> Part 67
Arias POV:
Das Plätschern der Tegentropfen, die gegen mein Fenster fielen, weckten mich aus meinem ausnahmsweisen tiefen Schlaf. Ich streckte mich, bevor ich die Decke, die mir bis zum Hals reichte, zurückschlug und mich aufsetzte, um mir die Brille aufzusetzten. Ich konnte mich gar nicht daran erinnern, dass ich sie abgesetzt hatte.. und auch nicht, dass ich das Telefon beiseite gelegt und das Licht ausgemacht hatte. Vielleicht hab ich es ja unbewusst getan.
Jedenfalls stand ich auf und öffnete meine Balkontür. Es war schon hell draußen, doch die Sonne hatte den hellgrauen Wolken Platz gemacht, die sich nun am Himmel zeigten, weswegen er trüb und düster aussah. Man merkte, dass es allmählich Herbst wurde.
Was auch Sally zu stören schien, denn als ich runter ins Wohnzimmer kam, klagte sie jammernd über das Wetter.
,,Und das wird jetzt die nächsten Monate so gehen.. vielleicht noch ein paar warme Tage, bevor die Stadt in Regen untergehen wird..", sagte sie und machte eine dramatische Handbewegung. Dad lachte nur.
,,Wir sollten Greta besuchen gehen", schlug Sally vor. Greta war ihre Schwester, die ein paar Städte weiter wohnte.
,,Denkst du, dass das Wetter dort besser ist?", fragte ich sie und nahm ein Löffel von meinem Müsli, den ich auf der Couch aß. Ich hatte mich nicht sonderlich fertig gemacht, hatte eine Jogginghose und einen Pulli mit alten Farbflecken an, trug meine Haare in einem unordentlichen Zopf und hatte auf die Kontaktlinsen verzichtet. Ohnehin hatte ich vor, den ganzen Tag in meinem Zimmer zu verbringen, wieso dann fertig machen?
,,Weniger Regen", beantwortete sie meine Frage und warf einen letzten Blick nach draußen, bevor sie sich zu Dad und mir auf die Couch quetschte. ,,Aber ich würde sie wirklich gerne besuchen gehen. Aria hat sie ja noch gar nicht kennengelernt und Damian hat sie auch lange nicht mehr gesehen."
,,Wieso ladest du sie nicht mal zu uns ein?", fragte Dad, während ich mir einen weiteren Löffel in den Mund steckte.
,,Wo sollte sie denn schlafen? Wir haben keinen Platz."
,,Worum auch immer es geht", sagte Damian, der gerade die Treppe runterspaziert kam, ,,ich teile mir mit niemanden mein Zimmer."
,,Wir hätten auch nichts anderes erwartet", entgegnete Sally. Damian ging in die Küche und Dad schlug vor, dass sie doch ein Bett kaufen könnten und da sie ohnehin vorhatten, unser 'Freizeitzimmer', welches gegenüber von Damians Zimmer war, in ein Gästezimmer umzuwandeln, könnten sie das Bett gleich dort platzieren. Sally war von der Idee angetan und wollte es gleich in die Tat umsetzten, weswegen sie auch gleich nach oben ging, um sich für die Fahrt zum Möbellager fertig zu machten.
Eine Viertelstunde später waren sie dann los gefahren und ich ging wieder hoch in mein Zimmer, wo ich auch bis Nachmittags blieb, bis Justin mich anschrieb.
Justin: Aria? Kann ich dir kurz anrufen?
Aria: Uhm.. ja?
Zwei Sekunden später klingelte mein Handy.
,,Hi?"
,,Hey! Weißt du, ein Kumpel von mir gibt heute mit seiner Band ein kleines Konzert und es sind noch zwei Plätze freigeworden. Vielleich hast du ja Lust? Du kannst ja noch Leah oder deine kleine rothaarige Freundin mitbringen."
,,Wie heißt die Band?", fragte ich.
,,Magic Black."
Ich überlegte. ,,Kenn ich zwar nicht, aber ich hab eh nichts Besseres zu tun. Wirst du auch da sein?"
