Und einfach so endet es
Marty legte Laertes' Kopf sanft auf seinen Schoß und summte ein altes Schlaflied. Vielleicht, wenn er es sich lange genug einredete, würde es so sein, als würde Laertes nur schlafen.
Mit geschlossenen Augen sah er zwar noch immer ungesund bleich aus, aber wer war das nicht nach all dem Stress, dem Schlafmangel und den langen Nächten der letzten Monate oder sogar Jahre?
Ja, es wäre so, als würde er nur schlafen. Als würde er bald wieder aufwachen, Marty mit einem Morgenkuss mit Mundgeruch begrüßen und dann den Tag mit der Sonne beginnen.
Marty würde zu seinem Job in die Klinik fahren, während Laertes vielleicht zum Camp fuhr, um jüngere dort zu unterrichten.
Und am Abend würden sie sich dann wiedertreffen und es würde so sein, als wären sie Jahre getrennt gewesen, obwohl es nur wenige Stunden waren.
Um Marty herum herrschte Chaos.
Die anderen waren teilweise leicht verletzt worden und mussten behandelt werden, konnten sich aber nicht mehr auf Martys Heilkräfte verlassen.
Phillis heilte mit den ihren ihre Mutter und Sara kam langsam wieder auf die Beine.
„Laertes?", war das erste, das sie sagte, als sie sich wie aus dem Schlaf gerissen plötzlich aufsetzte und Phillis zog erschrocken ihre Hände zurück, die noch einen Moment länger von ihren Heilkräften strahlten.
Dann traten Tränen in ihre Augen und sie blickte über die Schulter zu Marty und Laertes. Marty hatte den Kopf seines Ehemannes auf seinen Schoß gelegt und beugte sich schluchzend und weinend über ihn. Er zerriss Phillis innerlich vor Trauer, so unendlich schmerzvoll war der Anblick. Aber es war nur ein Bruchteil der Trauer, die Marty in diesem Moment verspürte.
„Nein, nein", keuchte Sara und versuchte aufzustehen, „Laertes! Nein! Er wollte mich retten, ich –"
„Mum, bitte bleib liegen!", bat Phillis sie und ihre Stimme brach.
Sara sah ihre Tochter und ihre Trauer in ihren Augen und statt aufzustehen, ließ sie sich wieder auf den Boden sinken, umarmte Phillis aber fest und tröstete ihre nun ebenfalls schluchzende Tochter, die einen ihrer ältesten Freunde verloren hatte.
Houdini stolperte näher und blieb einen Moment lang unentschlossen neben der Szene stehen. Sein Hemd war ziemlich zerrissen und dreckig, wie auch seine Hose und seine Ballettschuhe würde er bestimmt auch austauschen müssen. In seiner Hand war der Bogen von Phillis mit einem Köcher mit wenigen Pfeilen darin.
„Phillis", sagte er schließlich zögerlich.
Phillis löste sich von ihrer Mutter und sah Houdini mit verweintem Gesicht an. Sie versuchte wohl stark zu wirken, aber das musste sie nicht. Houdini war klar, wie traurig sie war.
„Wir haben das im Haus gefunden", sagte er zu ihr und hielt ihr ihre vertrauten Waffen hin.
Phillis schniefte und nahm sie ihm ab. „Danke", sagte sie leise.
Houdini stand noch einen Moment länger einfach nur neben ihr. Dann kniete er sich auf den Boden und umarmte sie einen Moment lang. Nicht lange, das war zu viel für ihn, aber lange genug, dass Phillis wusste, dass er bei ihr war.
„Wie geht es Marty? Ist er verletzt?", fragte Phillis und die Frage war irgendwie lächerlich (wie sollte es Marty schon gehen? Er hatte ja nur die Liebe seines Lebens verloren), aber sie musste einfach versuchen, die Fassung zu bewahren.
Phillis wartete auch gar nicht auf eine Antwort, sondern ließ ihre Mum unter der Obhut von Houdini und Sturgis, der nun ebenfalls verletzt zu ihnen stolperte, und ging zu ihrem Bruder.
