> Part 37

Ich wachte auf und wäre am liebsten wieder eingeschlafen, aber das ging ja nicht. Schule. Ich kniff ein Auge auf und schaute zum Wecker. Es war viertel nach sechs. Ich könnte noch eine Vierstunde schlafen ...

Ich war gerade dabei wieder einzuschlafen als ich irgendwas Hartes unter meinem Kopf wahrnahm. Ich kniff diesmal das andere Auge auf und starrte auf den weißen Kissenbezug. Seit wann ist mein Kissen denn weiß und so hart? Ich schaute ein wenig höher. Ich lag halb mit dem Kopf auf Damians Brust! Ich erschrak mich so, dass ich laut aufquiekte und Damian ausversehen aus dem Bett schubste. Er stürzte samt der Bettdecke unsanft auf den Boden und öffnete verwirrt die Augen, während er sich mit der rechten Hand den angestoßenen Kopf hielt.

"Was soll das, man?", murmelte er und sah sich auf dem Boden um, als müsse er erst herausfinden, wo er war. Dann sah er zu mir hoch und schaute mich fragend, wenn auch total verschlafen an. Seine Haaren standen an allen Seiten ab und er konnte die Augen gerade mal so offen halten. Und ich dachte, ich wäre ein Morgenmuffel, aber er war nicht mal nach einem Sturz vom Bett richtig wach.

"Ich hab doch gar nichts mehr gesagt, wieso tretest du mich trotzdem aus dem Bett?", fragte er und stand dann in voller Größe vor mir, sodass ich diesmal zu ihm aufsehen musste.

"Du hast mich erschreckt", gab ich zu.

"So erschreckend seh ich nicht mal am Morgen aus", murmelte er und ich musste ihm Recht geben: er sah genauso attraktiv aus wie immer, selbst am Morgen. Jedoch fragte ich mich, wie ich wohl gerade aussehen musste. Ich versuchte mir unauffällig die Haare zu glätten und mein Oberteil herunterzuziehen, aber Damian schien eh nichts mitzubekommen; er hob die lilafarbene Bettdecke auf, schmiss sie neben mir aufs Bett, bevor er sich hinterherknallte.

Er will doch nicht ernsthaft weiterschlafen?

Damian, der meinen empörenden Blick mit einem müden Grinsen zur Kenntnis nahm, schlang einen Arm um mich, zog mich so zu sich, sodass mein Körper gegen seinen gepresst wurde und vergrub sein Gesicht in meine Halsbeuge. Ich war mir zu 100% sicher, dass er mein rasenden Puls spüren konnte und unwillkürlich versteifte ich mich, was ihm natürlich nicht entging.

"Du wirst ja ganz steif", sagte er in meinen Haaren. Ich ignorierte die Bemerkung einfach, auch wenn ich etwas rot wurde.

"Wir müssen aufstehen", murmelte ich und versuchte mich von ihm loszumachen, aber dafür, dass er immer noch so müde war, hatte er ziemlich viel Kraft.

"Mach dich locker, wir haben Zeit."

"Zeit - wofür?", fragte ich zögerlich und drehte mein Kopf zu ihm, damit ich ihn wenigstens ansehen konnte.

"Also mir würde da schon einiges einfallen", grinste er und kam mir plötzlich total nahe. Ich konnte sogar die kleinen Bartstoppel an seinem Kinn erkennen und als ich ihm kurz und zögernd in die Augen schaute, konnte ich kleine goldene Sprenkel ausmachen, die das Blau nur noch stärker hervorhoben.

"Das - das ist nicht witzig!", fuhr ich ihn an und wich bis zum Bettrand.

"Das sollte es auch nicht", sagte Damian und schaute mich aufmerksam an.

"Würdest du vielleicht ... ?" Ich deutete auf die Tür.

"Trittst du mich sonst raus?"

"Mir bleibt ja nichts anderes übrig", sagte ich und zuckte mit den Schultern, während ich mit meinem Bein ausholte und einen Tritt andeutete.

"Okay, okay, ich geh ja schon", sagte er und rollte sich aus dem Bett, bis er auf seinen Füßen stand. Ich stand ebenfalls auf, zupfte mir die kurzen Shorts so weit es ging nach unten, bis hoffentlich genug verdeckt war und begab mich zu meinem Kleiderschrank, wobei ich jeden Blick in den Spiegel vermied. Ich zog irgendein Kaputzenpulli und eine schwarze Jeans heraus und wollte gerade unter mein Schlaftop greifen, als ich bemerkte, dass Damian immer noch im Zimmer stand.

