> Part 45

Der kleine Pool, der Teil des Hotels war, war großartig. Ich mochte schwimmen zwar nicht wirklich, aber trotzdem - als ich das klare, blaue Wasser sah, wäre ich am liebsten reingesprungen. Überhaupt war das Hotel der reinste Wahnsinn. Es war nicht sonderich groß oder protzig, eher klein und gemütlich. Um den Pool herum, wo ein paar kleine Kinder drin schwammen, befanden sich große Liegen mit Sonnenschirmen und kleinen Beistelltischen und neben dem Ausgang befand sich die Snackbar. Snackbar ... früher waren wir, wenn überhaupt, nur in die Berge gefahren. Mum liebte die Umgebung dort und Dad machte alles was ihr gefiel; zuletzt erst recht, wo ihr dann doch so wenig Zeit blieb. Aber ich hatte nie irgendwas gegen unsere Urlaubsreisen. Aber eine Snackbar gab es dort nie. Auch kein Pool oder Zimmerservice in den alten Berghütten.

Ich glaube, mir gefällt es hier.

"Tach." Ich erschrak mich leicht, als ich die tiefe Stimme neben mir hörte.

"Hi", murmelte ich und fasste mir ans pochende Herz. "Was gibt's?"

Damian sah sich staunend um, während ich ihn unbemerkt musterte. Er hatte sich umgezogen und trug nun eine blaue Shorts und ein weißes T-Shirt, dazu hatte er sich eine schwarze Sonnenbrille in seine Haare gesetzt. Außerdem hatte er seine schwarzen Boots durch einfache, abgetragene Sneakers ersetzt.

"Hier sind ja nur kleine Nervensägen", jammerte er, als er die Anzahl an Kindern sah, die im und um den Pool herumtobten. Ja, wahrscheinlich waren hier wirklich viele Kinder, aber das störte mich nicht besonders, solange sie mich in Ruhe ließen.

Ich zuckte bloß mit den Schultern und wollte wieder rein gehen, als Damian bemerkte: "Du hast dich umgezogen." Ich fragte mich, was daran so besonders war. Ja, ich trug ein T-Shirt und ja, ich trug Jeans, die ein wenig aufgekrempelt waren, aber war das für meine Verhältnisse wirklich so besonders? Wahrscheinlich schon.

Ich schaute unsicher an mir herunter, denn ich war mir plötzlich total sicher, dass ich lächerlich aussah. "Ehm, ja." Er musterte mich, während ich am liebsten weggegangen wäre. Ich hasste es, wenn man mich anstarrte. Als er sah, wie unbehaglich ich mich fühlte, grinste er und setzte sich seine Sonnenbrille auf die Nase.

"Steht dir besser als der Pennerlook", sagte er, bevor er in Richtung Snackbar verschwand und mich verdattert zurückließ.

Während ich rein ging, fragte ich mich, ob ich beleidigt oder geschmeichelt sein sollte.

***

"Ich hätte nicht gedacht, dass du dich das traust, Schätzchen", bemerkte Dad überrascht, als Damian ihm am nächsten Morgen über unsere (seine) Pläne mit dem Wasserskifahren aufklärte.

"Liegt daran, dass ich mich das auch nicht traue", gab ich zurück und stocherte in meinem Rührei herum. Wir saßen gerade in dem kleinen Hotelrestaurant und aßen Frühstück, aber der heutige Plan verdarb mir jeglichen Appetit. Was wahrscheinlich auch besser war.

Leider war mir über die Nacht keine plötzliche Super-Idee gekommen, wie ich Damian verklickern könnte, dass ich nicht mitkommen konnte. Natürlich könnte ich lügen und sagen, ich hätte meine Tage bekommen, aber das wäre mir wesentlich peinlicher, als mich beim Skifahren zum Affen zu machen. Und sonst fiel mir keine andere Ausrede ein.

"Ich war auch mal Wasserskifahren, Aria", erzählte Sally und legte ihre Gabel beiseite, "es ist gar nicht so schwer, wenn man erstmal den Dreh raus hat."

"Wann warst du denn Wasserskifahren?", wollte Dad wissen.

Sally zögerte und sah mit einem mal ein wenig traurig und bedrückt aus. "Damals", antwortete sie und warf Damian einen kurzen, ebenfalls zögernden Blick zu. Er erwiderte ihn, aber senkte den Blick dann auf seinen Teller.

Dad, der die aufeinmal bedrückte Stimmung bemerkte, sah von Damian zu Sally und zuletzt zu mir, aber ich zuckte kaum merklich die Schultern. Ich hatte keine Ahnung, was los war. Ein paar Minuten lang war nur das Geräusch der Gabeln zu hören, die auf den Tellern auftrafen, bis Dad seinen leeren Teller von sich schob und seufzte.

