> Part 100


,,Bitte sag doch was", sagte ich, denn es war ruhig geworden. Damian starrte mich an, er wirkte sehr ruhig, doch als er dann den Mund öffnete, kamen seine Worte sehr heftig raus. ,,Ist das dein Ernst?"

,,Ja", sagte ich. ,,Ich werde dann bei Lily wohnen können. Und da zur Schule gehen."

,,Du wirst nach Deutschland ziehen?"

Ich nickte unsicher.

,,Einfach so?"

,,Was heißt ihr einfach so? Die Entscheidung zu treffen war nicht gerade das Einfachste", versuchte ich mich zu verteidigen, denn er ließ das Ganze als ein Fehler darstellen. Vielleicht war es das aus seiner Sicht ja auch, aber aus meiner war es das einzig Richtige.

,,Aber wieso? Ich meine - warum?" Man sah ihm an, dass er nicht die richtigen Worte fand.

,,Weil ich nicht mehr kann. Hier geht alles nur noch schief und ich weiß nicht, was passieren würde, wenn ich noch länger hier bleibe."

,,Aber das - wenn du einfach weggehst und dann wiederkommst - denkst du, das bringt was?" Ich wusste, dass er das nicht böse meinte. Irgendwie schien er einfach überrumpelt zu sein, das redete ich mir jedenfalls ein.

Ich überlegte, was ich jetzt sagen sollte. ,,Du hattest Recht. Du warst der Grund, warum es mir eine Zeit lang besser ging. Ich hab mich bei dir normal und irgendwie geliebt gefühlt. Aber dann kam Sophie und ich - keine Ahnung, ich will dir dafür nicht die Schuld geben. Du bist wie gesagt nicht für mich verantwortlich. Aber ich will euch beide nicht die ganze Zeit sehen und mich fragen müssen, warum sie und nicht ich, verstehst du?" Es fiel mir echt nicht leicht, so ehrlich zu sein. ,,Dazu kommt noch Mike. Gerade er nutzt die Situation so aus, wie er nur kann. Und ja - dann bin ich eben feige und laufe davor weg, aber dann ist das halt so."

,,Und das soll ich einfach so akzeptieren?", fragte er fassungslos.

,,Dir bleibt nichts anderes übrig."

Er schloss kurz die Augen, öffnete sie dann wieder und irgendwas hatte sich verändert. Er war wütend. Er konnte meine Entscheidung nicht verstehen.

Ich glaube, ich hätte an seiner Stelle auch so reagiert. Aber er wusste nicht, was in mir vorging.

,,Ich - ich werde jetzt gehen", sagte er und stand schnell auf. Kurz darauf hatte er mein Zimmer verlassen.

***

Dad nahm es nicht weniger fassungslos auf. Doch weitaus entgegenkommender. Er versuchte wenigstens mich zu verstehen, auch wenn er an meiner Idee zweifelte. Ich musste ihm sehr viel erklären.

,,Mike? Damians Freund?"

,,Sie sind keine Freunde mehr", sagte ich. Es kostete mich sehr viel Überwindung ihm von Mike zu erzählen. Ich fühlte mich bloßgestellt und schwach, als ich es ihm sagte, doch es musste sein, damit er verstand, warum ich von hier wegwollte. Jedoch erzählte ich ihm nicht, dass Damian auch ein Grund war.

,,Ich kann es nicht fassen." Dad raufte sich die Haare. ,,Ich könnte ihn umbringen." Er sah gleichzeitig sehr traurig und wütend aus.

,,Ich weiß, was du meinst", murmelte ich.

,,Wieso hast du mir denn nichts erzählt? Ich meine, wir hätten doch etwas tun können. Mit den Lehrer oder mit dem Direktor sprechen."

,,Dad", sagte ich. ,,Dad ... das ist nicht so einfach. Mike ist kein Junge, der sich von anderen Leuten etwas sagen lässt. Und er hat Freunde, die zu ihm halten. Wenn ich oder irgendwer anders etwas gegen ihn sagen würde, dann würde er doppelt so hart zurückschlagen. Ich weiß, wovon ich rede."

,,Hat er dich jemals angepackt?"

,,Nein. Er hat mich nie geschlagen." Jedenfalls nicht mit Händen.

,,Und du hast dich nie gewehrt?", fragte er.

