörung und Überraschung sich langsam in Erkennen verwandelte als sie mich anstarrte.
,,Was ist denn so wichtig?", fragte Justin, fast schüchtern und kratzte sich an dem Hinterkopf. Damian, der nachgekommen war, stand am Türrahmen gelehnt und beobachte die ganze Situation.
,,Ähh", stammelte ich. ,,Vielleicht sollte ich morgen nochmal wiederkommen?"
,,Wenn du schon mal hier bist", versuchte Justin mich zum Reden zu Bewegen.
Ich starrte auf den Knopf an seinem Hemd, der falsch geknüpft war und überlegte, was ich sagen sollte. Die Situation hatte ich mir echt anders vorgestellt. Meine Augen glitten zu Riley, die sich aufgesetzt und die Decke um ihren Körper gewickelt hatte. Auch sie starrte mich an, fast beschwörerisch als wolle sie mir etwas mitteilen; ihre Lippen waren zu einer Linie gepresst, ihre dunklen Augen wirkten eisern und sie schüttelte kaum merklich den Kopf. Dann ahnte sie also, weshalb ich hier war oder wollte zumindestens sichergehen, dass ich nichts erzählen würde. Schlampe.
,,Es muss doch wichtig sein, wenn du sogar Damian mitbringst", versuchte Justin es weiter und ich löste mich von Rileys Anblick.
,,Nichts, was nicht bis morgen warten könnte ... "
Damian räusperte sich. ,,Wenn ich mich da mal einmischen darf - " Ich warf ihm einen wütenden Blick zu. ,,Ich glaube, ich schätze die Situation richtig ein und ihr wart gerade dabei Sex zu haben?"
Ich schloß die Augen. Oh mein Gott, das hat er jetzt nicht gesagt.
,,Irgendwie wüsste ich nicht, was es dich angeht?", gab Justin zurück.
,,Tut es nicht und glaub mir, es juckt mich auch herzlich wenig, aber vielleicht solltest du wissen, dass deine Freundin ein Flittchen ist."
,,Bist du besoffen?"
,,Nein? Aber danke der Nachfrage."
Justin wandte sich an mich, seine Miene wirkte hilflos und fragend. Er tat mir leid. ,,Könnt ihr mal Klartext reden?"
,,Ich - boah, scheiße, Riley hat dich betrogen, okay?"
,,Bist du bescheuert?", platzte es aus Riley, meiner Meinung nach viel zu schnell, doch wahrscheinlich hatte Justin das nicht bemerkt. ,,Wieso erzählst du sowas?"
,,Wie? Woher willst du das wissen?" Justin schaute mich an als wolle er mich mit seinem Blick durchbohren.
,,Ich hab sie gesehen. Bei einem Kerl namens James, sie tauchte plötzlich hinter ihm auf und hatte nur Unterwäsche an." Ich merkte selber, wie leise ich sprach, aber es war so leise im Raum, dass jeder mich problemlos verstand. Angespannt warf ich Damian einen Blick zu und er nickte beruhigend. Jetzt hast du's wenigstens hinter dir.
,,Ich kennen keinen James", widersprach Riley. Ihre Stimme war normalerweise normal; nicht zu tief, nicht zu hoch, doch jetzt sprang sie ein paar Oktaven höher.
,,Bist du sicher, dass Riley es war? Vielleicht war es nur irgendein anderes Mädchen ... "
,,Willst du sagen, dass ich lüge?", fuhr ich Justin an. ,,Ich habe sie gesehen, Justin! Du hast doch selber gesagt, dass es ein ewiges Hin - und Her zwischen euch ist - hier hast du den Grund. Ich bin nicht blind, ich hab sie dort gesehen", wiederholte ich. Er sah aus, als wolle er mir nicht glauben. Ruhelos schaute er Riley an.
