Wiedervereinigung

Feuerwerke erhellten die Nacht und tauchten die Welt in bunte Farben, aber Remus Lupin sah kaum etwas davon.

Er fror so sehr, dass er seine Umwelt kaum noch mitbekam. Eigentlich war es nicht nur die Kälte, die ihn in diesen Zustand des Deliriums versetzt hatte.

Es war der Schmerz, die Trauer.

James war tot.

Peter war tot.

Sirius der Verräter.

Aber der Krieg war vorbei – Remus sollte sich doch freuen.

Aber stattdessen hatte ihn das Ende des Krieges allein und verloren zurückgelassen.

Seit Anfang November schon wandelte er nur verloren herum. Er wollte nicht nach Hause zu seinem Dad zurück, wollte ihm nicht zur Last fallen.

Wollte auch nicht zu den anderen Mitgliedern des Ordens – er erinnerte sich noch daran, wie sie ihn behandelt hatten. Wer wusste schon, ob ihre Abneigung Werwölfen gegenüber durch das Ende des Krieges und dem Beweis, dass er nicht der Verräter gewesen war, nun verschwunden war.

Er wollte auch sonst nichts tun.

Verloren wandelte er nur durch die Straßen von London, schlief auf der Straße und ernährte sich von Abfällen, wie der Köter, der er nun einmal war. Das Monster, das alle in ihm hatten sehen wollen.

Aber Neujahr war besonders kalt und seine Sinne waren schon so benebelt, dass er die Kälte gar nicht mehr spürte. Er wusste, dass er zitterte. Er wusste, dass er Fieber hatte und er wusste, dass er sterben würde.

Als er sich aber unter einer dünnen Decke und einem löchrigen Schlafsack auf einer Parkbank zusammenrollte, war ihm das alles egal.

Sollte er doch einer der Obdachlosen werden, die in der Kälte starben. Wer würde ihn schon vermissen? Seine Freunde bestimmt nicht – die waren tot.

Er schloss die Augen und versuchte die Kälte auszublenden. Viel lieber dachte er an die Sonne und ihre Wärme.

Oh, Phillis – wie sehr er sie vermisste.

Er hatte sie beim Begräbnis von James und Lily gesehen, aber als er bemerkt hatte, dass sie ihn gesehen hatte, war er schnell disappariert.

Natürlich war es von Anfang an nur eine Täuschung gewesen.

Phillis hatte ihn beschützen wollen und dieses Mal hatte sie ihm den Plan erklärt.

Sie hatte Angst gehabt, dass der Verräter Voldemort verraten würde, dass Phillis und er sich nahe standen und er dann ein weiteres Ziel wäre, einfach nur, um Phillis zu verletzen – so, wie auch Silas wahrscheinlich einfach nur gestorben war, weil er Phillis' Schüler gewesen war.

Und es hatte wohl funktioniert – absolut jeder war sich sicher, dass Phillis ihn verabscheute und niemals hatten Todesser an seine Haustür geklopft.

Aber nun war der Krieg vorbei und es gab keinen Grund mehr, dieses Theater aufrecht zu erhalten, aber trotzdem... Remus wollte nicht, dass Phillis ihn mochte.

Er war ein Werwolf – eigentlich der natürliche Feind ihrer Art. Wenn es jemals zwei Personen gegeben hatte, die nicht füreinander bestimmt gewesen waren, dann waren das er und Phillis.

Sie waren nicht die Schöne und das Biest.

Remus würde kein Happy End bekommen.

Er würde nicht aufhören, sich jeden Vollmond in ein Monster zu verwandeln, nur weil Phillis sich in ihn verliebte.

Aber der Gedanke an Phillis tröstete Remus trotzdem.

Der Gedanke, dass sie lebte, sich vielleicht in jemand anderen verliebte, ein Leben mit ihm hatte...

Remus hoffte, dass Phillis Glück finden würde.

Und Remus fand Glück, indem er sich Phillis' Wärme vorstellte, wenn sie ihn umarmte. Indem er sich ihre Stimme vorstellte, wenn sie sang. Indem er sich ihr Lachen vorstellte, wenn sie glücklich war.

„Remus..."

Wärme umgab Remus und er seufzte zufrieden.

Das war die Wärme, von der er gesprochen hatte.

Phillis' Wärme, die der der Sonne glich. Wie die Sonne an einem warmen Frühlingstag, die einen wärmte, aber nicht verbrannte.

Und ihre Stimme – jedes Wort wie gesungen, wie ein wundervolles Lied.

„Remus..."

Eine Hand legte sich auf seine Wange und mühevoll öffnete er die Augen.

Remus war so schwach und müde, er war kaum noch bei Bewusstsein, aber verschwommen erkannte er vor sich die blonden Haare und das Gesicht voller Sommersprossen von Phillis.

Er war wohl tot – gestorben, einsam auf einer Parkbank. Und im Tod sah er Phillis vor sich.

„Komm schon, Remus", hörte er Phillis sagen, „Du musst aufwachen."

