> Part 44
Die unerträgliche Hitze der Sonne machte mich verrückt. Ich saß vielleicht mal fünf Minuten auf meinem Koffer vor dem Hotel, aber mir war schon jetzt so warm, als läge ich mitten in der prallen Sonne. Wäre ich alleine, würde ich meinen dicken Pulli ausziehen und in dem dünnen Top rumlaufen, welches ich drunter angezogen habe, aber Damian war ja immer noch hier. Wobei - er war zwar hier, starrte aber die ganze Zeit auf sein Handy. Wenigstens mussten wir so nicht miteinander reden.
Ich krempelte die Ärmel des Pullovers so weit hoch, wie es ging und legte meine Haare auf eine Seite. Hoffentlich würden Dad und Sally ein Hotel mit Klimaanlage finden.
"Kommst du mit zum Strand?", fragte Damian mich plötzlich und ich sah, wie er sein Handy weggepackte.
Ich schüttelte bloß den Kopf und sah in eine andere Richtung. Ich hörte wie Damian einmal seufzte und dann direkt vor mir stehen blieb, sodass mir nichts anderes übrig blieb, als zu ihm hochzuschauen.
"Ich frag mich, wann du anfängst wieder normal mit mir zu reden", sagte er. Er hatte recht - ich versuchte so wenig wie möglich mit ihm zu reden und vermied jeden Blickkontakt. Mikes Aktion saß mir noch tief in den Knochen und selbst über das Wochenende hatte ich das nicht vergessen können. Wie auch? Wahrscheinlich würde mich das ein ganzes Leben lang verfolgen; mich und den Rest der Schüler auf unserer Schule. Was mich allerdings wunderte war, dass Damian so locker damit umging. Klar, er sagte ja, er wäre nicht sauer auf mich oder so, aber ich hätte erwartet, dass er mir aus dem Weg gehen würde, schließlich dachte er ja, ich wäre in ihn verliebt.
Aber dachte er das wirklich? Wenn ich mal darüber nachdachte, hatte Mike nicht gesagt, ich wäre in ihn verknallt, sondern nur, dass mir der Kuss gefallen hatte ... Naja, so oder so - peinlich blieb peinlich.
In Gedanken seufzte ich auf, merkte aber erst dann, dass Damian ja immer noch auf eine Antwort von mir wartete. "Ich rede doch ganz normal mit dir", gab ich murmelnd zurück und schaute auf meine ineinander verschränkte Hände.
"Dann kannst du ja auch mitkommen."
Wieder seufzte ich innerlich auf, sprang dann aber auf meine Beine. "Von mir aus. Aber was ist mit unseren Taschen?"
Er grinste nur und holte unseren Autoschlüssel aus seiner Hosentasche. Er öffnete Dads Auto, machte den Kofferraum auf und hievte unsere Reisetaschen hinein.
"Woher hast du den denn?", fragte ich ihn argwöhnisch. Das Auto war Dad heilig, ich konnte mir nicht vorstellen, dass er Damian einfach so den Schlüssel überließ.
"Ist nur der Ersatzschlüssel", meinte er schulterzuckend und ich fragte nicht weiter nach. Jetzt beklaute er auch noch Dad.
Schweigend machten wir uns auf den Weg. Es war nicht besonders schwer, den Strand zu finden, man musste einfach nur den Schildern folgen und dem Gekreische, das schon von weitem zu hören war. Genau wie auf den Internetbildern war der Strand mit unzähligen Leuten überfüllt. Überall lagen sie auf ihren Handtüchern ausgebreitet im Sand, kleine Kinder buddelten Löcher und bauten Sandburgen und man musste aufpassen, dass man keinem den Sand ausversehen ins Gesicht trat. Außerdem kam ich mir in meinem Aufzug mehr als fehl am Platz vor; alle hatten ihre Badekleidung an, weit und breit sah ich keinen, der eine Jeans anhatte, geschweige denn einen Pullover.
Damian jedoch schien es hier zu gefallen, denn er schaute sich gut gelaunt um.
"Es ist zu voll hier", jammerte ich. Am liebsten würde ich rückwärts wieder zurücklaufen und vor dem Hotel auf Sally und Dad warten.
"War ja zu erwarten", gab er zurück, wandte sich nun mir zu und augenblicklich fing ich an, mich unbehaglich zu fühlen.
