Der Stief-Sturgis

Phillis hatte es nicht wirklich kommen sehen.

Deswegen war sie auch etwas überrascht, als Sara vorschlug, einmal allein mit ihr Essen zu gehen – ohne die anderen Demigötter.

Sie würde etwas mit ihr besprechen müssen, hatte Sara gesagt.

Sara brachte ihre Tochter dann zu Sturgis Podmores Haus, der für sie gekocht hatte und ab da erkannte Phillis so langsam das, wovor sie sich die Monate zuvor eher verschlossen hatte.

Sturgis Podmore war eigentlich ein netter Typ. Seine Haare waren ein bisschen seltsam und erinnerte Phillis immer an Stroh, aber ansonsten war er Aussehens-technisch ganz in Ordnung. Ein normaler Typ eben.

Er arbeitete im St. Mungo's in der Verwaltung und sein Haus war von normaler Größe und befand sich in Clapham nahe London in England.

Das Essen war gut und Sturgis achtete darauf, dass für Sara und Phillis alles perfekt war, was Phillis aber noch misstrauischer machte, worum es hierbei eigentlich ging.

Immer wieder warf sie ihrer Mutter fragende Blicke zu, aber sie schien diese einfach zu ignorieren oder auf den richtigen Moment zu warten.

Beim Nachtisch endlich rückte Sturgis mit der Sprache heraus.

„Phillis", begann er, räusperte sich und sah Phillis ernst an.

Phillis blickte unsicher zu ihrer Mutter, die sie aber nur nervös anlächelte und aufmunternd zunickte.

„Sturgis", sagte Phillis zurück, noch immer misstrauisch.

Sturgis holte tief Luft. „Vielleicht ist dir schon aufgefallen, dass deine Mutter und ich... in letzter Zeit viel Zeit miteinander verbracht haben..."

Es war Phillis zugegeben nicht aufgefallen. Im Haus der Dolohows waren andauernd irgendwelche Leute vom Orden. Sirius besuchte Birget regelmäßig, wenn sie nicht gerade Besuch von Emmeline hatte; Lily und Marty waren beinahe beste Freunde geworden und Remus kam manchmal einfach nur vorbei, um mit Phillis Kaffee und Tee zu trinken, also war Phillis gar nicht aufgefallen, dass Sturgis häufig in der Nähe ihrer Mutter gewesen war. Obwohl... nun, da sie so zurückdachte, war er wirklich häufig in ihrem Haus gewesen...

„Jaah?" Phillis sah zwischen Sara und Sturgis hin und her.

„Der Grund dafür ist, dass ich deine Mutter – Sara... sehr gern habe", gestand Sturgis.

„Und ich habe Sturgis sehr gerne", fügte Sara eilig hinzu und sie nahm über den Tisch hinweg Sturgis' Hand.

Phillis blinzelte überrascht. Sagten die beiden gerade wirklich das, das Phillis dachte, dass sie sagten?

„Also... wir... wir lieben uns", stellte Sturgis klar.

„Das hab ich schon verstanden", schnauzte Phillis ihn ein bisschen zu scharf an und sie wusste nicht, ob sie es bereute, das so unhöflich gesagt zu haben oder ob sie sich wirklich so fühlte.

Sara und Sturgis sahen sich unsicher an, als hätten sie schon erwartet, dass Phillis so reagieren würde und sie fühlte sich gleich noch mieser.

Bisher war ihre Mutter immer die Frau in ihrem Leben gewesen, die keinen Mann brauchte. Sie hatte Apollo nicht gebraucht und ihn aus ihrem zu Hause geworfen, sie hatte ihren Bruder Antonin nicht gebraucht und ihn aus ihrem zu Hause geworfen... warum brauchte sie auf einmal doch einen Mann?

Und dann auch noch so jemanden wie Sturgis.

Phillis' Dad – Apollo – war ein Gott und wirklich talentiert und wirklich... besonders.

Aber Sturgis war absolut normal.