"Hast du schon mal nach draußen geguckt?", fragte er und deutete über die Schulter zu meinem Balkon; die Sonne schien. "Es ist total warm draußen und du willst einen fetten Pullover anziehen?"

"Ist doch egal", murmelte ich.

Er zuckte nur die Schultern und zog schließlich die Tür hinter sich zu.

Während ich mich anzog, meine Zähne putzte und mir durch die Haare kämmte, musste ich an Leah denken. Ich hatte ein furchtbar schlechtes Gewissen, obwohl ja eigentlich nichts zwischen Damian und mir passiert war. Es war nicht meine Schuld, dass Damian sich zu mir ins Bett gelegt hat.

Ich wartete bis die Tür unten ins Schloss fiel und Damian zu Mike ins Auto stieg, bis ich die Treppe runterging. Ich weiß, es war kindisch, mich vor ihm zu verstecken, wo ich doch eine ganze Nacht neben ihm geschlafen hatte, aber mir war die Situation total peinlich. Was wenn ich geschnarcht oder gesabbert habe, als ich halb auf ihm drauf lag? Daran wollte ich gar nicht erst denken.

Ich verzichtete auf das Frühstück, zog hastig meine Schuhe an, schnappte mir eine dünne Jacke und verließ das Haus, während ich meine blaue Adidas-Tasche schulterte. Es war tatsächlich warm draußen, aber noch so windig, dass man ohne Jacke wahrscheinlich frieren würde.

Nur noch eine Woche bis zu den Sommerferien, dann konnte ich sechs Wochen ausschlafen. Keine Hausaufgaben, kein Lernen, kein Stress, kein Mike.

***

Als es zur ersten Stunde klingelte, öffnete ich gerade mein Schliessfach, um meine Bücher herauszukramen. Eilig klemmte ich sie mir unter die Arme, schmiss die kleine Tür zu und machte mich auf dem Weg zum Klassenzimmer, wo Mrs Wiehert jedoch schon wartete und versuchte, die unruhigen Schülern zu beruhigen. Ich versuchte mich unauffällig zu meinem Platz neben Joline zu begeben und Mrs Wiehert war so beschäftigt für Ruhe zu sorgen, dass sie mich gar nicht bemerkte.

"Ruhe jetzt!", donnerte sie und schlug mit der flachen Hand auf ihr Pult. "Der nächste der redet, kann rausgehen!"

Ich sah wie Mike kurz davor war, seinen Mund zu öffnen, als Mrs Wiehert hinzufügte: "Zum Direktor."

Mike schloss ihn wieder. Er konnte sich nicht leisten mal wieder zum Direktor verdonnert zu werden und das schien er ganz genau zu wissen.

"Wie ihr ja alle wisst, findet am Freitagabend der Schulball statt", fuhr Mrs Wiehert etwas leiser fort. Während die Schüler um mich herum begeistert aufquiekten, ließ ich mein Kopf in die Hände fallen. Schulball. Daran hatte ich ja gar nicht mehr gedacht! Jedes Jahr verantstaltete unsere Schule kurz vor den Sommerferien einen Schulball, um die Schüler zu verabschieden, die von der Schule gingen. Und jedes Jahr graute es mir erneut davor, mich 'schick' zu machen und zu tanzen, weswegen ich letztes Jahr auch auf krank gemacht hatte. Natürlich, so ein Schulball war 'ne tolle Sache, aber nicht, wenn man alleine in der Ecke rumstamd und an einer Cola nippte, während man tanzende Freunde oder Pärchen beim Spaß haben zuschaute oder sonstiges. So siehts nämlich immer bei mir aus. Und leider herrschte Anwesenheitspflicht.

"Wir suchen noch Freiwillige, die helfen die Musikanlage aufzubauen und welche, die die Aula ein wenig schmücken", sagte sie und schaute durch die Klasse. "Erklärt sich irgendwer bereit?" Niemand tat es.

Mrs Wiehert schaute genervt drein, kramte in ihrer Tasche und ich dachte ich hätte sie "Feiern woll'n sie alle, aber helfen natürlich niemand", murmeln hören. Sie klappte das Klassenbuch auf, blätterte ein wenig herum, bis sie unsere Klassenliste gefunden hatte.