"Aber immer noch besser, als mitten in der Landschaft auf Mum und Toby zu warten", sagte er dann und zog mich weiter, durch die ganzen Leute. Jedesmal wenn ich ausversehen auf ein Handtuch trat, murmelte ich Entschuldigungen, aber Damian schien das gar nicht zu interessieren. Irgendwann fanden wir einen freien Platz, wo wir uns in den Sand setzen konnten und ich zog meine Schuhe aus, da sie voller Sand waren. Als ich mich umschaute sah ich neben mir auf meiner Seite ein kleines Mädchen im Sand buddeln, während ihre Eltern mit sich selbst beschäftigt waren. Schnell sah ich weg und bemerkte zwei halbnackte Blondinen vor uns, die sich demonstrativ auf ihren Handtüchern räkelten. Als einer von ihnen uns (oder eher gesagt Damian) bemerkte, sah ich, wie sie ihren Hintern extra weiter rausstreckte und uns über ihrer Schulter einen Blick zuwarf. Ich hörte Damian neben mir leise lachen.
Etwas neidisch beobachtete ich die beiden und vergrub dabei meine Füße tief im Sand. Ja, das Verhalten von ihnen war peinlich, aber wenigstens konnten sie es sich mit ihren Figuren leisten. Selbst wenn sie lagen konnte ich sehen, dass sie die perfekte Bikinifigur hatten, während ich mich in Jeans und Pulli versteckte.
Als sich nun die Andere zu uns umdrehte, wandt ich den Blick ab, um mir die ganze Show nicht ansehen zu müssen und holte mein Handy aus der Hosentasche. Ich entsperrte es und sah, dass ich zwei Nachrichten erhalten hatte.
Leah: und wie isses so? ich hoffe, dass wenigstens du spaß hast - selbst die zugfahrt langweilt mich. Sie schickte noch ein Bild von sich hinterher, wie sie im Zug saß. Im Hintergrund saß ein alter Opa, der verwirrt in die Handykamere schaute, während Leah ihrem Handy (oder besser gesagt mir) einen extra gelangweilten Blick zuwarf.
Es ist voll, antwortete ich. Und heiß. Sehr heiß. Dir würde es hier gefallen. ^^
Dann öffnete ich eine weitere Nachricht, die von Lily war.
Lily: Viel Spaß im Urlaub! Lenk dich ab oder so, aber denk nicht an zuhause. Wenn du wieder kommst, hast du noch genug Zeit dir darüber Gedanken zu machen. Bis bald. xx
Lächelnd steckte ich mein Handy wieder ein. Lily hatte Recht, ich sollte mich ablenken und nicht über Mike und den ganzen Streß in der Schule nachdenken. Aber sowas war leichter gesagt, als getan.
"Ist dir nicht warm in diesem Pulli?", unterbrach Damian meine Gedanken. Ich sah auf und begegnete den Blick der Blondine vor uns, die mich aber gar nicht richtig zu bemerken schien.
"Geht schon", sagte ich. Ich hoffte einfach bloß, dass ich nicht anfangen würde zu schwitzen, dass wäre dann nämlich richtig eklig.
"Wieso trägst du die eigentlich immer? Ich meine, es ist Hochsommer hier."
Ich wusste nicht, wie ich darauf antworten sollte. "Keine Ahnung", sagte ich zögernd. "Ich mag T-Shirts nicht so."
Er runzelte die Stirn und wollte was erwidern, als Blondie von ihrer Decke aufstand und zu uns rüber kam. Sie war ziemlich groß, sodass ich meinen Kopf in den Nacken legen musste, um ihr ins Gesicht sehen zu können, aber sie war sowieso nur auf Damian fixiert. Was auch sonst.
Ihre Haut war sonnengebräunt, so als läge sie schon ziemlich lange hier. Voller Neid sah ich von ihrer auf meine eigene blasse Haut.
In ihren langen, lockigen Haaren thronte eine riesige, schwarze Sonnenbrille und gerade ließ sie ihre XXL-Wimpern klimpern. "Hey", sagte sie zuckersüß. "Ich hab mich gefragt, ob du mir vielleicht den Rücken eincremen könntest?"
Ich zwang mich ein Auflachen zu unterdrücken und sah mit zusammengepressten Lippen in eine andere Richtung. Ich hätte mir ja denken können, dass so eine Frage früher oder später kam.