Bruder und Schwester fielen sich in die Arme und Marty weinte in die Schulter von Phillis, die ihre eigenen Tränen wegblinzelte und sie erinnerte sich daran, dass die Rollen bisher immer vertausch gewesen waren und Marty immer ein Ort des Tröstens gewesen war.
Marty selbst in einem so verletzlichen Zustand zu erleben, verstörte Phillis auf eine bestimmte Art und Weise, aber sie spürte auch, wie ihr Herz brach.
Niemand sollte seinen großen Bruder in so einem Zustand sehen.
„Was mach ich denn jetzt?", schluchzte Marty, „Warum tut das Schicksal mir das an? Hab ich nicht auch ein wenig Glück im Leben verdient? Warum wird mir alles genommen, was gut ist?"
Sein schrilles Auftreten und seine ruhige Art ließen schnell vergessen, durch wie viel Leid Marty schon gegangen war. Aber Phillis hatte keine Antwort auf seine Fragen und konnte ihn nur noch ein wenig fester an sich drücken.
„Leute, wir bekommen Besuch!", warnte Birget sie in einem angeekelten Ton und Phillis erwartete Todesser – aber es war schlimmer.
Mit der Zeit erkannte man Götter, auch wenn sie absolut normal aussahen.
Der Typ, der sich ihnen näherte und dessen Blick immer wieder zu Laertes' Leiche flackerte, sah wie ein absolut normaler Typ mittleren Alters mit salt-and-pepper-Haaren und einer vielleicht etwas sportlicheren Figur aus.
Es war Hermes, Phillis erkannte ihn instinktiv, auch ohne seine Attribute zu sehen. Der Vater von Laertes, der nun einfach gleichgültig aussah, als wäre Laertes' Tod nur eine weitere, kleine Tragödie, aber kaum eine Trauerrede wert.
„Helden und Heldinnen", sprach er sie in einer neutralen Stimme an, als würde dort zu ihren Füßen nicht die Leiche seines Sohnes liegen, „Ich bin gekommen, um Laertes meinen Segen für seine Reise in die Unterwelt zu geben. Trotz der vielen Verfehlungen in seinem Leben, ist er dennoch heldenhaft gestorben. Ich werde dafür plädieren, dass er einen Platz im Elysium erlangt."
Man reizte keinen Gott. Sie waren es nicht gewohnt, dass man ihnen widersprach und wenn sie erst einmal wütend waren, spürte man das in der ganzen Atmosphäre, als würden sie die ganze Umgebung mit ihrem Ärger verpesten.
Man reizte auch nicht Marty, denn wenn es jemals einen gottähnlichen Demigott seit den Kindern der Großen Drei gegeben hat, dann war das Marty. Er löste sich von Phillis, wischte sich die Tränen aus seinen Augen und als er Hermes voller Hass ansah, konnte man in seinen Augen sehen, dass er vom Gott des Unwetters abstammte und nicht alles immer nur Sonnenschein war.
„Marty...", warnte Birget ihn leise und sah ihn vielsagend an, wie um zu sagen: „Nein, du Volltrottel! Das ist immer noch ein Gott, er wird uns alle einäschern!"
Aber Marty war in diesem Moment nicht dazu fähig, rational zu denken und deswegen ignorierte er Birgets stumme Warnung einfach.
„Verschwinde!", befahl Marty ihn mit kühler Stimme und allein die Tatsache, dass er einem Gott einen Befehl gab, war schon schlimm genug. „Geh weg, deinesgleichen ist hier nicht mehr willkommen! Ihr Götter habt versagt!"
Man sah Hermes an, wie gerne er Marty in diesem Moment einfach in Staub verwandelt hätte, aber etwas hielt ihn zurück – vielleicht das Wissen, dass aus Marty nur Trauer und Schmerz sprach, aber viel wahrscheinlicher war, dass Hermes genau wusste, dass Marty die ganze Umgebung mit der Krankheit in ihm umbringen würde, wenn er verletzt – oder sogar getötet – werden würde.
