> Part 61

Damian und ich gingen getrennt, da sein Klassenraum in einem anderen Gebäude war. Meine Hand fing an zu zittern, als ich durch die Klassenzimmertür trat und die vertrauten Gesichter sah, die ich überhaupt nicht vermisst hatte.

Heute Morgen im Bad hatte ich mich noch geschminkt (falls man das schminken nennen konnte) und ich war glücklich, dass mein Pickel jetzt nicht mehr so zur Geltung kam, trotzdem war ich total unsicher deswegen. Ich wusste, dass im Laufe des Tages irgendein dämlicher Kommentar folgen würde.

Ich schaute niemanden als, erst als ich mich auf meinen Platz neben Joline setzte, schaute ich auf. Mike war noch nicht da, aber dafür alle anderen, die wild durcheinander plapperten und von ihren Ferien berichteten. Niemand hatte sich großartig verändert; außer Mira, die ihre langen blonden Haare jetzt viel kürzer trug.

Mich beachtete keiner, was gut war, aber das konnte sich noch schnell ändern - pätestens wenn Mike den Raum betrat. Was er aber erst tat, als unsere Klassenlehrerin schon zwanzig Minuten lang am Reden war.

,,Sorry", sagte er zu ihr, ,,ich hab verschlafen."

,,Und das schon am ersten Schultag. Mike, du weißt, das gibt ein Eintrag ins Klassebuch."

Er grummelte irgendwas vor sich hin und setzte sich auf seinen Platz neben Tobias.

Außer dass seine Haut ein wenig bräuner geworden war, hat auch er sich nicht sehr verändert. Doch ich bemerkte, dass Mira seinen Blicken im laufe der Minuten auswich, was mich daraus schließen lässt, dass sie doch Schluss gemacht hatten. Ob Lily das wusste?

Ich schaute schnell weg, als ich Mikes Blick begegnete und wünschte mir, ich hätte nie seine Aufmerksamkeit auf mich gebracht. Bestimmt dachte er sich gerade neue Gehässigkeiten aus und das war allein meine Schuld.

Es klingelte zur kleinen Pause, als wir gerade den neuen Stundenplan abgeschrieben hatten, den Mrs Wiehert anschrieb. Hektisch packte ich meine Sachen zusammen, um als Erste den Raum zu verlassen zu können, damit ich Mike aus dem Weg gehen konnte. Was auch bis zur Ende der zweiten Stunde klappte, da ich den Kurs nicht mit ihm oder seinen Freunden hatte, aber als ich in der Pause zu meinem Spind ging, sah ich ihn einige Meter von mir entfernt stehen. Er unterhielt sich gerade mit ein paar Mädchen aus der Paralellklasse und als ich ihnen aus den Augenwinkeln einen Blick zuwarf, sah ich wie Mike der Brünette etwas ins Ohr flüsterte und mit dem Kopf auf mich deutete.

Ich wandte mich wieder ab, wurde aber so panisch, dass ich fast meine Bücher fallen ließ.

,,Hey, Schweinchen Dick!", rief das Mädchen nun. Ich ignorierte sie so gut es ging, aber ich wusste, dass das der Moment war, wovor ich mich so fürchtete. ,,Sind deine Titten endlich mal gewachsen oder trägst du seit Neustem Push-Up? Oder ist es doch nur Speck?"

Meinem Körper fiel nichts Besseres ein, als meine Wangen erröten zu lassen. War das grad ihr verdammter Ernst?

Ich drehte mich nicht zu ihnen um, da ich wusste, dass mich alle anschauten und lachten. So sehr ich mich auch bemühte ruhig zu bleiben, ich schaffte es nicht. Sie hatten es schon in den ersten drei Stunden geschafft mich zum Heulen zu bringen. Zu allem Überfluss ließ ich jetzt nun doch meine Bücher fallen, als ich sie in meine Tasche packen wollte.

,,Sie flennt", rief Mike überlaut und lachte. ,,Das kleine Baby flennt."

Ich hob meine Bücher auf und drehte mich zu ihm um, da ich eh nicht die restlichen zehn Minuten der Pause in mein Spind starren konnte. Ich rieb mir über die Augen und dankte Leah in Gedanken, dass sie mir eine wasserfeste Wimperntusche gegeben hatte.