,,Ich habs versucht. Und jedes mal, wenn ich es getan habe, musste ich dafür bezahlen. Ich - keine Ahnung, Dad, ich möchte einfach nur akzeptiert werden. Ich möchte zur Schule gehen ohne dass ich Angst haben muss. Ich möchte mit meinen Freunden die Pause verbringen oder mit ihnen zusammen lernen. Ich möchte in der Schule lachen und mit jemanden reden können."

,,Ich verstehe einfach nicht, wieso ich das nie mitbekommen habe. Mir fiel zwar auf, dass du eigentlich nie Freunde aus der Schule mitbrachtest, aber da du Leah hattest und hinterher Justin und Lily dachte ich mir nichts dabei. Ich - ich habe anscheinend sehr viel aus deinem Leben nicht mitbekommen." Ich sah seine Lippen zittern und deshalb griff ich schnell nach seinen Händen.

,,Dad! Mach dir keine Vorwürfe. Bitte nicht. Ich habe immer alleine versucht damit fertig zu werden. Du hättest mir auch nicht helfen können, okay? Also bitte."

Er schaute mich sehr lange an. ,,Irgendwann werde ich mir dieses Arschloch mal vorknöpfen."

Leise Panik wuchs in mir. ,,Das würde nichts bringen. Damian hat es auch schon versucht." Ich lächelte als ich Dads überraschten Gesichtsausdruck sah. ,,Du würdest mir echt helfen, wenn du mir einfach nur erlaubst zu gehen."

,,Das ist nicht so einfach, Aria. Du bist meine Tochter. Wie kann ich dich denn gehen lassen?"

,,Es wäre doch nur für ein halbes Jahr", sagte ich. ,,Außerdem bin ich bei Lily. Ich werde bei ihr wohnen und mit ihr zu Schule gehen. Die Leute da sollen sehr nett sein. Und das brauche ich. Nette Leute um mich herum."

,,Ich werde es mir überlegen, okay?"

Hoffnung wuchs in mir. Ich hoffte, er überlegte es sich gut.

***

Montag ging ich zur Schule. Dad hätte mich entschuldigt, doch ich wollte es. Keine Ahnung, was mich dazu bewegte freiwillig dorthin zu gehen, aber ich tat es.

Damian war schon weg, als ich losging. Er war noch immer sauer, aber ich versuchte mir darüber keine Gedanken zu machen. Alles woran ich gerade denken wollte war, was passieren würde, wenn Dad ja sagte.

,,Oh, hey Piggy!", rief Mike laut als ich den Klassenraum betrat. Wie immer ignorierte ich ihn. Leise hörte ich, wie Mira etwas zu ihm sagte. Er erwiderte etwas, doch dann war er ruhig. Was auch immer sie gesagt hatte, ich war ihr dankbar dafür.

Bis zur zweiten Pause sprach ich mit niemanden mehr, außer zweimal mit den Lehrern, weil die mich drangenommen hatten. Doch dann tippte mir von hinten jemand an die Schulter als ich gerade mein Schließfach vollpackte und ich drehte mich um. Überrascht blickte ich in Sids grinsende Miene.

,,Hallöchen!"

,,Hi?", erwiderte ich.

,,War das eine Frage? Du könntest wirklich ein bisschen enthusiastischer sein!"

,,Ich - ich gebe mir in Zukunft mehr Mühe", nuschelte ich und drückte die Tür meines Spindes zu.

,,Du fragst dich sicherlich, was ich von dir möchte", sprach Sid weiter. Als ich ihn nur wortlos anschaute, zeigte er auf den Flur vor uns und machte eine Handbewegung. ,,Gehen wir doch ein Stück."

Würde ich Sid nicht ein bisschen kennen, wäre mir die Situation echt gruslig vorgekommen. Doch ich ließ mich darauf ein und ging neben ihm her.

,,Weißt du, Damian redet. Er kann ein ziemliches Mädchen sein, 'ne richtige Pussy, wenn er mal damit anfängt über das ganze Gefühlsscheiß zu reden. Okay, zugegeben: Manchmal nötige ich ihn auch dazu, mit mir zu reden. Ich bin also über eure Situation ziemlich gut im Bilde."

,,Aha", sagte ich.

