Das erste Begräbnis
Remus sah Phillis beim Begräbnis wieder.
Remus und Peter kamen eigentlich mehr als seelische Unterstützung für James und Sirius, die Silas Robins besser gekannt hatten.
Silas war ein Quidditch-Spieler gewesen – mit viel Potential. Aus ihm hätte ein wirklich guter Spieler werden können, hätten die Todesser nicht beschlossen, ihn und seine ganze Familie niederzumetzeln.
Warum sie hatten sterben müssen, schien auf den ersten Blick klar, aber doch fragte man sich im Orden, ob die Motive nicht noch weitreichender gewesen waren. Mr und Mrs Robins waren wichtige Persönlichkeiten im Zaubereiministerium gewesen und die Allgemeinheit glaubte auch, dass das der Grund für den Todesser-Angriff war.
Auf der anderen Seite war allseits bekannt, dass Silas Phillis verehrt hatte. Er hatte ihre Lehren befolgt, ihre Trainingseinheiten auch in der Freizeit ausgeübt und wäre wohl für sie gestorben, um sie zu beschützen.
Remus erfuhr erst bei seinem Begräbnis von einigen Leuten aus Hogwarts, dass Silas die Rolle von Phillis übernommen hatte und zum Kapitän der Mannschaft erkannt worden war und sie das erste Spiel haushoch gewonnen hatten – wohl auch wegen Silas' unglaublicher Taktiken und Methoden. Nachdem Phillis Hogwarts verlassen hatte, hatten die anderen Häuser nicht damit gerechnet, weiterhin auf so einem Niveau spielen zu müssen. Silas hatte sie alle überrascht.
Aber Remus dachte sich nur, wie viel Bedeutung und welche Symbolkraft Silas' Tod durch Todesser damit gewonnen hatte.
Voldemort hatte Phillis' Schüler umgebracht – ihren Nachfolger, der ihre Rolle übernommen hatte. Er hatte Phillis vertraut, sie bewundert und ihre Lehren verbreitet, selbst, nachdem sie Hogwarts verlassen hatte. Die Botschaft war eindeutig – jedenfalls, wenn man diesen Hintergrund kannte.
Moody bezweifelte, dass die Todesser eine Familie wegen so einer Lappalie ausschalten würden, aber der Kreis um Phillis herum dachte sich das sehr wohl.
Der wahre Grund für diese schrecklichen Morde würde wohl unbekannt bleiben.
Beim Begräbnis waren viele Leute.
Silas und seine Eltern wurden zusammen begraben und so waren Freunde und Arbeitskollegen von Mr und Mrs Robin gekommen, aber auch Freunde von Silas.
Halb Hogwarts schien aus den Ferien zusammengekommen zu sein. Ehemalige und aktuelle Schüler, Mitschüler und Freunde aus anderen Klassen und Häusern, aber auch Lehrer – sie alle waren gekommen, um ein junges Leben zu betrauern.
Als Remus Phillis beim Begräbnis sah, war Houdini bei ihr.
Die anderen Demigötter waren nicht gekommen, immerhin hatten sie Silas nicht gekannt und ihre Anwesenheit hätte die falsche Aufmerksamkeit auf sie gezogen, aber Houdini schien nicht von Phillis' Seite weichen zu wollen – wortwörtlich.
Er klammerte sich an den schwarzen Mantel, den Phillis zum Anlass trug, wie ein kleines Kind, das sich an seiner Mutter festhielt.
Houdini wirkte auch etwas verloren.
Da waren auch Kinder in seinem Alter, die weinten und trauerten, während Houdini so seltsam teilnahmslos wie immer war und man ihm seine Gefühle kein bisschen ansehen konnte. Vielleicht war ihm das alles auch egal.
Phillis selbst fühlte sich auch verloren.
Begräbnisse waren noch nie wirklich das ihre gewesen – sie wusste nicht, ob man sich bei einem Begräbnis überhaupt wohl fühlen konnte.
Sie hatte schon einige hinter sich – viel zu viele für ihren Geschmack. Auch da hatten sie sich von Kindern verabschieden müssen, teilweise jünger, als Silas es gewesen war.
Und doch war es bei Silas anders – Silas war kein Demigott gewesen.
Sein junger Tod war nicht gegeben gewesen – nicht von Geburt an bestimmt.
Irgendwie machte das seinen Tod schlimmer.
Außerdem hatte Phillis bisher nur Begräbnisse im Camp beigewohnt. Da hatten sie auf einem Scheiterhaufen Leichentücher verbrannt und sie alle hatten gewusst, dass es nicht das letzte Begräbnis werden würde, immerhin starben Demigötter jung.
