> Part 101
Kurz nachdem Sophie gegangen war, hörte ich die Tür unten laut zufallen. Ich war gerade dabei DAS Pflaster auf meiner Stirn abzumachen und sah, dass die Wunde langsam anfing zu heilen. Jedenfalls war nichts mehr offen, also ließ ich das Pflaster weg.
In sechs Tagen war Weihnachten. Und in sieben Tagen würde ich schon unterwegs nach Deutschland sein. Noch immer konnte ich das nicht wirklich realisieren, weshalb ich hoffte, dass die Aufregung und vor allem die Vorfreude darauf, Lily wiederzusehen, mich noch einholen würde - denn im Moment blieb sie nämlich aus.
Trotzdem hatte ich ein wenig Angst. Schließlich würde ich in ein fremdes Land ziehen ohne die Sprache - bis auf ein paar einzelne Worte - zu beherrschen.
,,Das sieht doch gar nicht mehr so schlimm aus", hörte ich plötzlich jemanden hinter mir reden und ich fuhr erschrocken zusammen. Ich hatte ihn gar nicht kommen hören, wie immer.
,,Ja", sagte ich und räusperte mich. ,,Es heilt."
Damian schaute mich lange an, bevor er seufzte und sich durch die Haare fuhr. Er trug einen grauen Hoodie, dessen Ärmel er bis über die Hände gezogen hatte und nun festhielt.
,,Ich hab mich wie 'n Arsch verhalten", sagte er. ,,Wie so oft."
,,Kann schon sein", gab ich zurück und drehte mich nun ganz von dem Spiegel weg.
,,Ich war auch gar nicht sauer auf dich ... eher auf die ganze Situation. Und auf mich", redete er weiter. ,,Ich hab die ganzen Tage über darüber nachgedacht. Ich will dich nicht verlieren, Aria."
Mein Herz schlug ein paar Takte schneller. ,,Damian ... wie oft sollen wir das Gespräch noch führen?"
Er kam ein Schritt auf mich zu, nahm meine beiden Hände in seine und führte mich zu meinem Bett, wo wir uns nebeneinander hinsetzten. ,,Ich weiß, ich weiß. Ich muss ich entscheiden. Aber das ist nicht so leicht. Ich mache mir nur noch Gedanken darüber, was ich will. Ich ... ich mag Sophie. Aber dich mag ich auch. Es ist so schwer, okay? Aber ich weiß ganz genau, was ich nicht will: Dich verlieren."
Ich starrte auf meine Hände, die in seinen lagen und mir wurde wieder mal bewusst, dass ich ihn brauchte. Er tat mir gut. Doch trotzdem musste ich einmal an mich denken. Das hatte ich mir fest vorgenommen, denn ich wollte, dass mein Leben besser wurde.
,,Du wirst mich nicht verlieren", sagte ich sanft und entzog dabei meine Hände. ,,Wir werden schließlich immer sowas wie eine Familie bleiben. Aber - aber ich weiß nicht, ob ich so weitermachen könnte, wie zuvor, wenn du dich entscheiden würdest. Für mich, meine ich. Würdest du mich wirklich wollen, dann hättest du doch gar keine Zweifel, oder? Doch die hast du und für mich bedeutet das irgendwie, dass ich nicht ... die Richtige bin. Zumindest nicht im Moment. Du weißt, wie viel du mir bedeutest, Damian, und es tut mir so, so weh in dieser Situation zu sein und am liebsten würde ich dieses Gespräch gar nicht mit dir führen wollen, aber es ist nun mal so gekommen und daran ist auch nichts mehr zu ändern."
Als er daraufhin nichts antwortete, setzte ich hinterher: ,,Irgendwas ist kaputt gegangen zwischen uns."
Er atmete tief aus und öffnete den Mund, schloss ihn aber gleich wieder.
Diesmal nahm ich seine Hand in meine und drückte sie kurz. Ich sah, wie er darauf schaute und anscheinend nach Worten suchte. Vielleicht gab es aber auch einfach nichts mehr zu sagen.
,,Ich kann dich aber nicht einfach gehen lassen, Aria", sagte er schließlich. ,,Ich will es auch nicht."
,,Was möchtest du denn machen? Mich ans Bett fesseln?"
