> Part 79

,,Ria! Es ist so schön, dich wiederzusehen", sagte meine Oma und trat einen Schritt vor, um mich in den Arm nehmen zu können. Auch ich schloss meine Arme um sie und merkte dabei, wie gebrechlich und.. dünn sie geworden war.

,,Alles Gute zum Geburtstag, Granny", sagte ich und drückte sie fest. Ihre faltenumgezogenen Lippen lächelten als sie mich losließ und mir einen Kuss auf die Wange drückte.

,,Dankeschön", gab sie zurück. Uns zu sehen, schien sie ehrlich zu freuen, dachte ich glücklich. Dann fiel ihr Blick auf Damian, der immer noch neben mir stand und lächelte. Freundlicherweise gab er meiner Granny die Hand, die sie lächelnd, wenn auch etwas skeptisch schauend entgegennahm.

,,Du bist also mein neuer Enkel."

,,Wenn Sie so wollen", entgegnete Damian grinsend. ,,Oh und alles Gute."


Während Ann die anderen begrüßte, ging ich an ihr vorbei in den Flur. Es war gemütlich eingerichtet, ein großer Wandspiegel zierte die eine Wand, wo außerdem eine große, hölzerne Kommode stand mit einigen Schuhpaaren davor. An der gegenüberliegenden, dunkelgrüntapezierten Wand, gleich neben der Haustür, wo Granny gerade meinen Dad in die Arme schloss, bemerkte ich die vielen Bilderrahmen. Sofort erkannte ich Mum auf einen der Bilder, welches schwarz-weiß war. Sie war darauf noch ein kleines Kind und hatte noch immer ihre Windeln an, während sie verwirrt in die Kamera blickte.

,,Sie sah damals fast genauso aus, wie du als kleines Kind", sagte eine tiefe Stimme hinter mir und als ich mich umdrehte, stand Opa hinter mir. Ich grinste, er streckte seine Arme aus und ich ließ mich in seine Arme fallen. Erst jetzt bemerkte ich wieder, wie sehr ich sie vermisst hatte. Zuhause war mir das gar nicht wirklich bewusst geworden. Ich quiekte überrascht auf als er mich hochhob und meine Füße vom Boden abkamen und er mich einmal herumwirbelte. Obwohl er genau wie meine Oma abgenommen zu haben schien (er hatte seinen Bierbauch fast verloren), war er anscheinend noch stark genug, um mich hochheben zu können.



,,Wo ist dein Bart?", fragte ich ihn lachend, als er mich losließ. Das letzte Mal als wir uns gesehen hatten, zierte ein weißer Vollbart sein Gesicht - früher dachte ich deshalb immer, er wäre der Weihnachtsmann und ich so lieb wäre, dass er fast jeden Tag zu mir nachhause kam. Und dann, im Kindergarten, hatte ich immer damit angegeben.

,,Ann hat ihn mir über Nacht abrasiert", scherzte Opa. ,,Fast hätte ich euch zu unserer Scheidung eingeladen."

Ich lachte und auch Dad, der hinter mir auftauchte, fing an zu grinsen, als er das mitbekam. ,,Hey, alter Mann", begrüßte er ihn und nahm ihn kurz in den Arm, eine typische Männerumarmung; fehlte nur noch der Klopfer auf der Schulter.


Mein Blick fiel zu Damian und Sally, die hinter Dad standen. Sally wirkte noch kleiner als sonst, ihr Blick war verunsichert und sie spielte nervös mit ihren Händen. Naja, ich wäre auch nervös, wäre ich in ihrer Situation. Schließlich lernte sie gerade die Eltern der verstorbenen Frau ihres Freundes kennen.

Damian dagegen wirkte keineswegs nervös. Er lächelte mir zu, als er meinen Blick auffing und reckte einen Daumen in die Höhe. Ich grinste zurück.



Später als alle begrüßt wurden, holten Dad und Opa die Taschen aus dem Auto und Granny führte Damian, Sally und mich durch das wunderschöne Haus. Es war etwas kleiner, als es von außen aussah und auch nicht so edel, wie man hätte meinen können, aber ich fühlte mich direkt wohl hier.

Ich bemerkte, dass Granny Sally ab und zu immer wieder Blicke zu warf, als wolle sie sie analysieren. Ich wusste, dass Sally das bemerkte, doch sie ließ sich nichts anmerken. Es war schließlich nicht einfach für Granny und auch für Opa, ihre Tochter durch eine neue Frau an Dads Seite ersetzt zu sehen. Wobei Dad sie natürlich nicht ersetzt hatte. Das würde er nie.