„Ich bin noch immer ein Gott, Junge", erinnerte Hermes ihn und sah seltsam steinern aus, „und er war mein Sohn!"
„Laertes war nicht dein Sohn!", schrie Marty nun, voll Wut in der Stimme, „Du hast ihn in Stich gelassen! Wage es dich, ihn deinen Sohn zu schimpfen!"
„Ich will ihm nur seinen Weg in die Unterwelt erleichtern!", redete Hermes auf Marty ein.
„Er braucht deine Hilfe nicht!", schrie Marty, „Er hat deine Hilfe als Kind gebraucht, aber da warst du nicht da! Jetzt ist es zu spät – und er wird seinen Weg auch ohne dich ins Elysium finden, denn das hat er verdient!"
„Du verschwendest nur meine Zeit, Marty Perez", schnaubte Hermes und trat einen Schritt vor, „Geh mir aus dem Weg."
Alles passierte ganz schnell. Marty riss Phillis ihren Bogen vom Rücken und angelte einen Pfeil aus ihrem Köcher.
Schneller, als Phillis jemals sein könnte, legte Marty den Pfeil an und zielte damit direkt auf Hermes, während der Pfeil sich schwarz färbte, als er die Krankheit in Marty aufnahm und mehr als nur tödlich wurde – er wurde zu einer Massenvernichtungswaffe.
„Ich werde nicht aus dem Weg gehen", zischte Marty, „aber du verschwindest jetzt besser."
„Marty, nicht!", befahl Birget ihm streng und griff nach ihren Speeren – wenn es nötig war, würden sie ihn aufhalten müssen. Wenn Marty den Pfeil auf die Welt losließ, könnte das mehr Konsequenzen haben, als sie sich ausmalen konnten, das war Phillis auch bewusst und sie wurde sich bewusst, dass sie vielleicht ihren eigenen Bruder verletzten musste, um das Land zu retten. Das klang nicht fair.
Keiner wagte es, auch nur ein Wort zu sagen. Birget hielt ihren Speer in den Händen und sie sah so aus, als wäre sie bereit, Marty anzugreifen, aber zugleich schien sie von einer seltsamen Müdigkeit überkommen zu sein. Sie wirkte kleiner und schwächer, als Phillis sie jemals zuvor gesehen hatte und bei dem Gedanken, einen ihrer Freunde angreifen zu müssen, wurde die Tochter des Ares kampfunfähig und zurückhaltend.
Aber wahrscheinlich gab es auch gar keinen Grund, Marty in irgendeiner Weise aufzuhalten.
Hermes wirkte ganz ruhig – selbst bei dem Anblick eines schwarzen Pfeiles. Die Pest darin könnte wahrscheinlich selbst einen Gott verletzen, wenn nicht sogar auslöschen und töten. Phillis wusste das nicht genau, aber wahrscheinlich wollte es niemand herausfinden.
Wenn Marty tatsächlich einen Gott umbringen würde – oder ihn auch nur verletzte – würden die Götter sich wieder daran erinnern, welche Gefahr dieser Pazifist eigentlich für sie darstellte. Und dann wäre es nur eine Frage der Zeit, bis Marty von jenen umgebracht wurde, die ihn schon so oft in den Tod geschickt hatten.
Phillis fühlte sich wehrlos.
Natürlich hielt Marty ihren Bogen in der Hand und der Goldene Bogen sah in den Händen des Sohnes des Apollo so aus, als würde er genau dorthin gehören, aber Phillis hatte noch das Silbermesser, mit dem sie einst Lycaon erlegt hatte.
Silber würde auch einen Demigott verletzen und wahrscheinlich würde Phillis sie damit alle in Gefahr bringen, als vielleicht war es das wert – Marty konnte einfach nicht daran sterben, dass er einen Gott herausgefordert hatte.
Aber trotzdem sagte irgendetwas in Phillis, dass sie Marty nicht angreifen würde.