,,Ja. Allerdings müsstest du schon in zwei Stunden da sein.."
,,Okay, dann frage ich Lily, ob sie mitkommt."
,,Mach das", sagte er, ,,ich schick dir die Adresse, okay?"
,,Okay", sagte ich und ich legte auf, um Lily anzurufen. Da sie ja bald wegzog, wollte ich wenigstens noch ein bisschen Zeit mir ihr verbringen. Sie war begeistert, obwohl sie die Band auch nur vom Hören kannte und so trafen wir uns zwei Stunden später vor einer angesagten Bar. Zwar hatte ich mir die Kulisse etwas anders vorgestellt, doch was wusste ich schon.
Anders als ich, war Lily schick angezogen; sie trug einen schwarzen Rock und ein Top, dass ihre Haarfarbe schmeichelte. Gerade als wir ankamen, begann es wieder zu regnen, weshalb ich auch froh war, Justin zu sehen, der uns über den Weg lief.
,,Hey ihr", begrüßte er uns. Ich bemerkte sofort, dass er hektisch und aufgeregt war. ,,Ich muss kurz nach meinem Kumpel sehen, er hat irgendwelche Probleme mit seiner Gitarre. Aber hier - eure Karten." Er drückte mir zwei Eintrittskarten in die Hand und verschwand dann mit einem Nicken zu dem Türsteher, wieder rein.
Ich reichte dem Türsteher die Karten und er ließ uns sofort rein.
,,Krass wie voll es hier ist", sagte Lily, als wir reingingen. Überall standen Leute und es war stickig und muffig, sodass mir sofort klar wurde, dass Bars und Clubs nichts für mich waren. Lily sah das anders, denn sie schaute sich begeistert um, schob uns beide zwischen all den Leuten hindurch zur Theke.
,,Wie alt?", fragte uns der Barkeeper mit hochgezogenden Augenbrauen, während er Gläser abtrocknete.
,,Nur zwei Colas, bitte", sagte Lily.
,,Es ist so voll hier", stöhnte ich.
,,Was erwartest du? Es ist ein Konzert von einer scheinbar guten Band", lachte sie.
,,Welche Musikrichtig ist das eigentlich?"
,,Rock/Pop würde ich mal sagen. Schau mal, sie kommen auf die Bühne!"
Lily stand auf und zog mich nochmals durch die Menschenmenge, die sich alle zu der Bühne begaben. Sie ergatterte einen guten Platz etwas weiter vorne, sodass wir trotz unserer Größe gut sehen konnten.
Die Band bestand aus drei Jungs und einem Mädchen, die eine Gitarre in der Hand hielt. Die Jungs waren an einem Schlagzeug, einer weiteren Gitarre und an dem Mikrofo verteilt. Sie begrüßten uns kurz und fingen dann sofort an zu spielen und nach dem dritten, vierten Lied musste ich zugeben, dass ihre Musik gar nicht mal so schlecht war, wie ich gedacht hatte - obwohl es eher Rock als Pop war.
***
,,Wie ich sehe, hast du Spaß!", rief Justin über die laute Musik und den laut mitsingenden Leuten.
,,Es ist besser als erwartet", gab ich lachend zu. Er beugte sich tiefer zu mir, damit ich ihn verstehen konnte.
,,Dachtest du wirklich, ich würde dich zu einem Konzert einer schlechten Band einladen?"
,,Möglich." Ich sah zu Lily, die neben mir tanzte und wahrscheinlich nichtmal merkte, dass Justin neben uns aufgetaucht war. ,,Lily scheint sich auch sehr zu amüsieren."
,,Das sehe ich", rief er und ließ plötzlich einen gröhlenden Schrei aus, als der Typ am Mikrofon ein neuen Song ankündigte. Justins Schrei war so laut, dass dieser das sogar hörte und anfing auf der Bühne zu lachen.
,,Einen Song, den wir ohne meinem Kumpel Justin heute natürlich nicht spielen könnten. Danke Kumpel, für die Gitarre", sagte er ins Mikrofon und der Junge an der einen Gitarre gab ein kurzes Solo. Dann fingen sie erneut an zu spielen.