Aber es war auch nicht einfach für Sally sich wohl zu fühlen, wo sie doch genau wusste, dass meine Großeltern sie erst nach - und nach akzeptieren konnten, wenn überhaupt. Ich hoffte einfach, es würde alles gut ausgehen.

Jedenfalls führte Granny uns drei durch die Flure, zeigte uns ein großes Badezimmer und ein kleines - genauso wie bei uns zuhause -, die große Küche, das Wohnzimmer, wo der Tisch schon für die Gäste gedeckt war, die noch kommen würden und zuletzt präsentierte sie uns die Zimmer, wo wir übernachten konnten. Es waren zwei kleinere Gästezimmer und mir wurde klar, dass wir wieder vor einem Problem standen: Die Zimmerverteilung.

,,Ihr könnt später ja noch entscheiden, wo ihr schlafen werdet", schlug Granny vor. ,,Wir haben leider nicht mehr Zimmer, es sei denn einer möchte auf dem Dachboden oder auf der Couch schlafen ... "

,,Wir werden uns schon einigen", sagte ich.

,,Gut. So und jetzt gibt's erstmal Essen. Ihr habt bestimmt noch kein Mittag gegessen."


***

Ich half Oma in der Küche das Essen zuzubereiten, während die anderen zusammen mit Opa im Wohnzimmer saßen und sich unterhielten.


,,Ich hoffe, Damian und Sand - Sally mögen Schweinefilet", sagte Granny, während sie ein wenig Öl in eine Pfannge gab und die Filets reinlegte.

,,Klar, Sally ist nicht empfindlich in solchen Sachen und Damian isst eh alles, was er in die Finger bekommt", erwiderte ich und schälte die vorletzte Kartoffel, die sie mir auf den Tisch gelegt hatte.

,,Du magst sie also?", fragte sie nach einer Weile.

,,Wen jetzt?"

,,Sally und Damian."

,,Ja", lächelte ich. ,,Und du wirst sie auch mögen, glaube ich."

Granny warf mir über ihre Schulter ein Lächeln zu, doch es wirkte auch ein wenig traurig. Es wird ihr schwer fallen, Sally zu mögen, egal wie viel Mühe sie sich auch geben wird.


Ich stand auf, füllte den Topf, der schon auf dem Herd stand mit Wasser und legte die geschälten Kartoffeln herein. Als ich neben Granny stand, bemerkte ich, dass ich ein Stück größer geworden war und sie nun überragte - und ich war schon klein.

,,Weißt du, als ich gestern - oder war das vorgestern? - als ich da erfahren habe, dass Sallys Sohn bei euch wohnt, da hab ich ihn mir gar nicht so.. so gutaussehend vorgestellt. Ich alte Schachtel weiß ja nicht, was euch jungen Dingern heutzutage gefällt, aber ich glaube dieser Junge hat es nicht schwer bei den Mädels, oder?"

Irgendwie war ich ein wenig sprachlos und wusste nichts zu erwidern. ,,Ehm.. ich denke nicht, nein", sagte ich also und holte sechs Teller aus dem Küchenschrank heraus, nachdem ich sie erst eine Minute lang suchen musste.

,,Oh Schätzchen, wir haben schon gegessen", sagte sie lächelnd.

,,Für wen machst du dann das viele Essen?", fragte ich überrascht.

,,Na, für euch", lachte sie. ,,Später, um vier Uhr, kommen dann noch ein paar alte Freundinnen von mir und es gibt Kaffee und Kuchen. Oh, und Sarah kommt, sie hat sich so gefreut, als ich ihr erzählt hatte, dass ihr kommt."


Sarah war Grannys Schwester, also Mums Tante und somit meine.. Großtante? Was ich wusste, war, dass ich gespannt darauf war, ob sie sich verändert hatte.


***

,,So, und jetzt erzählt mal: Wie kam es dazu?", fragte Granny, als wir alle an dem großen Küchentisch saßen, da der Wohnzimmertisch ja bereits für Kaffee und Kuchen gedeckt war, mit einem großen Haufen Essen auf unseren Tellern.

,,Wie was wozu kam?", fragte Dad.

,,Naja, das alles. Wie habt ihr beide euch kennengelernt? Du hast mir am Telefon ja nichts erzählen wollen."

,,Nun, lass sie doch erstmal essen, Ann", mischte Opa sich ein, der neben Damian Platz genommen hatte.

,,Ist schon gut", lachte Dad und kaute auf einer Kartoffel herum, während er überlegte. Er warf Sally einen Blick zu, die es lächelnd erwiderte.

,,Also, wir arbeiten ja beide im Büro", fing er an zu erzählen. ,,Und da hatte unsere Firma ein Meeting mit der Firma von Sallys Chef. Wir saßen uns im Meetingraum gegenüber und keine Ahnung.. irgendwie fiel sie mir sofort auf."