Er war nicht außerordentlich talentiert – vielleicht nicht der schlechteste Zauberer, aber eindeutig nicht der beste.

Er war nicht außerordentlich intelligent – Houdini und Dumbledore hatten die Latte ziemlich hoch angesetzt, also war dieser Vergleich nicht ganz fair, aber Sara war wirklich gebildet und las gerne... wie konnte Sturgis da mithalten?

Er war auch nicht sonderlich attraktiv. Phillis wusste, dass er ein paar Jahre jünger als Sara war, aber Sara sah für ihr „Alter" ziemlich jung aus und war so ziemlich die schönste Frau der Welt. Sturgis war neben ihr... gar nichts.

Er war einfach nur normal und Phillis konnte sich nicht vorstellen, dass eine Frau wie Sara, die schon so viele Abenteuer erlebt hatte, sich auf einen so normalen Mann reduzieren sollte.

Aber dann realisierte Phillis, dass das wahrscheinlich genau das war, wonach Sara gesucht hatte.

Sara war wohl doch nicht mehr dieses zwanzigjährige Mädchen, das mit ihren Geschichten einen Gott verzaubert hatte und die mit der Wut und dem Willen einer Mutter die Feinde ihrer Tochter niedergerungen und besiegt hatte.

Der Gott war fort, hatte sie mit einem schwierigen Kind zurückgelassen. Phillis war nun groß, konnte sich selbst verteidigen.

Vielleicht war es Phillis' schwere Verletzung gewesen, vielleicht der Beitritt im Orden oder die Gefahren des Krieges, aber irgendwann hatte Sara Dolohow wohl den Wunsch verspürt, ein normales Leben zu haben und als Phillis das erkannte, fühlte sie einen Stich der Reue in ihrer Brust.

„Ich... hab gar nicht gewusst, dass du so ein Leben führen willst", sagte Phillis leise zu ihrer Mutter, „Wir... wir können auch woanders einziehen, falls du dein zu Hause wieder für dich haben willst..."

Sara sah ihre Tochter verwirrt an. „Wovon redest du?"

Phillis deutete mit einer ungefähren Handbewegung auf Sturgis. „Ein normales Leben – das willst du doch, oder nicht?"

Sara blickte verwirrt zu Sturgis, verstand aber wohl langsam, worauf ihre Tochter hinauswollte.

„Es... tut mir leid, dass ich dir die Chance genommen habe, ein normales Leben zu führen", murmelte Phillis leise und verschränkte die Arme vor der Brust und wich den Blicken von Sara und Sturgis aus, „Ich... ich bin jetzt erwachsen. Du musst dich nicht mehr um mich kümmern. Wenn du dein eigenes Leben zurückhaben willst, dann... dann gehe ich. Ich lass dich in Ruhe, bleib weit entfernt von dir, damit –"

„Nein, nein, nein!", rief Sara aus und stand von ihrem Platz auf, ging um den Tisch herum und drückte den Kopf von Phillis, die noch immer auf dem Stuhl saß, an ihre Brust, „Nein, nein, nein! So darfst du niemals denken! Das stimmt nicht!"

Phillis traten Tränen in die Augen. „Ich will dich nur glücklich wissen, Mum."

„Ich bin glücklich – so unfassbar glücklich, dass du meine Tochter bist", versicherte Sara ihr mit fester Stimme, nahm ihr Gesicht nun in ihre weichen Hände und sah ihr direkt in die Augen, wie sie es immer tat, wenn sie etwas ganz, ganz wichtiges zu Phillis sagte und wollte, dass sie zuhörte, „Du bist mein Schatz und nichts würde ich gegen dich eintauschen. Ich bin so dankbar für all die Jahre, in denen ich dich gehabt habe. Ich habe gesehen, wie du erwachsen wirst und jedes einzelne Mal, wenn du fortgehst, würde ich dich am liebsten bei mir behalten, dich ganz fest an mich drücken und niemals loslassen. Ich liebe dich, Phillis. Mehr als alles andere. Ich würde das Leben mit dir für nichts und niemanden eintauschen. Nicht für ein normales Leben. Nicht für Ruhe. Auch nicht für Sturgis – und er weiß das."