Dieses Mal befand Phillis sich aber umgeben von Leuten, die sie mit der Welt der Zauberer verband.
Leute aus Hogwarts, die sie erkannten, sprachen sie an und fragten sie, wo sie gewesen war, warum sie nicht in Hogwarts war.
Da waren Lehrer, die sie erkannten und ansprachen, sie nach ihrem Leben fragten und tatsächlich interessiert schienen, was sie bisher erreicht hatte, während Phillis ihnen nicht wirklich sagen konnte, dass sie eigentlich noch nichts wirklich erreicht hatte.
Vielleicht hatte sie an irgendeinem Punkt gedacht, die Kontrolle über diesen Krieg zu haben, aber eigentlich hatte sie überhaupt nichts unter Kontrolle.
Zum Glück war da Houdini.
Alle anderen Demigötter waren nicht gekommen – aus gutem Grund. Aber Houdini war mit Phillis gegangen und keiner hatte auch nur in einem Satz erwähnt, dass Phillis Houdini brauchte.
Und ohne ihn wäre sie wohl in diesem Teich aus bekannten und unbekannten Gesichtern ertrunken.
Jeder sollte jederzeit einen besten Freund dabei haben, der sich überhaupt nicht um irgendwelche sozialen Gesetze kümmerte und – sobald das Gespräch unangenehm wurde – einfach sagte: „Entschuldige, aber du bist mir zu langweilig. Können wir woanders hingehen, Phil?"
Es war einfach, sich für jemand anderen zu entschuldigen, wenn man sich eigentlich dasselbe gedacht hatte, aber zu höflich war, um es auszusprechen. Es war dann nur Phillis' Aufgabe, entschuldigend zu lächeln und eine eilige Entschuldigung zu murmeln, bevor Houdini sie am Ärmel weiterzog.
Er hielt sie fest und obwohl Houdini sie mit seinem Griff beinahe nach unten zu ziehen schien, so zwang er Phillis gleichzeitig, immer darauf zu achten, gegen ihn zu arbeiten. Sie musste sie gegen ihn stemmen und damit blieb sie im Hier und Jetzt verankert. Phillis wusste nicht, ob das Houdinis Absicht gewesen war, aber es funktionierte.
Unter den Professoren von Hogwarts war auch Professor McGonagall, Phillis' ehemalige Hauslehrerin und eine Unterstützerin. Als Phillis noch bei McGonagall in der Klasse gewesen war, hatte die Professorin sie gefühlt überhaupt nicht leiden können – so hätte es jedenfalls Phillis beschrieben. Aber seit sie ihre ZAGs versaut hatte und sie nicht mehr Verwandlung ging, schien McGonagall sie irgendwie akzeptiert zu haben.
Phillis war sich da nicht so ganz sicher, deswegen warf sie nur einen kurzen Blick auf die Professorin, bevor sie eilig so tat, als hätte sie sie nicht gesehen.
Professor McGonagall schien wohl dasselbe zu tun.
Aber immer wieder trafen sich ihre Blicke und sie beide schienen mit sich zu kämpfen, ob sie nun den jeweils anderen ansprechen sollten oder lieber weiter so taten, als hätten sie sie nicht gesehen.
Schließlich schien McGonagall all ihren Mut zusammen zu raufen und ging direkt auf Phillis zu.
„Miss Dolohow", begrüßte Professor McGonagall sie höflich – ihr erster Fehler.
Houdini wusste, dass so ziemlich niemand Phillis „Miss Dolohow" nannte – niemand, außer Professoren.
Phillis konnte (oder wollte) Houdini gar nicht aufhalten, als er seinen Abwehrmechanismus aktivierte, als er all seine Unhöflichkeit in seinem kleinen Körper bündelte und mit einem Mal auf die arme McGonagall losließ.
Houdini musterte McGonagall kritisch von oben bis unten und wie es für Houdini üblich war, erkannte er sofort die Schwachstelle einer Person und nutzte all seine Talente (als Teenager und professionelles Arschloch) dafür, um Professor McGonagall mit nur wenigen Worten das Leben zu ruinieren.
„Warum mag eigentlich niemand Schotten?", fragte Houdini geradeheraus, ohne Vorwarnung und dementsprechend perplex sah McGonagall – eine sehr stolze Schottin – ihn an, „Ich meine... ja, ihr redet seltsam, aber letztendlich hassen sogar andere Schotten Schotten. Warum? So schlimm kann doch –"
„Houdini", unterbrach Phillis ihn mit hochrotem Kopf und sie wusste nicht, ob sie lieber schnell wegrennen sollte oder doch lieber lachte, „Schon gut."
