Kapitel 12

Ich schien eingeschlafen zu sein, denn ich wurde von einem leisen Geräusch geweckt. Ich zuckte leicht hoch und rieb mir die müden Augen. Danach richtete ich mich auf. In dem Stuhl, in dem ich saß, war es wirklich unbequem, vorallem wenn man darin schlief.

Ich ließ meinen Blick durch den schwach beleuchteten Raum schweifen. Draußen war es nach wie vor ziemlich düster und hier drin waren nur zwei Kerzen angezündet. Erst jetzt bemerkte ich, dass ich mit Xiao alleine war. Die Frauen, die ihn versorgt hatten, waren verschwunden und auch Li saß nicht mehr in dem Stuhl neben mir. Das Nächste, was ich bemerkte war, dass Xiao mich ansah. Seine Augen hatten immernoch einen erschöpften Ausdruck, doch sie waren nicht mehr vor Schmerz getrübt, was ich als gutes Zeichen auffasste.

"Wie geht es dir?", brachte ich leise hervor und sah Xiao weiter an. Mein Herz krampfte sich bei dem ungewohnte Anblick zusammen. Die Frauen, die ihn versorgt hatten, hatten ihm das Shirt ausgezogen, doch sein Bauch war von Binden verdeckt. Die Decke hatte er sich nur bis zur Hüfte gezogen und mich wunderte es, dass er nicht fror. Xiao nickte langsam. "Geht schon", antwortete er mindestens genauso leise und ich spürte, wie erleichtert ich war, seine Stimme zu hören. Xiao versuchte zwar den Anschein zu halten, dass es ihm gut ging, doch als er sich in seinem Bett leicht aufrichtete und dabei scharf die Luft durch seine zusammengebissenen Zähne einzog, wusste ich, dass er doch ziemliche Schmerzen haben musste.

Ich beobachtete den Älteren und die Stille war erdrückend, weil der Streit immernoch zwischen uns stand. Ich seufzte. "Xiao, es tut mir leid", brachte ich hervor und spürte noch im selben Moment, wie mir eine Last von den Schultern genommen wurde, einfach nur, weil ich die Worte ausgesprochen hatte. Xiao sah mich eine Weile schweigend an. "Nein, mir tut es leid. Ich hätte nicht so gemein zu dir sein dürfen und außerdem... ich möchte, dass du mir vertraust. Es war falsch zu sagen, dass du mir nicht vertrauen solltest ", erklärte der Krieger mit schwacher Stimme und ich sah ihn an. "Ich war so sauer auf dich, weil du nie mit mir redest, dabei hab ich nicht mal das Recht, deswegen auf dich sauer zu sein." Ich lächelte schwach und sah dem Älteren in die Augen.

"Du hast sicher einen Grund, warum du nicht besonders viel sagst", erzählte ich weiter und Xiao hörte mir stumm zu. Erneut sah er mich nur an und erneut konnte ich den Ausdruck in seinen Augen nicht deuten. "Xiao... möchtest du weiter mit mir reisen und die Mission fort führen? Ich habe das Gefühl, dass ich das ohne dich nicht schaffe", gab ich leise zu und wich dem Blick des Älteren aus. Ich hatte Angst davor, dass er ablehnen würde. Denn sollte das der Fall sein, war ich mir ziemlich sicher, dass ich das Ganze hier aufgeben würde und die Lieferung einfach jemand anderen übergeben würde. Während ich jedoch so darüber nach dachte, war das nicht das, wovor ich am meisten Angst hatte. Ich hatte am meisten davor Angst, Xiao nie wieder zu sehen.

"Ja", riss mich Xiao seine Stimme plötzlich aus meinen Gedanken und ich sah den Krieger wieder an. "Was?", fragte ich, weil ich die Befürchtung hatte, mich verhört zu haben. "Ja, ich werde weiter mit dir reisen", gab Xiao von sich und ich blinzelte. Es dauerte ein paar Sekunden, bis seine Worte zu mir durchgedrungen waren. Doch als ich dann endlich die Bedeutung der Worte verstand, fing ich wie automatisch an zu lächeln. Und wenn ich mich nicht täuschte, konnte ich auch ein winziges Lächeln auf Xiao seinen Lippen erkennen.

