> Part 50
,,Du machst mich verrückt."
Mein Atmen ging plötzlich viel schneller, als diese Worte seinen Mund verließen. War das nun was Gutes oder was Schlechtes?
,,Ich – du – könntest du - " Er nickte und brachte wieder genug Abstand zwischen uns.
,,Ich schätze die Luft ist rein." Er musterte mich noch einmal von meinen mit Socken bedeckten Füßen bis zu meinem Gesicht, bevor er den Vorhang ein Stück zur Seite schob und verschwand. Was wohl die Leute dachten.
Aber das war jetzt mein kleinstes Problem. Ich ließ mich auf den kleinen Stuhl, der in der Ecke der Kabine stand, sinken und atmete einmal tief durch. In solche peinlichen Situationen konnte auch nur ich kommen. Zum zweiten Mal hatte er mich im BH gesehen. Scheiße, scheiße, scheiße.
Nachdem ich mich halbwegs beruhigt hatte, zog ich mein T-Shirt und meine Schuhe wieder an. Das andere T-Shirt würde schon passen, aber ich hatte keine Lust es noch anzuprobieren.
Ich schnappte mir alle Sachen, zerrte den Vorhang beiseite und sah mich nach Damian um, der aber nirgends zu sehen war. Vielleicht war er ja schon gegangen.
Ich entdeckte ihn jedoch neben der Kasse, wo er sich gerade mit Mia und Ela unterhielt. Die Luft war also doch nicht rein. Beide trugen knappe Hot-Pans, die gerade mal so ihre Hinterteile bedeckten und Tops mit einem Ausschnitt, der ihnen fast bis zum Bauchnabel reichte. Damian fing meinen Blick auf und warf mir einen gequälten Blick zu, den ich nur mit einem Schulterzucken quittierte.
Ich stellte mich an der langen Schlange der Kasse an und holte mit meiner freien Hand mein Handy raus. Ich hatte zwei neue Nachrichten. Die eine war von Lily.
Ich treffe mich heute mit Mike. Drück mir die Daumen. Für was auch immer.
du schaffst das schon. ich glaub, du bist der einzige mensch, der sich traut mike die meinung zu geigen x, schrieb ich und drückte auf Senden.
Die andere Nachricht war überraschenderweise von Justin.
Ich hab völlig vergessen, dir viel Spaß im Urlaub zu wünschen. Also: viel Spaß. :) Ich erwarte eine Postkarte! ;)
Ich lächelte. Es war süß, dass er extra daran dachte, mir viel Spaß zu wünschen.
danke. :) & wird gemacht, boss.
Wieder drückte ich auf Senden.
Ich steckte mein Handy wieder in die Hosentasche und es dauerte noch weitere fünf Minuten, bis ich endlich mit dem Bezahlen an der Reihe war.
,,Die haben mich nach meiner Handynummer gefragt", stöhnte er entnervt, als wir den Laden verließen und weiter durch die Stadt gingen.
,,Hast du sie ihnen gegeben?"
,,Ich hab mir eine ausgedacht."
,,Wieso das?"
Er warf mir einen belustigten Blick zu. ,,Du denkst auch, ich nehm jede, oder?"
Ich wollte eigentlich etwas Unfreundliches erwidern, aber ich sagte dann doch nichts. Wenigstens sprach er nicht über die Situation gerade in der Umkleide, weswegen ich ihm auch dankbar war.
,,Sie sind doch hübsch", erwiderte ich schulterzuckend.
,,Aber strohdumm. Hey, wie nennt man eine joggende Blondine?", fragte er grinsend. Ernsthaft jetzt?
,,Du wirst es mir bestimmt gleich sagen."
,,Dumm gelaufen." Er tat so, als würde er sich einen ablachen und schlug die Hände ineinander.
Ich hob eine Augenbraue. ,,Der is' ja fast noch schlechter als ‚Wieso essen Blondinen keine Brezeln? Weil sie den Knoten nicht aufkriegen."
"Ah, ich hab noch einen", sagte er lachend. ,,Was ist eine Blondine zwischen zwei Brünetten?" Diesmal wartete er nicht erst ab, bis er antwortete. ,,Eine Bildungslücke."
Diesmal musste ich wirklich lachen, einfach weil der Witz so dämlich war.
,,Wenigstens gibt's über uns Witze", sagte ich, als ich mich wieder eingekriegt hatte und warf Damian einen Blick zu. ,,Oder hast du schon jemals einen Witz über Brünetten gehört? Ihr seid einfach zu langweilig."
,,Willst du damit vielleicht indirekt sagen, dass ich langweilig bin?", fragte er gespielt empört und blieb stehen.
,,Würd' ich niemals wagen", grinste ich und blieb paar Meter weiter stehen. Ich war eher die Langweiligere von uns beiden.
Dann holte er sein Handy raus und gab irgendetwas ein, während er mitten im Weg stand. ,,Was machst du da?"
,,Brünettenwitze googeln."
Ich ging zurück zu ihm und stellte mich auf Zehnspitzen, damit ich sehen konnte, was herauskam.
