> Part 47
Lily und ich redeten noch über ein paar Dinge, bevor ich zurück in die Bar ging, wo Dad und Sally gerade dabei waren ihre Getränke zu bezahlen.
„Wo warst du denn so lange?", fragte Sally mich und zog den Reißverschluss ihrer Tasche zu. „Wir wollten eigentlich gerade gehen."
„Ich hab mit Lily telefoniert, war was Wichtiges."
„Jedenfalls wichtig genug, um fast eine Stunde zu telefonieren zu müssen, was?", grinste Dad und legte mir eine Hand auf die Schulter. Zu dritt gingen wir in unsere Zimmer. Dad unterhielt sich noch eine Weile mit Sally, während ich mich umzog und ins Bett kroch. Damian war noch nicht da, aber um ehrlich zu sein, wollte ich gar nicht so genau wissen, was er gerade machte.
Es war Mitternacht als ich aufwachte. Sally hatte es sich am anderen Ende des Bettes gemütlich gemacht und schlief schnarchend und von Dad war im Dunkeln keine Spur zu sehen. Ich drehte mich um, weil ich wieder einschlafen wollte, aber ich war einfach nicht mehr müde. Und es war so warm hier. Leise seufzend schlug ich die Bettdecke beiseite und ging zum Fenster, um es zu öffnen. Aber als kurz darauf eine Motte reinflog, schloss ich es wieder gereizt. Wieso muss es auch so heiß sein?
Leise tapste ich in den Flur, wo ich die Tür ein Spalt weit öffnete. Der Gang war dunkel, zwar waren leise Stimme von den Zimmern neben uns zu hören, aber sonst war es ruhig.
Als ich den Flur bis zur Treppe entlang ging, fragte ich mich, ob Damian wohl schon da war. Irgendwann musste er ja wieder kommen.
Ich ging so leise wie möglich die Treppe runter und spähte in die Lobby. Auf der Rezeption stand ein Schild mit der Aufschrift ‚Ab ein Uhr wieder da'. Gut, wenigstens war keiner da, der mich in Shorts und Top sehen konnte.
Eigentlich wollte ich nach draußen gehen, weil ich einfach frische Luft brauchte, aber dann sah ich, dass die Tür zum Außenbereich mit dem Pool und der Snackbar offenstand. ‚Geöffnet bis 23 Uhr' stand an der Tür. Bestimmt hat man vergessen abzuschließen.
Ich schlüpfte durch die Tür, lehnte sie ein wenig an und atmete draußen erst einmal tief durch. Es war wesentlich kühler hier, wenn auch nicht kalt. Und es war dunkel, nur an den Liegen hingen einzelne kleine Lampen, die schwach leuchteten.
Ich setzte mich an den Rand des Pools, sodass meine Zehen gerade mal das Wasser berührten, zupfte meine Shorts ein wenig herunter und ließ die Schultern hängen.
Das hier war wesentlich besser als das stickige Hotelzimmer, wo Sally unerträglich schnarchte. Aber sonst war es ja eigentlich ganz nett mit ihr.
Nett ist die kleine Schwester von Scheiße, sagte ein kleiner, gemeiner Teil von mir. Aber wenn ich ehrlich war, war sie ganz und gar nicht scheiße. Ganz am Anfang, als Dad sie mir vorstellte, wollte ich sie so sehen. Dass sie das reinste Biest wäre und einfach nicht gut genug für meinen Vater. Aber so war sie nicht, ich wollte sie nur so sehen.. weil meine Mum einfach die einzige Frau war, die zu meinem Dad passte, meiner Meinung nach. Aber ich musste Sally akzeptieren - was eigentlich ja auch nicht so schwer war - damit Dad glücklich war.
Fühlte Damian nicht genauso? Oder hatte er sich keine Gedanken darüber gemacht, dass Dad vielleicht nicht zu seiner Mum passen könnte? Aber ich wusste ja auch nichts über seinen Dad, wie er war und was überhaupt mit ihm passiert war.
„Hast du das Schloss aufgebrochen?", fragte Damians Stimme in diesen Moment und als ich mich erschrocken zur Tür drehte, stand er da - teils grinsend, teils ungläubig. Wenn man vom Teufel dachte.
„Wieso musst du dich denn immer so anschleichen?", zischte ich gereizt.
„Ich schleiche mich nie an, du bist einfach immer in deiner kleinen Traumwelt. Bestimmt würdest du nicht einmal merken, wenn das Hotel direkt vor deinen Augen abbrennen würde."
Etwas beleidigt schaute ich auf meine Füße, die ich in der Dunkelheit nur halb sehen konnte. „Die Tür war offen", beantwortete ich seine Frage.