Da sah ich, dass Damian jetzt neben ihm stand. Auch er starrte mich an, sein Mund war leicht geöffnet, aber er sagte nichts. Es fühlte sich an wie eine Ewigkeit, als ich ihn anstarrte, aber in Wahrheit waren es nur drei Sekunden gewesen. Dann ging ich weg.

Ich verkroch mich in die Bibliothek, wo kein Mensch war und wo ich in Ruhe heulen konnte. Ich versteckte mich hinter den Bücheregalen, ließ den Kopf in meine Hände sinken und fing an zu schluchzen. Ich war so schwach. Eine dumme Bemerkung und ich war wieder mit den Nerven am Ende. Ich hätte stärker sein sollen.

Es klingelte zur dritten Stunde, aber ich blieb sitzen. Zwanzig Minuten später vibriterte mein Handy.

Damian: wo bist du?

Damian: ignorier mich nich

Damian: ich hab ihr gesagt dass du kein pushup nötig hast

Damian: hör auf mich zu ignorieren oder ich mache gleich eine durchsage bei mclion

ArIa: Lass mich in Ruhe

Damian: heulst du gerade?

Aria: Wieso das denn??

,,Weil ich dich höre", sagte Damian plötzlich und schaute durch die Regale zu mir runter. Ich stand auf, schnappte mir meine Tasche und wollte mich an ihm vorbeidrängen, aber er hielt mich an den Armen fest.

,,Es tut mir leid", sagte er und sah in mein verheultes Gesicht. ,,Dass ich nichts gesagt habe."

,,Hätte doch nichts geändert."

,,Vielleicht ja doch."

,,Ist jetzt auch egal. Ich muss zum Unterricht", murmelte ich und wollte mich losmachen. Er ließ es nicht zu.

,,Du siehst aus wie 'n Panda", meinte er. Dann strich er mit seinen Daumen meine Tränen weg. Ich seufzte.

,,Übrigens: Ina - die Brünette - trägt selber Push-Up", sagte er jetzt. ,,Falls dich das tröstet."

,,Woher weißt'n du das?"

Als Antwort grinste er bloß.

,,Außerdem; was heißt hier 'selber'? Ich trage nicht mal Push-Up!" Wieder kamen mir die Tränen.

,,Ich weiß." Ich schaute ihn an, aber er verzog keine Miene. Als ich ihn ansah, musste ich erneut aufschluchzen und ich fragte mich, wieso ich so derart emotionial war. Er schien überfordert zu sein, da ich aufeinmal wieder anfing zu heulen. Etwas hilfhos nahm er mich in den Arm und drückte mich fest an sich.

,,Hey, so war es gar nicht gemeint, falls du das denkst", murmelte er. ,,Ich hab doch gesagt, dass du das gar nicht nötig hast, damit meinte ich, dass du so okay bist, wie du bist. Ich wette mit dir, Ina hat in Wahrheit viel kleinere Titten als du. Nicht, dass du kleine Titten hast, also - "

Ich musste lachen und gleichzeitig weinen, was sich komisch anhörte; als würde ich ersticken.

,,Ist schon okay", nuschelte ich in sein Shirt rein. ,,Hör lieber auf zu reden."

,,Ich komme mit heulenden Mädchen nicht zurecht, vorallem wenn sie aussehen wie ein kleiner Panda."

Ich wollte etwas erwidern, wurde aber in meinem Vorhaben unterbrochen. Mira stand an der Bibliothekstür und räusperte sich. Damian und ich lösten uns voneinander und drehten uns zu ihr um. Schnell wischte ich mir über die Augen.

,,Ich sollte nach dir schauen, Aria", sagte sie lächelnd und schaute von Damian zu mir.

,,Ja, ich - ich komme", ich schulterte meine Tasche und ging an Mira vorbei. Bevor ich mich aber wieder zeigen konnte, musste ich dringend meine verschmierte Wimperntusche abwaschen, also ging ich zur Mädchentoilette. Ich merkte, wie Mira mir folgte.

Mein Gesicht war rot befleckt und hatte tatsächlich ein wenig Ähnlichkeit mit einem Panda. Mira, die hinter mir stand, reichte mir ein Taschentuch.

