Eisige Pfade
Mortis
Die Kälte dieser Region war schneidend wie eine Klinge und kroch einem unter die Haut wie ein Insekt. Ein extremer Kontrast zu der Hitze an der Kluft. Es war ein Paradebeispiel für das Chaos, das Belials dämonische Energie mit den Naturgesetzen anrichtete. Gleichzeitig fand ich den blutroten Schnee faszinierend. Die dicken Schneeflocken wirkten wie Blüten aus Blut die vom Himmel vielen. Wie verdreht musste mein Wesen mittlerweile sein, das ich selbst jetzt in der Apokalypse die Schönheit fand.
Je näher ich meinem Ziel kam, desto kälter und stürmischer wurde es. Das einst so malerische Panorama der Alpen wirkte nun wie ein Bildnis aus der Hölle. Dass hier überhaupt Menschen leben konnten, war bemerkenswert und clever. Die Bruderschaft hatte dieses Gebiet längst aufgegeben und zur Todeszone erklärt. Die Schneestürme waren sowohl Todesfalle als auch der perfekte Schutz. Maschinen versagten bei der Kälte und ohne Orientierung würde man auf ewig im Kreis laufen bis man erfror. Dies bewiesen mir die verlorenen Seelen, die vereinzelt meinen Weg kreuzten. Entgegen meiner Natur ließ ich sie an ihrem Ort zurück. Viele von ihnen zürnten noch immer der Bruderschaft und waren ein zusätzlicher Schutz. Somit dienlich für den Moment. Ich wollte nicht, dass sich jemand in das hier einmischte. Auch wenn ich mir selbst gar nicht so sicher war was „das hier" genau war. Nostalgie? Langeweile? Ein letzter schlechter Witz, wenn sie feststellen, was aus mir geworden war, ehe sie versuchen, mich umzubringen? Rache weil Wolf bis zum Schluss versucht hat, mich aufzuhalten? Reue? Letzteres schloss ich aus. Das, was mich hier lenkte, war kein Versuch, meine Taten wieder gut zu machen. Ich sah es auch nicht als Fehler. Eher ein Hauch von Schicksal, gesponnen aus etwas sehr Altem, das die Neugier des Todes, seit Anbeginn der Zeit weckte. Es war nur die Frage, ob es den Beteiligten guttun würde die Neugierde des Todes zu wecken. Genau so wie damals in Babylon...
Ich spürte die verborgenen Blicke bereits, als ich an einem alten Turm vorbeikam. Die Seelen der Menschen darin waren mir nur zu gut bekannt. Ina und Samu würden schon bald den anderen Berichten, dass ich auf dem Weg war und doch tat ich so, als wüsste ich es nicht. Stur trieb ich Klepper weiter durch den eisigen Wind. Er war hier schwächer als noch vor einigen Kilometern aber nicht weniger feindselig. In der Ferne hörte ich bereits das Rufen der Krähen. So leise das sie kaum mehr als ein Flüstern im Wind waren.
Eine kleine Welle der Euphorie überkam mich, als sich das kleine Dorf mit dem beeindruckenden Kloster vor mir auftat. Fast könnte man es für eine Burg halten doch das riesige Kreuz oben auf der Spitze verriet etwas anders. Der gesamte Ort stand auf heiligem Boden, in solch einer Pracht das nicht einmal die Verderbnis ihr etwas anhaben konnte. Dies musste der zweite Grund sein, weswegen die Bruderschaft es nicht schaffte Wolf aufzuspüren. Es würde mich nicht wundern, wenn sich tief in den Mauern ein heiliges Relikt befinden würde. Selbst mir war es bis jetzt nicht möglich gewesen. Wieso die Knochen es mir genau jetzt verraten hatten, das entzog sich selbst meinem Verständnis. Vermutlich gab es hier eine Seele, die nach mir rief und stark genug war, so eine weite Strecke zurückzulegen. Ob lebend oder Tod, würde ich bald herausfinden, denn wen sie dachten, dass Heiligerboden mich aufhielt, dann täuschten sie sich schwer. Mit langsamen Schritt ritt ich die schmale Straße hinauf zum Kloster. Der Klang der Hufe hallte durch die stille Gasse. Die Angst der Menschen in den Häusern war förmlich zu schmecken. Doch je näher ich den Mauern des Klosters kam, desto mehr mischte sich Zorn und Fassungslosigkeit in diese Atmosphäre. Mit einem Lächeln unter meinem Mundschutz zog ich meinen Hut tiefer und Schritt durch den Torbogen. Klepper jedoch blieb vor dem kleinen Marktplatz stehen. Neugierig blickte ich auf den Boden.