Seine Kiefer pressten sich aufeinander und er schaute mich an. ,,Nein."
,,Wie gesagt - dir wird nichts anderes übrig bleiben. Es ist mir egal, ob du das willst oder nicht, denn ich werde gehen. Dann bist du halt enttäuscht und wütend auf mich, aber ... naja, ich bin dann ja nicht mehr da, um das mitzubekommen."
,,Also wäre es dir einfach egal?"
Ich zuckte mit den Schultern. ,,Vielleicht nicht egal. Aber es wäre dann nun mal so."
,,Weißt du, mir wäre das nicht egal. Weil du mir nicht egal bist und das, was wir haben, auch nicht. Deshalb fällt es mir auch so schwer zu akzeptieren, dass du einfach weggehen willst."
Erneut zog ich meine Hand weg und stand von meinem Bett auf. Ich ging ein paar Schritte in meinem Zimmer herum und fasste mir dann unbewusst an die Stirn, bevor ich sagte: ,,Okay. Dann beende ich das halt. Ich weiß nicht, was das mit uns war, ob das sowas wie eine Beziehung war oder nicht, aber egal was es war - ich mache Schluss."
Mit großen Augen schaute er mich an und blickte seelenruhig zurück, obwohl es in mir tobte. Ich wusste auch nicht, wie wir in so eine Situation kommen konnten.
Plötzlich stand er auch auf. ,,Das war es doch eh schon längst, oder?" Als er erneut dabei war einfach so mein Zimmer zu verlassen und schon aus der Tür raus war, rief ich ihm hinterher: ,,Sei nicht so ein Arsch!"
Ruckartig drehte er sich um. ,,Dann lauf doch nicht einfach so vor deinen Problem weg, nur weil es im Moment nicht so leicht ist!"
,,Es war nie leicht! Und ich laufe nicht weg, ich habe es einfach satt! Würde ich vor meinen Problem weglaufen, dann wäre ich schon längst weg, okay?"
,,Du bist nicht die Einzige, die es nicht leicht hat", schrie er mich an.
,,Du wirst nicht von Tag zu Tag enttäuscht", erwiderte ich mindestens genauso laut. Ich spürte die Hitze in meinem Gesicht, nur war es diesmal wegen der Wut. ,,Sag nicht, dass ich feige bin, Damian, und gib mir auch nicht die Schuld an dem Ganzen! Du hast Sophie geküsst und es sind deine Gefühle, die du nicht in den Griff bekommst! Ich wusste, was ich wollte und ich weiß auch jetzt, was ich will: Ich will weg. Weg von hier, weg von Mike und weg von dir."
Mit diesen Worten haute ich die Tür so laut zu, dass sie wackelte, schloss ab und ließ mich rückwärts an ihr heruntergleiten. Ich wollte weinen, damit diese ganze Wut aus mir herausfließen konnte, doch ich war selbst dafür zu wütend. Was dachte er sich eigentlich?
Ich war schließlich nicht sein Schoßhündchen, welches ständig bei ihm blieb. Er hatte mich verletzt, auch wenn es nicht absichtlich war. Und deshalb wollte ich ihm nicht nachgeben. Ich wollte nicht auf ihn warten, bis er sich irgendwann vielleicht mal entschieden hatte. Und dann vielleicht auch nicht mal für mich.
Das Mindeste, was er tun könnte wäre doch, meine Entscheidung zu akzeptieren und mir keine Vorwürfe zu machen. Wenigstens ein mal. Denn genau das tat ich doch auch für ihn. Ich hatte es akzeptiert, dass er unsicher war. Dass er etwas für mich empfand, aber auch etwas für Sophie.
Plötzlich fielen mir Sally und Dad ein, die das ganze Theater mitbekommen haben mussten, es sei denn, sie waren plötzlich schwerhörig geworden. Was soll's, dachte ich. Es wunderte mich, aber es machte mir mit der Zeit nichts mehr aus, wenn die beiden es tatsächlich erfahren sollten. Das, was zwischen Damian und mir war. Es gäbe Schlimmeres.
Schade, dass diese Erkenntnis mir erst jetzt kam, wo es schon zu spät war.
