Kapitel 40
Ich stöhnte auf, aber nahm den Schmerz dennoch nicht richtig wahr. Der Schmerz fühlte sich so weit weg und gedämpft an. Mein Körper war so in rage und mein Blut durchströmte mich so schnell, dass das Rauschen den Schmerz übertraf.
Das, was ich vorrangig wahrnahm, war die unglaublich starke Macht in meinem Inneren. Es war wir ein Rausch und ich schien alles nur noch mit Scheuklappen wahrzunehmen. Tunnelblick. Es gab kein Rechts und kein Links, nur geradeaus.
Ich sah Qiang's verwirrten Gesichtsausdruck vor mir, als ich mich umdrehte und sah die Bogenschützen die ihre Pfeile spannten. Als nächstes kippten alle Bogenschützen auf den Vorrichtungen um und regten sich nicht mehr, ich wusste nicht recht wieso. Ich war viel zu aufgewühlt, um das genauer zu überdenken.
Die Wut und die Angst um Xiao rasten durch meinen Körper, beherrschten mich. Als nächstes sah ich die vielen Männer von den Wänden treten und auf mich zustürmen und ich bewegte mich wie in Trance.
In windeseile handelte ich, schlängelte durch die Massen und legte eine Hand auf den Boden. Ich konnte unter meinen Füßen und meiner Handfläche eine unglaubliche Energie spüren und sie fühlte sich an, als wäre sie ein Teil von mir. Pflanzen.
Das Nächste was passierte war, dass ich spürte, wie sich die Kraft in meiner Hand sammelte, mich in Besitz nahm und mich kontrollierte, nur um dann zielgenau in alle Richtungen zu strömem. Kurz darauf entstanden Risse im Boden und Pflanzen fanden blitzschnell ihren Weg durch die gerissene Oberfläche. Man hörte ein bröckelndes Geräusch, doch ich nahm es nur entfernt wahr. So viele Pflanzen wanden sich blitzschnell um die Knöchel der Männer und hinderten sie so daran, weiterzulaufen. Die Pflanzen schlängelten sich an den Männern höher und höher und bohrten sich dann unaufhaltsam in deren Herz. Blut spritzte und verteilte sich auf dem Boden, färbte alles rot, kreierte ein Schlachtfeld, ohne Rücksicht auf Verluste.
Ein Mann nach dem anderen kippte um und sie berührten den Boden, ohne dass sie noch etwas wahrnahmen. Der Boden wurde von Leichen geschmückt. Irgendwo weit weg nahm ich Qiang's Stimme wahr, die nach Verstärkung schrie. Seine Stimme klang gehetzt, soweit ich das beurteilen konnte.
Während weitere, unzählige Männer durch die vielen Türen strömten, wandte ich mich um und stürzte auf Xiao zu, der mittlerweile reglos am Boden lag. Die Männer, die ihn festgehalten hatten, lagen tot neben ihm, die Herzen von einer Pflanze durchbohrt, die Körper von Blut bemalt.
Ich spürte erneut Tränen über meine Wangen fließen und kniete mich neben den Krieger. Im Hintergrund nahm ich Kampfgeschrei wahr und hörte Qiang herum schreien, doch das schien alles so weit weg zu sein.
Ich sah die Männer im Augenwinkel auf mich zustürzen und legte wie automatisch eine Hand auf den Boden, ich musste nicht einmal nachdenken, es passierte einfach. Die nächsten Männer fielen zu Boden bevor sie mich überhaupt erreichen konnten. Sie hatten keine Chance. Die Pflanzen hatten ihre Herzen durchbohrt, bevor sie es überhaupt mitkriegen konnten.
Mein Blick haftete an Xiao, dessen Augenlider gefährlich flatterten. Er versuchte seine Augen zu öffnen.
Vorsichtig legte ich eine Hand an seine Wange und meine Sicht verschwamm erneut durch die Tränen. "Xiao", flüsterte ich leise, meine Stimme ein einzelner Kämpfer gegen das laute Geschrei um uns herum. Der Krieger öffnete seine Augen gerade so weit, dass er mich ansehen konnte, wenn auch nur schwach.