Sara drückte Phillis wieder an ihre Brust.

„Ich ersetze dich nicht – niemals. Ich liebe dich noch immer am allermeisten, das wird sich niemals ändern. Verstehst du das, Phillis?"

Phillis nickte und umarmte ihre Mutter zurück. „Ich liebe dich auch, Mum."

Sara ließ Phillis wieder los und ging etwas in die Hocke, sodass sie mit Phillis – noch immer sitzend – in Augenhöhe war und sie deutete auf Sturgis und sie beide blickten in dessen Richtung, wie zwei Schulmädchen, die sich über einen Jungen unterhielten. „Schau ihn dir an – er ist ziemlich niedlich, oder nicht? Sag nichts dazu, Phil, das wäre nur seltsam. Aber ich mag ihn und er ist nett und lustig und ich glaube, ich bin verliebt, Phillis. Wer weiß schon, was daraus werden wird... wer weiß schon, was als nächstes kommt. Aber die Zeiten sind sehr unsicher, warum also die Chance auf Liebe verstreichen lassen?"

Sturgis, der sich bisher nicht eingemischt hatte, lächelte leicht gequält, als die beiden ihn so ansahen.

„Ich will niemanden ersetzen", sagte Sturgis zu Phillis ernst, „Ich bin nicht dein... Dad oder sonst irgendetwas. Aber ich habe mich in deine Mutter verliebt und euch beide gibt es nur im Doppelpack, das habe ich sofort verstanden." Sturgis stand nun ebenfalls auf und ging zu Phillis und Sara, hielt aber Abstand. „Also... verlasse ich mich auf dein Urteil. Ich will dir niemanden wegnehmen. Ich ersetze niemanden... aber ich bin hoffentlich eine neue Person in deinem Leben und... es wäre mir eine Ehre, dich Familie nennen zu können."

Phillis sah Sturgis kritisch an und stand dann langsam auf.

Sturgis wirkte unsicher, als Phillis zu ihm ging und ihn kalkulierend musterte, aber dann streckte Phillis ihre Hand aus und beinahe schon erleichtert schüttelte Sturgis sie.

Es war nicht viel, aber es war ein Anfang.

„Du bist aber noch auf Bewährung", warnte Phillis ihn streng, „und keine krummen Sachen mit meiner Mum!"

Sturgis lächelte. „Mit dir als Beschützerin? Ganz sicher nicht!"

Phillis schnaubte belustigt. „Mach dich nicht lächerlich, Mum kann sich sehr gut selbst verteidigen! Sie hat auch meinen Dad hinausgeworfen, als er sich nicht mehr benommen hat – du bist dagegen gar nichts! Aber ich werde dann gerne danebenstehen und die Show genießen."

Sturgis lachte nervös und blickte zu Sara, die ihn nur frech angrinste.

„Danke für die Warnung", sagte Sturgis nervös, „Das merke ich mir..."



Phillis war bei diesem Outcoming wohl nur der erste Schritt gewesen.

Sara bestand auch noch darauf, dass sie den anderen Demigöttern ebenfalls so offiziell sagten, dass Sturgis und Sara nun zusammen waren, als wären sie ebenfalls Saras Kinder und Sturgis hinterfragte es kaum, immerhin war es wohl irgendwie wahr.

Sie versammelten Birget, Marty, Laertes, Houdini und Wesley zusammen im Wohnzimmer und Sturgis wirkte bei dieser Versammlung beinahe noch nervöser als bei Phillis.

Die Stimmung war auch eindeutig angespannt und sie erzählten es.

Selbstredend, dass es dieses Mal so schlimmer war als beim ersten Mal.