Eine Stunde später war das Konzert vorrüber und die Band verabschiedete sich. Justin, der die ganze Zeit bei uns geblieben war, beugte sich erneut zu mir herunter und sagte: ,,Ihr bleibt doch noch?"
,,Ich - "
,,Natürlich!", rief Lily und stieß mich leicht mit ihrem Ellenbogen an. Ich seufzte und nickte ihr zur Liebe. ,,Okay."
,,Die Band war richtig klasse!", sagte Lily zu uns, als wir zur Bar gingen und uns setzten. ,,Wie heißt der Sänger noch gleich? Jonas?"
,,Johnny", sagte Justin grinsend.
,,Der war hammer! Und ich glaube, er hat mir sogar mal zugezwinkert.."
Ich lachte und trank ein Schluck von meiner neubestellten Cola. ,,Natürlich hat er das."
,,Ich schwörs dir!"
,,Hey Johnny!", rief Justin laut und Sekunden später trat der Sänger der Band an unsere Seite.
,,Hey", sagte er und klopfte Justin hart auf die Schulter. ,,Was gibt's? Na sag schon, wie waren wir?"
,,Ich denke, ich bin nicht der Einzige, der euch toll fand", meinte er und ich sah, wie Justin leicht zu Lily deutete, die Johnny anstarrte und deshalb nichts bemerkte. Ich verkniff mir ein Lächeln.
Johnny verstand und drehte sich leicht zu Lily. ,,Und wie fandest du uns, Babe?"
Auch wenn - wie ich fand - Babe etwas machohaft klang, wurde Lily etwas rötlicher an den Wangen.
,,Toll", sagte sie. Ich warf Justin einen Blick zu, der mir daraufhin zuzwinkerte.
,,Hast du Lust zu tanzen?", fragte Johnny Lily und hielt ihr gentlemenlike die Hand hin. Ich freute mich für sie, auch wenn ich etwas.. neidisch war. Mich hatte nie jemand so gefragt. Obwohl.. da fiel mir Damian ein, der mich auf dem Schulball gefragt hatte..
Natürlich hatte Lily Lust und so verschwand sie mit Johnny zwischen all den tanzenden Leuten, aber nicht, ohne sich nochmal zu mir umzudrehen und mit dem Mund lautlos ein 'Oh mein Gott' zu formen.
,,Sie wird dir jetzt auf ewig dankbar sein", grinste ich Justin an.
,,Sie hat nichtmal gemerkt, dass ich da meine Hand im Spiel hatte", meinte er und hob sein Glas an, bevor er ein Schluck trank. Es vergingen einige Minuten, in denen Lily nicht wiederkam und ich mich einfach nur mit Justin über die Musik hinweg unterhielt. Mir fiel auf, dass Justin immer wieder kurz über meine Schulter schaute, doch ich drehte mich nicht um.
,,Johnny wollte mich eigentlich mit in die Band aufnehmen", erzählte er mit sichtbarem Stolz.
,,Aber?"
,,Ich wollte nicht, da ich sonst Jake, dem Schlagzeuger, den Platz weggenommen hätte."
,,Wie heißen eigentlich die anderen beiden?"
,,Julia und Joel."
,,Julia, Joel, Jake, Johnny und Justin. Das ist doch nicht euer Ernst?", lachte ich. ,,Ich - "
Ich bekam nicht mit, dass Justin sich urplötzlich weiter vorgebeugt hatte, da wir sowieso schon sehr nah beiander saßen, doch er unterbrach mich - indem er mich küsste. Ich erstarrte und bewegte mich nicht, so schockiert war ich, denn das war das Allerletzte, was ich erwartet hatte.
,,Bitte sei nicht sauer, okay?", sagte er, als er sich nach einigen Sekunden wieder gerade hinsetzte. Natürlich fiel mir auf, dass er über meine Schulter schaute.
,,Ich - uhm." Mein Mund stand offen, doch es kam nichts heraus.
,,Dreh dich jetzt nicht um, aber dahinten sitzt Riley und sie guckt gerade ziemlich eifersüchtig."