***
Erneut vergingen die Tage im Fluge, und plötzlich war es Montag, der letzte Schultag vor den Weihachtsferien und der letzte Tag in der Schule bevor ich nach Deutschland reisen würde.
Ich werde es hier nicht vermissen. Kein Stück.
Damian redete wieder nicht mir und diesmal war ich deshalb sehr wütend auf ihn. Er könnte sich wenigstens zusammenreißen und so tun, als wäre alles gut. Schließlich war ich in ein paar Tagen für 215 Tage weg (ich hatte es genau ausgerechnet) und er verbrachte die letzten Tage damit mich zu ignorieren und anzuschweigen. Einmal hatte ich versucht mit ihm zu reden undzwar am Samtag, doch dann hatte sein Handy geklingelt und ich hatte meinen Mund schnell wieder verschlossen.
Naja, und natürlich konnte mein letzter Schultag nicht problemlos vergehen. Ich bekam mein Geschichtstest zurück (und hatte eine 4-) und dann musste ich auch meine lückenhaften Mathehausaufgaben vortragen (der Lehrer notierte sich mit missgebilingter Miene etwas in sein Notizblock) und in der kleinen Pause nach der fünften Stunde (ich hatte es fast geschafft!), begegnete ich natürlich Mike. Wobei - eigentlich erschreckte er mich, als ich Bücher aus meinem Spind ausräumte und in meine Tasche räumte, sodass ich mir den Kopf an der Metalltür anstieß. Mit Mühe konnte ich den Schmerzensschrei unterdrücken, doch trotzdem lachte er gehässig auf.
,,Ich hab etwas Unfassbares gehört, Piggy", sagte er. ,,Undzwar, dass du uns verlassen willst!"
,,Was geht dich das an?", blaffte ich ihn an und drückte meine Handfläche auf die schmerzende Stelle an meinem Kopf. Als ich die Hand wegnahm, bemerkte ich, dass meine Wunde wohl wieder aufgeplatzt war, denn meine Hand glänzte rot. ,,Shit", murmelte ich und kramte sofort nach einem Taschentuch in meiner Tasche. Mike interessierte sich anscheinend null dafür, denn er redete unbeirrt weiter.
,,Hast du dich also endlich dafür entschieden in ein Abspeckcamp zu gehen?"
Wo ist denn diese scheiß Taschentuchpackung? Ich hörte jemanden in unserer Nähe über Mikes Kommentar lachen.
Endlich fand ich sie und holte ein Tuch heraus, um mir es gegen die Stirn zu pressen.
,,Oder geht es gleich in die Schönheitsklinik?"
,,Bitte halt dein Mund", sagte ich und schaute ihn wütend an. ,,Du nervst einfach nur."
,,Oh, das Schweinchen grunzt wild um sich herum. Wird da jemand mutig? Und das ganz ohne den edlen, starken Prinzen namens Damian?"
,,Wieso fängst du immer wieder damit an?", fragte ich vorwurfsvoll.
Er zuckte mit glänzenden Augen die Schulter. ,,Ist ganz lustig."
,,Du bist so erbärmlich."
Ich wusste nicht genau wie er reagieren würde, doch letztendlich lachte er mir nur ins Gesicht. Ich sah, wie ein paar Leute um uns herum standen und zuschauten.
,,Nicht ich, Piggy, sondern du bist erbämlich. Man braucht dich einfach nur anzusehen. Ich bin echt froh, dass ich das bald nicht mehr muss", erwiderte er voller Hohn. Ich schloss mit einem Ruck meinen Rucksack und schloss dann meine Schließfachtür.
,,Macht es dich glücklich, einen Menschen leiden zu sehen?"
,,Glücklich ist vielleicht nicht das richtige Wort ... ", sagte er im gespielten Ernst und mit einem Grinsen im Gesicht. Er machte sich lustig über mich.
,,Wenn ich dich so anwidere, wieso stehst du dann hier und redest mit mir?"
,,Es verwundert mich, dass du dein Mund aufkriegst. Bist du high oder so? Außerdem bist du nicht in der Position hier solche Fragen zu stellen, Schweinchen."
Als meine Wangen leicht rot wurde, bemerkte er dies natürlich. ,,Du erinnerst mich wirklich an eine Tomate", lachte er.