Zu meiner Überraschung antwortete Damian anders als erwartet. "Kein Bedarf, danke", sagte er und ich sah ihn etwas erstaunt an. Als ich zu Blondie hochschaute, sah ich, wie ihr Mund sich einfach wenig öffnete und sie Damian sprachlos anschaute. Vermutlich hatte sie ebenso wie ich, nicht erwartet eine Abfuhr zu bekommen.
Ohne ein weiteres Wort und vermutlich beleidigt, stampfte das Mädchen mit erhobenen Kinn zu ihrer Freundin, die alles mit angesehen hatte.
"Wieso hast du's nicht gemacht?", fragte ich, wobei ich leicht amüsiert klang.
"Ich hab besseres zu tun", antwortete er und sah mich mit einem Grinsen auf dem Gesicht an, während ich nur die Stirn runzelte. Was hatte er denn jetzt bitteschön Wichtigeres zu tun? Wir saßen an einem überfüllten Strand und hatten im Moment nicht mal eine Bleibe, was sollte er denn schon vorhaben?
"Und was zum Beispiel?"
"Wasserski fahren." Er deutete auf das Meer, wo sich fast so viele Leute aufhielten wie am Land. Aber in der Mitte war eine Absperrung gezogen worden und dahinter waren kaum mehr als fünf Leute. Ich konnte undeutlich erkennen, dass ein paar Leute mit irgendwas über das Wasser fuhren.
"Jetzt?"
Er nickte. "Na dann", sagte ich zweifelnd, "viel Spaß." Wenn ich nur daran dachte mit so einem Ding über das Wasser zu fahren ... das Wasser war bestimmt zu tief, um darin stehen zu können. Mich erschauderte es bei dem Gedanken.
"Du kommst doch mit."
Ich fuhr mit dem Kopf herum und schaute ihn entgeistert an. "Niemals! Vergiss es!"
"Oh, komm schon", bettelte er und zog eine Miene. "Was haben wir schon Besseres zu tun?"
"Trotzdem - du wirst mich nie, niemals auf sowas", ich deutete zum Wasser, "bekommen."
"Wollen wir wetten?", fragte er herausfordernd und zog grinsend eine Augenbraue hoch. In dem Moment schien ihm etwas einzufallen, denn sein Grinsen wurde nur noch breiter und er sah mich selbstgefällig an.
"Was?"
"Du schuldest mir noch ein Gefallen - du weißt schon, wegen unserer Fußballwette."
Mist, das hatte ich total vergessen. Wird er wirklich von mir verlangen mich auf so ein Teufelsding zu stellen? Verzweifelt grub ich meine Füße tiefer in den warmen Sand.
"Auch wenn ich wollte, ich hab nichts zum Wechseln dabei", versuchte ich mich herauszureden.
"Du wirst doch nicht in deinen Klamotten draufgehen."
"Ach, und womit dann? Vielleicht nackt?" Okay, letzteres war mir einfach herausgerutscht.
"Klar, warum nicht?"
Empört drehte ich mich zu ihm, nur um zu sehen, wie er mich spöttisch anschaute. "Schon mal was vom Badeanzug gehört?", fragte er nun.
"Ich hab keinen dabei", log ich. Zwar hab ich einen mit eingepackt, aber ehrlich gesagt, hatte ich nicht vor ihn anzuziehen.
"Kein Problem, du kannst dir dort bestimmt einen ausleihen." Dieser Typ war auch mehr als hartnäckig, oder?
"Und du? Was willst du anziehen?"
Er seufzte und sah mich etwas entnervt an, vermutlich weil ich immer widersprach. "Okay, okay", sagte er achselzuckend. "Dann gehen wir eben morgen."
Vielleicht konnte ich mir bis dahin was überlegen, um mich zu drücken.
"Wettschulden sind Ehrenschulden, sagt man das nicht so?"
Ich zuckte bloß mit den Schultern. "Von mir aus. Aber du wirst sehen: Ich werde mehr versuchen müssen, nicht im Wasser unterzugehen, als auf diesem Ding zu stehen."
"Wir besorgen dir einfach Schwimmflügel." Ich warf ihm einen bösen Blick zu, aber er lachte nur, stand auf und reichte mir dann seine Hand.
"Komm, wir gehen. Mir gehen diese gaffenden Blicke auf die Nerven", sagte er gerade so laut genug, dass die beiden Blondinen vor uns es hören konnten. Da die beiden vorher zu uns geschaut hatten, konnte ich sehen, wie sie empört den Blick abwandten.
