Kapitel 32
Während wir durch den strömenden Regen liefen, sagte weder ich, noch der Kerl mit dem Hut etwas. Es war mir recht so, ich wollte mich nicht unbedingt mit jemandem unterhalten, der mich gejagt hatte.
Ich griff die Tasche, die ich um meinen Oberkörper trug, und schob sie ein Stück weiter unter meinen Mantel. Ich schleppte die Lieferung nach wie vor mit mir herum, weil ich so das Gefühl hatte, dass sie sicher war. Auch wenn das nicht unbedingt der Wahrheit entsprach.
Liyue Harbor wurde vor uns immer größer, je weiter wir uns bewegten. Als wir dann durch die Gassen der Stadt liefen, um zu unserem Gasthaus zu kommen, fiel mir auf, dass die Straßen so gut wie leer waren. Durch den Regen war das aber nicht verwunderlich.
Ich war fast froh, dass uns nicht unbedingt jemand sah, denn Scaramouche konnte vielleicht als potenzielle Gefahr wahrgenommen werden und ich hatte keine Lust auf noch mehr Umstände.
Als wir endlich das Gasthaus betraten, strömte mir sofort eine angenehme Wärme entgegen und ich wollte mich am liebsten gleich umziehen gehen. Doch stattdessen lief ich durch das Gasthaus, bis ich im Flur auf Li traf, der sofort in Angriffshaltung ging, sobald er mich und Scaramouche sah.
"Mei, was soll das?", fragte er und Misstrauen schwang in seiner Stimme mit. Er dachte vermutlich, dass Scaramouche mich als Geisel genommen hatte, oder so etwas in der Art.
Ich blieb stehen und mein Begleiter mit Hut ebenfalls. "Li, es ist alles gut. Er will nur reden", sagte ich langsam und drehte mich dann zu Scaramouche um und sah ihn eindringlich an, worauf hin er die Arme verschränkte und langsam nickte.
Li sah mich und meinen Begleiter misstrauisch an, aber er wechselte wenigstens wieder in eine normale Haltung. Dann rief er die anderen und sie sahen mich und Scaramouche mindestens genauso verwirrt und misstrauisch an, wie Li es getan hatte.
Zu meinem Erstaunen war Xiao auch da und ihm war deutlich anzusehen, wie abgeneigt er gegenüber Scaramouche war. Xiao hatte die Arme vor der Brust verschränkt und sah ihn böse an. Seine Ausstrahlung hatte etwas bedrohliches und seine Haltung war angriffsbereit.
"Wir sollten uns vielleicht irgendwo hinsetzen", sagte ich und Bao stimmte mir nickend zu. Diese Anspannung war wirklich unangenehm. Also machten wir uns auf den Weg und betratendie Treppe. Während wir nach unten gingen, zog Xiao mich leicht zu sich und ich merkte, dass er drauf und dran war, meine Hand zu nehmen, aber sich im letzten Moment dagegen entschied. Ich wusste nicht, warum.
Als wir jedoch an dem Tisch saßen, setzte Xiao sich nicht. Vermutlich deswegen, weil er dann gleich angreifen konnte, wenn etwas schief gehen sollte. Scaramouche setzte sich auch nicht.
"Wir wissen vermutlich alle, worum es hier geht, auch wenn es noch keiner ausgesprochen hat", gab Lien von sich und erhielt zustimmendes Nicken.
"Warum bist du hier?", fragte Bao nun und sah Scaramouche direkt an. Auch er schien sich in seiner Anwesenheit nicht besonders wohl zu fühlen. Scaramouche sah in die Runde und bedachte jeden von uns mit einem Blick, den ich nicht definieren konnte. Es war, als schätzte er uns alle erstmal ein. Dann sprach er endlich.
"Ich bin hier, um euch zu sagen, dass La Signora mit euch sprechen möchte. Es geht um eine gewisse Lieferung", fing der Blauhaarige an zu sprechen und ich nickte.
"Aber warum will La Signora mit uns sprechen. Sie hat mir ganze Schatzräuber Truppen auf den Hals gejagt und ich wurde dabei verletzt. Ich dachte, sie will mich tot sehen", gab ich von mir und die anderen schwiegen.
Scaramouche schüttelte mit seinem Kopf und dabei wippte sein Hut leicht auf und ab. "Es ging nie darum, auch nur irgendwen umzubringen, außer vielleicht denjenigen, an den die Lieferung geht. Es ging einfach nur darum, an die Lieferung zu kommen. Aber Signora wird euch alles demnächst näher erklären."
Li sah nach wie vor misstrauisch aus. "Warum sollte sie das tun. Was wollt ihr überhaupt von uns?", fragte dieser nun und Lien sah Scaramouche fragend an. Ich bewunderte meine Freunde dafür, wie gelassen sie damit umgingen, wenn man bedachte, dass dieser Kerl uns schon in Gefahr gebracht hatte.