Irgendetwas in ihr sagte ihr, dass er das Recht hatte, wütend zu sein. Dass er das Recht hatte, hier zu stehen und Hermes zu bedrohen. Dass er das Recht hatte, die Götter herauszufordern und zu besiegen. Denn er hatte Recht. Die Arroganz der Götter war schon immer ein Problem für ihre Kinder gewesen, aber Hermes hatte gerade eine Grenze übertreten, die Marty dazu gebracht hatte, so zu reagieren.
Und alle wussten es – wahrscheinlich selbst Hermes, der beim Anblick des schwarzen Pfeiles überraschend ruhig aussah.
Innerhalb dieser wenigen Augenblicke entschloss Phillis sich dazu, dass sie Marty folgen würde, egal welchen Weg er einschlug. Sie würde an seiner Seite stehen, sollte er sich dazu entschließen, einen Krieg gegen die Götter anzufangen und sie wusste, dass sie das ihr Leben kosten würde, aber das war es wert.
Denn Marty hatte Recht und er hatte ein Recht darauf, wütend zu sein und die Götter zu stürzen.
Phillis würde alles stehen und liegenlassen, sie würde Voldemort und Pirro einfach vergessen und Marty zurück nach Amerika folgen, um den Olymp zu stürzen.
„Du wirst diesen Pfeil nicht verschießen", sagte Hermes mit einer seltsam ruhigen Stimme und nickte auf den Bogen in Martys Händen, „Nicht einmal du kannst Prophezeiungen entkommen, Sohn des Apollo. Du hast deinen letzten Pfeil schon verschossen."
Einen Moment lang stand Marty noch da und Phillis war sich sicher, dass es damals doch nicht sein letzter Pfeil gewesen war und sich an diesem heutigen Tag erst – Jahre später – die Prophezeiung von damals erfüllen wird.
„Ich kann der Zukunft und Prophezeiungen in der Tat nicht entkommen", stimmte Marty ihm leise zu, „Genauso wenig wie du oder die anderen Götter..." Marty ließ den Pfeil sinken und ließ beides fallen. Der schwarze Pfeil kullerte auf den Boden – eine potenziell weltzerstörerische Waffe zu den Füßen des Sohnes der Sonne. Marty sah seltsam emotionslos zu Hermes, aber seine Augen glühten wie Sonnen und er strahlte eine Art von Hitze aus, die Phillis daran erinnerte, dass die Sonne nicht nur warm sein konnte, sondern eigentlich glühend heiß war.
„Denk an meine Worte, Hermes, Gott all jener, die ihren Platz noch nicht gefunden haben und noch auf der Reise sind", in Martys Augen sah man in diesem Moment seinen Hass, seine Abscheu und seine Verzweiflung, die den ganzen Raum zu erfüllen schien. „Dank an die Worte des Sohns des Apollo: Irgendwann – vielleicht nicht heute oder morgen, aber irgendwann – werden die Götter daran erinnert werden, dass es wir sind, die für sie sterben. Wir sind es, die euch tragen und wenn wir es irgendwann dann nicht mehr tun, wird der Olymp fallen. Ich hoffe, dass ich an diesem Tag noch auf der Erde wandeln werde und dabei zusehen kann, wie der Olymp zerbricht. Und die Götter werden flehen, dass ich nicht in den Reihen dieser Macht stehen werde, die die Götter an ihren Platz in der Welt erinnern wird."
Hermes wich tatsächlich von Marty zurück und Phillis erwartete schon beinahe, dass er ihn einfach niederstrecken würde, immerhin war er ein Gott und die hörten sich solche Dinge nicht gerne an. Vielleicht war genau das auch Martys Plan gewesen, aber Hermes ging nicht darauf ein.
Stattdessen wurde die angespannte Stimmung unterbrochen.
„Ihr habt gekämpft", sagte eine kühle Stimme, die von allen Seiten gleichzeitig zu kommen schien und Phillis schlug sich instinktiv die Hände über die Ohren, aber die Stimme kam von in ihren Köpfen. Es war Voldemorts Stimme und er tauchte auch schon mit einer ziemlich großen Delegation an Todessern auf. „aber es ist genug! Alles, das euch Schutz bietet, wird fallen! Schließt euch mir an – das ist eure letzte Chance."