,,Wieso zur Hölle willst du Riley eifersüchtig machen?"
,,Ich erklärs dir, aber dafür verzeihst du mir?" Er lächelte entschuldigend und sah kurz zu Riley, die nun mit sturem Blick nach geradeaus an uns vorbei lief.
,,Ich denke, du bist gerade nicht in der Position um Deals zu machen", sagte ich locker, da ich immer noch versuchte meinen Schock zu verbergen.
,,Wir haben gestern Abend Schluss gemacht. Okay, nein; sie hat Schluss gemacht, nachdem die Zicke in ihr gesprochen hat."
Ich blickte ihn fragend an.
,,Egal. Jedenfalls hat es bewirkt, hast du ihren Blick gesehen?" Er schien zufrieden, was ich überhaupt nicht verstand.
,,Und dir ist nicht die Idee gekommen, mich vorzuwarnen oder so?", fragte ich ihn entsetzt.
,,Um ehrlich zu sein, nicht so. Aber hiermit entschuldige ich mich aufrichtig! Du küsst nicht schlecht." Er lachte mich aus, als ich rot wurde und ihm gegen die Brust schlug.
,,Ich hab dich nicht geküsst und das weißt du ganz genau!"
,,Ich weiß. Und danke, dass du mich nicht gleich gegen den Tresen geklatscht hast, das wär ganz schön peinlich gewesen."
,,Oh, danke für die Idee", sagte ich augenrollend und drehte mich mit dem Barhocker zur Theke.
,,Justin!", rief Lily von Weitem und kam auf uns zu, wobei sie jedoch nur mich argwöhnisch beäugte. ,,Johnny will dich sehen. Er ist irgendwo dahinten."
Justin stand auf. ,,Was will er denn?"
,,Weiß ich nicht." Sie setzte sich auf Justins Platz neben mich und beachtete ihn gar nicht mehr. Er ging schulterzuckend auf die Suche nach Johnny.
,,Aria."
Ich drehte mich zu ihr und so, wie sie mich anschaute, konnte ich mir denken, was sie sagen wollte.
,,Mhm?"
,,Ich weiß nicht, ob ich weinen oder froh sein sollte."
,,Wieso?"
,,Weil du Justin geküsst hast?"
,,Ja, aber - "
,,Das wär ja nicht ganz so schlimm, aber du machst es genau dann, wenn Damian in eure Richtung schaut!" Sie schaute mich ganz entsetzt an und da konnte ich sie auch voll und ganz verstehen.
,,Damian ist hier?!"
,,Ja, das versuche ich dir mitzuteilen!"
,,Und er hat gesehen, wie - "
,,Wie ihr euch geküsst habt, ganz genau. Was hast du dir dabei gedacht?"
,,Lily, ich habe mir nichts dabei gedacht, denn ich habe ihn nicht geküsst!"
,,Dann haben sich eure Lippen nur ganz ausversehen berührt?", sie schaute mich bedauernd an. ,,Du hättest Damians Blick sehen sollen. Ich hab gerade mit Johnny getanzt, als Damian reinkam mit irgendwelchen von seinen Freunden und sich umgesehen hatte und dich dann sah. Ich hab ihn genau beobachtet, Aria, ich wollte dich eigentlich noch warnen, aber dann war es zu spät. Er sah so.. traurig aus. Als er dann gesehen hat, dass ich ihn beobachte, ist er einfach weggegangen, als wäre nichts gewesen."
,,Oh, Scheiße verdammt", murmelte ich. ,,Aber Lily, Justin hat mich geküsst! Und das auch nur, weil er seine Ex-Freundin eifersüchtig machen wollte. Oh, Mist, ich sehe ihn."
Damian stand in der Nähe der Bühne und unterhielt sich mit seinen Freunden. Er lachte, und schien sich zu amüsieren.
,,Ich schätze dir bleibt nichts anderes übrig als abzuwarten, wie er reagiert."
Ich ließ mein Gesicht in meine Hände fallen.
***
,,Hi, Dad", rief ich durch das Haus, als ich um kurz vor 23 Uhr das Haus betrat.