Er sprach wie ein verliebter Teenager, fand ich. ,,Nachdem das Meeting beendet war, sprach ich sie an und dann kam es, wie es kam."

Granny bohrte weiter nach, Opa warf Sally, die stumm auf ihrem Stuhl saß und zuhörte einen entschuldigenden Blick zu und Dad antwortete auf die Fragen so gut es ging. Nachdem ich ein paar Kartoffeln und das Schweinefilet aufgegessen hatte, fühlte ich mich satt genug um die restlichen Kartoffeln liegen zu lassen. Plötzlich trat Damian mir mit dem Fuß gegen mein Schienbein, da er direkt gegenüber von mir saß, sodass ich erschrocken aufquiekte. Er rollte bloß übertrieben mit den Augen, während alle anderen verwirrt zu mir schauten.

,,Du hast sie echt schon beim dritten Date geküsst, Dad?", fragte ich gespielt entsetzt, damit sie dachten, mein Schreck gerade hätte mit dem zu tun, was Dad soeben erzählt hatte.

,,Ja..?", fragte Dad mehr, als er antwortete.

,,Oh, cool", sagte ich dann lächelnd. Sie alle, bis auf Sally, nahmen das Gespräch wieder auf und ich schaute Damian abwartend an. Er grinste blöd, deutete schließlich aber mit dem Kopf zur Tür. Da ich neugierig darauf war, was er wollte und ich echt keine Lust hatte, alle Details von Dad und Sallys Dates zu erfahren, stand ich auf und sagte: ,,Ich geh kurz nach oben, ja? Ich glaube, ich lege mich nochmal hin, bevor deine Gäste kommen, Granny."

,,Klar, mach nur. Du siehst mir ohnehin etwas blass um die Nase aus", meinte sie. Ich rückte also mit meinem Stuhl weg, räumte bevor ich ging, aber noch mein Teller und das Besteck in die Spülmaschine.

Ich ging die Treppe hoch und wartete oben im Gang auf Damian, der zwei Minuten später kam.

,,Was ist denn?", fragte ich. ,,Das wird ein blauen Fleck geben."

,,Das wird ein blauen Fleck geben", äffte er mich nach und ging an mir vorbei in das erste Gästezimmer, wohin ich ihm folgte. Die Wand wurde hier hellbraun gestrichen, es hingen zwei Bilder von gemalten Bergen und Landschaften von Wales an der Wand und außerdem gab es ein Fenster mit Ausblick auf den Garten. Der Garten der Nachbarn lag direkt an dem Garten von diesem Haus, er war nur durch eine Steinmauer getrennt. Es gab hier im Zimmer bloß ein Einzelbett und eine Couch, die jedoch ausziehbar war.


,,Wir sollten in einem Zimmer schlafen", verkündete er schließlich.

,,Sollten wir?"

,,Möchtest du etwa mit meiner Mum oder deinem Dad in einem Zimmer schlafen? Sie schnarchen beide wie Maschinengewehre."

,,Okay, überredet. Aber ich nehme das Bett."

,,Kein Problem, wir können es uns ja teilen", grinste Damian.

Liebend gerne. ,,Können wir nicht."

,,Du tust ja gerade so, als hätten wir noch nie zusammen in einem Bett geschlafen."

Lächerlicherweise wurden meine Wangen rosa.

,,Aber okay, ich werde auf der harten, unbequemen, nicht gemütlichen, mit Sprungfedern übersehrten, alten Couch schlafen."

,,Ich sehe keine Sprungfedern", meinte ich skeptisch als ich mir das Sofa genauer anschaute. Eigentlich sah sie sogar ganz gut aus, die Couch. ,,Und die Couch ist völlig heile."


,,Wir könnten sie ja kaputt machen", meinte er mit einem dreckigen Grinsen, doch trotzdessen brauchte ich eine kurze Zeit um zu verstehen, was er damit meinte.


,,Hör. Auf. Damit", sagte ich und schlug ihm bei jedem dieser Wörter auf die Brust. Er grinste mich währenddessen nur weiterhin von oben herab an, und packte bei meinem letzten Schlag meine Handgelenke, presste sie gegen seine Brust. Es verging ein Augenblick, in dem wir uns anstarrten, dann bückte er sich, legte mir einen Arm in die Kniekehlen und hob ich mich hoch, sodass ich mit dem Kopf aufgeschlagen wäre, hätte er mich nicht am Rücken festgehalten.

Angespannt zappelte ich mit meinen Füßen, die in der Luft hingen und klopfte ihm diesmal mit meinen Fäusten auf den Rücken.

