Kapitel 15

Als wir die Tore von Mondstadt passiert hatten, trennten sich die Wege von Xiao und mir. Er sagte mir nicht, wo er hingehen wollte, doch es schien wichtig zu sein. Ich hatte ihm ebenfalls nicht gesagt, wo ich hin wollte. Mein Ziel war die Bibliothek und der Grund, warum ich diese besuchen wollte war, dass ich endlich etwas über Xiao herausfinden wollte. Es war längst überfällig, dass ich mich über den Krieger mal ein bisschen schlau machte.

Als ich die Bibliothek betrat, schlug mir der Geruch von Büchern entgegen und die Stille des großen Raumes breitete sich um mich herum aus. Mein Blick glitt über die unzähligen Bücher, bevor ich mich einfach wahllos einem Bücherregal zuwandte.  Ich hatte nur ein paar Minuten durch die Bücher gestöbert, ehe eine altbekannte Gestalt neben mich trat. "Du warst lange nicht mehr hier", hörte ich die sanfte Stimme von Lisa neben mir und wandte meinen Kopf zu der Älteren, die mich erfreut anlächelte.

"Ich war viel unterwegs", erzählte ich und Lisa nickte. "Dein Vater hatte sowas in der Richtung erzählt..." Sie machte eine kurze Pause. "Freut mich, dass du mich mal wieder besuchst", sagte sie und ich konnte nicht anders, als diese herzensgute Frau anzulächeln. Ich mochte Lisa. Über die Jahre, die ich immer wieder hier gewesen war und mir Bücher geliehen hatte, waren wir irgendwie zu einer Art Freundinnen geworden. Trotz dessen, dass uns einige Jahre trennten, befanden wir uns auf einer Wellenlänge.

"Suchst du etwas bestimmtes?", fragte sie und ich sah sie an. "Tatsächlich tu ich das. Gibt es hier ein Buch über die Mythen und Legenden von Liyue?", fragte ich und Lisa nickte, wobei der Hut auf ihrem Kopf leicht wippte. "Etwas genauer vielleicht?", fragte sie schmunzelnd und ich wich ihrem Blick aus. "Nun ja, ich brauche ein paar Informationen über einen sogenannten Yaksha", klärte ich Lisa auf und die Ältere lächelte mich wissend an.

"Yakshas, die Elite Gruppe der Adepti unter der Führung von Rex Lapis", gab Lisa von sich und schmunzelte. "Da haben wir tatsächlich etwas da", sagte sie und ich blickte ihr erfreut entgegen. Sie bedeutete mir kurz hier zu warten und ich sah mich in der Zwischenzeit um. Nach nur kurzer Zeit erschien die Hexe wieder neben mir und reichte mir ein Buch. Ohne auch nur auf den Titel zu gucken packte ich das Buch in meine Tasche und folgte Lisa dann zu einem der Tische, wo sie das, mir altbekannte, dicke Buch aufschlug. Sie musste mir nicht erklären, was ich zu tun hatte. Ich schnappte mir einen Stift und trug meine Unterschrift in die letzte Spalte. Die restlichen Informationen würde Lisa ausfüllen.

"Vielen Dank!", sagte ich erfreut an Lisa und die Ältere nickte nur lächelnd. "Bis bald", sagte ich zum Abschied und Lisa antwortet: "Bis bald, Mei." Ich lächelte der Hexe nocheinmal zu, bevor ich die Bibliothek schweigend verließ. Als ich nach draußen trat, hing die Sonne schon tief am Himmel und war kurz davor, ganz hinter dem Horizont abzutauchen. Die Dächer der Häuser waren in ein sanftes Orange getaucht und das Regen in Mondstadt wurde langsam weniger.

Mit einem Lächeln auf den Lippen lief ich die Treppe herunter und bahnte mir meinen Weg durch die Häuser. Von Xiao war nichts zu sehen und wir hatten uns auch nicht abgesprochen, weshalb ich einfach ohne ihn die Tore passierte und mich auf den Rückweg machte. Ich hatte gute Laune und der Weg bis zu meinem Haus erschien mir ziemlich kurz, dennoch war die Sonne schon untergegangen, als ich dort ankam. Durch die Glasfenster schien sanftes Licht und ich betrat das Haus.

Mein Vater und Li standen in der Küche und bereiteten etwas zu. Ich trat zu ihnen und Li lächelte mich an. Sie bereiteten Jadetaschen zu, soweit ich erkennen konnte. "Das sieht ja lecker aus!", sagte ich und lächelte. "Li, ich wusste nicht, dass du kochen kannst", gab ich von mir und der Ältere schwenkte das Küchenmesser leicht. "Ich kann alles", gab er von sich und zwinkerte mir charmant zu. Ich lachte.

"Bao und Lien essen mit Lynn", klärte Li mich auf. "Und so wie es aussieht, dauert es noch eine Weile bis Xiao kommt", ergänzte ich und mein vater nickte verstehend. "Gut, dann lasst uns essen. Die anderen können sich dann später einfach noch was nehmen", fügte mein Vater bei und wir setzten uns an den Tisch. Die Jadetaschen, die die beiden gekocht hatten, schmeckten wirklich sehr gut. Nach dem Essen gingen Li und ich nach oben.