Ich hörte wie die Tür geschlossen wurde und dann wie er sich neben mir setzte. Er ließ seine Beine ins Wasser baumeln und das Wasser reichte ihm knapp bis zur Mitte seiner Wade. „Ich hätte mir ehrlich gesagt auch nicht vorstellen können, dass du in den paar Stunden zur Kriminellen geworden bist."
„Was machst du hier so alleine?"
„Ich konnte nicht mehr schlafen", sagte ich. „Und du?"
„Ich hab gesehen, dass hier offen war."
Ich nickte, obwohl er es nicht sehen konnte, da er aufs Wasser schaute. „Vielleicht sollte ich wieder rein gehen", meinte ich und zog meine Zehen aus dem Wasser. Ich fühlte mich einfach zu mies, um neben Damian sitzen zu können. Diese ganzen ungeklärten Fragen, die ich hatte, machten mich einfach verrückt und solange ich keine Antwort auf diese bekam, machte seine Gegenwart mich traurig. Verwirrt. Wütend.
Ich war auf halben Weg, als er sagte: „Vielleicht solltest du aber auch bleiben."
Abrupt blieb ich stehen. „Wieso das?", fragte ich, ohne mich umzudrehen.
„Weil ich mit dir reden will."
Ich überlegte kurz und erinnerte mich an das Gespräch mit Lily vorhin. Ich hab ihr geraten, dass es reden ja nicht schaden kann und vielleicht galt das ja auch für mich, zudem ich ja Antworten brauchte.
„Worüber willst du reden?", wollte ich wissen und merkte selber, wie kühl ich klang. Aber ich wollte nicht, dass er dachte, dass ich mich so leicht auf alles, was er vorschlug, einlassen würde.
„Über das, was heute passiert ist. Über uns", sagte er. Mein Bauch schlug Purzelbäume, alleine wegen diesem Wort uns.
Ich drehte mich zu ihm um. Er saß immer noch am Poolrand, nur dass er sich zu mir umgedreht hat und seine Füße an den Körper zog. Schließlich nickte ich und setzte mich auf einer der Liegen, damit wir ein bisschen Abstand voneinander hatten.
„Als erstes solltest du wissen, dass ich nicht vorhatte mit dir zu spielen, falls du das denkst. Und ich bin mir ganz sicher, dass du das denkst", sagte er und lächelte traurig. Er wirkte mit einem mal so verletzlich und ganz und gar nicht so selbstsicher, wie sonst immer.
„Und deine Frage von heute Morgen, wieso ich das immer mache", wieder lächelte er kurz. „Ich weiß es ehrlich nicht. Ich weiß, dass es da irgendeinen Grund gibt, wieso ich dich geküsst habe. Aber bis jetzt habe ich ihn noch nicht gefunden. Okay, das klingt jetzt total bescheuert, aber ich weiß nicht, wie ich's dir sonst erklären soll, verstehst du?"
Ich nickte, obwohl ich kein Stück weitergekommen war. Aber ich merkte selber, dass ich nicht mehr sauer auf ihn war; wenigstens hatte er mir halbwegs die Wahrheit gesagt, wobei ich nicht so recht wusste, was ich davon halten sollte.
„Du sagst nichts", stellte er fest und sah mich prüfend an. Noch immer sah er so verletzlich aus, fast wie ein kleiner Junge, der nicht wusste, was er tun sollte.
„Was soll ich denn sagen?", murmelte ich leise. „Was willst du hören?"
Er schaute mich einen Augenblick an, strich dann eine Haarsträhne aus seiner Stirn und legte den Kopf ein wenig schief. „Was du darüber denkst, zum Beispiel. Mir egal, hauptsache irgendwas."
„Es ist doch unwichtig, was ich darüber denke. Es würde nichts ändern, oder?" Eine kleine, leise Wut stieg wieder in mir auf, aber ich war nicht wütend auf Damian. Sondern eher auf diese beschissene Situation in der ich mich befand.
Wieder schauten wir uns an, während ich versuchte meine Stimmung unter Kontrolle zu bekommen und Damian mich einfach nur anschaute, als würde er versuchen meine Gedanken zu lesen. Dann stand er auf und kam zu mir rüber, setzte sich genau neben mir auf die Liege, sodass unsere nackten Beine sich berührten. Komischerweise war es mir egal, dass er mich in kurzen Schlabbershorts sah, vielleicht weil er es schon so oft getan hat.
„Es ist nich' unwichtig", sagte er dann, während ich auf seine Hände starrte, die er sich auf die Knie gelegt hatte.
