⊱ 01 ⊰

Ein leichtes Rütteln an meiner Schulter lässt mich kurzzeitig aufschrecken und ich öffne meine Augen, die sich zunächst noch an das helle Licht gewöhnen müssen.

Mit emotionslosem Gesichtsausdruck sehe ich meinen kleinen Bruder an, dessen Lippen sich zwar bewegen aber kein Laut hervorkommen zu scheint.

Ich entferne schließlich einen meiner Kopfhörer, durch den meine laute Musik dröhnt und mich erst jetzt bemerken lässt, wie laut ich diese eigentlich eingestellt habe.

,,Was ist denn, Makoto?", frage ich ihn, schnippischer als ursprünglich gewollt.

,,Wir sind gleich da! Wir sind schon in Osaka", sagt er, wobei ich nicht ganz einschätzen kann, ob er sich freut oder doch einfach nur von unseren Eltern beauftragt wurde mich zu wecken.

Obwohl ich nicht einmal richtig geschlafen, sondern nur versucht habe meine gesamte Umwelt wenigstens für die Fahrt vollständig auszublenden und mich auf mich zu konzentrieren.

Wie könnte ich jetzt, nach alldem, was passiert ist, auch schlafen?

Mit einem Nicken bestätige ich seine Aussage und sehe durch die Frontscheibe des Autos hinaus.

Wir stehen zwischen vielen anderen Autos und hohen Bürogebäuden mitten in der riesigen Stadt direkt vor einer Ampel, die genau in diesem Moment auf grün umspringt und sich die Autos vor uns langsam wieder in Bewegung setzen.

Soweit ich es mitbekommen habe, soll unser neues Haus wohl in einem der äußeren Bezirke Osakas liegen, also fast wie in Kyōto.

Nur mit dem Unterschied, dass Osaka viel größer und sowieso alles anders als zuvor ist.

Mein Blick schweift zu Takumi rüber, der mit seinem Kopf an der Fensterscheibe klebt und vor sich hin schnarcht, als hätte er für längere Zeit kein Auge mehr zugemacht.

,,Seht mal, Kinder. Eine riesige Mall! Dort können wir demnächst zusammen hingehen", freut sich unsere Mutter und zeigt mit dem Finger auf ein großes Gebäude. ,,Ich gebe euch auch gerne etwas aus."

Laut atme ich auf ihre Aussage hin aus und verdrehe unbemerkt meine Augen.

Ich sehe sofort wie unser Vater mir durch den Rückspiegel einen feindseligen Blick zuwirft, weswegen ich schnell wieder aus dem Fenster hinausschaue.

Sie erwarten wirklich immer noch nach wie vor, dass ich akzeptiere, dass wir erneut wegziehen.

Aber das werde ich definitiv nicht.

Mit meinem Zeigefinger stelle ich meine sowieso schon laute Musik eine Lautstärke höher, sodass ich nicht einmal mehr das Navigationssystem höre.

Vor dem Einkaufszentrum, neben dem wir wegen dem starken Nachmittagsverkehr erneut zum Halt gekommen sind, erblicke ich mehrere Teenager, die fröhlich miteinander kommunizieren und einkaufen gehen.

Direkt daneben erkenne ich noch ein relativ großes Fitnessstudio, welches ebenfalls gut besucht zu sein scheint und im nächsten Moment fährt blitzschnell ein Krankenwagen im Einsatz vorbei, der eventuell auch ein Grund dafür sein könnte, wieso wir schon wieder halten müssen.

Als dann das nächste Lied zu spielen beginnt, fahren auch wir weiter und kommen bald in weniger befahrene Bereiche der Millionenstadt, wo wir auch viel schneller vorankommen als zuvor.

Ich realisere erst, dass wir scheinbar an unserem neuen Zuhause angekommen sind, als ich das Knallen einer Autotür wahrnehme und mich deswegen aufsetze.

Unser Vater ist bereits aus dem parkenden Auto ausgestiegen und hat durch das laute Geräusch auch Takumi geweckt, der mich jetzt verschlafen ansieht.

Seine schläfrige Gestalt lässt mich für einen winzigen Moment schmunzeln, bevor wir dann zusammen aussteigen.

Ich begebe mich sofort zum Kofferraum, wo ich Chibi aus ihrer Transportbox und auf meinen Arm hole.

Mit schlürfendem Schritt stelle ich mich dann neben Takumi, der auf das für uns noch fremde Gebäude schaut.

,,Groß", seufzt er und legt sanft einen Arm um meine Schultern. ,,Das ist dann wohl unser neues Zuhause. Mal sehen, wie lange wir es hier aushalten."

,,Drei Monate", zucke ich lustlos mit den Schultern und drücke Chibi liebevoll näher an mich, während sie sich an mich schmiegt als hätte sie Angst vor der neuen Umgebung.

Takumi entflieht auf meine Aussage hin ein leichtes Lachen.

,,Ich gebe uns 5 Monate. Um was wetten wir?", fragt er und sieht mich erwartungsvoll an.

,,1.000 Yen?", erwidere ich ohne lang nachzudenken, weil ich mit relativ sicher bin, dass ich gewinnen werde.

,,Einverstanden", nickt Takumi und wir geben uns die Hand darauf, bevor wir ins Innere des Hauses gehen.

Auf den ersten Blick erkennt man schon, dass dieses Haus tatsächlich größer ist als in Kyōto, was unseren Aufenthalt hier nicht zwingend besser macht.

,,Takumi! Minhee! Seht euch doch mal unsere neue Küche an", ruft uns unsere Mutter und wir folgen ihrer Stimme daraufhin in einen großen offenen Raum, der mit vielen bodentiefen Fenstern durchflutet ist.