,,Wie versucht eine Brünette einen Vogel umzubringen?", las ich laut vor.
,,Sie wirft ihn aus dem Balkon", antwortete Damian. ,,Was sagt man zu einer Brünette ohne Arme und Beine? Hm, geile Titten. Also nö, da sind die Blondinenwitze wirklich besser."
,,Was du nicht sagst", grinste ich, während er sein Handy wieder wegsteckte und wir weitergingen. Wir kamen an einem wunderschönen Springbrunnen vorbei, wo sich ein paar Leute drum herum gesetzt hatten.
,,Hallo", sagte jemand hinter uns und ich wurde an der Schulter angetippt. Ein Paar mittleren Alters stand vor uns, die Frau hatte eine Strandtasche in der Hand und der Mann eine übergroße, alte Kamera.
,,Könntet ihr machen vielleicht zdjecie von uns?", fragte die Frau mit starkem polnischen oder russischen Akzent und deutete lächelnd auf die Kamera. Ich nahm einfach mal an, dass mit zdjecie Foto gemeint ist.
Es überraschte mich, dass Damian plötzlich anfing in einer fremden Sprache zu sprechen. Ich verstand kein Wort und sah von dem Paar zu Damian in der Hoffnung irgendein bekanntes Wort aufschnappen zu können.
,,Pewny", sagte Damian, grinste und nahm dem Mann die Kamera aus der Hand. Das Paar stellte sich vor den Brunnen hin und der Mann legte der Frau einen Arm um die Schulter, während beide lächelten.
Wenige Sekunden nachdem Damian abgedrück hatte, kam aus einer Öffnung unter der Kamera plötzlich ein Stück Papier zum Vorschein. Eine Sofortbildkamera, stellte ich bewundernd fest. Als kleines Kind hab ich meinem Opa immer gebeten mit seiner alten Kamera Fotos von mir zu schießen, damit ich sehen konnte wie sich das Bild auf dem Papier entwickelte.
Die beiden kamen lächelnd zurück zu uns und nahmen Damian das Bild und die Kamera aus der Hand. Während der Mann sich das Bild anschaute, deutete die Frau auf uns beide und sagte irgendwas, was ich natürlich nicht verschwand. Damian erwiderte etwas, aber die Frau unterbrach ihn lachend und schubste uns beide sanft in die Richtung des Brunnens.Wollte sie, dass wir ein Foto zusammen machten?
Anscheinend schon, denn sie hob sich die Kamera an die Augen und wartete, bis wir bereit waren. Anders als früher hasste ich es jetzt Fotos von mir zu sehen. Ich sah auf jeden einzelnen schrecklich aus, weswegen ich es auch vermied, sie zu machen.
Ich lächelte gezwungen, aber die Frau schien nicht zufrieden.
,,Junger Mann, wieso du nicht legst deine Arm über Schulter von deiner Freundin?"
Ich räusperte mich. Freundin?
Damian seufzte, legte dann aber locker seinen Arm um mich und zog mich an ihn ran. Sofort wurde mir wärmer und mein Lächeln war nicht mehr ganz so gezwungen.
Sie drückte endlich ab und fast sofort ließ er mich los. Die Frau wedelte ein wenig mit dem Bild, bevor sie es mir in die Hand drückte.
,,Schön sieht es aus", meinte sie und gab die Kamera wieder ihren Mann.
,,Danke", murmelte ich, wobei ich mir nicht so sicher war, ob sie mich verstanden hatte.
,,Mówi dziekuje", übersetzte Damian für mich in welcher Sprache auch immer. Ich tendierte zu Polnisch.
Beide – die Frau und der Mann – lächelten uns an.
,,Danke euch", sagte die Frau und beide winkten, bevor sie weitergingen.
,,War das Polnisch?", wollte ich wissen, den Blick auf das Bild gerichtet. Es sah wirklich sehr.. nett aus. Er nickte, während er mich weiterzog.
,,Wieso kannst du Polnisch?"
,,Mein Dad kam aus Polen", erwiderte er bloß. Mir hätte auch auffallen sollen, dass sein Nachname nicht Englisch war.
,,Es muss cool sein mehrere Sprachen sprechen zu können", seufzte ich.
,,Ich kann noch italienisch. Allerdings nur ein, zwei Sätze."
,,Und welche?"
,,Vuoi venire con me a letto?"
,,Und das heißt was?", fragte ich.
Er grinste. ,,Willst du mit mir ins Bett gehen."
Ich verdrehte die Augen, wurde aber rot.
Er fing an zu lachen.
,,So lustig ist das gar nicht", sagte ich genervt, weil er über mich lachte.
,,Du bist so unschuldig, dass es schon niedlich ist", sprach er. Hatte er gerade gesagt, ich sei niedlich? Ich biss mir auf die Lippe, um nicht zu lächeln.
Wir gingen eine Weile schweigend nebeneinander her, bis wir an einem Schaufenster eines Musikgeschäftes vorbeikamen. Bewundernd schaute ich die Gitarren an, die im dort verteilt standen und seufzte wehmütig.