,,Lass mich runter", nörgelte ich.

,,Erst sagst du mir, warum du so verklemmt und prüde bist", entgegenerte er und schaute mir dabei direkt in die Augen, sodass die Beleidigung erst eine Sekunde später ankam.

,,Oh, wie ich es liebe, mich von einem dämlichen, übergroßen Vollidioten beleidigen zu lassen", sagte ich beleidigt und zappelte noch mehr mit den Füßen, damit er mich endlich runterließ. Zu sagen, ich sei langweilig traf wirklich einen wunden Punkt bei mir. Er lachte aber nur und schmiss mich schließlich über seine Schulter, wobei ich für eine Sekunde dachte, ich würde fallen und sterben. Wie schaffte er das bloß? Mir enging nicht, dass er mich absichtlich am Po berührte und ich klopfte ihm nochmal wild gegen seinen Rücken.

,,Das ist unfair", schimpfte ich. ,,Ich bin machtlos ausgeliefert und du fasst mir an den Arsch!"

,,Du hast mir auf meine Brüste gehauen!", beschwerte er sich seinerseits mit viel zu hoher Stimme.

,,Scheißkerl!"

Plötzlich bewegte er sich vorwärts, während ich dort hang wie ein nasser Sack, mit einem viel zu roten Schädel. Daraufhin ließ er mich los, sodass ich auf mein Bett fiel und mit den Füßen an den Wänden aufkam. Ich versuchte mich aufrecht hinzusetzten, doch Damian zog mich an meinen Fußgelenken zu sich und so lag ich direkt vor ihm. Hastig zog ich mein T-Shirt, welches verrutscht war, wieder gerade.

,,Du weißt genau, wie ich das meinte", sagte er wieder ernster. Ich verschrenkte meine Arme vor der Brust und schaute schaute ernst zu ihm, wobei ich versuchte in meiner liegenden Position mein Doppelkinn nicht zu sehr zu zeigen.

,,So bin ich halt", antwortete ich und war immer noch leicht angesäuert. ,,Kann ja nicht jeder so eine - so eine Sexbombe sein wie du!"

Einen Moment lang schaute er mich sprachlos an und prustete dann aus dem Nichts los. ,,Das hast du jetzt nicht wirklich gesagt", lachte er. ,,Sexbombe, oh Gott."

Ich befürchtete, dass man sein Lachen unten hören konnte, doch ihn schien das nicht zu interessieren. Er lachte immer noch. ,,Komm schon, du darfst ruhig lachen", meinte er zu mir, als ich ihn sauer anstarrte. Eigentlich war ich ja gar nicht wirklich so angepisst, aber naja, ich wollte schauen, was kam.

Und es kam dazu, dass er scheinbar die einzige Möglichkeit darin sah, mich zu kitzeln. An meinen Füßen. Die er immer noch umklammert hielt.

,,Damian", rief ich. ,,Hör auf, scheiße!"

Eigentlich war ich überhaupt null kitzlig. Außer an den Füßen. Und ich hasste es so, so sehr, dass ich lachen musste, obwohl mir eigentlich gar nicht danach zu mute war.

,,Hör auuuf!", lachte ich weiter und versuchte meine Füße aus seinem Griff zu entziehen, doch er war einfach zu stark. ,,Ich schwöre dir, ich werde dich so treten - Damian, man!" Erst nach ein paar weiteren Drohungen, die durch mein Lachen null ernst wirken konnten, befreite er mich aus dieser Qual und eilig zog ich meine Füße an mich heran.

,,Weißt du, ich hab mir mal geschworen, dass ich nie ein Mädchen kitzeln werde. Kitzeln ist sowas von.. unmännlich", seufzte er.

,,Dann passt das doch zu dir", gab ich zurück und lächelte zuckersüß, was er genauso zuckersüß erwiderte.

,,Wenn du möchtest, kann ich dir das Gegenteil beweisen."

,,Oh, verzieh dich!", sagte ich, musste aber grinsen und versuchte ihn aus den Zimmer zu schubsen. ,,Raus hier! Ich möchte schlafen - alleine!"

,,Zu Befehl, Prinzesschen", antworte er und verbeugte sich, bevor ich die Tür vor seiner Nase schloss. Dann lehnte ich mich mit dem Rücken an sie und lächelte breit.


Dieser Junge war echt unglaublich.


***

Um kurz nach viertel nach vier waren alle von Omas Freundinnen da, nur Sarah fehlte, ihre Schwester. Aber sie meinte, Sarah bräuchte bekanntlich immer etwas länger. Wie schon erwartet, waren Damian und ich mit Abstand die Jüngsten hier.