,,Ich bin wohl ein ziemlich schlechter bester Freund, wenn ich so über Damian herziehe, wie ich es jetzt tun werde, aber das ist mir sowas von latte. Ich hätte Damian am liebsten eine gepfeffert als er mir das ganze erzählt hat. Ich meine, wie kann man so dumm sein? Wenn du nur eine von vielen seiner Bitches wärst, okay. Aber wir beide wissen, dass du das nicht bist. Das weißt du doch, oder?"

Ich zuckte mit den Schultern. Ab und zu war ich mir da echt unsicher.

,,Jetzt weißt du's. Ich kenn dich nicht so gut, Schätzchen, aber ich kenne Damian sehr gut. Ich kenne die Storys über seine Mädchen und so weiter und ich kenne ein Teil euer Story. Und die ist anders. Ich meine, dass Damian und du noch nicht", er machte eine eindeutige Handbewegung, ,,das zeigt schon vieles. Damian ist weiß Gott keine männliche Schlampe, jedenfalls keine große, aber bei den meisten Mädchen geht es ihm nur ums Ficken. Das wusstest du bestimmt. Aber bei dir ist das nicht so, das versuche ich dir zu sagen. Man, das ist schwerer als ich dachte." Er massierte nachdenklich seine Stirn. ,,Jedenfalls kann ich nicht ganz nachvollziehen, warum er das jetzt alles aufs Spiel setzt, nur weil diese Sophie kommt. Sie mag zwar ganz nett sein und so, und sicherlich haben sie auch eine Geschichte miteinander, aber sie war doch Vergangenheit. Und die Vergangenheit gehört nicht in die Zukunft. Du fragst sicherlich immer noch, was ich dir sagen will, richtig?"

Ich nickte.

,,Also. Ich möchte, dass ihr umeinander kämpft. Dass du Damian zeigst, dass du die Richtige für ihn bist."

Ich lächelte. ,,Du nimmst deine Pflichten als bester Freund wohl ziemlich ernst, was?"

,,Nö, ich kanns ehrlich gesagt nur nicht ab, wie dieser Spast mit 'ner Sieben-Tage-Regen-Miene durch die Gegend läuft. Da hat man ja fast Angst, dass er sich im nächsten Moment vors nächste Auto schmeißt."

,,Aber letztendlich ist das doch seine Entscheidung. Wer für ihn die Richtige ist, meine ich, nicht das mit dem vors Auto schmeißen", sagte ich. Wir gingen immer noch über den Flur.

,,Natürlich ist es seine Entscheidung. Aber du könntest sie ihm vereinfachen."

,,Ich werde bald vielleicht gar nicht mehr hier sein", sagte ich dann.

Aprupt blieb er stehen und sah mich entrüstet an. ,,Ich wollte dir mit dem vors Auto schmeißen keine Ideen machen!"

Leicht grinsend blickte ich ihn an. ,,Das meinte ich doch gar nicht. Ich werde vielleicht nach Deutschland ziehen. Für ein halbes Jahr."

,,Oh. Das erklärt Damians Höllenlaune."

,,Er versteht mich nicht", erklärte ich.

,,Ich nehme an, dass hast du dir gut überlegt?"

Ich nickte.

,,Du musst wissen, was du tust. Eigentlich wollte ich dir nur sagen, dass ich defintiv Team Daria bin."

***

Sid hatte mich ernsthaft an meiner Entscheidung zweifeln lassen. So sehr, dass ich mich nach der Schule in mein Bett legte, die Decke über meinen Kopf zog und nachdachte. Zwei Stunden bis mein Kopf anfing zu rauchen. Ich war zu keinem Ergebnis gekommen.

Ich wollte nach Deutschland, zu Lily.

Aber ich wollte auch bei Damian bleiben. Was, wenn doch wieder alles gut werden würde? Dann wäre ich weg und hätte meine Chance verpasst. Aber genauso wäre es, wenn ich hier bleiben würde: Ich hätte die Chance verpasst nach Deutschland zu gehen.

Doch Dad nahm mir am nächsten Tag die Entscheidung irgendwie ab. Ich ging gerade aus der Schule raus als Dad quer über dem Schulhof auf mich zu kam. ,,Dad", sagte ich und schaute ihn verwirrt an. ,,Was machst du hier?"

Ich sah, wie einige Leute an uns vorbeigingen und einen flüchtigen Blick auf Dad warfen. ,,Ich wollte mit deinem Direktor reden. Ich hab mich entschieden."