Ich schloss kurz die Auge und dachte darüber nach, was ich jetzt sagen würde. Währenddessen fing es an zu klingeln und ich hörte die Leute an mir vorbeiziehen, damit sie rechtzeitig in ihre Klassenräume kamen. Als ich meine Augen wieder öffnete, sah ich, dass auch Mike sich lachend und leicht kopfschüttelnd vom Acker machen wollte, doch ich rief ihm hinterher.
,,Hat es dir wirklich nichts zu denken gegeben, dass erst Mira, dann Leah und dann auch noch Damian dich verlassen haben?"
,,Menschen kommen und gehen", war seine einfache Antwort, bei der er nicht einmal stehenblieb. Es machte mich wütend, dass er mit mir reden konnte, wie er wollte und es mir sofort etwas ausmachte und es andersherum nie der Fall war.
,,Dein Bruder ist auch gegangen", rief ich ihm hinterher. Endlich blieb er stehen und sah mich mit großen, dunklen Augen an. Während immer noch Menschen durch die Flure liefen, kam er langsam zurück zu mir.
,,Was hast du gesagt?"
Ich schaute zu ihm auf, da er mir nun noch näher stand als zuvor.
,,Du hast mich verstanden", sagte ich leise. ,,Ich weiß, dass dein Bruder sich umgebracht hat. Ich wusste es die ganze Zeit und ich habe es dir nie an den Kopf geworfen, obwohl ich hätte es tun können, einfach weil es dich verletzten würde. Wärst du an meiner Stelle, hättest du mich Tag für Tag daran erinnert und mir wahrscheinlich noch Vorwürfe daraus gemacht. Aber weißt du? Sowas tun gute Menschen nicht. Vielleicht bin ich fett und hässlich, vielleicht habe ich nicht so viele Freunde, wie du sie angeblich hast, doch ich kann wenigstens sagen, dass ich ein guter Mensch bin. Und soll ich dir noch was sagen? Zwischenzeitlich hatte ich sogar ein wenig Verständnis für dich. Ich habe mir eingeredet, dass du es wahrscheinlich auch nicht einfach hast, gerade wegen der Vergangenheit mit deinem Bruder, doch dann wurde mir klargemacht, dass viele Menschen keine einfache Vergangenheit haben. Und das ist kein Grund, andere Menschen so zu behandeln, wie du mich behandelst, nämlich wie ein Stück Scheiße. Aber in Wahrheit bist du der Einzige, der hier erbärmlich und kein guter Mensch ist. Du kannst einem nur leid tun."
Nachdem ich das alles losgeworden hatte, holte ich erstmal tief Luft. Ich war stolz auf mich. Wirklich. Es tat so gut, das endlich mal gesagt zu haben.
Ich sah, wie Mike seine Hände zu Fäusten geballt hatte und wie wütend er mich anschaute, sodass ich Angst bekam, er würde mir eine reinhauen.
,,Du weißt gar nichts über mich oder über meinen Bruder", presste er schließlich hervor.
,,Und du auch nicht über mich", sagte ich.
,,Ich frage mich, wie dumm du sein kannst, um sowas zu mir zu sagen. Hast du nicht schon genug eingesteckt?"
,,Du kannst mich mal", erwiderte ich und packte meine Tasche, drehte mich um und ging den Flur entlang. Vielleicht erwischte ich den Schularzt ja noch rechtzeitig, bevor er Feierabend machte, denn das Taschentuch färbte sich langsam ganz rot.
***
An Weihnachten regnete es in Stürmen. Als ich einmal ein Schritt vor die Haustür machte, um die Post zu holen, die höchstwahrscheinlich von meinen Großeltern stammte, klatschten mir Millionen von Regentropfen ins Gesicht, sodass ich sofort völlig durchnässt war.
,,Du bist ein bisschen nass", sagte Dad als ich zwei Briefe auf den Küchentisch donnerte.
,,Sach bloß", erwiderte ich pampig und band mir die nassen Haare zu einem Zopf. Sally stand schon seit heute Morgen am Herd und bereitete das Weihnachtsessen zu, währenddessen deckte Dad den Tisch und positionierte den Weihnachtsbaum um, den er gerade noch so hatte ergattern können und Damian verbrachte den Tag bis jetzt in seinem Zimmer - mit sehr lauter Musik.