„Okay, wie du willst. Ich denke, dass du alles durcheinander gebracht hast. Du hast mich durcheinander gebracht, ich weiß nicht was ich denken soll. Ich werd' einfach nicht schlau aus dir. Erst küsst du mich, dann beleidigst du mich, dann meinst du, du wärst betrunken gewesen. Du schläfst mit mir in einem Bett, knutscht dann aber mit Leah rum. Dann küsst du mich wieder und kurz darauf machst du dir mit diesen Strandtussen einen schönen Tag, während ich mich frage, warum das alles. Du tust alles, was du willst ohne Rücksicht auf irgendwen zu nehmen. Aber wer nimmt schon Rücksicht auf mich? Das hat schließlich nie jemand getan, also müsste ich daran gewöhnt sein, nicht wahr? Bin ich aber nicht, verdammt und das ganze Theater kotzt mich an!" Kaum zu glauben, dass ich das in meiner Wut wirklich gesagt hatte, aber ich bereute es nicht. Ich meinte alles, so wie ich es sagte und ich war froh, dass es raus war.
Damian hatte mit meinem Ausbruch wahrscheinlich auch nicht gerechnet, denn für einen langen Augenblick starrte er mich mit leicht geöffnetem Mund an. Als er merkte, dass er mich anstarrte, drehte er sich weg und schaute auf seine Hände. Er wusste nicht, was er sagen sollte.
„Du hast Recht. Ich – es tut mir leid. Aber es ist auch nich' so einfach für mich, wie du denkst", sagte er dann.
„Nicht ich verarsche dich. Eigentlich mache ich ja überhaupt nichts, außer, dass ich immer wieder auf dich reingefallen bin", entgegnete ich sauer, obwohl mir die Worte sofort wieder leidtaten, als ich sein Gesicht sah .
„Was ist mit Justin?", fragte er herausfordernd. „Du hast mich im Keller auch geküsst und kurz darauf kommt Justin an und du hängst wie ein Klette an ihm."
„Wie bitte? Erstens weißt du ganz genau, dass Justin nur ein Freund ist!", rief ich empört und stand auf. „Zweitens habe nicht ich dich geküsst, sondern du mich! Trotz Leah! Und auch wenn du zu diesem Augenblick angeblich nicht mit ihr zusammen warst, jetzt bist du es anscheinend. Also auch wenn irgendetwas mit Justin passiert sein sollte, solltest du dich erst einmal an deine eigene Nase packen, oder? Aber was interessiert dich das überhaupt? Du hast Leah zuhause, du hast deine Strandtussen hier, also kann es dir doch egal sein, was ich mache, wenn du sowieso jedes Mädchen haben kannst, oder?"
„Aber was, wenn ich kein anderes Mädchen will?"
Ich schluckte. „Mach was du willst. Es interessiert mich nicht mehr, was du machst", sagte ich, wusste aber, dass es eine Lüge war. Ich wusste auch, dass ich ihn mochte, mich vielleicht sogar in ihn verknallt hatte, aber vielleicht war es das beste, ihn mir aus den Kopf zu schlagen. „Es ist mir egal."
„Dir ist es nicht egal", stellte er fest und als ich ihn wieder anschaute, sah ich, dass seine Verletzlichkeit aus seinem Gesicht verflogen war und er nun wieder so voller Selbstsicherheit war, wie es für Damian nun mal üblich war.
„Weil ich dir nicht egal bin", fuhr er fort und ein Grinsen bildete sich auf seinen Lippen, als er sah, wie sprachlos ich war. Ich schnaubte und verschränkte die Arme vor der Brust, was ich dann aber sofort wieder sein ließ. „Wieso sonst, hättest du so reagiert?"
Toll, was sollte ich jetzt sagen? Vielleicht war sein Vorschlag zu reden, doch keine so gute Idee gewesen. Nicht vielleicht, es war ganz sicher keine gute Idee gewesen. „Ich hab überreagiert. Mag sein, dass ich mir eingebildet habe, Gefühle für dich zu haben, aber mir ist klar geworden, dass du es nicht wert bist." Die letzten Worte waren vielleicht ein wenig zu hart, aber ich wollte nicht weiter über dieses Thema sprechen. Jedoch schien es Damian nichts auszumachen, denn sein Grinsen blieb und er blieb ruhig sitzen, während er zu mir hochschaute. Ich versuchte so selbstbewusst wie möglich zurück zu schauen, aber ich war mir nicht so sicher, ob es mir wirklich gelang.
„Dann beweis es mir", sagte er.
„Wie?" Damian packte mich am Handgelenk und zog mich ruckartig auf seinen Schoss, sodass ich seitlich auf ihm drauf saß.
„Küss mich und sag mir dann ins Gesicht, dass du nichts empfunden hast."
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