Er kam aus dem Wohnzimmer auf mich zu.
,,Hey, Spätzchen. Wie wars?"
,,Ganz gut." Ich hängte meine Jacke auf und zog meine Schuhe aus, bevor ich mich wieder aufrichtete.
,,Hast du getrunken?"
,,Seh ich etwa so aus?", fragte ich zurück. Er schüttelte den Kopf.
,,Dann warten wir mal bis Damian nachhause kommt."
,,Dann wartet ihr mal", sagte ich. ,,Ich geh ins Bett, sonst schlafe ich im Stehen ein."
Ich ging noch schnell unter die Dusche, bevor ich ins Bett stieg. Mein Magen knurrte, doch ich versuchte es zu ignoriren, was mir in letzter Zeit immer schwerer fiel.
Trotz meiner Müdigkeit lag ich eine Stunde später immer noch wach. Ich hörte wie Dad und Sally ins Bett gingen und dann, wie kurz darauf Damian nachhause kam. Ich hörte, wie er seine Schuhe in die Ecke schmiss und dann die Treppe hochging und ins Bad verschwand. Kurze Zeit später kam er wieder heraus und dann wurde die Tür seines Zimmers geschlossen. Eigentlich wollte ich es nicht, doch ich überwand mich und stand aus meinem Bett auf. Jetzt war ich komischerweise hellwach.
Ich öffnete die Tür meines Zimmer und blieb kurz vor Damians stehen, hoffte, er würde mich nicht gleich wieder rausschmeissen. Dann ging ich herein, schloss die Tür und setzte mich im Dunkeln auf seinen Schreibtischstuhl.
,,Hi", sagte ich leise.
,,Was gibts?", fragte er. Nicht desinteressiert, jedoch auch nicht interessiert.
,,Ich möchte, dass wir uns vertragen."
,,Ich möchte auch so vieles, aber man kann ja nicht immer bekommen, was man will, richtig?"
,,Wieso bist du so?"
,,Du musst dich besser ausdrücken."
,,Das meine ich! Kaum passt dir etwas nicht, bist du so herablassend und überhaupt!", entgegnete ich sauer.
,,Wenn es dir nicht passt, wieso bist du dann hier?", erwiderte er ruhig.
Ich schaltete das Licht ein und ging auf ihn zu. ,,Weil ich versuchen will mit dir zu reden, Damian. Aber du benimmst dich wie ein kleines Kind!"
,,Wie gesagt." Es machte mich noch wütender zu sehen, dass er sich zurück in sein Kissen sinken ließ und anscheinend darauf wartete, dass ich ging.
,,Wieso bist du jetzt so sauer auf mich?" Er antwortete nicht.
,,Wenn es wegen dem Thema gestern aus der Schule ist, dann tut es mir leid! Ich wollte dich nicht verletzten, das weißt du, aber du hast gefragt und ich hab dir die Wahrheit gesagt. Und wenn es wegen Justin ist, dann tut es mir nicht leid, denn es gibt nichts was mir leid tun müsste."
,,Dann wäre ja alles geklärt", entgegnete er barsch und machte eine Handbewegung zur Tür hin.
,,Nein."
,,Doch."
Ich riss ihm die Bettdecke von den Beinen und schmiss sie weg, woraufhin er sich genervt aufsetzte.
,,Ich will mich nicht mit dir streiten, Damian."
,,Wir streiten doch gar nicht."
,,Stimmt. Du ignorierst mich, was noch schlimmer ist."
,,Hör zu", sagte er. ,,Ich bin totmüde, ich hab kein Nerv dafür."
Er war so ein Arsch. Wieso war er so stur? Ich wollte nicht schon wieder heulen, nicht schon wieder in der selben Situation vor ihm stehen und mich erniedrigen lassen, doch ich merkte, wie nahe ich dem schon war.
,,Ich wünschte, ich könnte dich für dein Verhalten hassen", sagte ich leise.
