Tobe
Kapitel 4
Alsbald brach der ersehnte Tag für Tobe an. Das Ereignis, auf das er den ganze Sommer freudestrahlend hinfieberte. Voller Vorfreude, Begeisterung und Motivation erwachte er in seinem warmen Federbett. Auf dem Rücken liegend, die uralte Holzdecke des Bettenraumes über ihm anstarrend. Doch weder Arme noch Beine wollten von seinem Enthusiasmus etwas wissen. Sie fühlten sich an als wären sie schwere unbewegliche Klötze. Überhaupt war es ihm kaum möglich sich zu rühren. Jede Bewegung spürte er. Er hatte schon öfter schmerzen in seinen Gliedern und die dicken Bücher der Bibliothek, in die er nicht selten seine Nase steckte, erlaubtem ihm die Schmerzen dem Muskelkater zuzuschreiben. Aber einer solchen Unbeweglichkeit gepaart mit brennenden Qualen hätte er sich im Traume nicht vorstellen können. Die Betten der anderen Mönche waren bereits leer. Möglicherweise gingen sie ihren Tätigkeiten nach. Tobe stieß einen Schrei des Unmuts aus. Er biss seine Zähne zusammen und drücke seine Arme, die eine ähnliche Konsistenz wie Pudding hatten, mühselig nach oben, schließlich wollte er nicht den ganzen besonderen Tag im Bett versauern.
Trotz seiner Bemühungen brauchte er eine weitere Viertelstunde um sich aufzustellen und seinen noch schlafen Körper aus dem Raum zu hieven. Langsam und stürzend schlich er die Treppen in die große Halle herab. Jonach baute mit Kami gerade die Speisetafel für das Fest nachher zusammen. Dazu ordnete er einige Tische in einer U-Form an und stellte einfach Klappbänke auf.
„Ausgeschlafen?", fragte Jonach.
Tobe nickte, so weit es seine Nackenmuskeln zuließen.
„So richtig wach siehst du aber nicht aus", fügte Jonach bei.
Tobe verzog das Gesicht. „Sahst du gestern auch nicht. Und meiner Erfahrung nach wirst du morgen Nach dem Fest erst gar nicht aufstehen können."
Jonach begann zu lachen, denn er wusste, dass er Tobe recht haben könnte. Wein war halt einfach zu köstlich und wenn er mit seinen Freunden trank, konnte er keine Grenze ziehen.
„Wie spät haben wir es eigentlich?", fragte Tobe
„Um Zehn." sagte Jonach
Tobes Überraschung der Vorangegangen Zeit stand ihm deutlich im Gesicht geschrieben, dass es schon so spät war. Erschöpft der Anstrengung bis hierher zu kommen, setzte sich Tobe auf die harten Bänke.
„Willst du nicht helfen?", beschwerte sich Jonach.
„Ich treffe mich gleich mit Jess und ich fürchte das Bankrücken gerade nicht mit meinen körperlichen Fähigkeiten möglich ist."
Er erntete ein verächtliches Schnaufen von Kami.
„Ich habe sie heute noch nicht gesehen. Wisst ihr wo sie ist?", fragte Tobe.
„Sie ist vorhin hier durch gerannt in Richtung Dorf. Hat aber nicht gesagt warum, dazu müsstest du sie nochmal fragen", sagte Jonach. „Wenn es jemand weiß, dann sicherlich Maru."
„Alles klar ich werde Maru besuchen und vielleicht hat sie ja auch etwas gegen den verdammten Muskelkater."
Was für ein Schwächling. Kaum gebe ich ihm ein paar Trainingseinheiten, schon ist er der halben Tag am schlafen. Absolut kein Talent, dachte Kami ohne es auszusprechen.
***
Tobe betrat den winzigen Raum der Maru zugeschrieben stand. In ihrem Alter, war es ihr erlaubt die kleine Kammer, die nur mit einem Fenster und Kerzen erleuchtet wurde, zu nutzen. Schließlich machten ihre alten Beine ein tägliches Treppensteigen nicht mehr mit. Das Zimmer war nicht allzu groß, neben einen kleinem ordentlich aufgeräumten Tisch, stand ein mit Schafsfell gepolsterter Stuhl, in dem Maru immer dann saß, wenn sie nicht gerade im Garten rumwuselt und diesen pflegte. AN der Wand zierte ein Schrank voller Fläschchen, die mit Flüssigkeiten aller möglichen Farben gefüllt waren. Die Edikte auf ihnen zu entziffern, bedurfte hohe Kenntnisse der Kryptographie. So war die zittrige Handschrift nur für den Schreiber selbst lesbar.
