Kapitel 4

Als ich am nächsten Morgen aufwachte war die Sonne noch nicht mal aufgegangen und es war erstaunlich kühl. Ich lag auf dem harten Boden und über mir konnte ich den Stoff sehen, der über das Holzgestell gespannt war und somit eine Art Zelt bildete.

Ich rieb mir verschlafen die Augen und setzte mich langsam auf, bevor ich mich umblickte. Ich konnte durch die Dunkelheit nicht besonders weit blicken, aber ich konnte Xiao dennoch nicht in meiner Nähe ausmachen. Hatte er mich allein hier zurück gelassen? 

"Xiao?", rief ich leise in die Dunkelheit doch erhielt keine Antwort. 

Ich stand vorsichtig auf und sofort wurde mir kälter. Das kleine, offene Zelt hatte doch mehr Wärme gespendet, als ich gedacht hatte. Ich streckte mich und kramte direkt danach in meiner Tasche, um zu überprüfen, ob alles noch an Ort und Stelle war. Zum Glück war dem so. 

Nach dem die Erleichterung nachgelassen hatte, entschied ich mich dazu, mich in der Nähe nach Xiao umzusehen, weshalb ich dann langsam los lief. Ich fand ihn nach kurzer Zeit. Er saß am Wasser und starrte auf die glatte Oberfläche. Ich ließ mich still neben ihm nieder und sein Blick glitt für einen kurzen Moment zu mir, bevor er wieder aufs Wasser schaute. 

Und so saßen wir eine Weile schweigend nebeneinander und blickten einfach auf das Wasser hinaus. Es war friedlich. 

Doch dann stand Xiao einfach auf und setzte sich langsam in Bewegung. Da ich davon ausging, dass er mir wieder nicht sagte, was er vorhatte, stand ich einfach ebenfalls auf und folgte ihm. Ich überprüfte noch einmal, ob ich auch nichts an der Feuerstelle vergessen hatte, bevor wir uns wieder auf den Weg machten. 

Während des Laufens fiel mir auf, dass wir uns in eine völlig andere Richtung bewegten, in die ich eigentlich musste. Dadurch war ich mir dann wirklich sicher, dass Xiao nicht vor hatte, die Lierferung zum Ziel zu bringen. Zumindest noch nicht. 

Als die Sonne sich dann dem Zenit näherte, war ich mir ziemlich sicher, dass wir uns irgendwo weit oberhalb von Jueyun-Karst befanden. Ich wusste nach wie vor nicht, was Xiao nun vor hatte und so wie es aussah, hatte er auch nicht vor, es mir zu erzählen. 

Ich blieb überrascht stehen, als Xiao ganz plötzlich seine Richtung änderte. Ich blinzelte ihn verwirrt an, bevor ich mich beeilte, ihn einzuholen. Und kaum hatte ich das getan, vernahm ich den Geruch von Mandeltofu. Und anscheinend folgte Xiao diesem Geruch. Und wenige Augenblicke später hatte sich dieser Verdacht bestätigt. 

Xiao war vor mir stehen geblieben und ich trat aus seinem Schatten heraus um den Grund dafür zu erfahren. Etwa fünf Meter vor uns war wieder ein verlassenes Lager. Nun ja, jetzt gerade war es nicht verlassen. Eine junge Frau hatte sich dort niedergelassen und kochte gerade, offensichtlicherweise, Mandeltofu. 

Die Frau sah uns und lächelte uns zu, bevor sie uns begrüßte.

"Möchtet ihr etwas Mandeltofu haben? Ich habe etwas zu viel gekocht", erzählte sie direkt drauf los. Ich blinzelte sie an, überrascht, dass sie direkt so offen mit uns sprach.

Kannten Xiao und sie sich? Wohl kaum. Die Frau musterte Xiao mit einem Blick und ihre Augen nahmen einen undefinierbaren Ausdruck an. Ich ignorierte es geflissentlich und lächelte sie an.

"Ich würde gerne etwas haben und Xiao sicher auch." Ich hatte einfach beschlossen, dass Xiao etwas essen musste. Seit ich ihn getroffen hatte, hatte er noch nicht ein was gegessen. Entweder er aß, wenn ich es nicht mitbekam oder er musste am verhungern sein.

Die Frau, die wohlgemerkt nicht sehr viel älter als ich sein konnte, reichte sowohl mir, als auch Xiao einen Teller Mandeltofu. Die Teller schien sie anscheinend mit sich rum zu tragen, woher sollte sie sonst auch hier Teller herbekommen?

Kaum hatte Xiao den Teller entgegengenommen, fing er auch schon an zu essen. Er aß so schnell, dass sein Teller schon zur Hälfte leer war, bevor ich überhaupt angefangen hatte zu Essen. Ich blinzelte überrascht, bevor ich anfangen musste zu lachen. Der Anblick kam so überraschend, dass ich das Lachen einfach nicht zurück halten konnte. 

Xiao sah von seinem Teller auf und schaute mich an. Es lag ein Ausdruck in seinen Augen, den ich erneut nicht deuten konnte.

"Da scheint jemand Mandeltofu zu lieben", lachte die Frau und sah Xiao an. Danach wechselte ihr Blick zu mir. "Ich bin übrigens Chun", sagte sie und lächelte mich an.