,,Sie lügt", sagte sie schlicht und die Wut kochte in mir auf. Anscheinend hatte sie nichtmal ein schlechtes Gewissen, geschweige denn besaß sie sowas wie ein Schamgefühl.
,,Denkst du, ich würde dich freiwillig verletzten wollen, wenn ich mir nicht wirklich sicher bin?", sagte ich zu Justin, Riley ignorierend und möglichst ruhig. Kaum zu Glauben, dass ich Justin früher immer wieder Tipps in Sachen Riley gegeben hatte.
,,'n Scheiß denk' ich", erwiderte er und raufte sich die dunkelblonden Haare.
Erneut räusperte Damian sich. Es gefiel mir nicht, dass er die Situation so spaßig fand, jedenfalls wusste ich genau, dass er im Moment nicht den nötigen Ernst hervorbrachte. ,,Ich kann Carter anrufen und ihn fragen."
,,Wer ist denn jetzt schon wieder Carter?" Justin war kurz vorm Verzweifeln.
,,Der Mitbewohner von James."
,,Der wird dir auch nicht mehr sagen können als ich, denn. er. kennt. mich. nicht." Riley sprach die Worte mit extra viel Nachdruck aus, doch ich war die Einzige, die sah, wie sie nach diesen Worten die Augen schloss und zitternd durchatmete. Währenddessen holte Damian sein Handy hervor und suchte nach Carters Kontakt, rief ihn an und stellte auf Lautsprecher.
,,Hi, Damian", meldete sich ein fröhlicher Carter mit leicht nasaler Stimme.
,,Hey, wir befinden uns gerade in einer echt lebensbedrohlichen Situation und du bist der Einzige, der jetzt noch helfen kann." Ich sagte doch, er nahm das alles nicht ernst.
,,Schieß los."
,,Du bist du bestens vertraut mit James' Weibern, oder?"
,,Ich wüsste nicht, wie dir das helfen soll, aber ja."
,,Wie hieß seine Letzte?", fragte Damian.
,,Alter, wieso willst du das wissen? Ich komm mir blöd vor."
,,Es ist wichtig!"
,,Ich glaube, sie hieß Rita ... oder Rosie? Vielleicht war's auch Riley, man versteht James nicht immer, wenn er die Namen durch die Wohnung stöhnt."
,,Okay, zu viel Info", sagte Damian mit angewiderter Grimasse, doch auf seinem Lippen erschien ein triumphierendes Grinsen. ,,Aber trotzdem danke." Er legte auf und schaute Riley direkt an. ,,Nächstes Mal solltest du deinen Sexpartern besser den Mund stopfen, damit's nicht so laut wird."
Ich boxte Damian unauffällig in die Seite. Justin sah in dem ersten Moment total aus dem Konzept gebracht aus, und als er dann endlich begriff, was ich ihm versucht hatte klarzumachen, stand die Wut deutlich in seinen Gesichtszügen, bevor sie sich in Enttäuschung verwandelten. Man sah es ihm an, denn er presste die Lippen aufeinander und zog die Augenbrauen zuammen, als versuchte er seine Mimik unter Kontrolle zu halten. Einigermaßen kontrolliert drehte er sich zu Riley, die wenigstens ihre Klappe hielt.
,,Riley?"
,,Ja", sie blickte zu ihm hoch, auch sie versuchte sich im Griff zu halten. Ich fragte mich, ob wir nicht besser gehen sollten, Damian und ich.
,,Verpiss dich."
,,Justin, ich - "
,,'Justin, ich wollte es nicht'? Das macht mich jetzt auch nicht glücklicher. Du wusstest genau, dass ich dich liebe und es hat dich ein Scheiß interessiert. Also verpiss dich." Sie schauten sich einen Augenblick lang an. Ich wusste, dass sie sich überlegte, ob es sich lohnte weiterzureden, sich auszureden, aber das war nicht der Fall und das wusste sie. Wortlos zog sie sich ihr viel zu kurzes Sommerkleid über, schnappte ihre Sachen und stand auf. Noch einmal schaute sie Justin an, öffnete den Mund, schloß ihn aber wieder schnell, da sie sah, wie nüchtern er sie anblickte.