Und da hatte auch ich mich entschieden. Ich musste einfach weg. Es war das Beste für mich und ich wollte einmal im Leben auch etwas wagen. Das war meine Chance.

Mit einem schnellrasenden Herz ging ich mit Dad also so McLion, unserem Direktor. Ich hörte nicht genau zu, während Dad ihm alles erläuterte, da meine Gedanken einfach zu voll waren. Was passierte jetzt? Würde alles klappen?

,,Du willst uns also verlassen?", fragte mich plötzlich jemand und riss mich somit aus meinen Gedanken. Eilig blickte ich den Direktor an.

,,Ja", sagte ich und lächelte. Er nickte und ich sah zu Dad, der ermutigend lächelte.

,,Gut, ich werde dann alles nachprüfen und mich mit den anderen Lehrern unterhalten, doch ich denke, du hast gute Chancen, dass alles klappt, Aria", sagte er und stand auf. Mein Herz machte einen Satz. ,,Das ist echt ein mutiger Schritt von dir."

Ich lächelte bloß erneut, da ich nicht wusste, was ich darauf antworten sollte. Dad und ich gaben ihm die Hand und gingen dann aus seinem Büro. Draußen atmete ich erstmal tief durch.

,,Danke, Dad", sagte ich.

,,Wofür?"

,,Dass du zugestimmt hast", erwiderte ich, während wir den Flur entlangingen. Es war komisch mit meinem Vater durch die Schule zu laufen, auch wenn sie jetzt viel leerer war, da nur noch ein paar Klassen Nachmittagsunterricht hatten und alle anderen zuhause waren.

,,Ich möchte, dass du glücklich bist", war seine Antwort. ,,Dann bin ich auch glücklich." Er zog mich kurz an sich und drückte mich, dann ließ er mich wieder los und lächelte.

Im Moment war ich glücklich. Jedenfalls ein bisschen. Doch ich hatte auch Angst. Wenn McLion jetzt zustimmen würde, dann wäre das alles beschlossene Sache. Ich würde gehen.

Dad hielt mir die Tür auf und ich ging an ihm vorbei. Draußen entdeckten wir beide gleichzeitig die kleine Jungsgruppe, die auf dem Schulhof auf einer Bank saßen und uns nach der Reihe nach anschauten als wir auch stehenblieben. Damian war einer von den Jungs und ich bemerkte, dass er versuchte seine Zigarette zu verstecken als er Dad sah.

Ich zog die Augenbrauen zusammen und blickte zu Dad, der es natürlich genau gesehen hatte. Ich wusste nicht, wie er nun reagierte, doch es überraschte mich trotzdem ein wenig als er leicht lächelte und in seine Richtung nickte, bevor er einfach weiterging.

Mit ein paar Sekunden Verzögerung folgte ich ihm, hatte dabei meinen Blick aber immer noch auf Damian geheftet. Er schaute mich harter Miene an, doch ich konnte sehen, dass er nicht wirklich sauer auf mich war ... eher verletzt. Ich sah zu Sid, der neben ihm saß und mich auch anschaute (nur mit einem breiten Grinsen im Gesicht) und wandte dann ganz meinen Blick ab.

,,Erzählst du's Sally?", fragte ich.

,,Was?"

,,Dass er noch immer raucht."

,,Wer raucht?" Ich wollte gerade etwas erwidern als ich Dad zwinkern sah. Ich hatte wirklich einen tollen Dad.

,,Damian ist nicht mein Kind. Außerdem ist er Erwachsen - es ist seine eigene Entscheidung", sagte er. Dann schaute er mich streng an. ,,Was bei dir nicht der Fall ist. Wehe, ich erwische dich dabei!"

,,Keine Sorge", lachte ich und stieg neben Dad ins Auto, das er vor der Schule auf den Parkplatz geparkt hatte.

***

Da Dienstag war, ging ich heute wieder zum Boxtraining. Ich hatte mich an die Leute und an das Programm gewöhnt, daher war es einfacher alleine dahin zu gehen. Es machte mir auch Spaß, sehr sogar, auch wenn es ein wenig anstregend war.

Überraschenderweise traf ich Leah vor dem Studio vor als ich es verließ. Ich war so überrumpelt, dass ich erstmal gar nichts sagte. Es hätte nie soweit kommen sollen, dass ich mich unwohl dabei fühlte, wenn ich Leah sah.

Doch das verging als sie auf mich zu kam und mich einfach in den Arm nahm - so wie früher. Ich drückte sie fest.