„Hallo Maru", sagte Tobe höflich.
Maru schaute über ihre Stricknadeln und blickte Tobe in die Augen. Das tat sie immer, wenn sie mit anderen Menschen redete, als könnte sie direkt in die Seele des Gegenübers schauen.
„Hallo Tobe. Suchst du Jess?", ihre Stimme war ein leises Flüstern - fast schon ein schwaches Hauchen.
„Ja, Jonach hat mir erzählt sie musste in die Stadt. Weist du, wann sie wiederkommen wird?"
„Nicht genau, sie hat nur gesagt, sie würde bis zum Beginn des Festes wieder zurück sein. Vielleicht sollte sie für Berno noch etwas besorgen. Der ist gerade so im Stress wie immer um die Zeit."
Dann schaute sie wieder auf die Stricknadeln und machte weiter.
„Hast du zufällig ein Zaubertrank gegen Muskelkater da?", fragte Tobe weiter.
„Ich habe keine Zaubertränke, aber einen Saft, der dir sicherlich helfen wird", entgegnete sie.
Langsam stand sie auf. Kurioserweise war ihre gebückte Gestalt kleiner, als ihre im Stuhl sitzende. Mit stark gekrümmten Rücken ging sie Schritt für Schritt zum Regal und suchte nach einer bestimmten Flasche. Als sie fündig wurde, nahm sie diese heraus und hielt Tobe das wunderliche Getränk hin. Die Flüssigkeit leuchtete in einem zähen Blau und mache nur bedingt den Anschein, als sei es wirklich wirkungsvoll.
„Soll ich Jonach eins mit dem Besen überziehen? Es ist ja schließlich nicht deine Aufgabe, die Schriften durch die Gegend zu wuchten", fragte Maru.
„Nein, Ich habe gestern Krafttraining gemacht", sagte Tobe voller Stolz. „Das war ausnahmsweise nicht Jonachs Schuld."
„Oh Krafttraining. Hat es dir den Spaß gemacht?"
Tobe nickte, während er das blau Heilmittel herunterwürgte.
„Eigentlich wollte ich Kami heute nochmal fragen. Doch ich glaube er ist zu beschäftigt."
„Du bist ein guter Junge Tobe. Es ist nicht ratsam gleich werter zu machen. Dein Körper braucht Phasen zur Erholung", sagte Maru freundlich. Dann nahm sie das Fläschchen mit ihrer knochigen Hand entgegen. „Gleich wird der Muskelkater nachlassen und wenn Jess früher kommt, sag ich dir Bescheid."
„Danke Maru", sagte Tobe. Dann stand er auf und verließ den kleinen Raum.
***
Die Zeit verstrich wie im Fluge und Jonach war fertig gewesen mit den Vorbereitungen, die der Pater ihm auftrug. Die ersten Gäste kamen bereits und setzten sich an die gedeckte Tafel, unter ihnen auch der Schmied und dessen drei Kinder, die das Leben von Tobe zur Hölle machten. Jonach rückte seinen Kragen zurecht, er hatte sich vorgenommen sich den Schmied zur Brust zu nehmen, aber jetzt wo er den muskelbepackten Mann sah, hielt er für Sinnvoll erst mal etwas zu warten und sich etwas Mut anzutrinken.
Er schenkte sich Wein in seinen Becher und setzte sich an den Tisch neben seine langen Freund Dross, der auch schon eingetroffen war und begierig ein Platz für seinen Saufkumpanen freihielt.
***
Tobe suchte währenddessen immer noch nach Jess. Keiner hatte sie gesehen, alle waren zu sehr auf das Fest fokussiert. Egal wen er fragte, jeder schüttelte nur den Kopf. Maru meinte sie würde hier sein wenn das Fest losging. Aber das Fest hatte bereits begonnen, die ersten Besucher kamen und feierten, tranken und Sangen lustige Lieder und Jess war immer noch nicht erschienen.
Natürlich war sein allerliebster Freund Carst auch da. Angelehnt an einer Mauer stand er und beobachtete ihn schon eine Weile. Unbehagen durchflutete ihn, als er an dem stämmigen Jungen vorbei ging. Es war sich sicher Carst würde ihn nicht verletzen. Nicht hier nicht bei all den Erwachsenen. Carst war sicherlich im Vergleich zu anderen dumm, aber so dumm konnte sich Tobe nicht vorstellen.
„Du suchst Jess richtig?", fragte dieser.