"Mei", flüsterte der Dunkelhaarige so leise, dass ich es kaum verstand. Er musste furchtbare Schmerzen haben. "Die Anderen...", flüsterte Xiao, bevor er husten musste. Ich sah ihn an und wusste nicht, worauf er hinaus wollte. Dann erst wurde mir das Kampfgeschrei, das in der riesigen Halle widerhallte, wirklich bewusst. Ich hob meinen Kopf, nur um ein reines Schlachtfeld zu sehen.
Die Ersten, die mir in der Menge ins Auge fielen, waren La Signora und Scaramouche. Und mit ihnen so viele andere Fatui, wie ich wenige Sekunden später erkannte. Sie alle kämpften gegen die Männer Qiang's. Sie waren alle hier und halfen mir. Mein Herz schien etwas weniger schwer zu werden.
Ich ließ meinen Blick erneut schweifen, nur um Qiang zu entdecken, der gehetzt aussah und sich ein paar Meter von mir entfernt befand. Er merkte anscheinend, dass ihm die Kontrolle entglitt.
Doch plötzlich hob der verrückt gewordene Mann eine Schusswaffe vom Boden auf, die einem der toten Krieger gehört hatte, wischte das Blut ungeschickt ab und richtete die Waffe in Richtung meines Kopfes. Er war so schnell, dass ich wie fest gewurzelt da saß und nicht reagieren konnte. Mein Hirn war so überfordert und war so auf Xiao's Befinden konzentriert, dass ich nicht schnell genug handeln konnte.
"Dann stirbst du eben doch, du Biest", gab er von sich und entriegelte die Waffe. Es ging so schnell, dass ich die Bewegung nicht mal richtig sehen konnte.
"Sayonara." Seine Lippen verzogen sich zu einem grausamen Lächeln. Doch in dem Moment, in dem ich erwartete, den Schuss zu hören und den Schmerz zu spüren, durchbohrte ein Pfeil Qiang's Körper.
Der Pfeil trat in seinen Rücken ein, durchbohrte zielgenau sein Herz und trat mit der Spitze auf seiner Brust wieder aus. Das Geschoss war genau dort gelandet, wo es sollte. Qiang's Augen weiteten sich überrascht und Blut sprudelt aus seinem Mund. Ein ersticktes Röcheln erklang. Im nächsten Moment kippte der grausame, von mir verhasste Mann vorn über und blieb reglos auf dem Boden liegen.
"Ja, Sayonara", gab ich atemlos von mir und meine Augen verweilten nur noch den Bruchteil einer Sekunde auf dem leblosen Körper.
Dann schweifte mein Blick in die Richtung, aus der der Pfeil gekommen war und ich entdeckte auf einer der Vorrichtungen blonde, lockige Haare, die sich um ein hübsches Gesicht wanden wie Schlangen. Mein Herz wurde um einige Kilo leichter.
Lien lächelte und nickte mir zu und ich war so froh, sie zu sehen - lebend. Auf den anderen Vorrichtungen standen ebenfalls Bogenschützen, aber es waren nicht Qiang's Leute, denn die lagen tot daneben.
Als ich meinen Kopf wieder zu Xiao wandte, war mein Rausch abgeklungen und ich spürte nur noch die Erschöpfung, die meinen Körper ergriff und die schreckliche Angst, die mein Herz umklammert hielt.
Zitternd strich ich Xiao die dunklen Haare aus dem Gesicht. "Bitte, halte durch", flüsterte ich und spürte erneut die Tränen in meinen Augen. Ich musste mir etwas einfallen lassen.
Ich wollte noch etwas sagen, als sich plötzlich jemand neben mich kniete. Verwirrt hob ich den Kopf, schon halb darauf eingestellt, erneut auf die Pflanzen im Boden zurückzugreifen. Seine braunen Haare waren zu einem Zopf gebunden und ein langer Mantel zierte seine Schultern. Er wirkte mit seinen Klamotten wie ein Fremdkörper in dem Schlachtfeld.
"Hallo, alter Freund", sagte er mit tiefer Stimme, die mein innerstes durchdrang und ich war mir ziemlich sicher, dass dieser Mann Zhongli sein musste, denn Xiao's einziger wahrer Freund war Rex Lapis, der ehemalige Geo Archon - Zhongli.