"Okay, Leute", sagte er und legte Sally seine Hand auf die ihre. "Wollen wir dann?"

Sally nickte. "Haben wir die Handtücher eingepackt? Die Sonnenbrillen?", fragte sie und wühlte in ihrer Strandtasche.

Nachdem wir das Hotel verließen, fiel Sally dann doch ein, was sie vergessen hatte.

"Die Sonnencreme", stöhnte sie auf und klaschte sich mit der flachen Hand gegen die Stirn. "Geht ihr schon mal vor; wir treffen uns dann am Strand, ja?"

Dad wollte mitgehen, damit "sie auch den Weg zurück findet", aber meiner Meinung nach, machte Dad sich viel zu viel Sorgen um sie. Ich meine - sie war ja keine fünf mehr.

Heute war der Strand genauso voll wie gestern. Weit und breit war kein freies Plätzchen mehr zu finden und es war gerade mal Vormittag. Aber wenigstens hob ich nicht mehr so sehr von der Menge ab, da ich heute wieder 'kurze' Jeans anhatte und ein einfaches blaues T-Shirt, welches mir bis zu den Armbeugen ging und dazu meine (allerheiligsten) abgenutzten Vans. Für meine Verhältnisse war ich also einigermaßen freizügig gekleidet - soweit man das so sagen konnte.

"Kommst du?", riss mich Damians Stimme aus meinen Gedanken. Erst jetzt bemerkte ich, dass er in eine ganz andere Richtung gegangen war, als ich.

"Wohin?"

Er rollte genervt mit den Augen. "Wasserski fahren? Klingelt da was?"

Die Panik kam wieder in mir hoch. Was, wenn ich runterfiel? Ich kann zwar schwimmen, aber so wie ich mich kannte, bekam ich sicherlich einen Krampf oder sowas. Seufzend folgte ich ihm, da er sich wieder umdrehte und weiterlief.

An dem Steg, war niemand, außer zwei Mitarbeiter, die uns lächelnd empfingen. Sie sagten, wir konnten ruhig in Badekleidung draufgehen, da wir sowieso Schwimmwesten bekamen und während Damian bezahlte, ging ich in die Ecke und zog zögernd meine Schuhe aus. Ich legte meine Umhängetasche auf den Boden und holte meine Badeshorts heraus. Zwar trug ich einen Badeanzug, aber ich wusste schon jetzt, dass ich mich damit allein nicht wohl fühlen würde, daher die Badeshorts. Ich vergewisserte mich, dass im Moment keiner zu mir schaute und zog blitzschnell meine Jeans aus und die Shorts an. Sie endete über den Knien, aber damit konnte ich leben, solange meine Oberschenkeln bedeckt waren.

Ich fühl mich jetzt schon so nackt, dachte ich, als ich an den Saum meines T-Shirts griff. Aber was blieb mir anderes übrig? Zwar hatte ich zwei Kilo durch das ganze Nichtsessen abgenommen, aber davon sah man mir nichts an - zudem hatte ich ständig Hunger, was ich gewissenhaft ignorierte.

"Heute noch?", schnauzte Damian mich an und ich warf ihm einen bösen Blick zu, als er auf mich zu kam. Erst dann bemerkte ich, dass er sein T-Shirt und seine Hose schon ausgezogen hatte und nun mit nacktem, gebräunten Oberkörper vor mir stand.

Ich schaute schnell weg. "Jaja", murmelte ich genervt zurück. "aber dreh dich um."

Er seufzte übertrieben und drehte sich um, während ich mich zusammenriss und mein T-Shirt auszog. Der Badeanzug, den ich schon druntergezogen hatte, war neu und eigentlich gefiel er mir auch, aber jetzt - wo ich ihn anhatte - fand ich ihn nicht mehr toll. Ich hatte das Gefühl, dass es meine Fettpölsterchen zur Show stellte und meine Arme nur noch mehr präsentierte. Reflexartig zog ich den Bauch ein und verschränkte die Arme vor der Brust.

"Bin fertig", sagte ich leise und schmiss all meine Sachen zu einem Häufchen zusammen.

Damian drehte sich um und musterte mich von oben bis unten. Dann grinste er und ich wurde rot.

"Geh einfach vor", jammerte ich und schaute verzweifelt in eine andere Richtung. Gleich kommt bestimmt irgendein dämlicher Kommentar von ihm und der Tag wäre gelaufen. 

Aber er sagte nichts und ging zu dem Steg, wo der Mann von eben auf uns wartete. Ich zog meine Shorts ein wenig runter und folgte ihm gezwungenermaßen.