Houdini musterte McGonagall noch einmal, aber er verstummte sofort.
Nun musterte McGonagall Houdini kritisch und blickte zwischen ihm und Phillis hin und her.
„Houdini", fragte Phillis ihren besten Freund, „Gibst du uns einen Moment?" Irgendwie brachte Phillis im Moment lieber etwas Abstand zwischen Houdini und McGonagall und sie hatte auch nichts dagegen, mit McGonagall zu sprechen.
„Klar", sagte Houdini und ließ Phillis' Ärmel los, „Gib mir einfach ein Zeichen, falls du mich brauchst. Ich bin da hinten und versuche, nicht vor Langeweile zu sterben."
Houdini stolzierte schon beinahe davon und Phillis sah ihm einen Moment lang hinterher, bevor sie zu McGonagall blickte, die wohl dasselbe getan hatte.
„Nun...", meinte die Professorin und räusperte sich, „Wahrscheinlich erlauben Sie mir diese Anmerkung, Miss Dolohow, aber Sie haben seltsame Freunde und Bekannte."
„Ist mir bewusst", lächelte Phillis.
„Er scheint ein guter Freund zu sein", bemerkte McGonagall und musterte Phillis ernst, „Nehmen Sie das nicht als selbstverständlich an."
„Natürlich nicht", versprach Phillis eilig, „Es... sind glaube ich immer alle anderen, die seinen Wert nicht sehen..."
Professor McGonagall musterte Phillis wieder und Phillis wich ihrem strengen Blick aus. Sie wusste nicht genau, wie viel McGonagall wusste. Dumbledore und sie waren gute Freunde, aber McGonagall war kein Mitglied des Phönixordens – sie hatte Dumbledore gesagt, dass sie in diesem Krieg für die Seite des Ministeriums kämpfte und für diese arbeitete. Das änderte aber nichts daran, dass sie gute Freunde waren und vielleicht genauso miteinander sprachen, wie Phillis und Houdini es taten.
„Es scheint viel passiert zu sein", sagte McGonagall schließlich zögerlich, „Ich muss zugeben, Miss Dolohow, dass ich enttäuscht war, zu erfahren, dass Sie dieses Jahr nicht nach Hogwarts zurückkehren würden."
„Ich fürchte, meine Talente werden woanders gebraucht, Ma'am", murmelte Phillis kleinlaut und blickte zu Boden, um nicht in McGonagalls strenge Augen sehen zu müssen. McGonagall – und ihre Mutter – schafften es immer, Phillis in solchen Situationen ein schlechtes Gewissen zu geben.
McGonagall seufzte. „Das ist mir bewusst... Ich weiß nicht, warum genau Sie jetzt schon in diesen Krieg hineingezogen werden, aber ich glaube, insgeheim hat jeder gewusst, dass Sie nicht noch ein Jahr in Hogwarts verbringen würden."
Phillis wusste nicht, was sie dazu sagen sollte und sie überlegte sich, ob sie Houdini ein Zeichen geben sollte, damit er zurückkam und McGonagall wieder so lange beleidigte, bis sie freiwillig ging.
„Mr Robins hat Sie bewundert", sagte McGonagall und weckte damit wieder Phillis' Interesse, „Er hat viel von Ihnen gelernt, Miss Dolohow. Ein wirklich talentierter und loyaler Schüler. Hören Sie nicht auf, auch noch andere zu inspirieren."
Phillis schluckte schwer und nickte nur, ohne aufzusehen. Tränen waren in ihren Augen, die sie eigentlich bis jetzt ziemlich gut hatte zurückhalten können.
Wie auf ein Stichwort war Houdini an ihrer Seite und klammerte sich sofort wieder an ihren Ärmel. „Phillis!", sagte er laut und zog sie von McGonagall weg, die den beiden nur amüsiert nachblickte, „Mir ist langweilig! Gehen wir!"
Leute, die in der Nähe gewesen waren und das gehört hatten, blickten empört in seine Richtung, aber Houdini ignorierte sie einfach.
Und Phillis wusste auch, dass er das nicht für sich gesagt hatte, sondern für sie – damit sie gehen konnte.
„Na gut", seufzte sie, als würde sie es nur ungern tun (aber eigentlich war sie wirklich froh darüber) und sie wischte sich mit dem Ärmel über die Augen, um die Beweise für ihren Gefühlsausbruch zu verbergen. „Gehen wir... Willst du fahren?" Phillis wusste nicht, ob sie im Moment konzentriert genug dafür wäre.
„Klar", versicherte Houdini ihr, „Ich bin sowieso der bessere Fahrer." Das stimmte nicht wirklich, aber niemand auf dem Begräbnis wusste das.
Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top