,,Ich glaube, er ist nicht so im Weihnachtsfeeling", warf Dad plötzlich irgendwann in den Raum.
,,Woran erkennst du das?", fragte Sally ohne sich vom Herd abzuwenden.
,,Er hört Rockmusik", gab er zurück.
,,Das ist Rock-Pop", mischte ich mich ein, da ich seinen Musikgeschmack ein wenig kannte.
,,Naja, wie auch immer. Ich denke nicht, dass Damian der Typ ist, der sich Weihnachtsmusik á la Last Christmas und sowas anhört ... " Wir stimmten ihm dabei voll und ganz zu.
Danach setzte ich mich ins Wohnzimmer in den Sessel und schaute auf den schon beschmückten Weihnachtsbaum. Es lagen ein paar Geschenke darunter, doch die waren mir gar nicht so wichtig. Ich konnte Weihnachten gar nicht richtig genießen, obwohl es in dem ganzen Haus nach Zimt und Weihnachtsessen roch, im Radio Weihnachtsmusik lief und ich vor dem tollen Weihnachtsbaum saß. Ich wusste, dass es daran lag, dass ich mich immer noch nicht mit Damian vertragen hatte. Aber es war mir sehr wichtig, dass dieser Tag gut werden würde. Also rappelte ich mich auf ging nach oben in das Zimmer von Damian.
Er hörte mich nicht, da die Musik so laut war, also stand ich eine kurze Weile da, die Hand auf der Türklinke gelegt. Als er mich dann doch bemerkte, drehte er die Musik ein bisschen leiser.
,,Hi", sagte ich und schloss die Tür. Dann setzte ich mich zu ihm auf den Bettrand. ,,Wie gehts dir?"
Ich war echt schrecklich im Gespräche aufnehmen.
,,Wundervoll und dir?"
,,Nicht so gut", gab ich offen zu.
,,Aha. Wieso?"
,,Ich möchte nicht im Streit weggehen", sagte ich und schaute ihn an. ,,Es tut mir leid. Ich wollte dir keine Vorwürfe machen, aber du hast mich echt wütend gemacht."
Ich sah ihm an, dass er etwas dagegen halten wollte, doch anscheinend besann er sich schnell eines Besseren und schüttelte nachdenklich den Kopf. ,,Ich weiß. Ich war auch sehr wütend. Aber es tut mir leid."
,,Okay."
Er setzte sich ein wenig auf und lehnte sich mit dem Rücken an seine Bettlehne. ,,Morgen geht es also los."
Ich nickte und spürte die Aufregung. ,,Ich möchte dir was geben", sagte ich. Eigentlich hatte ich kein Geschenk für ihn, doch mir ist gerade etwas eingefallen und ich schob den einen Ärmel meines Strickpullovers hoch, was Leahs Armband entblößte. Ich schaffte es, mit einer Hand eines der chinesichen Anhänger abzumachen und legte es ihm danach in die Hand.
Er schaute mich verwundert und verwirrt an, doch ich erklärte es ihm nicht. Auch nicht, dass das Zeichen Liebe symbolisieren sollte. Ich erinnerte mich daran, dass Leah in ihrem Brief geschrieben hatte, dass sie für mich hoffte, ich würde den Richtigen finden. Jemanden, der mich so nahm wie ich war und ... naja, auch wenn es jetzt vorbei war - Damian war nun mal meine erste, richtige Liebe. Er ist meine erste, richtige Liebe. Auch, wenn das Geschenk von Leah war, kam es mir im Moment richtig vor ihm den Anhänger zu schenken. Schließlich hatte er mir etwas gegeben, was sich so anfühlte als wäre es Liebe.
,,Ich - danke", sagte er und lächelte, bevor er die Hand darumschloss. Ich war ihm dankbar, dass er nicht weiter nachfragte.
,,Es ist alles wieder alles ... okay zwischen uns?", wollte ich wissen.
Langsam nickte er. ,,Ja. Ich will nämlich auch nicht, dass du uns streitend in Erinnerung hast."
Ich grinste. ,,Ich glaube, ich hab mich schon daran gewöhnt. Wir haben uns die Hälfte der Zeit gestritten."