Damian unterhielt sich gerade mit meinem Opa über irgendwas, und ich bemerkte, dass Damian, obwohl Opa schon groß war, größer war als er. Das genaue Gegenteil wie bei mir und Granny. Diese saß mit ihren Freundinnen im Wohnzimmer; ein Geschenk nach dem anderen um sie herum, weswegen sie leicht überfordert aussah.

Als es klingelte, nahm ich mir die Freiheit die Tür zu öffnen. Es war Sarah, die mich auch sofort in den Arm nahm. Sie roch nach viel zu starken Parfüm, was meine Augen zum Tränen brachte, doch trotzdem tätschelte ich ihr den Rücken.

,,Hey, Sarah", begrüßte ich sie. Sie war fünf Jahre jünger als Granny, und doch sah sie so aus als wäre sie ihre Enkelin oder so. Zumindestens von der Kleidung her. Als ich mich von ihr entfernte, bemerkte ich als Erstes ihre orange-gefärbten Haar, die zu einem Bob geschnitten wurden. Und obwohl ihr Gesicht mit leichten Falten überzogen war, vorallem auf der Stirn und an ihrem breiten Mund, hatte sie sich geschminkt wie ein.. nun ja, mir kam ein Pfau in den Sinn. Sie hatte blauen Lidschatten benutzt und dazu roten Lippenstift. Außerdem trug sie einen für ihr Alter viel zu kurzen roten Rock, der sich mit ihrer Haarfarbe biss und ein enges schwarzes Top.

Aber so war Sarah nun mal. Sie lebte ihrem Alter hinterher, was ja auch nicht umbedingt schlecht war.

,,Aria, Süße, ich hab dich und Toby so vermisst", meinte sie und schloss mich kurz darauf nochmal in die Arme.

,,Uhm, wir dich auch", sagte ich lächelnd. Damian, der gerade mit einem Haufen Geschenkpapier in den Armen um die Ecke kam, blieb mit leicht geöffneten Mund stehen als er Sarah sah.

,,Ahhh, und du musst der Familienzuwachs sein! Ann hat mir davon erzählt", meinte sie, als sie ihn dort stehen sah. Familienzuwachs - das klang so, als wäre Damian ein Neugeborenes.

Sarah musterte sein weißes Hemd, welches oben ein Knopf weit geöffent war, seine schwarze Skinny-Jeans und dann sein Gesicht, welches er jetzt unter Kontrolle gebracht hatte.

,,Ja, uhm, so kann man es sagen", sagte er und versuchte ihr unter dem Geschenkpapier irgendwie die Hand zu geben. Sie tätschelte ihm aber bloß die Wangen, die sie aufgrund ihrer Absatzschuhe ganz gut erreichte und ging dann weiter ins Wohnzimmer, wo sie Granny begrüßte. ,,Schwestherz", rief sie laut. ,,Alles, alles, alles Gute! Oh, hi Toby! Lange nicht mehr gesehen."

Damian, der immer noch an Ort und Stelle stand, schaute mich verwirrt an, aber das Einzige, was er sagte war: ,,Familenzuwachs? So hat mich ja noch nie jemand genannt."


***


Grannys Geburtstagsfeier war gut gelaufen, jedenfalls sah sie selber ziemlich zufrieden aus, als am späten Abend all ihre Gäste nachhause gingen. Doch sie beschloss, die 'Party' weiterzuführen und holte eine Flasche Schnaps aus dem Schrank. Opa, der sie skeptisch anschaute, fragte: ,,Du trinkst - seit wann?"

,,Auf meine alten Tage kann man doch noch was trinken, oder? Aria, Damian wollt ihr auch etwas?", fragte sie.


,,Nein!", riefen Sally und Dad gleichzeitig, was sowas von klar war. Aber auch so hätte ich nicht gewollt. Einige Zeit später, so um elf Uhr abends, waren sie schon leicht angetrunken, was mich überraschte. Meine Großeltern so zu sehen, war neu. Zumindestens schienen Dad und Sally noch klar im Kopf zu sein, auch wenn nicht mehr 100%ig, doch das Gute daran war, dass sich die Stimmung zwischen Sally und Oma aufgelockert hatte. Immerhin unterhielten sie sich.

Eine weitere Stunde später entschieden sie - oder eher gesagt Dad - dass schlafen zu gehen jetzt das Beste für alle wäre. Also gingen sie ins Bett. Dad und Sally hatten unsere Zimmeraufteiling zwar hingekommen, auch wenn Dad uns stirnrunzelnd anschaute. Vermutlich dachte er, er würde uns am nächsten Morgen wieder eng umschlungen vorfinden, deswegen lieferte ich ihm das Ihr-schnarcht-zulaut-Argument.