"Wir brauchen eure Hilfe", sagte Scaramouche nur und so gut wie jeder in dieser Runde sah Scaramouche überrascht und sprachlos an.
Bao verschränkte erneut seine Arme vor der Brust. "Wie können wir sicher sein, dass ihr uns nichts tut und wir euch trauen können?"
"Könnt ihr nicht", antwortete Scaramouche. "Aber ihr müsst es. Es geht hier um etwas sehr großes und wenn wir das nicht bald geregelt bekommen, könnnte alles aus den Fugen geraten."
Ich seufzte und vergrub mein Gesicht in meinen Händen. Die Sache schien immer schlimmer zu werden und ich wusste noch nicht mal genau, worum es wirklich ging.
"Müssen wir nach Snezhnaya reisen?", fragte Lien nun und mir fiel auf, dass ich mir darüber noch gar keine Gedanken gemacht hatte.
Erneut schüttelte Scaramouche seinen Kopf. "Nein, La Signora wird in ungefähr zwei Tagen hier sein. Abgesehen davon ist die Gefahr hier und nicht in Snezhnaya."
Lien nickte verstehend und wir sahen uns alle untereinander an. Scaramouche sagte nichts mehr und als er bemerkte, dass keiner mehr eine Frage hatte, verschwand er einfach. Weiß der Geier wohin. Wahrscheinlich würde er durch Liyue Harbor laufen und Vorbereitungen oder sowas treffen.
"Was haltet ihr davon?", fragte Bao, nachdem es eine ganze Weile still in dem Raum gewesen war. Jeder hatte seinen Gedanken nachgehangen.
Li seufzte. "Ich weiss nicht. Aber was haben wir für eine Wahl? Ihr habt ihn gehört, es scheint wirklich gefährlich zu sein und La Signora und Scaramouche scheinen zu wissen, um was es hier eigentlich geht. Wir müssen mit ihnen zusammenarbeiten."
Lien stand auf und auch ich erhob mich. "Ich habe nur Angst, dass sie uns etwas tun", gab die Blondhaarige von sich, doch Li schüttelte den Kopf.
"Nein. Wenn ich mich an ihren Gesichtsausdruck erinnere, als sie uns den Auftrag geben wollte, die Lieferung zu stehlen, war es definitiv ein Gesichtsausdruck von jemandem, der wirklich Angst hatte und nicht von jemanden, der böse Pläne verfolgt", erklärte der Braunhaarige und Bao nickte ihm zustimmend zu.
"Wir müssen abwarten, bis La Signora hier ist und uns dann anhören, was sie zu sagen hat. Bis dahin sollten wir nicht weiter handeln", sagte ich und auch ich erhielt zustimmendes Gemurmel.
Während Bao und Li in ein Gespräch verfielen, ging ich wieder die Treppe nach oben, um in mein Zimmer zu gehen und wollte gerade die Tür hinter mir schließen, als Xiao in mein Zimmer trat. Ich lächelte dem Krieger schwach zu und schloss die Tür hinter uns beiden.
"Mir gefällt das nicht", sagte Xiao leise und sah angespannt aus. "Ich weiss, aber wir haben keine Wahl", sagte ich leise und Xiao sah mich mit seinen goldenen Augen an.
Mit einem Mal seufzte er und die ganze Anspannung fiel von seinem Körper ab. Er ließ die Schultern hängen. "Ich weiss, aber ich habe Angst um dich", sagte er leise und sah mich an. Seine Worte sorgten dafür, dass sich mein Herz erwärmte und einen Takt schneller schlug.
"Das brauchst du nicht, mir wird nichts passieren", gab ich sanft zurück und ergriff vorsichtig seine Hand. Xiao zog mich daraufhin langsam in seine Arme und hielt mich so fest, als hätte er Angst, dass mir jede Sekunde etwas zustoßen konnte. Ich legte meinen Kopf an seine Brust und schloss die Augen, weil mir plötzlich die Augen verräterisch brannten und ich mir die Tränen verdrücken wollte.
Ich hatte zwar Xiao gesagt, dass mir nichts passieren würde, aber die Wahrheit war, ich konnte es ihm nicht versprechen. Ich wäre vor kurzem erst fast gestorben, wer konnte wissen, dass das nicht bald wieder der Fall sein würde? Das was wir hier vor hatten beziehungsweise das, was auf uns zukam, schien gefährlicher zu sein, als gedacht. Und ich hatte das Gefühl, dass dabei etwas fürchterlich schief gehen würde.
Und der Gedanke, dass mir etwas zustoßen könnte und ich Xiao alleine zurücklassen könnte, brach mir das Herz.
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Wenn ihr nur wüsstet, was in den nächsten Kapiteln alles auf euch zukommt :D
Es wird für euch (hoffentlich) spannend!
Ich habe heute meine vorletzte Klausur geschrieben und es fühlt sich gut an, zu wissen, dass man bald wieder mehr Freizeit hat ^^
Ich wünsche euch ein schönes Wochenende!
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