,,Stimmt wohl. Du hast mir manchmal echt den letzten Nerv geraubt."
,,Rauchst du deshalb wieder?"
Er zog die Augenbrauen zusammen. ,,Ich habe eigentlich nie damit aufgehört. Ich rauche halt nur, wenn ich das Gefühl habe, dass ich mich beruhigen muss."
,,Dad wird es Sally übrigens nicht sagen", informierte ich ihn, woraufhin er nur die Achseln zuckte. ,,Ich bin Erwachsen. Soll sie es doch wissen."
,,Wahrscheinlich streicht sie dir dann dein Taschengeld", sagte ich.
,,Ach, ich würde schon andere Wege finden. Aber im Ernst - dann wäre es halt so. Ich bin nicht abhängig von diesen Dingern", erklärte er und schaute mich lächelnd an. Ich presste die Lippen aufeinander und schaute weg. Ich liebte es, wenn er mich so anschaute, doch das durfte er jetzt nicht. Wir hatten es beendet und ab morgen würde ich ihn ein halbes Jahr nicht mehr sehen. Er sollte mich nicht so anschauen.
,,Ich geh dann mal wieder nach unten", sagte ich und stand auf. ,,Ach ja, du solltest die Musik vielleicht ein bisschen leiser machen, bevor Sally mit dem Kochlöffel nach oben kommt."
,,Nur weil ich nicht diese dummen Weihnachtslieder höre?", gab er augenrollend zurück.
,,Stimmt genau", sagte ich grinsend und schloss die Tür hinter mir.
***
Sally hatte sich mit dem Essen selbst übertroffen. Um Dad und auch mir selbst den Gefallen zu tun, aß ich so viel ich konnte. Hinterher hatte ich zwar ein bisschen Bauchschmerzen, doch damit kam ich klar. Damian haute natürlich wie immer rein und auch Dad und Sally schmeckte es anscheinend. Ich war froh, dass ich wieder halbwegs normal mit Damian reden konnte, obwohl wir die Dinge eigentlich gar nicht richtig geklärt hatten, doch es Weihnachten und ich wollte den Tag nicht mit Disktutieren und schlechter Laune verbringen.
Es war komisch Weihnachten mit Leuten zu feiern, die streng genommen gar nicht zu meiner Familie gehörten, denn vor ein paar Jahren noch hätte Mum an Sallys Platz gegessen. Ich hoffte, es war für sie okay, dass Sally nun da war.
Ich liebe dich, Mum, dachte ich und irgendwie hatte ich die Hoffnung, dass sie es zu hören bekam. Sie musste einfach.
Nachdem wir zu Ende gegessen hatten, räumten Damian und Sally den vollbeladenen Tisch ab und Dad und ich setzten uns ins Wohnzimmer auf das Sofa. ,,Du weißt, dass ich dich sehr vermissen werde, Spätzchen?"
Ich nickte. ,,Wir können ja ganz oft telefonieren. Oder auch skypen, falls du das hinbekommst." Ich grinste.
,,Ich bin vielleicht alt, aber so alt dann auch wieder nicht", lachte er und kurz darauf kamen Damian und Sally zugestoßen.
,,Ich hab Lust auf einen Weihnachtsfilm", verkündete Sally und schaltete den Fernseher an, wo prompt einer lief.
,,Och ne", stöhnte Damian auf und ließ sich in den Sessel fallen. Sally bewarf ihn mit einem Puschen. ,,Du bist so 'ne Stimmungsbremse."
Damian machte eine abfällige Handbewegung. ,,Ist ja schon gut. Dann gucken wir eben diesen beschiss - diesen tollen Weihnachtsfilm." Er grinste zuckersüß als Sally ihn gespielt warnend anschaute und den zweiten Puschen anhob.
Ich kannte den Film schon, also sah ich nur unkonzentriert hin. Irgendwann kam der mir plötzlich der Gedanke, dass wenn ich in Deutschland war, ich gar nicht mit Damian auf das Konzert von The Fray gehen konnte, was er mir angeboten hatte. Ob er stattdessen Sophie mitnehmen würde?
Dann war das seine Entscheidung, Aria, redete ich mir ein.