Ich suchte mir meine Joggighose und ein abgetragenes T-Shirt aus meiner Reisetasche und ging zusammen mit meinem Kulturbeutel in das große Badezimmer, wo es Badewanne und Dusche gab und außerdem zwei Waschbecken. Ich fragte mich wofür meine Großeltern das brauchten, aber mir gefiel es. Als ich mit frisch geputzten Zähnen und umgezogen aus dem Bad kam, schaute ich mir die Bilder an, die auch hier oben an den Wänden hingen und wegen dem schwachen Licht nur leicht zu erkennen waren. Ich entdeckte mich auf ein paar Bildern, mal als Baby, mal alleine und mal zusammen mit meinen Eltern. Auf einem war ich sogar schon größer, vielleicht 11 oder 12, kurz vor Mums Tod. Doch schon damals war ich dick, auch wenn ich mir da noch nicht so viele Gedanken darüber gemacht hatte.

Obwohl ich in Gedanken war, konnte Damian mich dieses Mal nicht erschrecken, als er neben mir auftauchte. ,,Deine Mum", sagte er und ich nickte.

,,Du siehst ihr ähnlich." Sein Blick war auf die verschiendenen, gerahmten Bilder gerichtet.

,,Das meinen die Wenigsten", sagte ich und entdeckte ein Bild von meinen Großeltern, an dem Tag ihrer Hochzeit; es war ein altmodisches schwarz-weiß Bild. Gleich daneben war das größte aller Bilder, die hier an der Wand hingen und vielleicht redete ich mir das nur ein, aber ich könnte schwören, dass ich mich daran erinnern konnte, wie es aufgenommen wurde, auch wenn es eigentlich unwahrscheinlich war, weil ich auf dem Bild ungefähr vier war. Ich saß auf einem Fahrrad, die Stützräder wurden abgemacht und an die Seite geschmissen und Opa stand neben mir, hielt mich, damit ich mit dem Fahrrad nicht zur Seite kippen konnte. Das Foto war in dem alten Garten meiner Großeltern gemacht worden. Am Ende des Weges, wo ich Fahrrad fahren übte, stand Dad und hatte die Hände nach mir ausgestreckt als Zeichen dafür, dass er mich dort erwartet würde. Im Hintergrund saßen Granny und Mum an einem weißen Plastiktisch und bereiteten das Essen vor. Ganz leicht konnte man Mum lächeln sehen. Nur fragte ich mich, wer dieses Foto aufgenommen hatte - vielleicht war es ja Sarah oder so.


Damian, der bemerkt hatte, dass ich dieses Bild anstarrte, nahm mich an der Hand und zog mich den Flur entlang, die Treppe herunter.

,,Wo gehen wir hin?", fragte ich, klammerte mich an seine warme Hand, die meine umfasste. Als Antwort führte er mich in den Garten. Es war kalt, aber nicht so kalt, dass ich zittern musste. Der Mond stand oben am Himmel und schien direkt auf uns herunter. Noch immer hielt Damian mich an der Hand.


,,Es ist Vollmond", sagte ich.

,,Ja", bestätigte Damian. ,,Und deswegen gehen wir jetzt auch Trampolin springen."

,,Hä?"

,,Trampolin springen."

,,Wo siehst du hier ein Trampolin?", wollte ich verwundert wissen. Der Garten war voller Blumen und anderem Grün, sogar ein Grill stand in der Ecke, aber ein Trampolin war bisher noch nicht in mein Blickfeld geraten.

Er deutete auf den Garten nebenan, der durch die Steinmauer abgetrennt wurde. Ich konnte von hier kein Trampolin sehen, aber wahrscheinlich hatte Damian ihn von oben entdeckt.

,,Wir können da doch nicht einbrechen", sagte ich entsetzt.

,,Wir brechen ja nirgendswo ein. Wir klettern nur über eine Mauer und sind dann zufällig auf einem anderen Grundstück. Außerdem", fuhr er fort, als ich meinen Mund öffnete, ,,sind die Besitzer heute Mittag weggefahren. Sie hatten Koffer dabei und ein kleines Kind. Also werden sie wohl jetzt nicht wiederkommen."

Er ließ meine Hand los, die sich sofort kälter anfühlte und ging zu der Mauer. Er war ein kleines Stück größer und konnte deshalb in den anderen Garten sehen. Bei mir sah das ganz anders aus. Ich war ungefähr ein Kopf kleiner als die Mauer und fragte mich, wie ich darüber kommen sollte.

,,Komm schon, Aria, biiitte", flehte er als er meine Skepsis bemerkte.

,,Du musst mir aber helfen hier rüber zu kommen", sagte ich. ,,Und - wenn wir erwischt werden, kill ich dich."