Ihre Stimme war so sanft – wie die Stimme seiner Mutter, wenn sie ihn am Morgen geweckt hatte.

Phillis legte ihre Hände auf Remus' Gesicht und sie begannen zu leuchten.

Remus erlangte etwas von seinem Bewusstsein zurück und realisierte, dass Phillis bei ihm war – real und nicht als Vision im Tod.

„Phillis..." Seine Stimme war kratzig und rau.

„Komm schon, Remus", Phillis strich ihm Haare aus dem fiebrig-schwitzigen Gesicht. „Aufwachen. Ich bring dich zu mir nach Hause."

„Was machst du hier?", nuschelte Remus müde und Phillis half ihm mit kräftigen Armen beim Aufsetzen. Sie packte seine Decke ein (obwohl diese schon kaputt und dreckig war) und rollte seinen Schlafsack zusammen (obwohl dieser schon alt war und leicht modrig roch), schulterte den Rucksack, den er bei sich trug und half Remus auf die Beine.

„Ich rette dir dein Leben", sagte Phillis ruhig, als würde sie das jeden Tag tun – was auch so war, „Komm schon. Du erfrierst mir hier draußen ja noch!"

Sie disapparierten – ungewöhnlich für Phillis, aber effizient.

Und dann schleppte Phillis Remus irgendwie in das warme Haus von Sturgis, in dem – wie Remus wusste – Phillis und ihre Mum lebten, seit das Haus der Dolohows zerstört worden war.

Remus hatte schon ewig nicht mehr geduscht und stank bestimmt, aber sie setzte ihn einfach auf die Couch und verschwand, um kurz darauf mit einer dampfenden Tasse Tee zurück zu kommen, die sie ihm in die Hand drückte.

„Ich habe im Traum gesehen, wie du erfrierst – irgendwo in diesem Park", erzählte Phillis, „Aber ich habe nicht genau gewusst, an welchem Tag – ich bin also jeden Tag dort gewesen und habe gewartet."

„Das hättest du nicht tun müssen", nuschelte Remus. Phillis' Heilkräfte und der heiße Tee brachten wieder Leben in ihn und er realisierte langsam, was um ihn herum passierte.

„Natürlich", schnaubte Phillis, „Ich lass dich doch nicht einfach sterben!"

„Wäre vielleicht besser so gewesen..." Remus hatte das nicht aussprechen wollen, aber er hatte es getan. Phillis sah ein wenig so aus, als hätte er sie geschlagen und sofort bereute er es. Aber es war nur das, das er sich selbst dachte, seit Peter gestorben war.

„Davon will ich nichts hören!", bestimmte Phillis so heiter, als wäre nichts passiert, „Ich lass dir ein Bad ein. Trink deinen Tee!"

Remus trank seinen Tee, aber sobald er ihn ausgetrunken hatte, stellte er die Tasse ab, nahm seinen Rucksack und schlich sich leise zur Haustür – aber Phillis war schneller.

„Wenn du jetzt verschwindest, kette ich dich ans Bett", drohte sie.

Sie war hinter ihm aus dem Bad aufgetaucht und lächelte zwar leicht, aber Remus sah in ihrem Blick, dass sie es ernst meinte.

„Du willst mich hier festhalten?", fragte Remus müde.

Phillis zuckte mit den Schultern. „Wenn es nötig ist... Eigentlich will ich nur verhindern, dass du allein nach draußen gehst und den Tod suchst."

„Lass mich einfach gehen, Phil", bat Remus sie leise und so verloren, dass Phillis sofort ernster wurde, „Bitte... mach es nicht für uns beide schwerer."

„Was könnte denn noch schwerer werden?", lachte Phillis leicht hysterisch auf, „Vielleicht ist es dir ja noch nicht aufgefallen, aber ich liebe dich."

Remus stockte. Noch nie hatte Phillis das so direkt zu ihm gesagt. Und nun standen sie dort im Gang von Sturgis Haus. Er selbst in dreckiger Kleidung und stickend. Sie selbst so gottgleich und perfekt wie immer.

„Ich... liebe dich auch", sagte er und meinte es auch, „aber..."

„Nichts aber!", unterbrach Phillis ihn scharf, „Wir haben uns beide ein wenig Freude im Leben verdient! Lauf jetzt nicht davor davon!"

„Ich bin nicht gut für dich", erinnerte Remus sie, „Ich bin ein Werwolf."

„Ich bin auch nicht gut für dich", konterte Phillis, „Ich bin eine Demigöttin – schon allein meine Nähe lockt Monster an. Sie riechen mich und denken, ich wäre Essen. Also kommen sie und jagen mich – und du wärst nur Kollateralschaden!"

Das war hart, aber wahr.

„Aber... lass uns doch beide einfach ein wenig selbstsüchtig sein, okay?", bat Phillis ihn ruhiger, beinahe schon flehend.

Selbstsüchtig sein... Er würde Phillis niemals das Leben bieten können, das sie verdiente. Er würde niemals einen stabilen Job haben, niemals erwünscht sein in der Gesellschaft, niemals...