Als Laertes realisierte, was Sturgis da gerade angedeutet hatte, sprang er auf und hielt schon sein Schwert in seiner Hand, aber als hätten sie damit gerechnet, hielten Birget und Marty ihn zurück, bevor er jemanden verletzen konnte.

Sturgis war klug genug, um ein paar Schritte zurückzuweichen – in Richtung Tür.

„Nein!", brüllte Laertes, „Nicht schon wieder!"

„Beruhig dich, Schatz", versuchte es Marty, „Alles ist gut – Sturgis ist ein guter Mann."

„Es gibt keine guten Männer!" Laertes schluchzte und schien vollkommen aufgelöst – mehr noch, als sie es je zuvor gesehen hatten. „Sie tun allen immer nur weh! Immer und immer wieder!"

„Laertes, Schatz", Sara selbst ging zu Laertes, während sich Sturgis ihm nicht einmal nähern wollte, „Alles ist gut. Hab keine Angst."

„Ich will nicht, dass er dir wehtut", schluchzte Laertes, ließ sein Schwert aber sinken, als sich ihm Sara näherte und Wesley konnte es ihm vorsichtig abnehmen, sodass er nun wenigsten unbewaffnet war – Laertes konnte bestimmt trotzdem Leute sehr effizient umbringen, aber wenigstens nicht mehr mit einer sehr scharfen Waffe.

„Sturgis wird mir nicht wehtun, Laertes", versprach Sara sanft und nahm sein Gesicht in ihre Hände.

„Das haben sie immer alle gesagt!", weinte Laertes und Marty und Birget ließen ihn los, damit er seine Arme um Sara werfen konnte und sie umarmte, „Immer wieder, aber sie alle haben gelogen! Immer!"

„Schatz, Sara ist nicht deine leibliche Mutter", sagte Marty sanft und rieb Laertes beruhigend den Rücken, „und Sturgis ist keiner deiner Stiefväter. Er ist ein guter Mann."

„Ich schwöre bei allem, das mir und dir heilig ist", sagte Sturgis mit überraschend fester Stimme, „ich werde Sara niemals wehtun. Lieber sterbe ich, als das zu tun!"

„DAS HABEN SIE IMMER GESAGT!", brüllte Laertes und Sara zuckte erschrocken zusammen, so laut war er, „aber sie haben uns immer wehgetan! Meiner Mom und mir!"

„Besser du gehst erst einmal in die Küche, bis er sich ein wenig beruhigt hat", riet Birget Sturgis leise.

„Wie kann ich helfen?", fragte Sturgis ein wenig verunsichert.

„Im Moment gar nicht", sagte Birget, „später können wir weitersehen." Sie scheuchte Sturgis hinaus und er gehorchte, ging aber nicht in die Küche, sondern blieb ein wenig unsicher im Gang stehen, bis schließlich Sara herauskam, wohl um nach ihm zu sehen.

„Hey", lachte sie ruhig und lächelte leicht, „es geht ihm wieder besser. Versuchen wir es noch einmal."

Sturgis war sich noch immer nicht ganz sicher, aber er folgte Sara hinein und dort stand Laertes, die Arme vor der Brust verschränkt, aber noch immer unbewaffnet und er wirkte auch nicht mehr so angriffslustig wie davor.

„Also... Sturgis", sagte er zu ihm ein wenig stur, „Du wirst ein guter Freund für Sara sein?"

Sturgis blickte zu Sara, als er antwortete: „Immer."

Laertes nickte und einen Moment lang sah er so aus, als würde er Sturgis' Hand schütteln wollen, entschied sich dann aber doch anders und ging einfach an ihm vorbei aus dem Zimmer raus.

„Wird schon", freute Marty sich lächelnd und wandte sich dann an Sara, „Es freut mich so sehr, dass du jemanden gefunden hast. Ihr beide seid wirklich niedlich zusammen." Dann folgte er Laertes eilig.

„Damit bin ich wohl aufgenommen, hu?", fragte Sturgis unsicher und Sara umarmte ihn lachend von der Seite.

Vorerst war das wohl so...

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