,,Das nehm ich in Kauf", grinste er und machte sich für eine Räuberleiter bereit. Zögernd setzte ich meinen mit einer Socken bedeckten Fuß in seine Hände und er hob mich hoch, sodass ich leicht schwankend auf die Mauer klettern konnte und mich dort richtig hinsetzte. Ich spürte die Kälte des Steines deutlich durch meine Hose. Doch jetzt sah ich das riesige Trampolin auch.

Damian sprang und zog sich dann mit viel Kraft an der Mauer hoch. Als er mit dem Rücken zu dem Nachbarsgarten auf der Mauer saß, atmete er tief durch und schüttelte seine Arme aus. ,,So, wer springt als Erstes runter?"

,,Du!", entschied ich leicht panisch. Also sprang er und kam leichtfüßig auf dem Rasen der Nachbarn auf. Er reichte mir seine Hand und ohne groß darüber nachzudenken, sprang ich und landetete kurz darauf etwas eingeknickt neben Damian.

,,Au", murmelte ich und hielt mir meinen Knöcheln. Er beugte sich mit besorgten Augen zu mir herunter, aber da war ich schon wieder aufgesprungen und lief in Richtung des Trampolins.

,,Ich bin die Erste", rief ich im Laufen so leise es ging.

,,Hee, mir gebührt der Vortritt", rief er hinterher, doch ich ließ mich in diesem Moment schon auf das Sprungtuch fallen. Ich drehte mich auf den Rücken und blickte grinsend zu Damian, der schmollend am Rand stand. Ich stand auf, um ihm die Hand zu reichen, die er annahm, doch anstatt, dass er sich von mir heranziehen ließ, riss er vom Trampolin, sodass ich fast auf den Rasen gefallen wäre. Er stieg auf das Trampolin und sprang hoch in die Luft.

,,Ich bin der King!", rief er, was mich zum Lachen brachte. Es war komsich mit anzusehen, wie ein fast 1,90-Meter großer Teenager sich so freute Trampolin springen zu dürfen. Genau wie ich, hatte er eine Jogginghose an und dazu ein weißes T-Shirt.

,,Was gibt's da zu lachen?", fragte er, während er erneut hochsprang. ,,Du darfst jetzt auch drauf!"

,,Wie reizend von dir, Majestät", sagte ich und stieg auf. Weil Damian gerade auf dem Sprungtuch aufkam, schleuderte er mich ein wenig in die Höhe.

,,Wie viel Kilo hält das Ding eigentlich aus?"

,,Keine Ahnung, werden wir schon merken", grinste er. ,,Wer höher springt, ja?"

,,Okay", stimmte ich zu. Am Ende sprang natürlich Damian höher, was ich aber auf seine Größe schob.

,,Guck mal, was ich kann", meinte er nach fünf Minuten und machte tatsächlich einen Radschlag. Nur, dass das Trampolin zu klein für seine Kunststücke war und Damian wegen des fehlenden Sicherheitsnetztes über den Rand flog, und kurz hatte ich Angst, dass er sich irgendwas brechen würde, doch er hatte anscheinend schon vorher darauf geachtet, denn er fing sich perfekt auf.

,,Scheiße", nuschelte ich beeindruckt und mit großen Augen. Seine weißen Zähne blitzen im Mondschein und er verbeugte sich tief. ,,Danke, danke!"


,,Und jetzt guck mal, was ich kann", sagte ich, stellte mich in die Mitte, sprang einmal hoch und landete dann auf meinen Hintern, wo ich dann wieder Schwung nahm und mich auf die Füße stellte.

,,Oh wow, Aria, du bist echt der Knüller", lachte Damian ironisch und gesellte sich wieder zu mir. Plötzlich stellte er sich hinter mich, schlang beide Arme unter meine Brust und sprang dann mit mir zusammen hoch. Wir sprangen viel höher als vorher und ich konnte mir ein Kreischen nicht verkneifen, da ich Angst hatte wir würden zusammen rückwärts hinüberkippen.


,,Ein bisschen", erneut sprangen wir zusammen hoch, ,,noch und dann", und schon wieder, ,,kotz ich dir", und nochmal, ,,auf die Füße." Kaum hatte ich den Satz beendet, sprang er nocheinmal, fing sich dann aber nicht auf und ließ sich zusammen mit mir fallen, was dazu führte, dass er mit dem Rücken auf dem Sprungtuch landete und ich halb auf ihm, halb neben ihm. Kaum berührten meine Haare das elastische Sprungtuch, elektrisierten sich meine Haare auf, was mich tierisch aufregte, trotzdem ignorierte ich es.