Wolf
Mein Herz raste. Als wäre der Teufel persönlich hinter mir her hastete ich ins Kardinalszimmer zurück und griff nach dem Funkgerät. „Ina? Samu? Was ist los?" Rief ich hektisch. Es knisterte. Die wenigen Sekunden die Samu brauchte, um zu antworten, fühlten sich wie eine Ewigkeit an. „So eben passierte eine ziemlich heruntergekommene Gestalt den Turm. Scheiße der Typ trug nur lumpige schwarze Fetzen und sein Pferd sah aus, als würde es jeden Moment umkippen." Ich schluckte „Und ihr seid euch sicher, dass es ein Reiter ist?" Ina mischte sich nun ein „Scheiße, wenn das ein Mensch war, dann fress ich meinen letzten Schlüpfer. Es ist nicht so, dass er gefährlich aussieht oder so. Aber..." Sie grummelte und suchte offensichtlich die richtigen Worte. „Ich verstehe, was ihr mir sagen wollt. Nur wie finden wir heraus, welcher es ist?" „Nun das ist ziemlich einfach." Henry trat neben mich und nahm mir das Funkgerät aus der Hand. „Samu wie sah das Pferd aus?" „Als ob es eigentlich längst tot sein müsste." Kam die knappe Antwort. „Dann meine Freunde bekommen, wir es mit dem Tod selbst zutun. Laut der Bibel ist sein Symbol das fahle Pferd. Nehmt den Tunnel zurück zum Kloster. Ich denke nicht, dass er in Begleitung kommt." „Alles klar wir sind auf dem Weg." Verabschiedeten die beiden sich und es wurde still in der Leitung.
Ich sah Henry an. „Hast du einen Plan?" „Nein wir müssen improvisieren. Wir sind auf heiligem Boden und haben einen Vorteil. Nur bin ich mir nicht sicher, ob ihn das abhält. Wir probieren es mit dem Siegel aus der Schriftrolle. Wir haben alles da. Ich vermute nicht, dass man mit dem Tod verhandeln kann. Aber wir sollten so Zeit gewinnen, um fliehen zu können." „Nein wir werden ihm einen ordentlich heißen Empfang bereiten. Ich habe keine Lust, alles zu verlieren, was wir aufgebaut haben. Shadow mach die Maschinen klar! Zur Not beschießen wir ihn mit allem, was wir haben!"
Wir hatten für diesen Moment geübt, so oft wir konnten. Jeder einzelne von uns kannte seinen platz in so einem Notfall und ich hatte das kleine Dorf aufgerüstet mit Dingen, die wir damals bei unserer Ankunft hier vorgefunden hatten und einiges, das wir von alten Schlachtfeldern mitbrachten. Zusammen mit Jason und Ramona hatte ich Waffen entwickelt die mit gesegneten Kugeln, niedere Dämonen niederstrecken konnten. Zunächst hatten sie die wenigen verbliebenen Bewohner des Klosters geweigert, doch die Zeiten waren hart und die Schwester Oberin hatte sie überreden können. Eine resolute Frau die entgegen, ihres Standes einen sehr harschen Wortschatz hatte. Ich mochte die alte Dame sehr. Nun war sie es, die die Fluchttunnel im Falle unseres Versagens sicherte und dafür sorgte, das fliehen konnte, wer wollte. Alle anderen würden wie wir bis zum Schluss bleiben, um einen der letzten noch heiligen Orte zu verteidigen. Egal wie verloren unsere Position auch war. Entschlossenheit begegnete mir, als ich in die Augen meiner Freunde blickte. Wir hatten uns in gegenüberliegenden Gebäuden am Marktplatz verschanzt und warteten darauf, das Henry und die Nonnen damit fertig wurden das Symbol auf den Boden zu malen und zu verstecken. Nur Amber, die neben Ihrem Vater stand, wich mir wie so oft aus. Gerne hätte ich das was vorgefallen war mit Ihr bereinigt, aber es war nun einmal nicht zu ändern. Leon der neben mir stand und das Trauerspiel mit ansah, lachte.„Sie ist immer noch sauer auf dich Wolf. Wie kann man so schlau sein wie du und es so sehr bei einer Frau verkacken?" „Lass es Leon, das ist nicht der richtige Zeitpunkt und das sollte Amber auch wissen. Wir haben wirklich andere sorgen!" „Einer Frau ist das aber egal, wenn sie Sauer ist. So sind sie nun einmal! Du hast Schluss gemacht also bist du der größte Feind in ihren Augen. Das wirst du wohl mit ins Grab nehmen müssen."