,,Ich wollte immer schon mal Gitarre spielen lernen", sprach ich meinen Gedanken aus. Nur kannte ich niemanden, der mir das Spielen hätte beibringen können und alleine wollte ich auch nicht zur Musikschule. Natürlich hatte ich Leah gefragt, ob sie mitkommen würde, aber sie weigerte sich mit der Begründung, ihr fehle die Geduld ein Instrument spielen zu lernen.
,,Ich könnte es dir beibringen", meinte Damian und ich sah ihn überrascht an.
,,Du kannst Gitarre spielen?", fragte ich ihn ungläubig. Was konnte er eigentlich nicht?
Er zuckte die Schultern und nickte.
,,Hast du denn eine?" Ich konnte mich nicht erinnern, je eine Gitarre bei ihm gesehen zu haben.
Diesmal schüttelte er den Kopf, während er sich die altmodisch aussehenden Gitarren im Schaufenster genauer ansah. ,,Sie ist letztes Jahr im Internat kaputt gegangen. Frag nicht wieso."
Ich war etwas enttäuscht, ich hätte mich wirklich gefreut, Gitarre spielen zu lernen.
,,Naja, was soll's", sagte ich und ging weiter. Wenn Gitarren nicht so teuer wären, hätte ich mir vielleicht selber eine gekauft, aber leider reichte mein Taschengeld nicht für sowas aus.
Igendwann machten wir uns auf den Weg zurück zum Hotel. Während wir da so nebeneinander herliefen, fiel mir auf, dass der Nachmittag (jedenfalls ein Teil des Nachmittages) echt ausgelassen war. Damian hat nicht mehr über die Peinlichkeit in der Kabine gesprochen und ich wagte es auch nicht davon anzufangen. Wir hatten über unlustige Dinge gelacht und uns normal unterhalten – fast so wie Stiefgeschwister es für gewöhnlich taten. Jedoch wusste ich nicht, was ich davon halten sollte.
Wann weiß ich das schon?
Als wir am Zimmer 269 angekommen waren, hörte man sofort lautes Geschrei, welches von drinnen kam. Ich schaute kurz Damian an, der hinter mir stand, aber er zuckte bloß die Schultern.
Ich steckte mein Schlüssel ins Schloss, drehte und die Tür sprang auf. Im dem kleinen Flur ließ ich meine Tüten fallen und legte meinen Schlüssel auf die kleine Anrichte neben der Tür, bevor ich in unser Schlafzimmer ging, wo ich Dad und Sally vorfand. Streitend.
,,Wieso machst du denn so ein großes Ding draus?", fragte Dad. Er schien ein wenig verzweifelt zu sein.
,,Du siehst es nicht mal ein, oder?!", rief Sally wütend.
,,Hey..?", begrüßte ich sie zögerlich und erst jetzt schienen die beiden mich zu bemerken.
,,Oh. Hey, Schatz", sagte Dad nun etwas leiser und kratzte sich am Hinterkopf.
,,Was ist los?", fragte Damian, der hinter mir im Türrahmen aufgetaucht war.
,,Nichts ist los."
,,Du nennst das nichts?", schrie Sally und schaute Dad böse an.
Dieser hob nur die Arme. ,,Es ist doch nur ein dämlicher Ring!"
Welcher Ring? Ich wusste nicht, worüber sie stritten und erst recht nicht, wieso Sally plötzlich anfing zu weinen. Sie wandte sich ab, vermied es mir oder Damian einen Blick zu zuwerfen und verließ schnell den Raum. Einen Moment später hörte ich sie die Badezimmertür zuknallen.
,,Was ist passiert, Toby?", fragte Damian. Dad setzte sich auf das Bett und schien genau wie ich, nicht zu wissen, was eigentlich los war.
,,Ich weiß es nicht."
,,Von welchem Ring hat Mum gesprochen?"
,,Wir wollten runter zum Strand und haben uns gerade fertig gemacht. Sally war duschen und hat ihren Ring, den sie immer trägt auf dem Waschbecken gelegt. Ich hab ihn halt ausversehen ins Waschbecken geschmissen, als ich mir die Hände gewaschen habe, aber dann ist er verschwunden." Damian fasst sich kurz an die Stirn und atmete tief aus.
,,Ich hab ja noch versucht, ihn aus dem Ausguss herauszuholen, aber er war weg. Und da ist sie halt ausgerastet."
,,Was wohl daran liegt, dass es nicht nur ein dämlicher Ring ist", sagte Damian.
,,Sondern?"
,,Das sollte sie dir vielleicht selber erklären. Ich, äh, versuch mal, sie zu beruhigen oder so." Er nickte uns zu und verschwand aus dem Raum.
Ich drehte mich zu Dad, der immer noch auf unserem Bett saß.
,,Vielleicht sollten wir in euer Zimmer gehen? Damit Sally sich beruhigen kann, weißt du."
Dad nickte seufzend und stand auf. Als wir rausgingen, hörten wir, wie Damian versuchte Sally dazu zu bringen, die Tür aufzumachen.
Ich verstand die Welt nicht mehr.
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