Nach einer Stunde war der Film endlich zu Ende. Damian war in dem Sessel zusammengesunken und schaute mit halbgeschlossenen Lidern zum Fernseher als der Abspann eingeblendet wurde und setzte sich erst dann wieder richtig hin. ,,Selten sowas Langweiliges gesehen", sagte er und gähnte. Sally und Dad waren jedoch ganz zufrieden mit dem Film gewesen und ich hielt mich einfach aus der Diskussion heraus, die enstand.
,,Du machst dem Grinch bald Konkurrenz, mein Sohn", sagte Sally.
,,Ehm? Ich bin wohl viel attraktiver als dieses grüne, haarige Monster!"
,,Ansichtssache", erwiderte sie.
,,Würdest du Weihnachten so schätzen, dann würdest du deinen Sohn nicht an diesem friedlichen, feierlichen Tag beleidigen!"
Sally stöhnte ergeben auf und ich musste lächeln. Ich würde sie alle wirklich vermissen, glaube ich.
,,Okay, Geschenkezeit!", rief Dad, um abzulenken.
Wir setzten uns um den Baum herum, während Dad die Geschenke verteilt.
Dad hatte Sally eine Halskette geschenkt, die zwar sehr schön, aber auch seeehr teuer aussah und da Sally beinahe in Tränen ausbrach, nahmen wir alle an, dass sie sich über das Geschenk freute. Sally hatte Dad ein paar Krawatten gekauft mit der Begründung, endlich mal etwas Neues im Schrank haben zu müssen und dazu noch sein Lieblingsaftershave.
Damian hatte von den beiden ein neuen, dunkelgrauen Adidas-Pullover geschenkt bekommen und außerdem noch ein neues paar Schuhe, die seinen alten Boots ein wenig ähnelten. Er grinste und bedankte sich mehrmals. Dann drückte ich Sally und Dad meine Geschenke, die sie auspackten und sich anscheinend auch freuten.
Ich hatte gleich vier Päckchen bekommen, drei von Sally und Dad und einen von Damian, was mich ein bisschen überraschte.
In dem ersten von Sally und Dad war ein T-Shirt drinne mit der Aufschrift I love England.
,,Damit die in Deutschland wissen, wo du hingehörst", verkündete Dad zwinkernd.
In dem zweiten Paket, waren drei Bücher, die ich mir gewünscht hatte und in dem letzten war ein nagelneues iPod in Blau.
,,Oh Gott!", sagte ich und fiel Sally und Dad um den Hals. ,,Dankeschön! Auch für das T-Shirt und für die Bücher!"
,,Du benutzt ja schließlich immer mein iPod und wenn du in Deutschland bist, kannst du dann dein eigenes mitnehmen. Damian hat auch noch ein bisschen Musik draufgemacht", sagte Dad und als ich zu Damian blinkte, grinste er übertrieben und zwinkerte. Ich sollte später wohl mal schauen, was sich für Musik darauf befand.
Als ich das Geschenk von Damian öffnen wollte, klingelte es aufeinmal an der Tür und Sally und Dad sprangen auf, da sie dachten es wären die Nachbarn.
Also öffnete ich es in Abwesenheit der beiden und holte ein paar Sekunden später eine Parfumflasche heraus.
,,Ich wusste nicht so recht, was ich dir schenken sollte", sagte Damian und kratzte sich am Kopf. ,,Ich bin echt schlecht darin. Da dachte ich mir, Parfum gefällt jedes Mädchen und das hier erinnert mich irgendwie an dich."
Ich sprühte einmal damit herum und es roch wirklich sehr gut. Irgendwie nach Vanille. Das erste, was mir dabei in den Sinn kam, war Gemütlichkeit. Keine Ahnung, weshalb.
Ich hatte ein schlechtes Gewissen, dass er so viel für mich ausgab (es war kein billiges Parfum) und ich für ihn nur ein Anhänger hatte, den ich nicht mal selbst gekauft hatte.
,,Es ist toll!", sagte ich und lächelte. ,,Vielen Dank."
Er lächelte und in dem Moment kamen Dad und Sally zurück - Leah und Isabelle kamen hinterher, was mich verwunderte.