Ja die Befürchtung hatte ich schon lange. Ich konnte mich wohl schon glücklich schätzen, dass sie einfach nur nicht mit mir sprach. Schwer seufzend konzentrierte ich mich wieder auf die Situation. Wie perfekt Getimte, kam gerade, als sie fertig waren, die Meldung das der Reiter den Weg hinauf passierte. Wir alle hielten den Atem an während die Hufschläge, immer näher kamen. Dann sah ich ihn.
Er war deutlich kleiner, als ich es vermutet hatte. Ganz in schwarze Fetzen gekleidet. Sein Gesicht verborgen unter einem riesigen Westernhut. Für einen Moment glaubte ich, weißes langes Haar darunter aufblitzen zu sehen, doch ich war mir nicht sicher, ob ich meinen Augen trauen konnte. So Grotesk wirkte er und sein Pferd auf mich. Samu hatte recht gehabt. Das Pferd und auch der Reiter sahen aus, als wären sie dem Tode sehr nah. Man erwartete fast, dass sie jeden Moment einfach umfielen. Ich sah zu Leon und konnte ihm seine Gedanken auf der Stirn ablesen. Und das ist unser Gegner? Stumm gab ich ihm recht, aber auf der anderen Seite wurde das Gefühl in mir weit weglaufen zu wollen immer größer. Mein Herz hämmerte so laut in meiner Brust, das ich Angst hatte, es könnte mich verraten. Unweigerlich fragte ich mich, wie stark er wohl sein mochte. Bis jetzt gab es über den Tod nur Gerüchte und abergläubische Regeln, die selbst bis zu uns durch gedrungen waren. Abrupt blieb das Pferd, mitten im Tor Bogen stehen und ich unterdrückte ein keuchen. Mit seinen Hufen scharrte es nur wenige Zentimeter vor dem Bannkreis im Schnee und senkte schließlich den Kopf, so das sein Reiter nach unten sehen konnte. Erst da viel mir auf, was mich die gesamte Zeit an den beiden gestört hatte. Bei dieser Kälte stieß jedes Lebewesen warme Dampfschwaden beim Atmen aus. Es fehlte bei Ihnen. „Scheiße wieso geht er nicht weiter?" Wisperte ich leise und musste zusehen, wie der Reiter sich langsam über den Kopf des Pferdes beugte und auf den Boden sah. Der Schnee bedeckte den Kreis und es war eigentlich unmöglich, ihn zu sehen und doch zögerte er. Jedoch kam er nur auf den Platz, wenn er hindurch ritt. Seine mit Stoff bedeckte Hand, strich gerade zu liebevoll über den eingefallenen Hals des Tieres. Als hätte es etwas besonders Gutes getan. Aber der Gaul war blind...wie? Plötzlich kam Bewegung in den Reiter und er schwang sich mit einer einzelnen fließenden Bewegung vom Pferd. Sanft schob er das Tier einige Schritte zurück. Dann tat er etwas, mit dem ich nicht mehr gerechnet hatte. Der Reiter trat mit einem großen Schritt in den Bannkreis. Schwarze Lichtfäden schlugen aus dem Boden und die Erde vibrierte gefährlich. Mit einem grellen Schrei protestierten die beiden Krähen vom Dach und das Pferd trat nervös aus und brach schließlich zusammen. Das Spektakel dauerte nur Sekunden, ehe die Umgebung wieder zurück in die Stille sank. Keuchend atmete ich auch, als der Reiter in die Knie ging ohne einen laut. „Oh mein Gott wir haben es geschafft! Wir haben einen Reiter gefangen!" Hörte ich Leon laut rufen. Ich hoffte für ihn, dass er recht hatte.
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Das nächste Kapitel erscheint am Sonntag Abend.
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