Die Stadt, die brannte

Die Rauchschwaden standen kilometerweit gen Himmel. Der Geruch von verbranntem Fleisch und Schwefel bannte in den Atemwegen. Ganz automatisch zog ich das Tuch über Mund und Nase höher und die breite Krempe meines Hutes ein Stück nach unten. Meinen Körper hielt ich verborgen unter einem schwarzen Poncho. Eine Farbe, die ausnahmslos jedes meiner Kleidungsstücke hatte. Der Stoff war bereits so abgenutzt, dass der Saum nur noch aus Fetzen bestand. Von weiten hielt man mich für einen nutzlosen Banditen aus einem alten Westernfilm oder einen heruntergekommenen Wanderer. Ein starker Kontrast zu meiner albinofarbenen Erscheinung, die wirkte, als wäre sie aus Elfenbein geschnitzt worden. So schritt ich meinen Weg in Einsamkeit dahin.

War ich in der Hauptstadt der Bruderschaft, so galt die eiserne Regel, mir gab man nichts zu essen, bot mir keinen Platz, zum rasten an. Denn den Tod lud man nicht ein.

Eine Regel, die sich sehr schnell verbreitet hatte. Geduldet aber nicht willkommen. Notwendig, aber nicht gewollt.

Zum Glück war ich nie vollkommen alleine. Mein treuer Freund Klepper war immer an meiner Seite. Zu beginn, hatte ich mir sorgen, um ihn gemacht. Seine kranke und ausgehungerte Erscheinung war mehr als befremdlich. Doch dieses Pferd aß nicht und trank nicht. Klepper war ein Symbol dessen, was ich war. Wofür ich stand. Wie von Schicksal gelenkt tauchten wir dort auf, wo der Tod Einzug erhielt. Gemeinsam sammelten wir die Seelen der Verstorbenen und brachten den Tod an die Orte, die das Schicksal vorsah, um meinen unstillbaren Hunger zu lindern. Meist aufgrund der Arbeit meiner Geschwister.

So wie auch jetzt. Von weit oben hörte ich das Krächzen der zwei Krähen, die mich immer zu verfolgten. Für mich waren sie wie zwei Vorboten, die mich ankündigten, wenn man den genau hinsah. Sobald ich an meinem Ziel eintraf, verschwanden sie für gewöhnlich, nachdem sie sich am Fleische sattgefressen hatten, nur um am nächsten Ort wieder auf mich zu warten.

Klepper blieb stehen und ich strich über sein stumpfes Fell. Der Strom an verwirrten Seelen die Ihren Körper nicht mehr fanden, ließ meinen Körper freudig erschaudern. Verborgen für die Augen der Lebenden, war es immer wieder ein Anblick, für das es keinen menschlichen Ausdruck gab. Dabei machte ich keine Unterscheidung, ob der Verstorbene menschlich oder dämonisch war. Denn im Tode waren alle gleich.

Sanft stieß ich ihm mit der Ferse in die Rippen und er begann über die Leichen der Verdammten zu steigen. Diesmal hatte meine alten Freunde, eine empfindliche Stelle getroffen. Ihre Anschläge gegen die Arme der Verdammten wurden immer großflächiger. Was mir wiederum viele Seelen brachte.

Es hatte eine ganze Stadt erwischt, in der Anhänger der Bruderschaft und Soldaten der Verdammten stationiert waren. Zivilisten gab es hier jedoch keine. Die Stadt selbst war kaum wichtig. Jedoch verbarg die im Untergrund eine für die Bruderschaft wichtige Raffinerie. Ein Mittel, das verderbtes Essen wieder genießbar machte. Nun aber war alles in einem Meer aus Flammen aufgegangen. Die Hitze des Feuers spürte man bereits einen Kilometer vor der Stadt. In den Gassen selbst, war sie jedoch unerträglich. Sie alleine reichte aus, um die Haut zu versengen. Viele hatten noch versucht zu fliehen, starben aber an den giftigen Dämpfen der brennenden Fabrik. Der Rest verbrannte elendig. Dämonen mochten kein irdisches Feuer. Vor allem wenn es durch Chemikalien entstand. Ab einer gewissen Hitze war es nicht mal ihnen mehr möglich, sich zu erholen.