"Tobias, Sara und Aria. Wie wär's mit euch? Ihr habt sicher Zeit, um ein wenig zu helfen", meinte sie und ließ uns keine Zeit zum Antworten, als sie schon weiterredete. "Ihr werdet dann die letzten zwei Stunden vom Unterricht freigestellt."

"Hey, kann ich vielleicht auch noch?", riefen ein paar laut, als sie dies hörten, aber Mrs Wiehert schüttelte unnachgiebig ihren Kopf.

"Chance verpasst", sagte sie und knallte das Klassenbuch auf den Tisch. "Ihr werdet noch ein Elternbrief bekommen, wo genauere Information über den Ball drinstehen. So, dann wollen wir mal weiter machen: wer hat die Hausaufgaben nicht dabei? Wieso wundert mich das nicht, Elias?"

Nach gefühlten drei Stunden entließ uns das Läuten der Schulglocke endlich von dem langweiligen Englischvortrag von Mrs Wiehert und wir durften endlich gehen. Ich schnappte mir meine Tasche und die Bücher, um schnell zum Schließfach und zur nächsten Stunde zu gehen. Im Flur, nahe bei meinem Spind standen Damian, Mike und Mira zusammen mit ein paar ihrer Kumpels und ich wandt schnell mein Blick von ihnen ab. Das Letzte was ich jetzt wollte war, dass Mike mich mal wieder zum Affen der Schule machte. Ich brauchte drei Anläufe um mein Spindcode richtig einzugeben, weil ich mich plötzlich total beobachtet fühlte, obwohl ich wusste, dass sie mich gar nicht beachteten. Ich schmiss die Bücher hinein, nahm neue heraus und machte die Spindtür schließlich so leise wie möglich zu, damit ich keine Aufmerksamkeit erregte. Ich war so halb an ihnen vorbei, als ich Miras Stimme hörte.

"Geht ihr schon mal, ich muss noch kurz auf die Toilette", sagte sie. Ich versuchte nicht auf sie zu achten und ging einfach weiter und ich war auch schon fast am Ende des Ganges, als ich Miras Hand auf meiner Schulter spürte.

"Hi", lächelte sie und mir blieb nichts anderes übrig als mich umzudrehen.

"Hallo", begrüßte ich sie ebenfalls und klang dabei mehr als nervös. Was jetzt wohl kommen würde?

"Wie geht's dir so?", fragte sie.

Ich stutzte. Wollte sie jetzt Smaltalk mit mir machen oder was? Nettigkeit hin oder her, das passte gar nicht zu ihrem sonstigen Verhalten. "Ehm, ganz gut, schätze ich mal. Und dir?"

Sie lächelte wieder und entblößte dabei eine Reihe perfekter, weißer Zähne. "Mir auch. Ich wollte dich was fragen."

Ich wartete bis sie weitersprach und starrte dabei auf meine Physikbücher in der Hand.

"Hast du noch Kontakt zu Lily?", fragte sie. Erstaunt schaute ich auf; mit der Frage hätte ich nun wirklich nicht gerechnet.

"Ehm, warum?"

"Naja, wie du ja weißt ist sie meine Cousine. Jedenfalls hab ich das Gefühl, dass sie mich ignoriert. Mir aus den Weg geht, du weißt schon, was ich meine. Ich wollte wissen, ob du vielleicht wüsstest warum." Sie hörte sich aufgewühlt an. Ich erinnerte mich an das Gespräch mit Lily, wo sie sagte, dass ihre Mutter sie zwingt sich mit Mira zu verabreden und sie eigentlich gar nicht so dicke waren. Aber Mira schien sich wirklich Sorgen um sie zu machen.

"Nein - also ja. Ich hab sie gestern erst noch gesehen, aber ich hab keine Ahnung, warum sie dich ignorieren sollte", antwortete ich und sah sie schulterzuckend an. Sie wirbelte eine ihrer blonden Locken um ihren Fingern und schaute nachdenklich drein, während ich geduldig wartete, bis sie was sagte.

"Wenn du sie mal wieder sehen solltest, könntest du ihr sagen, dass sie sich bei mir melden soll?", fragte sie bittend.

"Klar", meinte ich und war überrascht, dass ausgerechnet Mira mich um einen Gefallen bat, "kann ich machen."

"Okay."

Ich nickte und drehte mich wieder um, um rechtzeitig zu Physik zu kommen, als sie meinen Namen nochmal rief. Fragend drehte ich mich zu ihr um, sie stand immer noch da.

"Danke", sagte sie, drehte sich um und verschwand in die andere Richtung.

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