28

Vollkommen übermüdet schüttete Harry sich Milch in seine Cornflakes. Es war mitten in der Nacht und doch wusste er, dass er auch diese Nacht kein Auge zubekommen würde. Und dass es wieder an Draco lag.

Nur das er sich jetzt deutlich schlechter dafür fühlte als zuvor. Wie hatte er nur Marcus herholen können? Und dann noch vergessen Warnzauber über das Treppenhaus zu seiner Wohnung zu legen?

Das alles außerdem nur, weil er nicht damit klarkam das Draco inzwischen einen attraktiven Körper hatte. Dabei dachte er, dass er über seine seltsame Obsession aus der Schule hinweg war. Draco war gut darin, ihm zu zeigen, wie falsch er lag.

"Harry?" ertönte schließlich eine raue Stimme und aus seinen Gedanken gerissen sah er auf. Harriette stand in einen Morgenmantel gehüllt im Türrahmen und sah kurz überfordert zu ihm.

"Es gab keine Regelung zur Bettruhe, ich darf hier sein" erklärte die junge Frau ihm scheinbar selbstbewusst. Der zweifelnde Ausdruck in ihren Augen entging ihm dennoch nicht.

Schmunzelnd nickte er. "Wer bin ich schon fast erwachsene Leute in ihr Bett zu verbannen. Möchtest du etwas trinken oder essen?" fragte er, während er sah, wie Harriette scheinbar um einige Zentimeter wuchs. Vielleicht war er doch nicht so schlecht im Umgang mit Jugendlichen.

"Kann ich einen Kakao haben?" fragte Harriette schließlich woraufhin Harry nickte und seine Schüssel auf die Seite stellte und dann nach einer Tasse griff, die er mit Milch füllte und diese dann erhitzte.

"Mach dir so viel Pulver rein, wie du gerne möchtest" erklärte Harry lächelnd und sah dabei zu wie Harriette vier Teelöffel an braunem Pulver in die Tasse gab und das Gemisch dann verrührte. Da mochte es wohl jemand süß.

"Danke" murmelte Harriette ehe sie den Löffel in die Spüle legte und sich dann an den Esstisch setzte. Um nicht blöd in der Gegend rumzustehen, setzte sich auch Harry mit seiner Schüssel zu ihr.

"Kannst du nicht schlafen?" fragte er leise und sah, wie die Schultern der jungen Frau wieder etwas sanken.

"Nicht wirklich. Ich hab heute die Antwort meiner Eltern bekommen. Sie verzichten darauf, dass ich nach Hause komme. Dafür werde ich enterbt" erklärte Harriette woraufhin Harry schwer schluckte. Er wollte sich gar nicht vorstellen, wie genau der Brief wohl formuliert war.

"Aber meine Tante, Millicent, sie hat mir auch geschrieben und meinte ich könne mich an sie wenden, wenn ich etwas brauche" erklärte Harriette mit einem kleinen Lächeln. Harry war froh, dass sie doch noch jemanden in ihrer Familie hatte, der ihr beistand.

"Das tut mir wirklich leid" meinte Harry und sah traurig zu Harriette. Er wusste, dass es alleine ihre Entscheidung gewesen war herzukommen und zu bleiben, doch er fühlte sich schon nach den wenigen Tagen, die sie hier verbracht hatte mit für Harriette verantwortlich. "Wenn du nach deinem Abschluss einen Ort brauchst, an den du kommen kannst, bist du hier immer willkommen. Meine Tür steht dir auch nach dem Sommer offen" erklärte er ernsthaft, wollte Harriette unbedingt zeigen, dass er für sie da war und sie nicht von allen im Stich gelassen wurde.

"Das ist sehr - freundlich. Danke" erwiderte Harriette und Harry sah das erste Mal, wie sie es nicht schaffte ihre Miene komplett verschlossen zu haben. Für einige Momente konnte er sehen, wie zurückgewiesen und gebrochen sich Harriette fühlte und wie erleichtert sie war, dass es noch einen Ort für sie gab.