"Ich bin Mei und das da ist Xiao", sagte ich und deutete auf den Dunkelhaarigen, bevor ich auch endlich das Mandeltofu kostete. Es war ein reiner Genuss.

"Wie schmeckt es?", fragte Chun und ich antwortete automatisch mit: "Köstlich!"

Chun lachte und blickte sich dann um. "Das freut mich zu hören. Ich arbeite im Gasthaus Wangshu und helfe ab und zu beim kochen, dadurch konnte ich mir das Rezept irgendwann merken."

Ich sah Chun neugierig an. "Wenn du im Gasthaus Wangshu arbeitest, was machst du dann hier draußen?"

"Ich verlasse das Gasthaus öfter mal um nach Zutaten in der freien Natur zu suchen. Wir bekommen zwar sehr viel geliefert aber manches ist dann doch von besserer Qualität, wenn man es selbst sammelt."

Ich nickte verstehend und aß dann weiter mein Mandeltofu. Xiao hingegen war schon fertig und reichte stumm seinen leeren Teller an Chun weiter. Er sah sie an und nickte dankend, bevor er sich von uns weg bewegte. Wahrscheinlich schaute er nach Monstern, die in der Nähe sein könnten.

Sobald Xiao außer Reichweite war, sah Chun mich nachdenklich an.

"Du hast einen interessanten Begleiter...", merkte sie an und ich sah zu ihr auf. "Inwiefern?"

"Du scheinst dich nicht besonders mit Mythen, Legenden und Geschichten auszukennen, oder?" Chun schmunzelte. "Auch wenn die meisten der Geschichten wahr sind...", hängte sie noch hinten dran und ich sah ihr verwirrt entgegen. "Nein, ich kenne mich wirklich nicht besonders gut mit sowas aus", gab ich zu.

"Die Maske, die dein Begleiter an seinem Gürtel trägt, ist eine Yaksha Maske", fing Chun an zu erklären und ich hörte ihr aufmerksam zu.

"Die Guardian Yakshas, auch Wächter Yakshas genannt, waren Elite Adepten, gerufen von dem Geo Archon Rex Lapis um gegen die Dämonen zu kämpfen, die nach dem Archonten Krieg aus den Überresten der besiegten Archonten hervorgebracht worden. Es gab viele Yakshas, aber fünf von ihnen blieben als die Stärksten in Erinnerung. Bosacius, Indarias, Bonanus, Menogias und Alatus. Trotz dessen, dass Yakshas sehr stark waren, wurden manche von ihnen nicht mit der Dunkelheit fertig, der sie sich stellen mussten. Es heißt, dass 'einige ihrer Wut ausgesetzt waren, andere hingegen einem Wahnsinn, der ihnen Angst machte und mit dem sie nicht fertig wurden. Viele wandten sich ihrem eigenen Gemetzel zu, andere wurden von ihren Schatten der Seele verhext'. Am Ende starben oder verschwanden alle außer Alatus..."

Ich hörte Chun aufmerksam zu und vergaß dabei sogar zu essen. Am Ende der Erzählung war mir der Hunger vergangen. Ich musste erstmal verarbeiten, was ich gerade gehört hatte.

"Und du denkst, dass Xiao dieser Yaksha Namens Alatus ist?", fragte ich leicht überrumpelt und Chun nickte langsam. "Wie gesagt, es ist nur eine Geschichte, aber die meisten der Geschichten, die man sich in Teyvat erzählt, sind wahr. Und die Maske die dein Begleiter bei sich trug, war ohne Zweifel eine Yaksha Maske."

Ich musste das Ganze nach wie vor verarbeiten und ich wusste nicht, wie ich mit dem, was Chun mir erzählt hatte, umgehen sollte.

"Ist das nun gut oder schlecht?", fragte ich und kam mir wirklich wie ein Vollidiot vor, diese Frage zu stellen. Doch leider mangelte es mir an Wissen über die Yaksha, genauso wie über alles andere. Ich musste einfach wissen, was dies nun bedeutete.

Chun sah mich schmunzelnd an. "Die Yaksha haben die Menschheit vor den Dämonen der Archonten beschützt. An sich nichts schlechtes. Aber man sagt sich, dass die Angriffe der Yaksha und deren Kampfstil so angsteinflößend sind, dass man den Verstand verliert und nichts als Angst verspürt, wenn man einen dieser Angriffe sieht und miterlebt."

Chun sah mich erneut an und wartete meine Reaktion ab. Ich entschied mich dazu, Chun zu verschweigen, dass ich bereits so einen Angriff von Xiao miterlebt hatte und definitiv nicht den Verstand verloren hatte. Vielleicht war Xiao doch kein Yaksha. Auch wenn das ziemlich abwegig erschien, immerhin trug er die Yaksha Maske bei sich und hatte sie auch im Kampf verwendet. Plötzlich schoss mir etwas durch den Kopf, was ich noch wissen musste.

"Wenn die Yaksha schon nach dem Archonten Krieg gekämpft haben, wie alt ist Xiao dann?", fragte ich und sah Chun aufmerksam an. Xiao sah jung aus, doch seine Ausstrahlung war definitiv nicht die, eines jungen Mannes.

Chun zuckte leicht mit den Schultern. "Wenn man es genau nimmt, dann etwa 2000 Jahre."

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