Während er uns erklärte, wie alles funktionierte, wie man sich halten musste und so weiter, zupfte ich immer wieder an meinem Badeanzug herum und fühlte mich die ganze Zeit beobachtet, obwohl außer Damian, dem Mann und mir keiner hier war.

Irgendwann jedoch schnappte Damian meine Hand und hielt sie fest. Ich wollte sie wegziehen, dabei aber nicht die Erklärung des Mannes unterbrechen, also versuchte ich es unauffällig, aber er ließ nicht los. Seufzend ergab ich mich und machte mich locker, was sich dann aber ganz schnell änderte, als es zum praktischen Teil kam.

Der Mann ging kurz weg, um die Schwimmwesten zu holen und ich schaute mich auf dem weiten Meer um. Es sah so tief aus, was wenn ich unterging?

"Wieso tust du das denn immer?", fragte Damian mich und ich sah ihn verständnislos an.

"Was?"

"Du fummelst immer an deinem Badeanzug rum. Auf dem Schulball, wo wir getanzt haben, hast du auch immer an deinem Kleid rumgezupft. Wieso?"

Ich schluckte und schaute auf unsere miteinander verschränkten Hände. In meinem Bauch kribbelte es leicht, als ich zu ihm hochsah. "Ich - keine Ahnung, ich fühl mich in solchen Sachen einfach nicht so wohl."

"In solchen Sachen? Du meinst in allem, was keine Jeans oder kein Pulli ist."

So hätte ich das jetzt nicht ausgedrückt und obwohl er Recht hatte, versuchte ich trotzdem erneut meine Hand loszureissen. Ich wusste nicht, was ich an dem, was er gesagt hatte, so kränkend fand.

"Wie auch immer."

"Ich hab dich schon in weniger als das", er deutete mit seiner freien Hand auf meine Badekleidung, "gesehen, wenn ich dich erinnern darf."

Ich spürte, wie mir heiß im Gesicht wurde, so wie immer, wenn er den Abend ansprach, wo er mich in Unterwäsche und mit Zahnbürste im Mund 'erwischt' hatte. "Das macht es auch nicht besser", gab ich giftig zurück.

"Und wieso nicht?" Ich wusste, dass er mich provizieren wollte, aber ich konnte nichts gegen mein Mundwerk tun.

"Weil ich halt nicht so bin, wie Leah oder Mira oder die Blondine vom Strand und kann nicht alles tragen, was ich will, ohne das ich aussehe, wie gequetschter Zeh", entgegnete ich wütend, wobei ich mich mit meinem kleinen Ausbruch selber überraschte. Wahrscheinlich reagierte ich über, aber er sprach ein Thema an, welches mich viel zu sehr beschäftigte.

Damian sagte eine lange Zeit nichts, aber ich spürte trotzdem, wie sein Blick auf mir lag, als ich aufs Meer schaute, um ihn nicht anschauen zu müssen. Keine Ahnung, warum ich mich so zickig verhielt, aber in dem Moment dachte ich nicht darüber nach; ich tat es einfach.

Aufeinmal wurde ich an der Hand zu Damian gezogen und er drückte unsere verschränkten Hände an seine nackte, warme Brust und zwang mich ihn anzusehen. Ich wusste nicht, was das sollte, aber ich konnte nicht leugnen, dass mir ganz warm ums Herz wurde. Damians Blick wurde weich, als er sah, wie verunsichert ich war und ein kleines Lächeln umspielte seine Lippen, während meine Atmung sich immer verschnellerte.

"Du kannst alles tragen, was du willst, Aria, du wirst immer wunderschön aussehen."

Meine Atmung versagte bei diesen Worten total. Für einen langen Moment blieb die Welt stehen und ich hörte nur diese fünf Worte, immer und immer wieder.. du wirst immer wunderschön aussehen.

Mein Mund öffnete sich leicht und ich sah ihn sprachlos an, während diese Worte mir durch den Kopf schwebten. Träumte ich das nur oder hatte er das wirklich gerade gesagt? Zu mir - Aria, das Schulopfer, Schweinchen Dick?

Etwas kleines in mir fragte einen kurzen Augenblick lang, ob es nur ein kleiner, unlustiger Scherz von ihm gewesen war, aber ich konnte nichts Spöttisches in seinen Augen erkennen.

Aber dafür grinste er breit, ließ meine Hand los, bückte sich ein wenig runter und strich mir eine lose Haarsträhne aus dem Gesicht. "Du brauchst dich nicht in schlabbrigen Pullis zu verstecken, weil es nichts zum Verstecken gibt. Wieso verstehst du das nich ..." Am Ende wurde er immer leiser und ich hatte das Gefühl, dass er eher zu sich selber redete, als zu mir.