,,Hey", sagte sie. ,,Toby hat mir gesagt, dass du hier bist. Da dachte ich mir, ich hole dich ab."

,,Du warst also bei uns?", fragte ich lächelnd.

Sie nickte. ,,Ich musste euren Ersatzschlüssel mal abgeben. Hab den wohl irgendwie mitgenommen das letzte Mal ... naja, und ich wollte dich mal besuchen."

,,Dad war sicher überrascht dich zu sehen, oder?"

Es war bereits dunkel geworden und wir gingen zu Fuß in Richtung unser Haus.

,,Jaaa. Er hat gegrinst wie 'n Blöder", sagte sie und verdrehte grinsend die Augen. ,,Meine Mum übrigens auch. Sie meinte, dass es mal Zeit wurde."

,,Wurde es ja auch", bestätigte ich und unterdrückte ein leichtes Zittern, da es draußen echt kalt war. Im Gehen stolperte ich über einen losen Backstein, sodass ich mich an Leah festhalten musste, um nicht auf die Schnauze zu fliegen.

,,Tollpatschig wie eh und je", lachte Leah. ,,Freut mich, dass sich das nicht geändert hat."

,,Ich wär ja sonst nicht ich, ne?", lachte auch ich und ließ ihren Arm los.

,,Stimmt. Man, es ist arschkalt. Kaum zu glauben, dass nächste Woche schon Weihnachten ist. Das Jahr vergeht so schnell."

,,Findest du? Ich finde, es hat ewig gedauert. Ich bin froh, wenn es zu Ende ist", sagte ich.

,,Neues Jahr, neues Glück oder was?"

Ich grinste. ,,Genau."

,,Wie geht es eigentlich Lily? Und hast du noch Kontakt mit Justin?"

,,Ihr geht es gut. Sie findet es toll in Deutschland, also anders als sie es erwartet hatte. Und ja, hab ich", erzählte ich. ,,Weißt du noch Riley? Justins Freundin? Sie hat ihn betrogen."

,,Ach, die sah sowieso aus wie so 'ne Schlampe. Hat er's verkraftet?"

Ich zuckte mit den Schultern. ,,Ich denke schon. Jedenfalls tut er so."

,,Wer weiß schon, was Jungs denken?" Da musste ich ihr Recht geben. Ich drückte auf eine Ampel, die sofort auf Grün übersprang.

,,Ich wollte dir noch etwas erzählen", sagte ich nun und ich sah, wie sie mich von der Seite her anschaute.

,,Okay, klingt ernst. Was'n?"

,,Ich werde nach Deutschland gehen", sagte ich.

,,In den Ferien?", fragte sie überrascht und ich atmete tief durch. Es tat mir leid, dass ich Leah jetzt wieder verlassen musste, wo wir uns doch gerade wieder vertragen hatte. Ich hoffte, dass wenigstens sie mich verstehen würde.

,,Nein. Für ein halbes Jahr."

Sie blieb stehen und ich drehte mich zu ihr um. Ich zitterte immer noch vor Kälte.

,,Für ein halbes Jahr?!"

Ich nickte bestätigend.

,,Weshalb?", fragte sie. Ich erklärte ihr, dass Lily es mir angeboten hätte und alles.

,,Und du bist dir sehr sicher? Das ist echt - wow. Scheiße, aber gleichzeitig auch sehr geil." Sie fuhr sich durch ihre langen Haare.

,,Ja, ich muss nur noch auf die Zustimmung meines Direktors warten."

,,Und wenn er ja sagt, wann würde es dann losgehen?", wollte sie wissen.

,,Noch vor Silvester", sagte ich. Das war nicht mehr ganz so lange. Nicht mal mehr ein Monat.

,,Oh mein Gott", sagte sie. ,,Das ist in zwei Wochen!"

,,Ja ... "

,,Jetzt, wo ich dich wieder habe, gehst du wieder."

Ich ging ein Schritt auf sie zu. ,,Ich weiß. Das ist echt scheiße. Aber - aber ich muss es tun. Ich will, dass mein Leben sich ändert und vielleicht hilft es, wenn ich mal eine Auszeit nehme."