,,Die Frage ob alles okay ist erübrigt sich wohl."

,,Geht schon wieder", sagte ich und befeuchtete das Taschentuch. Ich beobachtete sie kurz im Spiegel und sah, wie sie ihre Lippen zusammenpresste und anscheinend streng nachdachte.

,,Und - und bei dir?"

,,Kann ich dich etwas fragen?" Ich nickte und schaute sie neugierig an.

,,Hat Lily mich irgendwie mal.. erwähnt? Ich hab seitdem Vorfall vor einigen Wochen nicht mehr mit ihr geredet und - und ich weiß nicht ob sie überhaupt noch mit mir reden will."

,,Das weiß ich auch nicht. Vielleicht solltest du einfach versuchen.. sie anzurufen oder so." Ich schmiss das Taschentuch weg und warf einen kurzen Blick auf den jetzt wieder freigedeckten Pickel. ,,Ich glaube nicht, dass sie dich ignorieren wird. Dafür ist Lily zu.. gut."

,,Ich weiß. Und noch was: Hast du ihr irgendwas erzählt von.. der Sache, die ich dir mal erzählt habe?"

Ich wusste sofort was sie meinte und schüttelte schnell den Kopf. ,,Natürlich nicht. Wieso sollte ich auch?"

Sie zuckte die Schultern und fuhr sich durch ihr kurzes Haar. ,,Vielleicht um dich zu rächen? Ich hätte es verstanden."

Nocheinmal schüttelte ich den Kopf. Sowas würde ich niemals tun. Ich würde mich nicht auf Mikes Stufe herablassen wollen.

,,Okay", sie nickte und lächelte. Dann klingelte es und ich zuckte zusammen. Ich hatte noch drei Stunden vor mir.

***

Als ich nach der Schule aus dem Gebäude ging und mich auf den Weg zu Dads Auto machte, ging plötzlich wer neben mir her. Mike. Automatisch ging ich schneller.

,,Nicht so schnell, meine Liebe", sagte er. ,,Ich wollte dir nur sagen, dass du es Ina nicht böse nehmen sollst. Es war doch nett von ihr, dass sie auf solche Kleinigkeiten achtet."

,,Du bist echt eklig, weißt du das?", zischte ich, aber ohne ihn zu anzuschauen. Ich konnte Dads Auto schon sehen. ,,Kein Wunder, dass weder Lily noch Mira was mit dir zutun haben wollen."

Er packte mich am Arm und drehte mich unsaft an zu ihm um. ,,Ich warne dich, kleines Pummelchen. Pass auf was du sagst. Du weißt doch, dass ich dich das schnell bereuen lassen kann, oder?" Er schaute zu Dads Auto. ,,Hast du eigentlich keine Angst, dass ich deinem Daddy erzählen könnte, wie verschossen du doch in deinen Stiefbruder bist?" Mike lächelte.

Ich schluckte, aber ich war gerade so wütend, dass ich weitersprach. ,,Das würdest du nicht tun. Damian würde sicher auch Schwierigkeiten bekommen."

,,Aria, kommst du?!", rief Dad von weiten, aber ich ignorierte ihn.

,,Du bist diejenige, die dann das Problem hat. Damian wär das doch egal. Sein Problem ist, dass er einfach viel zu nett zu dir ist. Aber du sollest mal hören, wie er hinter deinem Rücken über dich redet", er schnalzte mit der Zunge, ,,das würde dir nicht gefallen."

Ich starrte ihn an, überlegte ob er lügte oder nicht. Aber wieso sollte er?

,,Das ist mir egal", sagte ich mit zusammengebissenen Zähnen. ,,Lass mich doch einfach in Ruhe."

Er lächelte mich lieb an und rief dann lauter: ,,Tschüß, Aria, bis morgen!", drehte sich um und ging.

,,War das nicht Damians Freund?"

Ich nickte und schnallte mich an.

,,Bist du etwa auch mit ihm befreundet?"

Ich schüttelte den Kopf.

,,Na, du bist heut ja sehr gesprächig", sagte Dad. Fünf Minuten später kam Damian dann endlich und fuhren los. Die ganze Zeit über fragte ich mich, ob Mike nun die Wahrheit sagte - oder nicht.

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