"Werden die beiden Schatzräuber auch mitkommen?", fragte Xiao dann und ich sah ihn weiter an, während ich nickte. "Werden sie. Sie haben mir geholfen, nachdem wir verschiedene Wege gegangen waren. Bitte, sei nicht gemein zu ihnen", bat ich den Dunkelhaarigen, doch er antwortete nicht darauf. Ich musste vermutlich einfach hoffen, dass er sich nicht wieder so wie beim letzten Mal verhalten würde. "Was werden wir jetzt tun?". Ich zuckte leicht mit den Schultern. "Wir haben uns dazu entschieden, meinen Vater aufzusuchen, in der Hoffnung, dass er uns sagen kann, was es mit der Lieferung auf sich hat", erklärte ich und Xiao nickte verstehend.

Danach blieb es eine Weile still zwischen uns und jeder hing seinen eigenen Gedanken nach. Das gedimmte Licht der Kerzen ließ mich erneut schläfrig werden, doch vorher musste ich noch etwas los werden, was mir schon die ganze Zeit auf der Zunge brannte. "Xiao, wer ist Daiyu?", fragte ich gerade heraus und sah den Älteren an. Seine gold-gelben schnellten zu mir und er sah mich mit einem undefinierbaren Blick an. Er schien sich daran zu erinnern, dass er mich so genannt hatte, denn er fragte nicht nach, woher ich den Namen kannte.

Xiao wandte seinen Blick von mir ab und seufzte leicht. "Das geht dich nichts an", sagte er nur leise und erneut zog sich mein Herz ein Stück weit zusammen. Er tat es schon wieder. Doch diesmal erwiderte ich daraufhin nichts. Ich wollte nicht schon wieder mit ihm streiten. Als Xiao mich kurz darauf wieder ansah, hatte er einen verletzten Ausdruck in den Augen. "Bitte, frag mich nie wieder nach diesem Namen", gab er leise von sich und seine Stimme klang schon beinahe flehend. Wer auch immer diese Frau war, sie schien Xiao verletzt zu haben.

Ich konnte es nicht verhindern, dass erneut das Bedürfnis, herauszufinden, was Xiao alles widerfahren war, in mir aufstieg. Ich schluckte den Klos in meinem Hals herunter und nickte nur schwach. Es schien wie ein stummes Versprechen zu sein, was ich Xiao somit gab und Dankbarkeit trat in Xiaos Augen. Ich wollte Xiao fragen, welchen Zusammenhang es zwischen mir und dieser Frau gab, doch mir war bewusst, dass ich das nich tun würde.

Ich hatte das Gefühl, dass diese Frau den wunden Punkt von Xiao darstellte und ich hatte definitiv nicht das Recht, in seinem wunden Punkt herumzustochern.

"Danke, dass du nicht weiter nachfragst", sprach Xiao nun in die Stille und ich sah ihn überrascht an. "Andere hätten es sicher nicht dabei belassen", erklärte er und ich musste schmunzeln. "Man weiss es nicht. Es gibt immer wieder Menschen, die sowas zu respektieren wissen", sprach ich meine Gedanken aus und Xiao lächelte ganz leicht. "Und du gehörst zu diesen Menschen", stellte der Dunkelhaarige fest. Kurz darauf herrschte erneut kurzes Schweigen zwischen uns.

"Wer weiss, vielleicht werde ich es dir ja irgendwann mal erzählen", gab Xiao leise von sich und ich hörte die Unsicherheit aus seiner Stimme heraus. Ihm fiel es schwer, das auszusprechen, doch er tat es trotzdem und das wusste ich zu schätzen. Ich spürte, wie es um mein Herz wärmer wurde und ich fühlte mich tatsächlich ein wenig geehrt. Ich musste leicht lächeln und sah Xiao in seine gold-gelben Augen.

Und als Xiao leicht zuruück lächelte, wusste ich, dass alles wieder gut zwischen uns war. Wir hatten uns gegenseitig verziehen und das machte mich in diesem Moment so glücklich, dass ich unaufhörlich grinsen musste. Doch was ich am schönsten fand, war die Tatsache, dass ich den Krieger weiter an meiner Seite haben würde und das Alles nicht alleine durchstehen musste.

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