Letztlich war es meine Anwesenheit, die die Endgültigkeit besiegelte. Ihre Seelen wurden ein Teil von mir. Ihr Schmerz wurde zu meinem. Sie begleiteten mich bis zum Ende dessen, was kommen würde. Tränen aus Blut flossen über meine Wangen. Dies war die Aufgabe des Reiters des Todes. Zu dem wurde ich gemacht. Ob als Geschenk oder als Strafe für meinen Verrat an der Menschheit, das konnte sich jeder selbst aussuchen.

Bereits vom Weiten hörte ich die Flüche einer mir bekannten Stimme, als ich das Notdürftig aufgeschlagene Lager neben der Stadt betrat. Es lag gut 2 Kilometer von der Stadt entfernt an einem blutroten See.

Als Lucian mich erblickte, verfinsterte sich sein Blick, ehe er sein schmieriges Lächeln aufsetzte. „Was sehen meine müden Augen. Meine Libitina. Ich hatte gehofft, dich hier zu treffen." Seine Haltung sagte mir, dass er erwartete, dass ich ihm seines Standes entsprechend begrüßte. Allerdings zog ich es vor, auf Klepper sitzen zu bleiben. Es bestand keine Notwendigkeit abzusteigen. Und ohne diese würde ich das auch nicht tun. „Ich mag es nicht, wenn du mich so nennst. Ich bin keine Leichengöttin."

Er schnalzte mit der Zunge und schob seine Hände in die weiten Ärmel seiner Robe. Das Zeichen Belials prangte auf seiner Brust. Er war geradezu überladen mir schwerem Goldschmuck. Wie so oft veränderte Macht die Menschen. „Das solltest du aber sein liebste Mortis. Sieh dir Stadt an, zerstört von diesen Maden und du reitest gemütlich durch die Botanik. Wann erledigst du deine Arbeit?" Seine Stimme wurde ungehalten und drohend, beeindruckte mich jedoch nicht. Meine Augen schweiften längst wieder rastlos umher. „Der Herrscher wird ebenfalls ungeduldig, er verlangt Opfer. Die anderen machen ihre Sache wesentlich besser." Ich seufzte „Meine Geschwister sind treibende Kräfte, ich hingegen bin das Ende. Du kannst mir drohen, so viel du willst. Ich habe getan, was verlangt wurde. Wolf hält sich sehr gut versteckt, er ist vorsichtig. Du solltest dir lieber über deine eigenen Maßnahmen Gedanken machen, wenn sie so deutlich versagen." Wut quoll in seinen Augen. „Und erzähl mir nicht du könntest nicht, Reiter des Todes. Ich habe selbst gesehen, wie tödlich du sein kannst. Seitdem wagt es niemand, das Waisenhaus anzufassen oder auf 5 km ran zu gehen. Alles liegt noch immer so da wie zur Stunde deines Erwachens."

„Du hast mir eine Residenz zugesprochen und ich habe sie gewählt. Werf mir nicht vor das ich meine Zuflucht schütze." Mir sollten keine Emotionen zustehen, doch bei diesem Thema wurde meine Stimme schneiden wie zersplittertes Glas. Klepper stampfte wütend auf. Es war nicht zu verhindern das bei diesem Ausbruch, Seelennebel aus meinem Körper trat. Wie eine Aura warpte er um mich herum und man könnte leise die Schreie der Verstorbenen hören. Lucian wich erschrocken zurück. Besan sich aber dessen, dass ihn all seine Untergebenen um uns herrum anstarrten.

„Finde einfach diesen verdammten Wolf endlich, Mortis! Noch hört die Bevölkerung auf uns. Aber wenn wir die Ressourcen verlieren, die sie in Schach halten, wird auch dein Kopf rollen! Du bist nicht unantastbar!"

Es gefiel mir nicht, wie er mit mir sprach, doch ich konnte nichts dagegen machen. Er saß am längeren Hebel solange das Mahl auf meinem Rücken prangte. „Wie ihr wünscht Pater." Damit drehte sich Klepper um und Schritt in seinem gewohnten, lahmenden Gang davon.