,,Hey Kinder", rief Isa gutgelaunt und hob eine Weinflasche in die Höhe. Leah, die genauso groß war wie ihre Mutter, stand neben ihr und grinste uns fast schüchtern an. Es musste komisch für sie sein, in einem Raum mit ihrer Mutter, ihrer Cousine/besten Freundin und ihrem 'Ex-Freund' zu sein. Hatten sich die beiden überhaupt ausgesprochen? ,,Wir wollten ein bisschen mit euch feiern."
***
Es war echt toll. Wir saßen alle bis halb eins zusammen bis Isa auf der Couch einschlief und Dad und Sally nach oben gingen, um auch endlich mal zu schlafen. Wir mussten schließlich morgen alle früh aufstehen, da mein Flug nach Deutschland schon um neun Uhr ging.
Damian und Leah redeten eigentlich nicht miteinander, doch ich sah, wie sie sich einmal kurz anschauten und Leah ihn anlächelte. Es machte mich nicht eifersüchtig, da ich wusste, was dieses Lächeln zu bedeuten hatte - es ist okay.
Nachdem unsere Eltern weg waren, verabschiedete sich Damian mit einem 'gute Nacht' und verschwand kurz darauf auch. Leah und ich gingen in mein Zimmer, wo ich die Tür hinter mir schloss.
,,Ich bin so nervös", sagte ich und zappelte mit meinen Armen herum. Leah lächelte.
,,Kann ich verstehen", erwiderte sie. ,,Wir begleiten euch morgen natürlich!"
,,Das müsst ihr nicht ..."
,,Ich möchte es aber. Schließlich sehe ich dich ein halbes Jahr nicht. Gerade jetzt, wo wir uns wieder vertragen haben", als ich darauf etwas antworten wollte, hob sie die Hand. ,,Das war nicht als Vorwurf gemeint. Ich freue mich für dich."
,,Danke", sagte ich lächelnd und ging dann zum Schrank, wo ich eine Jogginghose und ein T-Shirt für Leah heraussuchte, wobei ihr die Hose wahrscheinlich ein bisschen zu kurz sein würde. Sie genierte sich - wie immer - nicht und zog sich direkt vor mir um, während ich mir mein Schlafanzug unauffällig anzog.
Meine Koffer waren schon seit gestern gepackt und ich hatte darauf geachtet, nicht zu viel und nicht zu wenig mitzunehmen. Ein kleinen Teil meiner Klamotten hatte ich hiergelassen, eigentlich nur die etwas luftigeren Sachen und ein paar Pullover, die ich als zu kindisch empfand. Damians Pulli, den er mir geschenkt hatte, habe ich jedoch mitgenommen.
Mein Magen zog sich zusammen als ich daran dachte, dass ich morgen um diese Zeit schon bei Lily sein würde. Hoffentlich würde alles gut gehen.
Als Leah und ich nebeneinander in meinem Bett lagen - es war zu spät um eine Luftmatraze aufzublasen - schauten wir beide an die Decke.
,,Und du bist dir wirklich sicher? Noch kannst du dich umentscheiden."
,,Ich bin mir wirklich sicher", erwiderte ich. ,,Es ist nur ein halbes Jahr. Das geht schnell vorbei."
,,Vielleicht gefällt es dir da so gut, dass du gleich dahinziehen willst."
,,Dann ziehst du halt auch um", sagte ich grinsend.
,,Ja, wieso nicht? Kann man ja mal machen", sagte sie ironisch und ich grinste. ,,Bekomme ich ein täglichen Tagesbericht? Oder zumindestens ein wöchentlichen?"
,,Na klar", stimmte ich zu.
,,Okay. Wir sollten jetzt schlafen", schlug Leah vor und gähnte herzhaft.
,,Stimmt. Ich muss morgen früh noch duschen."
,,Wann klingelt der Wecker?"
,,Sieben Uhr."
,,Shit", stöhnte Leah und drehte sich zur Seite. Sie war viel schmaler als Damian, also war es auch nicht so eng im Bett.
,,Ich weiß, ich weiß."
---
Hiii. Das nächste Kapitel ist schon das letzte, bevor Aria nach Deutschland fliegt ... aber es kommen natürlich noch ein paar! Also keine Angst. :D
xoxo.
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