Gerade wollte ich etwas erwidern - vermutlich hätte ich sowieso nichts als ein sprachloses Stottern herausgebracht - aber genau dann, als ich den Mund öffnete, kam der Mann mit den Schwimmwesten wieder zurück.

"So, da bin ich wieder", sagte er und ich schreckte zurück, wobei ich ihm automatisch einen bösen Blick zuwarf, den er jedoch nicht bemerkte, da er mit den Schwimmwesten rumhantierte.

"Wer will als Erstes?"

"Ladys first", sagte Damian grinsend und nahm die Schwimmweste an, die ihm in die Hand gedrückt wurde.

"Du hast doch nur Schiss", gab ich gespielt locker zurück, obwohl alles in mir sich am liebsten in einer Ecke verkrümmelt hätte, um nachdenken zu können. Über seine Worte.

Er sah mich prüfend an, bevor er sich die rote Weste überzog und das Kinn in die Höhe reckte.

"Das hättest du wohl gerne", sagte er und ging demonstrativ zum Steg und ich konnte nicht anders, als zu lächeln.

Wahrscheinlich hätte ich mir angucken sollen, wie Damian sich auf diesem Ding hielt, denn er fiel kein einziges mal herunter, aber ich war mit den Gedanken viel zu weit weg. Das Einzige, was ich mitbekam, war, dass er gut war. Vielleicht war er ja früher schonmal Wasserskifahren gewesen und daher geübt darin.

Im Gegensatz zu mir, ging es mir durch den Kopf, als ich nach etlichen Versuchen, endlich auf den Brettern stand und der Motor des Motorsbootes vor mir anging.

"Du musst dich etwas bücken", rief der Mann mir zu. Also bückte ich mich und lehnte mich etwas zurück, so wie man es mir erklärt hatte und fühlte mich dabei nur noch unwohler, was sich noch mehr verstärkte, als das Boot losfuhr. Unwillkürlich schloss ich die Augen und schloss die Hände fest um den Haltegriff. Die ersten Sekunden waren der Horror - ich wusste nicht, wie ich das Gleichgewicht halten sollte, das Wasser unter mir bewegte sich zuviel und ich war mir sicher, dass meine Beine jeden Moment einknicken und ich ins Wasser fallen oder mich übergeben würde.

Aber dann rief die Stimme des Mannes, die nun etwas entfernter war: "Steh jetzt langsam wieder auf", und als meine Beine wieder grade und nicht mehr wacklig waren, fühlte ich mich sicherer und öffnete langsam die Augen.

Das blaue Wasser spritzte hier und da auf und wurde wegen dem Boot und meinen Skiern zur Seite gerdrückt. Außerdem war es gar nicht so kalt, wie ich es eigentlich erwartet hätte, was wohl daran lag, dass kein bisschen Wind wehte. Ich sah auf meine Füße, die fest auf den Brettern standen und wagte dann einen Blick zurück. Ich sah Damian am Steg stehen, er hebte gerade die Hand und winkte.

Das ist der Wahnsinn! Ich fahre gerade Wasserski! Und ich kann es!

Und auch als das Boot sich ein wenig beschleunigte fiel ich nicht, sondern blieb sicher über Wasser, während das Wasser uns auswich. Wir drehten eine Runde (wobei ich bei der Kurve ein wenig Angst hatte, jedoch wackelte ich nur ein wenig, fiel aber nicht herunter) und als wir schließlich wieder am Steg ankamen und Damian mir hochhalf, war ich so aufgeregt wie ein kleines Kind, auch wenn meine Beine sich anfühlten wie Wackelpudding.

"Hast du das gesehen?", rief ich lachend, während ich meine Schwimmweste auszog und dem Mann überreicht, der mich kurz anlächelte, "ich bin nichtmal heruntergefallen!"

Damian grinste breit und zuckte mit den Schultern. "Wenn ich ehrlich bin, hab ich mich schon darauf gefreut, dich vor dem Ertrinken retten zu dürfen."

"Idiot", brummte ich, konnte mein Grinsen aber nicht unterdrücken. Ich wollte gerade den Fahrer des Bootes folgen, der aus dem Boot kam, um mich wieder umzuziehen, aber Damian packte mich am Handgelenk und zog mich zurück.

"Was ist denn?", fragte ich verwirrt. Die Frage wurde mir einen kurzen Moment später beantwortet, als sich Damians Arme um meine halbnackten Schulter legten, er mich an seine Brust zog, sich herunterbeugte und seine Lippen auf meine drückte.

Das hätte ich jetzt wirklich nicht erwartet.

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