„Ich weiß nicht, ob ich Kinder haben kann", gestand Remus, „Es ist nicht viel darüber bekannt, ob Werwölfe Kinder haben können..."

„Gut, stört mich nicht", sagte Phillis mit seltsam distanzierter Stimme, „Ich kann nämlich mit Sicherheit keine bekommen."

Remus runzelte die Stirn. „Weil du keine willst oder weil du eine Demigöttin bist?"

„Weil Pirro mich mit einer dämlichen Harpune durchstochen hab und ich seitdem nicht mehr meine Periode gehabt habe, weil er so viel davon kaputt gemacht hat, dass ich –" Phillis beendete den Satz nicht und räusperte sich nur. „Nun... ich bin grundsätzlich nie besonders heiß darauf gewesen, eigene Kinder zu haben, ich würde sie nur in Gefahr bringen... aber... jetzt kann ich das wenigstens als Gegenargument für deine dämlichen Argumente benutzen."

„Werwölfe sind nicht wirklich gern gesehen", erinnerte Remus sie, „Wenn wir zusammen sind und Leute erfahren –"

„Hat mich das schon jemals interessiert?"

„Ich kann keinen Job halten, wenn –"

„Ich kann ja auch Geld verdienen", erinnerte Phillis ihn, „Ich bin eine emanzipierte Frau, ich kann auch arbeiten. Genau genommen habe ich ein Jobangebot von den Holyhead Harpies... ich werde dort nächste Saison als Ersatzspielerin auf der Position als Jägerin spielen. Ich brauche also gar keinen Mann, der mich versorgt! Ich brauche..." Sie stockte und trat einen Schritt näher an Remus und sah ihm ernst in die Augen. „Ich brauche dich."

Remus traten die Tränen in den Augen und er schluchzte auf. Sofort war Phillis bei ihm und umarmte ihn ganz fest.

„Lass es zu, dass Leute dich lieben", flüsterte sie ihm tröstend zu und tätschelte ihm den Rücken, „Wehr dich nicht immer nur dagegen. Du hast Liebe verdient."

„Ich stinke", erinnerte Remus sie halb lachend, halb weinend.

„Das ist okay", beruhigte Phillis ihn, „Ich stinke auch immer."

„Du stinkst überhaupt nie", widersprach Remus ihr, „Du riechst immer nach Schokolade."

„Und gerade stinkst du ziemlich, aber ich akzeptiere es", bemerkte Phillis.

Remus lachte verweint.

Phillis drückte ihn weiter. „Wir haben so viel durchgestanden. Wir brauchen einander. Wir haben das verdient."

Remus war gar nicht aufgefallen, wie einsam er sich gefühlt hatte. Er hatte alle verloren, die ihm nahe gewesen waren. Vor den anderen war er davongelaufen. Aber als Phillis ihn nun an sich drückte und fest umarmte, bemerkte er, dass er das gebraucht hatte.

Phillis hatte Recht – wann hatte sie das nicht? – er hatte das verdient und sie sollten es probieren.

Nach so viel Unsicherheit in ihrem Leben – ein wenig Sicherheit in der Form einer chaotischen, impulsiven Demigöttin war da vielleicht genau das, was er brauchte.

„Lass uns in Las Vegas heiraten – einfach nur so", schlug Phillis vor, ihn noch immer umarmend, „Ohne jemand anderen – wir suchen uns Trauzeugen von der Straße und heiraten einfach dort."

„Meinst du das ernst?", fragte Remus amüsiert.

„Klar." Und Phillis meinte das auch so. Remus lachte und war schon kurz davor, ihr zu sagen, dass das eine lächerliche Idee war, aber dann stockte er und fragte sich, nur für sich selbst: Warum eigentlich nicht?

„Okay", sagte er also und Phillis ließ ihn überrascht los und sah ihn an.

„Wirklich?", fragte sie, hoffnungsvoll, aber auch überrascht.

Remus zuckte mit den Schultern. „Klar. Klingt gut – und passt zu uns."

Phillis zog ihn an sich und küsste ihn. Es war der erste Kuss seit langem, aber irgendwie war es auch so, als wären sie nie getrennt gewesen. Sie waren irgendwie immer zusammen gewesen – irgendwie. Es fühlte sich richtig an, Phillis zu küssen.

Aber trotzdem schob Remus sie von sich. „Ich hab seit Wochen nicht mehr Zähne geputzt", erinnerte er sie und wurde rot.

„Dann geh endlich baden und putz dir die Zähne", lachte Phillis und umarmte Remus wieder, „Dein Gestank geht mir auch langsam auf die Nerven."

„Keiner zwingt dich dazu, mich die ganze Zeit zu umarmen", erinnerte Remus sie.

„Aber ich kann doch nicht anders", meinte Phillis ruhiger, „Ich hab dich vermisst. Ich glaube, ich lass dich einfach nie wieder los."

„Ist das ein Versprechen?"

„Klar."

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