Ich setzte mich noch eine Weile mit ins Gästezimmer und unterhielt mich mit Li. Es war wirklich schön. Nach einer ganzen Weile ging ich dann in mein Zimmer, nachdem ich Li das Badezimmer gezeigt hatte. Ich schloss die Tür hinter mir und zog mich dann um, bevor ich mich an mein Fenster stellte und nach draußen schaute. Nachdem ich eine Weile dem Wind gelauscht hatte, glitt mein Blick zu dem Buch, was ich auf meinen Nachtschrank gelegt hatte. Es war das Buch, was ich heute ausgeliehen hatte.

Mich überkam der Drang, es lesen zu müssen und meine Hand glitt langsam zu dem Buch herunter. Doch gerade als ich es hochheben wollte, legte sich eine zweite Hand auf das Buch und drückte es leicht nach unten. "Bitte nicht", ertönte eine leise stimme hinter mir. Ich drehte meinen Kopf etwas weiter zur Seite und sah, dass Xiao hinter mir stand. Er stand so nah hinter mir, dass ich fast seinen Atem in meinem Nacken spüren konnte.

Ich hatte keine Ahnung, wann er herein gekommen war, ich hatte es nicht bemerkt. Ich schluckte. "Ich weiss, wovon das Buch handelt und ich bitte dich, lies es nicht", sagte er leise und seine Stimme klang schon fast flehend. "Warum?", fragte ich genauso leise zurück und drehte mich so zu ihm um, dass ich ihn ansehen konnte.

Xiao wich meinem Blick aus, doch ich sah ihn weiter fragend an. Ich sagte nichts weiter, wollte ihn nicht drängen. Wenn dann musste er es mir selber sagen.

"Ich möchte dir selber erzählen, wer ich bin und was mir alles passiert ist. Ich möchte nicht, dass du es durch ein Buch erfährst, wo wahrscheinlich noch nicht mal die ganze Wahrheit drin steht. Und außerdem...", Xiao unterbrach sich selber und schluckte mühsam, bevor er seine goldenen Augen genau auf meine richtete. "... möchte ich nicht, dass du Angst vor mir hast", sagte er leise, doch ich verstand ihn. Er klang so aufrichtig, dass es mir irgendwie das Herz zusammenzog.

Ich konnte nicht leugnen, dass ich bereits Angst verspürt hatte, als ich ihn auf diese eigenartige Weise hatte kämpfen sehen. Doch jetzt, genau in diesem Moment, wurde mir bewusst, dass ich diese Angst niemals als abstoßend empfinden würde.

Ich nickte leicht und setzte mich auf das Bett. "Ich werde zuhören", sagte ich leise doch Xiao schüttelte nur den Kopf. "Ich kann es dir noch nicht erzählen. Jetzt noch nicht, ich fühle mich noch nicht bereit dazu", klärte Xiao mich auf und ich nickte erneut verstehend.

"Manchmal ist das so. Mein Vater kann auch nicht über den Tod meiner Mutter reden", sage ich leise und wie automatisch. Ich wusste nicht, warum mir ausgerecnet das einfiel, aber es sorgte dafür, dass sich eine tiefe Traurigkeit in mir breit machte. Und einige Sekunden später kullerte mir die erste Träne die Wangen herunter. Es machte mich so traurig, dass meine Mutter nicht mehr da war.

Xiao sah mich an und ich betrachtete ihn ebenfalls. Er sah in dem weißen Mondlicht so rein aus. Doch ehe ich es mich versah, war er auf mich zugegangen, hatte mich zu sich hoch gezogen und mich fest in seine Arme geschlossen. Langsam legte ich meine Arme um seinen Körper und dann fing ich an zu schluchzen. Xiao hielt mich so lange, bis ich nicht mehr weinte. Danach lies er mich etwas los, doch hielt mich immernoch sanft fest, als könnte ich jeden Moment zerbrechen. Ich wischte mir die letzten Überreste der Tränen weg.

Danach löste Xiao sich endgültig von mir und wollte mein Zimmer gerade verlassen, als ich ihn zurück hielt. "Xiao", sagte ich leise und der Ältere drehte sich zu mir um und sah mich mit seinen goldenen Augen an. "Kannst du über Nacht hierbleiben?", fragte ich leise und wich seinem Blick aus. Ich wollte gerade einfach nicht alleine sein.

Als ich meinen Blick wieder hob, sah Xiao mich immernoch an. Ein winziges Lächeln lag auf seinen Lippen und er sah mich mit einem Ausdruck an, der nicht so unnahbar wie sonst. Diesmal lag ein liebevoller Ausdruck in seinen Augen.

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Noch eine Woche Schule, dann hab ich endlich Herbstferien. Und ich brauche diese Ferien dringender als sonst, da es mir momentan sowohl körperlich als auch geistig nicht besonders gut geht.
Ich werde versuchen, in den Ferien dann wieder aktiver an dieser Story zu schreiben <3

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