,,Was möchtest du hören, Aria?", fragte er energisch und stand auf, um nach seiner Bettdecke zu greifen. ,,Dass es ein scheiss Gefühl war zu sehen, wie Justin dein Gesicht ableckt? Denn ja, das war es." Er schmiss die Decke zurück aufs Bett und schaute mir ins Gesicht. ,,Zufrieden?"
,,Er hat mir nicht das Gesicht abgeleckt", sagte ich. ,,Wenn du nicht so verdammt stur wärst, würde ich es dir ja erklären!"
,,Ich will es lieber gar nicht wissen", meinte er nüchtern, und legte sich ins Bett. ,,Mach das Licht aus, wenn du gehst."
,,Ich werde nicht gehen, solange wir das nicht geklärt haben."
,,Gut, dann bleib halt, aber mach trotzdem das Licht aus." Also schaltete ich das Licht aus und setzte mich wieder auf seinen Stuhl. Ich wusste nicht wieso mir das so wichtig war, doch ich wollte jetzt auch mal stur sein, ich wollte das klären und ich wusste, wenn ich lange genug hier sitzen bleiben würde, würde er auch mit mir sprechen.
Und ich behielt recht. ,,Ich kann nicht schlafen, wenn du so laut atmest", sagte er.
,,Entschuldige, ich geb mir Mühe jetzt gar nicht mehr zu atmen."
Er überging das. ,,Wie lange willst du da noch warten?"
,,So lange es nötig ist."
,,Dann warte hier", er klopfte auf die Fläche neben sich und mein Herz stockte kurz, bevor es doppelt so laut anfing zu schlagen. ,,Ich kann nicht schlafen, wenn ich weiß, dass du da sitzt und mich beobachtest."
,,Es ist dunkel, wie soll ich dich da beobachten?", entgegnete ich, stieg dann aber trotzdem in sein Bett. Ich rutschte bis ganz an die Seite und da sein Bett relativ groß war, war auch genug Platz zwischen uns. Trotzdem fühlte ich mich tausend mal besser, ganz einfach weil ich seine Nähe vermisst hatte, auch wenn es nicht solange her war, als er in meinem Bett war.
,,Mit wem warst du heute in dem Club?", fragte ich ihn nach einer Weile. Er seufzte laut.
,,Mit Kumpels."
,,Achso." Erneute Stille.
,,Was ist los?", fragte er, als ich mich mehrere Male bewegte.
,,Mir ist kalt", murmelte ich. Scheinbar genervt warf er mir ein Stück seiner Decke über meine Beine. Diesmal blieb es eine längere Zeit still, da ich fast eingeschlafen war, doch plötzlich - und ich wusste nicht wieso - zuckte ich zusammen.
,,Damian?", flüsterte ich in die Dunkelheit.
,,Ja?", brummte er genervt.
,,Wäre es zu viel verlangt, mich kurz. - kurz in den Arm zu nehmen?", fragte ich. ,,Danach kannst du mich auch aus dem Bett schubsen, und ich bin glücklich und zufrieden."
Es schien als dachte er ernsthaft nach, doch zu meiner ehrlichen Freude drehte er sich um und überbrückte die Lücke zwischen uns. Er legte seine Arme um meinem Bauch, bettete sein Kinn auf meinen Kopf und seufzte nochmal.
,,Danke", sagte ich.
,,Danke auch", sagte er.
,,Wofür?"
,,Dass du so nervig bist und mich immer wieder wie ein Arschloch fühlen lässt."
,,Du bist ja auch eins", grinste ich. Plötzlich wollte er wieder abrücken, doch ich hielt seine Arme schnell fest. ,,Aber eins, das ich.. mag."
Natürlich wurde ich rot und zu allem Überfluss legte Damian seine Hand an meine Wange um genau das zu überprüfen. Er lachte, ich boxte ihn und dann küsste er mich auf meinen Scheitel. Mein Magen fing an zu kribbeln und kurz darauf an zu knurren.
,,Was hast du zu Abend gegessen?", fragte er mich.
,,Nichts."
,,Wieso war mir das klar?", murmelte er, beugte sich kurz über mich und griff nach einem eingepackten Müsliriegel, der auf dem Boden lag.