,,Ich hoffe, du bist jetzt glücklich", zischte sie in meine Richtung als sie dabei war den Raum zu verlassen. ,,Anscheinend liebst du es andere Beziehungen zu zerstören, nur weil dich keiner will und du deshalb verbittert bist. Aber kein Wunder." Mit diesen Worten verschwand sie und ließ mich sprachlos stehen.
,,Es tut mir so leid, Justin", sagte ich schließlich, nachdem ich den Kloß in meiner Kehle runtergeschluckt hatte und stellte mich vor ihm, damit er mich ansah. Ich hatte Justin in der Zeit, wo wir uns kannten, noch nie traurig gesehen, selbst als er mit Riley Streit hatte oder sie sich für eine kurze Zeit getrennt hatten, doch jetzt war er es und ich fühlte mich schlecht, weil ich nicht wusste, wie ich ihn trösten sollte. ,,Du weinst doch jetzt nicht, oder?", fragte ich ernstgemeint, da er angestrengt nach unten schaute, jetzt jedoch seinen Blick hob und sich ein gezwungenes Grinsen abringte.
,,Natürlich nicht. Bist du mir böse, wenn ich dir sage, dass ich jetzt gern allein wäre?"
Besorgt schaute ich ihn an, nickte aber. ,,Klar. Ruf an oder so, wenn irgendwas ist, okay?"
,,Es ist nur ein Mädchen, Aria", sagte er betont lachend, ,,Sie ist 'ne Bitch und ich brauch nur 'ne Nacht, dann bin ich über sie hinweg."
,,Vielleicht auch zwei Nächste." Ich lächelte schief und legte zum Abschied meine Arme um ihn.
,,Mich umarmst du nie so", sagte Damian als wir die Haustür von Justins Haus zumachten und alle außer Hörweite waren. Als ich ihn prüfend anschaute, hatte er eine Schmollmiene gezogen.
,,Du wurdest auch nicht betrogen!"
,,Aber ich habe Geburtstag."
,,In siebeneinhalb Stunden kannst du das nicht mehr als Ausrede benutzen."
,,Dann habe ich noch siebeneinhalb Stunden Zeit eine Umarmung zu bekommen", meinte er und tat so, als läge ihm unendlich viel daran.
,,Du kannst mich auch einfach fragen", lachte ich und er blieb mittem auf dem Gehweg stehen, räusperte sich übertrieben und säuselte dann: ,,Aria Benson, wie sehr würde ich mich darüber freuen, deine Arme um meinen Nacken spüren zu dürfen - hiermit frage ich dich in aller Form: Willst du mein Knuddelpartner sein?" Knuddelpartner??? Breit grinsend schaute ich ihn an, doch ich öffnete meine Arme und sagte schlicht: ,,Ja, okay."
Er klatschte wie ein kleines, begeistertes Kind in die Hände und legte seine Arme unter meine Arme, sodass ich meine an seinen Hals legen musste und plötzlich hob er mich mit einem Ruck hoch. Kurz spürte ich seine Hände an meinem Hintern und er brachte mich dazu, meine Beine hinter seinem Rücken zu verkreuzen. ,,Was soll das?", fragte ich fassungslos und schaute zu der Frau auf der anderen Straßenseite, die ihr kleines Kind an der Hand hielt und zu uns herüberlinste. Etwas peinlich berührt senkte ich meinen Kopf auf Damians Schulter. ,,Von so einer Umarmung war nicht die Rede!"
,,Was Justin bekommt, bekomm ich schon lange", war das Einzige was er dazu sagte, während er grinsend weiterging. Ich hob meinen Kopf von seiner Schulter, um ihn richtig ansehen zu können und sagte: ,,Du hättest echt nicht so sein müssen!"