Eine nagelneue weißglänzende Küche ist bereits eingebaut und füllt fast die Hälfte des Raumes, während der andere Teil vermutlich für ein gemütliches Wohnzimmer gedacht ist.

Durch die großen Fenster erblickt man auch sofort den relativ großen Garten, in welchem sogar eine Kirschblüte steht, deren Blüten sich zur Sonne richten.

Da Chibi auf meinem Arm langsam unruhiger wird, setze ich sie auf dem Boden ab und sie untersucht sofort alles neugierig.

,,Die netten Männer von der Umzugsfirma haben schon eure Betten und sonstige Möbel in euren neuen Zimmer aufgebaut. Hat mein neuer Chef sicherlich beauftragt, damit wir zügig hier einziehen und uns wohlfühlen können", erklärt uns unser Vater fast schon stolz und zeigt auf die weiße, moderne Treppe, die ins obere Stockwerk führt. ,,Schaut doch mal nach!"

Lustlos schleppen sich Makoto, Takumi und ich dann die Treppen hinauf und stehen in einem größeren Flur, von dem mehrere Zimmer abgehen.

Ich brauche keine fünf Sekunden und finde schon das Zimmer mit meinem Bett darin und lasse mich mit einem lauten Seufzer vorwärts darauf fallen.

Ich drehe mich daraufhin auf den Rücken und starre an die weiße Decke, an der nur eine provisorische Lampe angebracht ist.

Das Zimmer, welches ich jetzt wohl als mein neues Zimmer bezeichnen muss, ist mit Licht überströmt, dass durch das große Fenster hineingelangt und dadurch schaut man direkt auf unseren Garten, sowie die der Nachbarn.

Doch das Haus unser neuen Nachbarn wird niemals dieselbe Bedeutung haben wie noch zuvor in Kyōto.

Während ich so den japanischen Garten unserer Nachbarn betrachte und völlig in Gedanken versunken bin, höre ich schließlich ein Miauen und sehe wie sich Chibi auf mein Bett legt.

Die kurz hochgekommenen Tränen ignoriere ich prompt und kuschel mit Chibi.

Außerdem nehme ich mein Handy zur Hand und wähle eine bestimmte Nummer, stelle den Anruf auf Lautsprecher, sodass ich mich gemütlicher hinlegen kann.

Nach wenigen Sekunden wird der Hörer auch schon abgenommen und ich höre eine bekannte Stimme.

,,Minnie! Wie ist es? Wie war die Fahrt?", fragt sie mich fröhlich, bevor sie scheinbar das Handy aus der Hand gerissen kriegt.

,,MISAKI! ICH VERMISSE DICH JETZT SCHON", schreit mir plötzlich Mina aus der Leitung zu, was mich ein wenig zum Lächeln bringt.

,,Ich euch auch. Ich weiß nicht, wie ich es hier ohne euch alle überleben soll", seufze ich und lausche dem Schnurren von Chibi.

,,Man reißt anderen Menschen nicht einfach so das Handy aus der Hand", höre ich Ryujin sagen und dann wird ihre Stimme wieder lauter, was mich darauf schließlich lässt, dass sie sich ihr Handy zurückgeholt hat. ,,Ich glaube wir haben zu spät realisiert, dass du wirklich weg bist. Wir standen bestimmt noch eine halbe Stunde vor eurem Haus und.. ich glaube nicht, dass ich das jetzt sage.. und haben geweint."

Ryujins Worte lassen mir selbst sofort die Tränen in die Augen schießen, doch ich versuche meine Traurigkeit so gut es geht zu verstecken.

,,Sobald ich kann, komme ich zurück", erwidere ich traurig, dennoch mit Zuversicht. ,,Ich habe morgen meinen ersten Schultag in Osaka."

,,Wenn irgendetwas ist, kannst du uns immer erreichen, Minnie!", schreit Mina erneut in den Hörer hinein. ,,Und wenn es gutaussehende Jungs gibt, kannst du gerne ein paar Fotos schicken."

Bevor ich ihr eine Antwort darauf geben kann, steht meine Mutter plötzlich in meinem Zimmer, weswegen ich kurz mein Handy stumm stelle.

,,Komm runter, Misaki. Lass uns zusammen Udon machen, ja?", lächelt sie mich an. ,,Zur Feier des Tages!"

So schnell wie sie in meinem neuen Zimmer aufgetaucht ist, verschwindet sie auch wieder und ich verabschiede mich von meinen Freundinnen, bei denen ich jetzt viel lieber wäre.

Ich lasse mein Smartphone auf meinem Bett liegen, nehme Chibi und laufe die Treppen hinunter.

Das ist also der einsame und traurige Start in mein neues Leben in Osaka.

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Herzlich Willkommen zu meiner neusten Geschichte, die wieder einmal ein wenig anders ist als die Anderen! Denn dieses Mal handelt es sich bei » osaka « tatsächlich um die Fortsetzung, also den zweiten Teil, meiner vorherigen FanFiction » kyōto «
(Deswegen auch das 02, hihi)

Falls ihr dieses Buch zuerst lest: es ist nicht zwingend notwendig, dass ihr den ersten Teil gelesen habt, dennoch kennt ihr euch dann mehr mit den Charakteren aus und versteht deren Gefühle und Taten besser!

Ich freue mich auf diese neue Story und hoffe, dass ihr euch ebenfalls darauf freut~
Lasst uns dieses Abenteuer also gemeinsam angehen ♡

Ich kann nicht versprechen, ob ich wieder regelmäßiger updaten kann, aber ich werde es auf jeden Fall versuchen! :3

japanese dictionary

• うどん, 饂飩 (udon) ; Nudelsorte der japanischen Küche

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