Marty seufzte genervt und verdrehte die Augen, als wäre Voldemort und Pirro und Eris nur noch nebensächlich und nachdem er gerade mehr oder weniger einen Gott direkt herausgefordert hatte, war es wohl wirklich eher Kinderkram für ihn, sich jetzt noch mit Zauberern herumzuschlagen.
Aber trotzdem nahm Marty sich einen Moment Zeit, um sich den Todessern zuzuwenden.
„Verschwindet!", befahl er ihnen genervt, „Wir haben keine Zeit für euch! Geht jetzt, oder ich bringe euch alle um."
Vielleicht war es sein Anblick, vom Blut seines toten Ehemannes besudelt und einem leicht post-apokalyptischen Auftreten, aber mit dem Feuer eines Gottes in den Augen; vielleicht war es auch die Kühle und Gleichgültigkeit in seiner Stimme; vielleicht war es sogar Hermes, der hinter ihm stand – auf jeden Fall blieben Voldemort und seine Todesser perplex stehen, beinahe schon verunsichert.
„Das ist lächerlich!", sagte Hermes laut und trat vor, „Das hier muss aufhören! Eris, ich spreche zu dir!"
Eris hatte sich schon einmal vor ihnen gebildet und wieder war Phillis von ihrer Schönheit überrascht, als die Göttin nun vor ihnen erschien und Hermes voller Hass ansah.
„Hermes!", begrüßte sie ihn, als wäre sein Name eine Beleidigung, „Hier, um die Kapitulationsbedingungen der Götter zu verhandeln?"
„Ich bin hier, um den Tod meines Sohnes zu betrauern", sagte Hermes ruhiger, „Was willst du, Eris?"
„Dass die Götter mich akzeptieren!", schrie Eris wütend, „Ihr habt mich eingesperrt – für Jahrzehnte! Allein! Nur, weil es euch nicht passt, wie ich auf die Welt Einfluss nehme – aber bei Zeus beschwert sich niemand, obwohl seine Unwetter Sterbliche ebenso umbringen, wie Kriege!"
„Was sagst du zu einem Job?", fragte Hermes sie noch immer ruhig, als hätte Eris ihn nicht gerade angeschrien und Eris stockte überrascht.
„Bitte?", fragte sie nach.
„Ein Job", wiederholte Hermes und zog ein Telefon hervor, dessen Kabel aber im Nichts verschwinden zu schien, hervor, „Die Welt verändert sich und ich werde immer häufiger angerufen. Beschwerden erreichen mich nicht mehr per Post, sondern direkt über Telefon. Ich habe schlichtweg keine Zeit dafür – ich brauche eine Sekretärin, die für mich solche Anrufe entgegennimmt und mit den unzufriedenen Kunden telefoniert und streitet."
Eris' Gesicht hellte sich auf, als wäre sie ein kleines Kind am Weihnachtsmorgen. „Wirklich?", fragte sie überwältigt.
„Die Göttin des Streits, die sich streitet?", fragte Hermes, „Klar. Die Bedingungen werden auch fair ausgehandelt werden – ein 24-Stunden Dienst, sieben Tage die Woche, drei Tage Urlaub. Die einzige Bedingung meinerseits ist, dass diese Lappalien hier aufhören müssen."
„Lappalie?", wisperte Houdini leise, als könnte er nicht glauben, dass Hermes diesen Krieg, der schon so vielen ihrer Freunde das Leben gekostet hatte, in den Augen des Gottes nur eine „Lappalie" war.
Eris nickte. „Abgemacht!"
Und mit diesen Worten verschwand sie einfach und ließ den Krieg hinter sich.
Es war so einfach gewesen – die ganze Angelegenheit hatte sich innerhalb von nur wenigen Momenten wie von selbst gelöst.