Viel zu schnell hatte Harriette sich allerdings wieder unter Kontrolle und Harrys Möglichkeit ihre Gedanken zu erahnen wurde deutlich geringer als sie an ihrem Kakao nippte. Harry währenddessen rührte weiter in seiner Schüssel, er wusste wirklich nicht, wieso er gedacht hatte, dass etwas zu Essen ihm guttun würde. Er würde keinen einzigen Bissen runterbekommen.

"Wie geht es dir hier sonst eigentlich? Auch mit den anderen Kindern, Colin scheint ja leider ein Problem mit dir zu haben" fragte Harry nach, hoffte dabei nicht zu weit zu bohren, während Harriette mit den Schultern zuckte

"Mir geht es gut. Colin ist nur vorsichtig, wegen seinen Eltern. Das ist in Ordnung, ich wäre vermutlich nicht anders, wenn seine Leute meine Familie zerstört hätten", erklärte Harriette ernsthaft während Harry das Gefühl hatte, dass sie ihren Schmerz vor sich selbst verbarg.

"Außerdem werden sowieso alle netter zu mir. In der Schule würden sie mir nichtmal im Unterricht helfen wollen, hier reden und spielen sie sogar mit mir" schob die junge Frau hinterher. Harry hatte das Gefühl, dass sie ihm das niemals anvertraut hätte, wenn es Tag wäre. Irgendwie machte die späte Nacht es einfacher ehrlich zu sein.

"Warum schläfst du eigentlich nicht?" fragte Harriette dann und entlockte Harry ein tiefes Seufzen.

"Sagen wir ich habe etwas sehr Dummes getan und wurde dabei erwischt" erklärte er wage woraufhin Harriette langsam nickte und dann einige Momente nachdachte.

"Draco hat dich erwischt, oder? Und das ist dir unangenehm, weil du ihn gerne magst oder zumindest sehr attraktiv findest", traf es Harriette viel zu genau auf den Punkt während Harry schwer schluckte. Ja, Draco war attraktiv. Aber mochte er ihn auf diese Weise? So sehr er sich vor dem Gedanken auch verschließen wollte, wenn Harriette es so deutlich aussprach, konnte er es zumindest vor sich selbst nicht leugnen. Seufzend sank er in sich zusammen und schob dann die Schüssel von sich weg. Er würde ja doch nichts essen.

"Du bist erstaunlich gut im Raten" meinte Harry und seufzte deprimiert auf was Harriette leise lachen ließ. Etwas empört sah Harry zu ihr woraufhin sie abwehrend ihre Hände hob und ihn kurz angrinste.

"Es ist nicht so als wäre es schwer zu erraten, wenn du ihn so intensiv betrachtest als würdest du ihn ausziehen, sobald er in dein Blickfeld kommt" erklärte die Frau mit einem leichten Grinsen auf den Lippen während Harry sich die Haare raufte. Es war wirklich deprimierend, wie schnell ihn die Sechzehnjährige durchschaut hatte.

"Glaubst du, er hat das auch bemerkt?" fragte er leise, hatte fast schon Angst vor der Antwort, während Harriette nur mit den Schultern zuckte.

"Keine Ahnung. Aber ich glaub er findet dich auch attraktiv. Zumindest starrt er auch manchmal. Deutlich diskreter, um das nochmal zu betonen" erklärte sie und Harry sah, wie sehr sie genoss mehr zu wissen als er selbst. Doch das war ihm gerade recht egal. Konnte es wirklich sein das Draco ihn ähnlich sah wie Harry den Blondschopf? Und wenn ja, was sollte er dann daraus machen? Draco darauf ansprechen? Nach dieser Nacht war er nicht sicher, ob er Draco je wieder in die Augen sehen könnte.

"Gut zu wissen..." murmelte Harry schließlich, absolut nicht sicher was er auf diese Aussage sonst erwidern sollte, und konzentrierte sich wieder auf Harriette die schließlich austrank.

"Ich versuche wieder zu schlafen. Hab Mary versprochen, ihr zu zeigen, wie man sich die Nägel macht. Und Morgan schien es auch interessant zu finden" erklärte Harriette und stand schließlich auf.

"Dann schlaf gut" wünschte Harry ihr als sie ihm nochmal kurz zunickte und mit einem "Gute Nacht" aus der Küche verschwand.

Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top