,,Du bist so dumm", murmelte ich leise, als ich mich ganz neben ihm legte und genau wie er auf den Vollmond starrte.

,,Ich dich auch", antwortete er. Ich lächelte so ehrlich, wie nur selten. Wir schwiegen eine Weile, aber es war nicht schlimm und er nahm meine Hand, die er auf seinen Bauch legte und sie dann umfasste.


Als ich ihn kurz anschaute, blickte er noch immer in den Himmel. Er strich mit seinem Daumen über mein Handrücken; vielleicht tat er es unbewusst, aber mir fiel es sofort auf. ,,Wenn jetzt noch eine Sternschnuppe vorbeifliegt, kotz ich 'n Regenbogen."

Anstatt, dass er damit den Moment zerstörte, brachte er mich zum Lachen. ,,Ein Vollmond, ein Mädchen und ein bisschen Händchenhalten, mehr verträgst du nicht?"

Er antwortete mir nicht, sondern zog stattdessen eine Grimasse.

,,Weißt du, ich finde Vollmonde eigentlich viel cooler als Sternschnuppen", sagte er schließlich.

,,Finde ich nicht. Sternschnuppen sind selten zu sehen. Es gibt sie, aber sie ziehen nicht viel Aufmerksamkeit auf sich, sodass man sie leicht übersehen kann. Sie sind unscheinbar, aber schön, etwas Besonderes."

,,Dann bist du auch eine Sternschnuppe."

Als er das sagte, grinste ich ihn an, doch innerlich zersprang ich vor.. ja, vor was? Zuneigung, Glück, Liebe?

,,Ich glaube, das mit deinen Regenbögen kommt noch", sagte ich noch immer grinsend.

,,Ja, ich glaub mir kommts grad auch hoch."

,,Dann aber bitte direkt auf mich. Ich wollte schon über Regenbögen laufen."

,,Man läuft nicht über Regenbögen", widersprach er. ,,Man gleitet über sie."

,,Oh, tut mir leid. Wusst ich nicht."

,,Ich weiß", seufzte er. ,,Aber wenn du eine Sternschnuppe bist, kann ich mir ja was wünschen, richtig?"

,,Klar", stimmte ich zu und lächelte insgeheim. Also kniff er die Augen viel zu fest zusammen, schwieg fünf Sekunden lag und öffnete sie wieder.

,,Dein Wunsch wird aber nur erfüllt, wenn er nichts mit nackten Frauen, nackten Männern und/oder Pornos zu tun hat", meinte ich dann.

Auf seinem Gesicht bildete sich so ein breites Grinsen, dass es mich ansteckte. Vielleicht war es schnulzig, aber ich glaube, ich habe noch nie etwas Schöneres gesehen als ihn. Hübsch war vielleicht das richtige Wort um sein Aussehen zu beschreiben, aber er war auch schön. Von außen so wie von innen.

,,Ich bin echt unmännlich."

,,Was?"

,,Meine Gedanken sind so kitschig", antwortete ich. Ich weiß echt nicht, warum ich das sagte, aber es machte mir im Moment nichts aus.

Damian ließ sich das etwas durch den Kopf gehen, dann nickte er. ,,Ich glaube, jetzt würde mir Kitsch gefallen."

Ich lächelte. ,,Gut."

Und ehe ich es mir anders überlegen konnte, zog ich meine Hand aus seiner, setzte mich etwas auf und küsste ihn.


—-


Ich glaube, ihr fragt euch warum ich in letzter zeit so viel update. hm, ja also ich weiß es auch nicht. ich hatte langweile. das wird dann wahrscheinlich der ausgleich für die kommenden wochen werden, weeeil wegen mathe. englisch. deutsch. arbeiten, arbeiten, arbeiten. ich hasseee es.


4921 sind es in diesem kapitel geworden, ich glaube das ist ein rekord. naja, ich hab auch den halben tag daran geschrieben, auch wenn es nicht danach aussieht. :'D


zu den fragen, die ich bekommen haben:

- viele wollten ja mehr daria-'szenen' und ich glaube, es werden in zukunft mehr kommen. aber es hatte seinen grund, dass es in den letzten kapitel etwas weniger zwischen den beiden wurde.


- außerdem hab ich fragen bekommen bezüglich der folgende kapitel. also, ich weiß nicht, wie viele kapitel noch kommen werden, ehrlich, kein plan. aber ich hab das ende schon irgendwie halbwegs geplant, also wird jetzt nicht mehr das doppelte kommen oder so. es ist ein ende in sicht, sagen wir's mal so. :-D


- hab ich irgendwas übersehen? wenn ja, tut's mir leid. :-/


freue mich über feedback! xx



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