Voldemort, Pirro, seine Todesser, aber auch die Demigötter und Zauberer des Ordens standen einen Moment perplex einfach nur herum und wussten nicht was sie tun sollten.
Hermes warf Marty einen letzten Blick zu und verschwand dann selbst.
„Es ist vorbei", sagte Marty, als würde er es selbst gerade erst erkennen – es war so schnell gegangen, selbst jene mit einem schnellen Verstand unter ihnen hatten es noch nicht ganz verstanden, „Pirro, komm mit uns."
Alle waren überrascht, dass es Marty war, der das zu Pirro sagte, der noch immer unsicher unter den Reihen der Todesser stand.
Selbst Pirro schien überrascht und wahrscheinlich sogar überfordert mit der ganzen Situation.
„Verschwinden wir!", befahl er und die Todesser zögerten einen Moment lang, als würden sie daran denken, wie Pirro nun allein war und keine Göttin mehr hinter ihm stand. Aber dann verschwanden sie.
In diesem Moment sackte Marty in sich zusammen, als könnte er sich nach einem langen Arbeitstag endlich entspannen, aber es war eine Müdigkeit, die einen nur überkam, wenn man gerade mit seinem Leben gespielt hatte.
Marty hob den Bogen und den Pestpfeil vom Boden auf und sah beides einen Moment lang an, bevor er zu Phillis sah und ihr beides hinhielt.
Phillis zögerte, den schwarzen Pfeil anzunehmen – sie wusste nicht, ob sie genauso immun sein würde, wie Marty.
„Keine Angst", sagte Marty leise, „Du bist meine Schwester. Es ist auch ein Teil von dir."
Phillis nahm ihren Bogen an sich und dann den Pfeil. sie spürte die Kraft, die Macht, die durch ihn floss, aber er verletzte sie nicht, wie Marty versprochen hatte.
Phillis blickte auf und sie fing Martys Blick auf. Einen Moment lang sahen sie sich einfach nur an und schienen plötzlich genau zu wissen, was in den Köpfen des jeweils anderen vorgegangen war.
Phillis hatte gerade die Götter verraten – sie hatte es nicht laut ausgesprochen, so wie Marty, aber trotzdem... und Marty schien das genau zu wissen und dankbar nickte er ihr leicht zu.
„Es ist vorbei", sagte Phillis, „Es ist nur noch Pirro auf ihrer Seite."
„Ich frage mich, wie lange die Todesser ihm noch treu sein werden, nun da er mehr oder weniger machtlos ist", bemerkte Birget, „Sie werden ihn verstoßen oder umbringen."
„Warum ist er dann nicht mit uns gekommen?", fragte Houdini, „Ihm muss das doch auch klar sein..."
Keiner wusste eine Antwort darauf, aber innerlich wussten sie alle, dass einfach schon zu viel passiert war und man dann nicht einfach wieder zurückkehren konnte.
Phillis starrte auf die Stelle, an der gerade noch die Todesser gewesen waren. Sie dachte daran, wie vehement sie gegen sie gekämpft hatten. Sie dachte daran, wie Ruth – und vor ihr andere Kinder des Apollo – gestorben waren, wegen einer Prophezeiung. Wie Niobe auch sie wegen dieser Prophezeiung beinahe umgebracht hatte. Wie sie ausgezogen war, um die Prophezeiung zu erfüllen und das auch passiert war, aber sie hatte trotzdem versagt. Sie dachte an die leise Stimme von Eris in ihrem Kopf, als sie die Büchse der Eris zurück nach Amerika gebracht hatte und niemanden mehr vertrauen wollte. Wie sie deswegen – und wegen Pirro – beinahe gestorben wäre. Und dann das ganze Leid, das danach gekommen war. Phillis fragte sich, wie der Krieg gegen Voldemort verlaufen wäre, wenn Eris und Pirro sich nicht eingemischt hätten.
Und dann kam irgendso ein Gott vorbei und löste ihre jahrelangen Probleme einfach nur durch einen Moment der Freundlichkeit.