,,Ich hab gehört, dass Wetter soll in Deutschland ein biiischen besser sein als hier in England ... ", versuchte sie uns beide zu trösten. Ich hätte nicht gedacht, dass sie so traurig darüber sein würde. Die Leah vor unserem Streit, ja, aber irgendwie hätte ich erwartet, dass sie nun ganz anders reagierte.

,,Hoffentlich", sagte ich.

,,Ich kann dich verstehen, Aria", sagte sie. ,,Ich weiß, dass es dir hier nicht gut geht."

,,Du denkst nicht, dass ich einfach feige vor meinen Problemen weglaufe?"

,,Natürlich nicht. Du bist nicht feige. Das habe ich an Halloween erst wieder so richtig gemerkt", sagte sie. Ich lächelte sie dankbar an.

,,Weiß Damian es schon?", fragte sie und ging weiter.

,,Ich - ja. Er weiß es schon."

Sie nickte nachdenklich. ,,Und? Was sagt er dazu?"

,,Naja, nichts eigentlich."

,,Nichts?" Sie zog die Augenbrauen nach oben.

,,Ich denke, er ist enttäuscht von mir."

,,Enttäuscht von dir? Hör mal, da hat er echt kein Recht zu."

,,Du musst dir das nicht anhören, Leah. Ich will nicht, dass du dich mies fühlst."

,,Es ist okay", sagte Leah schnell. ,,Ich bin über ihn hinweg. Es ist wirklich okay. Wer ist eigentlich dieses Mädchen?"

,,Seine Ex-Freundin oder sowas."

,,Oder sowas?"

,,Ja. Ist eine lange Geschichte", seufzte ich.

,,Ich habe Zeit."

***

Donnerstagabend erst rief McLion meinen Dad an und ich hörte die beiden miteinander sprechen. Als Dad zurück ins Wohnzimmer kam, wo ich alleine saß, lächelte er und teilte mir die Neuigkeit mit. Ich durfte nach Deutschland ziehen.

Ich machte keine Luftsprünge und auch keine Freudentänze. Ich blieb sitzen und grinste - vielleicht ein bisschen zu wenig begeistert, denn Dad setzte sich stirnrunzelnd zu mir und fragte mich, ob ich mich denn nicht freue.

Irgendwie schon, antwortete ich. Aber ich schätze, ich hatte es noch nicht ganz realisiert.

Damian ging mir wie so oft aus den Weg. Er konnte das ziemlich gut, wenn er es darauf anlegte und ich fragte mich, ob wir vor meiner Abreise überhaupt noch miteinander reden würden, so stur wie er sein konnte.

Ich ging hoch, um Lily anzurufen und ihr die Nachricht mitzuteilen und danach schrieb ich Justin und klärte auch ihn auf. Plötzlich fiel mir auf, dass ich ihn wahrscheinlich sehr vermissen würde. Ich hoffte, dass wir nach Deutschland noch immer gut befreundet waren, denn Justin war für mich echt ein guter Freund geworden.

Ich brauchte meine Freunde. Ohne sie wäre ich wahrscheinlich wirklich ganz alleine.

Gerade als ich eine Nachricht an Justin abgeschickt hatte, rief mein Dad mich hinunter. Ich war überrascht und nicht sehr erfreut als ich Sophie vor mir stehen sah. Mit ihren großen Augen sah sie auf mich herab, als ich auf der vorletzten Treppenstufe stehenblieb.

,,Was ist denn?", fragte ich, an Dad gewandt.

Dad zog eine Augenbraue hoch. ,,Sophie wollte dich sehen?"

,,Mich?"

,,Ja, dich", antwortete Sophie selber und zog kurz ihre Mundwinkel hoch, damit sowas wie ein Lächeln entstand. Sie wirkte bedrückt.

,,Okay? Sollen wir in mein Zimmer gehen oder sowas?", fragte ich, woraufhin sie schnell nickte und nochmal lächelte. Ich ließ sie vor gehen und warf Dad über meinen Rücken einen kurzen, verwirrten Blick zu. Er zuckte bloß mit den Schultern; wahrscheinlich fragte er sich auch, was Damians Freundin so dringend von mir wollte. Jedoch konnte ich mir das schon denken.

,,Du hast ein schönes Zimmer", meinte Sophie als ich die Zimmertür hinter uns schloss. Sie ging an mein Fenster und schaute kurz hinaus, bevor sie sich grinsend zu mir umdrehte, dabei ihre schönen Zähne zeigte.