Unzählige Augen begleiteten meinen Weg hinaus.

„Da sieh, das ist der Tod. Sie nennen sie Mortis." „Angeblich soll sie so schön sein wie ein Engel ..." „Blasphemie in ihrer Reinform. Gott muss uns hassen, dass etwas so Schönes, so grausam ist ..." „Also ich glaube das nicht. Wozu versteckt sie alles? Sicherlich besteht sie nur aus verrottetem Fleisch ..." „Wie ein Lump sie sie aus?" „Natürlich ist der Tod ein Weib! Die bringen sowieso nur ärger. Ordentlich bumsen müsste man die mal!" „Lieber nicht sonst fällt dir der Schwanz ab ..." „Verräter!"

Das Geflüster der Untergebenen verfolgte mich dabei, bis ich genug Abstand hatte. Hin und wieder traf mich faules Obst oder ein Stein. Ich trug es ihnen jedoch nicht nach. Sie hatten nicht unrecht und mit den Jahren war ich in eine Art Lethargie der Gleichgültigkeit gefallen. Nur schwach erinnerte ich mich daran, wie sich Emotionen anfühlten. Begleitet wurde ich von grollendem Donner, der ein Unwetter ankündigte.

Mein Ziel war eine Kluft unweit von hier. Bereits auf meinem Weg hier her waren mir ungewöhnliche Spuren aufgefallen. Tiefe abdrücke von Reifen und Fußspuren im kargen Boden. Ich folgte ihnen an den Rand, wo sie endeten, und sah mich um. Ein Fahrzeug das in der Lage war, so schwere Lasten zu tragen, verschwand nicht einfach. Nur wo waren sie hin? Über die Schlucht konnten sie nicht und es gab in der Nähe keinen Übergang. Dieser wurde vor zwei Jahren bei einem ähnlichen Anschlag gesprengt. Außer sie hatte einen geschaffen. Geschmeidig sprang ich von meinem Pferd, das nun aufgebracht wieherte. Er mochte es nicht, wenn ich mich von ihm trennte.

Das Gestein an der Kante bröckelte gefährlich unter Ihren Füßen, als ich mich nach vorne lehnte. Früher einmal hätte ich mich solche Dinge nicht getraut. Aber ich bin auch nicht in die Verlegenheit gekommen einer schwer bewaffneten Rebelleneinheit nachzujagen und dabei am Rand einer Klippe zu balancieren. Mit meinen scharfen Augen sah ich mir das Gestein unter mir an. Schließlich fand ich meine Antwort in winzigen unnatürlichen Bruchstellen auf beiden Seiten der Kluft. Es schien, als wäre etwas sehr Schweres diese Wand hinaufgeklettert. Wie clever eine Maschine die geklettert. Ich empfand Bewunderung dafür, dass Wolf selbst ohne Computer und Internet so mächtig war. An dieser Stelle war es mir nicht möglich, ihm zu folgen. Der Umweg kostete Zeit, aber das machte nichts. Gemächlich trat ich von der Kante und ging zurück zu Klepper. Seine rissige Nase stupste mich begrüßend an und Griff in meine Satteltasche. Das kleine Samtsäckchen wog kaum etwas und doch fühlte es sich tonnenschwer an.

Sachte setze ich mich auf den staubigen kargen Boden, nahm das Tuch das mein Gesicht zur Hälfte bedeckte ab und breitete es vor mir aus. Ich schloss die Augen und spürte die trostlose Welt um mich herum. Dann fühlte ich es. Der sanfte hauch des Todes umschmeichelte mich. Rief mein Wesen, mein Sein. Ich nahm die runenverzierten Knochen, die ich in dem Säckchen hütete hinaus und umschloss sie mit beiden Händen. Zärtlich wie eine Liebende flüsterte ich ihnen, was ich wollte und warf sie auf das Tuch. Was sie mir erzählten, war mehr als interessant. Und je eher ich aufbrach, desto interessanter würde es werden.

Heute war wahrlich ein guter Tag. 

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