,,Wie war ich denn?"
,,So ... sarkastisch!"
,,Wenigstens habe ich meinen Mund aufbekommen", sagte er und drückte dabei auf einen Ampelknopf. Neben uns stand ein Jugendlicher, der vielleicht vierzehn war und uns schräg von der Seite anschaute, während ich wie ein Klammeräffchen an Damian hing. ,,Wenn ich du wäre, hätte ich ihr nachdem, was sie zu dir gesagt hat, meine Fingernägel in die Augen gerammt."
,,Gute Idee, aber zu spät. Außerdem war es doch gar nicht so wichtig."
,,Das sagst du immer", seufzte er und überquerte die Straße als die Ampel auf Grün schaltete, grinste nebenbei die Autofahrer an, die uns mit Blicken verfolgten.
,,Wie weit möchtest du mich noch tragen?", fragte ich, obwohl ich es eigentlich gar nicht so schlimm fand - obwohl er eine Hand immer noch an meinem Po liegen hatte.
,,Weiß nich', ich find's lustig wie uns die Leute anstarren", antwortete er.
,,Stell dir vor, irgendwer, den wir kennen, sieht uns. Dad oder Sally zum Beispiel!"
,,Die sind doch gar nich' in der Stadt. Wie viel Uhr ist es eigentlich?", will er wissen. Ich zog sein Handy aus seiner Jackentasche und schaute auf das Display. ,,16 Uhr 46."
,,Scheiße, ich hab meine Geburtsstunde verpasst!"
,,Wann war die denn?", fragte ich und steckte sein Handy wieder weg.
,,Um 16 Uhr 40."
Ich fing an zu grinsen. ,,Da wurd ich auch geboren."
,,Ohne Scheiß?"
,,Ohne Scheiß", bestätigte ich.
,,Das ist ein Zeichen!"
,,Und wofür?"
,,Seelenverwandschaft?"
,,Ganz bestimmt", lachte ich.
***
Damian trug mich noch bis zur nächsten Ampel, wo er mich schließlich runterließ, weil sein Handy klingelte. Den restlichen Weg verbrachte er telefonierend und irgendwann bekam ich mit, dass es erneut Sally war, die wissen wollte, wie es uns ging und was wir an seinem besonderen Tag machen würden. Zuhause ging ich erst einmal nach oben, um mir bequemere Sachen anzuziehen, Lily zurückzuschreiben und Justin zu fragen, ob alles okay war. Als keiner der beiden antwortete, legte ich das Handy beiseite und beschloß Damian mein Geschenk zu überreichen.
Ich war aufgeregt, vielleicht sogar mehr als das, doch als ich sah, wie breit er grinste, war ich erleichtert. Sein Grinsen war echt und er schien wirklich erfreut über die Zeichnung zu sein. ,,Ich seh ja richtig aus wie ... ich", hatte er gesagt, während sein Blick auf das Bild gerichtet war. Dann überreichte ich ihm ein Gitarrenchip, mein zweites Geschenk. Darauf war eine kleine Gitarre abgebildet, die mit einem Herzschlagrhytmus verbunden war und auf der anderen Seite war eine einzige, silberfarbende Musiknote abgebildet. ,,Als du dich gerade umgezogen hast, bevor wir zu Justin gegangen sind, hab ich im Keller in den ganzen Kisten nach dem Teil gesucht. Meine Mum hat es mir damals geschenkt als ich unbedingt Gitarre spielen lernen wollte und ich dachte mir, dir nützt es mehr als mir."
,,Aber es ist von deiner Mum", meinte er vorsichtig.
,,Dann musst du halt ganz besonders drauf aufpassen", gab ich wieder und ich sah, wie er den Chip nachdenklich in seiner Hand herumdrehte.