,,Danke", antwortete ich und schaute sie ein wenig argwöhnisch an. Was würde jetzt wohl kommen? Während sie sich noch seelenruhig ein wenig umschaute, beobachtete ich sie. Ihre Hände hatte sie ineinander verschränkt und sie stand ein wenig schüchtern da, was sie ja eigentlich nicht war. Sie hatte einen beige-farbenden Strickpullover an und dazu eine dunkle Jeans mit grauen Stiefeln, was ihre sehr dünnen Beine noch mehr zur Geltung brachte. Ihre Haare hatte sie an den Seiten nach hinten gesteckt und ihre Wangen hatten wir dieses ganz helle Rosa angenommen - ich fragte mich, ob das Rouge war oder natürliche Röte.

,,Ich möchte dich nicht nerven, okay?", sagte sie plötzlich und ich unterbrach mein Mustern.

,,Tust du nicht."

,,Okay." Sie atmete aus. ,,Damian hat es mir erzählt."

,,Ja, ich weiß. Ich meine, ich habe es mir gedacht."

,,Weshalb?"

,,Ich hab es euch irgendwie angesehen." Ich zuckte mit den Schultern. Ich wusste auch nicht.

,,Hm. Ich hab es euch nicht angesehen. Sonst hätte ich nicht mit dir über Damian gesprochen. Ich hatte nicht vor, dich zu verletzen."

Dazu gab ich keine Antwort und wir starrten uns einfach nur an. Was wollte sie jetzt genau von mir? Ich verstand es nicht.

,,Aber ich liebe ihn."

Wow. Okay. Ich presste meine Lippen aufeiannder und schaute an ihr vorbei an die Wand.

,,Und wieso erzählst du mir das?", wollte ich wissen. Irgendwie wurde ich wütend. Auf sie. Auf alle.

,,Ich wollte Klarheit schaffen, zwischen uns. Ich weiß, dass Damian im Moment ein bisschen verwirrt ist, was seine Gefühle angeht. Aber ich bin bereit, zu warten."

,,Das erklärt aber immer noch nicht den Punkt, warum du mir das alles erzählst."

,,Ich wollte dich fragen ... wie du dazu stehst." Sie schaute mich mit ihren grünen Augen direkt an.

,,Mir ist bewusst, dass Damian ein wenig verwirrt ist." Ich sprach der Wort 'verwirrt' so aus als wäre es eine Schande, doch das war nicht einmal Absicht. ,,Hör zu, für mich ist das kein Kampf oder so, okay? Es ist alleine Damians Entscheidung, aber ich habe echt keine Lust mit dir darüber zu reden."

Etwas genickt nickte sie. Es tat mir direkt leid, doch ich zwang mich dazu, ruhig zu sein.

,,Okay. Ich kann es verstehen."

,,Okay", sagte ich.

,,Ich - ich werde dann mal wieder gehen", sagte sie und lächelte erneut dieses gequälte Lächeln.

Ich nickte nur und rührte mich nicht vom Fleck. Einen Moment später war sie durch meine Tür und ich ließ mich leicht fassungslos auf mein Bett nieder. ,,Ich liebe ihn."

Ja, schön für dich!, dachte ich mir. Ist ja nicht so, als wäre mir das schon vorher klar gewesen. Es regte mich in diesem Moment sehr auf. Die ganze Situation überforderte mich wieder. Sophie kam und prompt wurde alles wieder komplizierter. An mir nagte wieder der Gedanke - wenn ich gut genug für Damian gewesen wäre, dann hätte er sich doch niemals zwischen Sophie und mir entscheiden müssen, oder? Doch die tolle Sophie hatte sich zwischen uns gedrängt und das war nicht mal alleine ihre Schuld. Er hätte es ja nicht zulassen müssen. Doch ich war anscheinend nicht ausreichend und irgendwie wusste ich das ja schon immer. Es ist okay, redete ich mir ein.

Doch egal, wie ich es drehte.

Es tat weh.

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Woooow. Kapitel 100. Das ist echt unfassbar! Ich glaube, ich schreibe schon seit fast 1 1/2  - 2 Jahren an dieser Story, was echt viel ist und ich bin immer wieder so dankbar dafür, dass so viele meine  Geschichte lesen und auch immer wieder so liebe Dinge kommentieren und voten! Also so ganz nebenbei nochmal: Dankeschön! Ihr seid alle so toll. <3

xoxo.


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