,,Ich hab kein Hunger auf einen vergammelten Müsliriegel", sagte ich lachend, nahm es ihm aber aus der Hand, damit er zufrieden war.
Ich legte mich auf den Rücken, seinen Arm um meine Schultern gelegt und wir beide schauten zur schwarzen Decke. Ich teilte den Müsliriegel - der übrigens mit Bananengeschmack war - in zwei Hälften und gab einen davon Damian, wie damals, als wir in unserem Keller eingesperrt waren und Damian mir auch seinen Müsliriegel überlassen hatte.
,,Ich habe es mir überlegt, Aria", meinte er und biss von seinem Riegel ab, sodass nur noch ein kleines Stückchen da war.
,,Was hast du dir überlegt?"
,,Dass ich mit Leah Schluss machen werde." Ich öffnete meinen vollen Mund, doch er unterbrach mich gleich wieder. ,,Und es ist mir egal, was du dagegen sagen wirst."
,,Wieso denkst du, dass ich dagegen was sagen würde?"
,,Weil du das immer tust?"
,,Ja, aber.. es ist ja deine Entscheidung. Und ich will auch nicht immer mit diesem schlechten Gewissen leben müssen und dass ich gerade neben dir in deinem Bett liege verbessert die Situation auch nicht gerade." Ich wusste nicht, wann ich diesen Entschluss unbewusst gefasst hatte, denn ich hatte nie über diese Entscheidung nachgedacht. ,,Doch ich werde sie verlieren."
,,Aber nicht für immer. Wenn eure Freundschaft stark ist, dann wird sie auch halten", sagte er und zog an meinem Ohrläppchen, um mich zum Lächeln zu bringen.
,,Was wenn sie nicht stark ist?"
,,Dann wäre sie früher oder später eh zerbrochen." Obwohl Damians Worte hart waren, wusste ich, dass er recht hatte und ich schämte mich, dass mich dieser Gedanke nicht so zum Verzweifeln brachte, wie er es früher vielleicht getan hätte.
,,Können wir es ihr zusammen sagen?"
Er strich über meine Schulter. ,,Wenn du willst." Ich nickte und schloss kurz die Augen. Es war das Richtige. Leah verdiente schließlich die Wahrheit.
Damian biss ein letztes mal von seinem Müsliriegel ab und begann dann erneut zu reden: ,,Danach wirst du dich besser fühlen."
,,Wohl eher das Gegenteil", erwiderte ich und nahm ein kleinen Bissen von dem Rest meines Riegels.
,,Auf Trauer folgt Glück."
,,Heisst es nicht 'auf Trauer folgt Wut'?"
,,Nö, diesmal nicht", grinste er.
,,Hoffentlich hast du recht", erwiderte ich nachdenklich und drehte mich auf meine Seite.
Damian behielt seine Hände immer noch um mich.
,,Das hab ich immer."
Ich lachte trocken. ,,Nie."
,,Ach ja?" Ich drehte meinen Kopf zu ihm um und grinste ihn an. In dem dunklen Licht des Mondes, der durch sein Fenster schien, konnte ich sehen, wie er mich mit erhobener Augenbraue anschaute.
,,Ja."
,,Wenn ich sage, dass dir das gefällt", er küsste mich auf den Mund, ,,hab ich dann recht?"
,,Ja."
,,Siehst du?"
,,Nein, es ist dunkel."
,,Ha-ha", machte er trocken, und dann drehte ich mich ganz zu ihm um. Mir war immer noch kalt, obwohl es draußen wahrscheinlich immer noch recht warm war, weswegen ich mich an ihn drückte, damit ich seine Wärme abbekam. Er legte mir die Hand an den Rücken und drückte mich so noch mehr an sich. Soll mir recht sein, dachte ich glücklich.
Mir fiel auf, dass ich nicht mehr so viel Angst vor Abweisung hatte, so wie es früher der Fall war. Jedenfalls nicht bei Damian. Es machte mich glücklich, dass gerade er mir diese Angst genommen hat.
Es war wahrscheinlich weit nach ein Uhr als ich schließlich in seinen Armen einschlief und nach langer Zeit wieder zufrieden war.
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