,,Wenn es dir nicht gefällt -"
,,Es gefällt mir", unterbrach er mich energisch, ,,sehr sogar. Warte hier." Er lief die Treppe hoch und kam wenige Sekunden später mit seiner schwarzen Gitarre wieder. Er hielt das Ding in den Händen als wäre es etwas Heiliges, und vermutlich war es das für ihn auch. Er setzte sich in den Sessel und positionierte die Gitarre auf seinen Schoss, überlegte was er spielen wollte. Ich setzte mich währenddessen im Schneidersitz auf die Couch und lehnte mich mit dem Rücken zurück.
,,Okay", sagte er und drehte den Chip zwischen Mittel- und Zeigefinger. ,,Ich spiele etwas und du musst mir sagen, was für ein Song das ist. Wenn du's nicht errätst bin ich vermutlich schlechter geworden als ich gedacht hätte." Kurzzeitig senkte er die Lider und setzte ein konzentrierten Gesichtsausdruck auf, bevor er endlich anfing zu spielen. Genau wie beim ersten Mal verblüffte es mich, wie schön es klang - schon immer fand ich, dass Gitarren viel toller und besonderer waren als Klaviere oder andere Instrumente. Fast war ich ein wenig neidisch auf Damian und bedauerte es, dass ich früher nicht zielstrebiger gewesen war und nicht mit dem Gitarre spielen angefangen hatte, aber vielleicht konnte ich das ja nachholen...
,,Radioactive!", rief ich als mir die Melodie bekannt war. Damian nickte erfreut und begann einen neuen Song zu spielen, der mir aber auch nicht bekannt war als Damian nicht mehr wusste, wie es weiterging und aufhörte zu spielen.
,,Smells Like Teen Spirit", klärte er mich auf. ,,Nirvana? Das ist das einzige Lied, was ich von denen kenne."
,,Naja, bestimmt hast du's toll gespielt, nur ich kenne es nicht."
,,Okay, dann was anderes", er überlegte. ,,Besteht die Chance, dass du auch andere Lieder kennst als Ed Sheeran, One Direction, und das Übliche?"
,,Die Chance ist vielleicht gering, aber nicht ganz ausgeschloßen." Er fing an den Chip auf den Saiten der Gitarre zu bewegen, aber fast wie erwartet: Ich kannte den Song nicht.
,,No Women, No Cry von Bob Marley", erklärte er seufzend. ,,Aber okay, das war wirklich schwer." Er tippte sich mit dem Zeigefinger immer wieder an sein Kinn, um zu verdeutlichen, dass er nachdachte.
,,Gut, letzter Vesuch", meinte er und fing dann an, ein Lied zu spielen, welches ich tatsächlich kannte. Ich ließ ihn solange wie möglich spielen, damit ich ihn beobachten konnte, wie konzentriert er auf die Gitarre starrte, wie sein Fuß ganz leicht mit wippte und wie seine langen Finger an dem Hals der Gitarre immer wieder auf - und abglitten.
,,Jason Mraz", sagte ich letztlich stolz als er aufhörte zu spielen. ,,I'm Yours."
Zur Bestätigung grinste er bloß und stellte die Gitarre beiseite, legte den Chip auf den Sofatisch und lehnte sich zufrieden zurück, kreuzte dabei seine Arme hinter seinem Kopf. ,,Ich hätte nich' gedacht, dass ich noch so viele Stücke kann."
,,Du musst viel geübt haben. Ich meine, ich kann mir nicht vorstellen, dass es einfach ist sich so viele Lieder und Akorde oder was das auch immer ist, in kurzer Zeit zu merken." Ich schätzte Geduld war eine Vorrausetzung, die ich vielleicht aufbringen konnte.
Er nickte. ,,Ich hab aber auch schon mit elf angefangen", erklärte er. ,,Aber immer nur zwischendurch, ich war nie wirklich gut, bis ich gemerkt habe, dass Musiker gut bei Frauen ankommen, da hab ich's dann nochmal versucht. Ich weiß noch, wie ich stundenlang in meinem Zimmer saß und versucht habe diese gottverdammten Lieder einzuspielen. Lustigerweise habe ich bis jetzt nur drei Frauen etwas vorgespielt."