Es war nicht fair – auch, wenn sie jetzt im Vorteil waren.
Es war nicht fair, dass Hermes das nicht schon früher gemacht hatte. Es wäre so viel einfacher gewesen, wenn sich die Götter schon früher mit Eris befasst hätten, aber dafür war ihnen die Angelegenheit wohl noch nicht wichtig genug.
Leute waren gestorben – gute Leute. Aber das hatte die Götter nicht interessiert.
Und es hatte einer der ihren sterben müssen, damit sich überhaupt ein Gott mit der Angelegenheit befasste.
Wie wäre der Krieg verlaufen, wenn die Götter sich einfach schon früher um Eris gekümmert hätten?
„Phillis?", fragte Remus vorsichtig – der einzige, dem aufgefallen war, wie ruhig Phillis geworden war, „Ist alles in Ordnung?"
Einen Moment lang dachte Phillis daran, einfach zu lächeln und zu sagen, dass alles gut war, sie hatten den Krieg immerhin so gut wie gewonnen.
Aber dann verließen sie alle ihre Kräfte und sie sank auf die Knie zu Boden und schluchzte. Der Schmerz war zu groß und sie fühlte sich so, als hätte Pirro sie schon wieder verraten – ein Verrat unter Freunden, aber dieses Mal waren es die Götter gewesen.
„Sie haben uns schon lange verlassen", schluchzte Phillis verzweifelt und es war Birget, die sie in den Arm nahm, „Alles umsonst! Wir kämpfen und leiden und verlieren und ein Gott kommt vorbei und löst alle unsere Probleme? Warum haben sie das nicht schon früher gemacht? Sind wir ihnen denn so egal?"
„So ist das Leben", sagte Birget geradeheraus, „Wir haben doch schon immer gewusst, dass es keine Vorteile bringt, von einem Gott abzustammen."
„Ich wünschte mir, du hättest den Pfeil geschossen, Marty", zischte Phillis voll Schmerz in der Stimme, „Ich wünschte, du hättest den Göttern gezeigt, wozu wir in der Lage sind!"
Marty musterte sie einen Moment lang nachdenklich, und kniete sich dann zu ihr. „Ich bin froh, dass ich Friede gewählt habe", gestand er, „Krieg und Hass führt nur zu noch mehr Schmerz. Das Gefühl wird vergehen..."
„Warum hat Laertes sterben müssen?", schluchzte Phillis, „Warum er? Warum hat es erst einen Tod gebraucht, damit die Götter einschreiten? Warum nicht schon früher? Warum haben sie uns allein gelassen?"
„Das haben sie nicht", beruhigte Birget sie, „Sie denken nur anders als wir und haben kein Gefühl für Vergänglichkeit. Ich finde, das ist eine Stärke von uns. Leben hat einen Sinn für uns..." Mit diesen Worten sah sie zu Laertes und dann zu Marty, der seinen Blick nicht von Laertes abwenden konnte. „Uns bleibt nur, nicht die Hoffnung zu verlieren", sprach Birget weiter und sprach hauptsächlich zu Marty, „wir machen weiter und leben weiter, bis unsere Zeit gekommen ist. Damit unsere begrenzte Zeit nicht verschwendet wird... wir müssen das ausnutzen... oder nicht, Marty?"
Marty antwortete einen Moment lang nicht und Phillis dachte schon, er hätte Birget gar nicht gehört, weil er zu sehr in seinen eigenen Gedanken versunken war.
„Klar", murmelte er schließlich, klang aber überhaupt nicht überzeugt davon.
Birget sah ihn streng an. „Marty –", begann sie, aber er wollte das wohl im Moment nicht hören.
„Wir brauchen ein Leichentuch", unterbrach Marty sie mit fester Stimme, keine Spur mehr von der Verzweiflung von zuvor war noch in seinem Gesicht zu sehen, sondern nur kalkulierende Kühle, wie man sie vielleicht von Houdini erwartete, „Ein Leichentuch für meinen Ehemann."
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