Der Mann richtete seine Augen auf mich. "Wir müssen erst die Pfeile raus ziehen, dann können wir ihn hier raus schaffen, ansonsten wird es für ihn noch schmerzhafter als eh schon", gab er von sich und ich atmete tief ein und aus, bevor ich eine zitternde Hand an einen der Pfeile in Xiao's Schulter legte und diesen mit einem Ruck heraus zog. Es gab ein ekelerregendes schmatzendes Geräusch und ich verzog leicht das Gesicht.
Trotz dessen, dass Xiao so gut wie ohnmächtig sein musste, stöhnte er schmerzerfüllt, was mir nur bestätigte, welche Schmerzen er haben musste. Zhongli und Ich entfernten ein Pfeil nach dem anderen. Als wir endlich fertig waren, hob Zhongli Xiao vorsichtig hoch. Mit zitternden Beinen und Angst durchströmten Adern erhob ich mich.
Zhongli ging schnellen Schrittes auf eine Tür am Ende der Halle zu und ich öffnete die Tür.
"Uns darf keiner folgen, sonst kann ich für nichts garantieren", gab Zhongli von sich und lief los. Ich schloss währenddessen die Tür hinter mir und legte wie automatisch eine Hand auf den Boden. Es passierte, ohne dass ich wirklich nachdenken musste. Erneut spürte ich unter meiner Handfläche das Leben und die Macht, die sich durch den Boden zogen. Es war von Vorteil, dass wir unter der Erde waren, denn hier waren überall Wurzeln, die Lebensquelle von Pflanzen. Sie schienen ein Netzwerk zu bilden, waren überall und liehen mir ihre Kraft.
Es fiel mir nicht schwer, eine Barriere aus Pflanzen wachsen zu lassen, die den Zugang zu dem Gang versperrte. Wer auch immer die Tür öffnen würde, würde eine Weile brauchen, um die Pflanzen zu entfernen. Sobald das getan war, beeilte ich mich, Zhongli in dem schwach beleuchteten Gang zu folgen. Ich sah nicht besonders viel, stolperte über meine eigenen Füße und hatte Probleme, gut voran zu kommen, weil meine Beine nach wie vor zitterten.
Die Zeit, in der wir durch den Gang liefen, zog sich in die Länge. Die Wände schlossen mich zwischen sich ein, erdrückten mich und führten mir meinen instabilen Gemütszustand vor Augen, doch ich blieb nicht stehen. Trieb mich selbst voran, gab nicht auf.
Ich atmete erleichtert aus, als wir endlich den dunklen Gang hinter uns ließen. Wir kamen zwischen ein paar Felsen in der Nähe vom Berg Hulao heraus, wie ich nach kurzer Zeit erkannte und ich sah einige Leute, die vor dem Ausgang standen. Es waren Fatui. Manche von ihnen waren mit Blut besudelt, sie hatten vermutlich einige von Qiang's Anhängern umgebracht.
Zhongli legte Xiao währendessen sanft auf dem grasbewachsenen Boden ab und irgendwo hörte ich jemand: "Lasst mich durch, ich kann ihm helfen", rufen.
Ich kniete mich neben Xiao und spürte erneut Tränen in meinen Augen. Xiao sah furchtbar aus und sein ganzer Körper war in Blut getaucht. Ich hatte den Krieger noch nie so gesehen. Er schien immer so stark zu sein und als könnte ihm nichts etwas anhaben. Doch jetzt sah er so aus, als stand er an der Schwelle zwischen Leben und Tod. Er rührte sich nicht und sein Atem ging so flach, dass man denken konnte, dass er gar nicht mehr atmete.
Der Ältere schien kurz zu Bewusstsein zu kommen. Er öffnete seine Augen einen spaltbreit und versuchte eine zitternde Hand zu meiner Wange zu erheben, doch scheiterte. Er schien keine Kraft mehr zu haben. Stattdessen nahm ich seine Hand in meine und musste mir ein Schluchzen unterdrücken. Er sah so schwach, so zerblich aus.
"Bitte, stirb nicht."
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Und schon ist wieder Freitag. Ich bin so müde, dass ich am liebsten die ganze Zeit schlafen würde, aber das kann ich leider nicht.
Was habt ihr heute noch so vor?
Ich muss noch einiges an Schulkram erledigen und meine Oma ist noch da. Heute Abend schaue ich mir dann zum ersten Mal Hulk an. Ja, hoseoks_dimples, alles nur wegen dir, weil du gesagt hast, ich sollte es mir anschauen :D
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