,,Wen?"
,,Meiner Mum, einer Freundin und dir", er grinste. ,,Oh, und meiner Oma. Vier Frauen."
,,Ich fühle mich geehrt", sagte ich lächelnd, wobei ich mich aber fragte, wer diese Freundin war, denn anscheinend war sie etwas besonderes.
,,Solltest du auch. So, jetzt hab ich Hunger. Wer macht mir was zu essen?" Anscheinend keiner, denn als ich nichts sagte, stöhnte er und stand auf, um sich selber etwas zu machen.
,,Willst du auch 'ne Lasagne?", rief er aus der Küche.
,,Nee", antwortete ich und ging dann selbst in die Küche. Während er seine Fertiglasagne in die Mikrowelle schob, setzte ich mich an den Tisch, um mir ein Glas Wasser einzuschenken - nur rutschte mir die halbvolle Flasche aus den Händen und das Wasser verteilte sich natürlich wider Erwarten auf dem ganzen Tisch und Boden. ,,Sag nichts!", forderte ich ihn auf. ,,Sag einfach nichts."
Er schloss seinen Mund wieder und drehte sich zu der piependen Mikrowelle um. Während ich die halbe Küchenrolle missbrauchte, um die Pfützen wegzuwischen, setzte Damian sich gemütlich an den Tisch, steckte sich hin und wieder eine Gabel voller Lasagne in den Mund und tippte nebenbei auf seinem Handy herum.
,,Die Jungs wollen skaten gehen", murmelte er etwas geistesabwesend.
,,Geh mit!"
,,Ich bin der Einzige von uns der nicht skaten kann", gab er zu.
,,Okay, das ist ein Abzug von deinem Klischee-Konto."
,,Meinem Klischee-Konto?" Fragend zog er die Augenbrauen hoch.
,,Ja, ich meine, du spielst Gitarre, bist sportlich, gutaussehend, beliebt - nichts als Klischees."
,,Ich will kein Klischee sein", jammerte er.
,,Ich glaube, die meisten Klischees wollen kein Klischee sein ... "
,,Wenn ich, als gutaussender - danke dafür -, sportlicher, beliebter, Gitarre spielender Junge mit einem kleinen Kätzchen knuddeln würde, wäre das kein Klischee, richtig?"
,,Wie kommst du denn jetzt auf kleine Kätzchen?", fragte ich überrascht.
Er deutete auf das Küchenfenster, welches zur Straße zeigte. ,,Da läuft Muschi, die Nachbarskatze. Ich könnte sie holen, um mit ihr zu knuddeln."
,,Eine Katze Muschi zu nennen, ist auch klischeehaft", gab ich zu bedenken.
,,Mhm", meinte er kauend. ,,Ich gebe es auf", er ließ seine Gabel auf den inzwischen leeren Teller sinken und stand auf, ,,ich werde jetzt ganz klischeehaft zocken gehen."
,,Anstatt mit deinen Freunden etwas zu unternehmen? An deinem Geburtstag?"
,,Genau. Machst du mit?"
,,Ich kann aber nur Mario Kart." Ich sah, wie er dramatisch die Augen rollte und sich ans Herz fasste.
,,Gut. Wenn's sein muss. Spielen wir halt Mario Kart."
***
hi leute. :-)
neues kapitel, yeaa. irgendwie sind die letzten kapitel immer um die 5000 - 6000 wörter lang geworden - im gegensatz zu früher, wo meine kapitel immer nur ca. 2000 wörter lang waren, hat sich das ja mehr als verdoppelt, lol. keine ahnung, woran das liegt, mir ist das in letzter zeit nur mal echt aufgefallen. ^^
lasst mir wie immer feedback da, würde mich sehr freuen! :-)
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