Ich schaute einen Moment lang seine große Hand an, nahm sie dann aber und ließ mich von ihm auf die Beine ziehen. Ich klemmte mir meine Schuhe unter die Arme und folgte Damian durch die große Menge. Jedoch kam ich nicht sehr weit, denn ich stolperte auf halben Weg über irgendwas und landete lang und breit im Sand. Wirklich, ich lag auf allen vieren ausgestreckt, das Gesicht vorne ran. Nachdem ich den kleinen Schock überwunden hatte, hob ich mein Gesicht leicht an und strich mir den Sand aus den Augen, während ich am Liebsten im Sand versinken würde. Ich konnte mir nur zu gut vorstellen, wie alle Blicke auf mich gerichtet waren, aber ich traute mich nicht aufzusehen. Jedoch konnte ich nicht ewig hier liegen bleiben.
"Pass doch auf, du Trampel", pöbelte mich eine Jungenstimme an und ich rappelte mich entgültig auf, sodass ich auf den Knien saß. Vor mir lagen drei Jungs ungefähr in meinem Alter (vielleicht etwas älter) und ich hatte ihre Handtücher mit Sand vollgestreut. Der Junge, der mich angemotzt hatte, war blond und klein und er sah mich wütend an.
Ich wollte gerade eine Entschuldigung murmeln, als Damian dazwischen ging. "Heul nicht rum", fuhr er den Junge an, der zu ihm hochschaute. Seine Miene blieb unverändert. "Das bisschen Sand reißt dir schon kein Zacken aus der Krone, Prinzesschen."
Damian wand den Blick von ihm ab und streckte mir erneut seine Hand entgegen, die ich diesmal ohne zu zögern ergriff. Ohne ein weiteres Wort, zog er mich an der Hand weiter und er ließ sie erst los, als wir wieder Straße unter den Füßen hatten und ich musste zugeben, dass ich seine Hand am liebsten nicht losgelassen hätte. Einen Moment später ohrfeigte ich mich für diesen Gedanken.
"Danke", murmelte ich mit erhitzen Wangen und machte mich daran, meine Schuhe wieder anzuziehen. Ich sah, wie er was erwidern wollte, jedoch klingelte sein Handy in dem Moment.
"Ja?", fragte er und hielt sich sein iPhone ans Ohr. "Ja, okay." Dann legte er wieder auf.
"Mum und Toby haben was gefunden."
***
Unser neues Hotel lag zwar etwas weiter vom Strand entfernt, aber dafür sah es um einiges besser als das Erste. Wir haben ausgemacht, dass Dad und Damian sich ein Zimmer teilten und Sally und ich, da es ein bisschen komisch gewesen wäre, wenn Damian und ich in ein Zimmer gekommen wären.
Ich packte gerade ein paar Shirts in den riesigen, weißen Kleiderschrank, der neben dem großen Doppelbett stand (das war der einzige Nachteil an dem Zimmer; Dad hatte nur ein Zimmer mit Einzelbetten bekommen und Sally und ich haben dann halt das Zimmer mit dem Doppelbett genommen), als es an der Tür klopfte und Dad seinen Kopf reinsteckte.
"Hallo, meine Damen", begrüßte er uns und betrat unser Zimmer. Während Sally anfing zu strahlen und Dad einen Kuss auf die Wange drückte, lächelte ich nur und räumte weiter meinen Koffer aus, ohne was zu erwidern.
"Willst du mit zum Strand, Aria? Damian hat zwar gesagt, ich wart schon da, aber vielleicht willst du ja trotzdem mit uns kommen", bot Dad an, aber ich schüttelte den Kopf.
"Nee, ich wollte mich gleich noch draußen ein wenig umschauen."
"Na dann. Wir sehen uns dann zum Abendessen wieder", sagte Sally und verließ dann mit Dad unser Zimmer, welcher mir noch zuwinkte. Ich verfrachtete den Koffer im Schrank und ließ mich dann seufzend auf das weiche Bett fallen.
Jetzt fängt also der Urlaub an.
Sommerferien.
Sechs schul- und vorallem streßfreie Wochen. Vielleicht wird's ja doch ganz nett.
---
Hallo, hallooo.
Als erstes mal eine Sache, die ich loswerden möchte: ich war noch nie in Bournemouth, daher weiß ich auch nicht, was es da alles so gibt. Ich denk mir halt einfach irgendwas aus; hoffentlich habt ihr kein Problem damit. :)
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