Verblüfft bleib Tobe stehen. Er konnte sich nicht entsinnen laut gedacht zu haben, oder gar Carst gefragt zu haben. Doch diese hämischen Augen die zu verengten Schlitzen geformt auf ihn blickten, voller Herausforderung, ließen ihm mulmig werden.
Tobe fuhr herum. Drücke seinen linken unter Arm an Carsts Kehle und diesen gegen die Wand des Ganges, an der er gerade noch lehnte. Er fragte sich woher er auf einmal die Kraft hernahm, aber es war ihm egal.
„Was hast du mit ihr angestellt!"
Beschwichtigend wackelte Carst mit seinen Armen.
„Nichts, ich habe rein gar nichts mit Jess gemacht", dabei lächelte er fies, ballte seine rechte Faust und ließ diese durch die Luft in Richtung Tobes Gesicht zischen.
Tobe sah es kommen. Carst nutzte immer die rechte Faust zum Zuschlagen. Das hatte er gelernt in all der Zeit, in der er drangsaliert wurde. Dieser Schlag war flink und um ein Haar hätte es Tobe getroffen, wenn dieser nicht instinktiv nach unten Ausgewichen wäre. So rauschte der Hieb ins Leere und brachte den Schläger zum taumeln. Seinen Stand ins schwanken und wie einer Mauer, deren Lehm längst bröselte, bedurfte es einen kleinen Schubser, um den dicken Jungen mit allen Vieren von sich gestreckt auf den Boden aufklatschen lassen. Niemand der Umstehenden schien dies zu bemerken. Wahrscheinlich hätten sie auch Tobe ignoriert wäre es Carst, der ihn demütigen würde.
„Sag mir wo sie ist", forderte Tobe.
„Okay, okay ich sag dir wo sie ist. Aber dazu musst du mich aufstehen lassen. Ich kann hier so schlecht reden", erklärte Carst, der sich darüber ärgerte den Schlag nicht getroffen zu haben und dem am Boden liegend jetzt die Optionen ausgingen.
„Keine Spielchen!" Tobe ließ Carst aufstehen in der Hoffnung dies nicht gleich wieder bereuen zu werden, wich zurück, um Abstand zu bewahren und lies sein Gegenüber nicht eine Sekunde aus den Augen, so wie es ihm eingetrichtert wurde.
Dieser beobachtete Tobe nicht, stattdessen schaute er kniend den Boden an während er seinen dicken Hals massierte.
„Ich weiß, wo Jess ist. Sie ist in der Stadt, folge mir. Ich verspreche dir keine Spielchen." Ohne sich zu Tobe umzudrehen ging er.
Tobe wusste nicht ob er ihm trauen sollte. Aber er schien der Einzige zu sein, der wusste, wo Jess gerade war.Die Entscheidung fiel ihm schwer doch schließlich gewann die Sorge und er schenkte dem Schläger Vertrauen.
Was er nicht bemerkte, war der Genuss des Sieges in Carsts Gesicht, als dieser mitbekam, dass Tobe ihm folgte.
***
Nach und nach trudelten immer mehr Besucher ein. Jedes Jahr wurden es mehr. Die Musikanten waren schon da und waren fleißig dabei mit guter Musik die große Halle zum Leben zu erwecken. Dabei spielten sie verschiedene Instrumente, wie Flöten, Harfen und Leiern, während der Sänger eine Ballade über die allseits beliebte Königin von Kato sang. Liebliche Musik durchströmte den Raum, neben den trunkenen Gesprächen dutzender Gäste und dem klirren von Geschirr, wie dem Zusammenstoßen von Weinbechern. Der Geruch von frischen Braten und Speisen hing schwer in der Luft. Die aufgebaute Tafel war so gut besetzt, dass einige Feiernden stehen mussten, aber es machte ihnen nichts aus den die Stimmung war am Höhepunkt angekommen.
Kami stand abseits im Schatten beobachtete das Geschehen, mit einem Glas Wasser. Dann betrat der Pater den Raum, um traditionell das Weinfass der neuen Saison zu öffnen. Ein großes Holzfass, das In der Mitte der Tafel auf einem Tisch aufgestellt wurde, sodass es für alle leicht erreichbar und einsehbar war.
„Sehr geehrte Gäste", sprach er in einer lauten Stimme, die den ganzen Raum zum Schweigen brachte.
„Vielen Dank, dass ihr alle so zahlreich erschienen seid, es liegt wieder einmal ein erfolgreiches Jahr hinter uns. Voller Frieden, Freiheit und Freude und hoffentlich wird uns auch das Nächste so glorreich begleiten."
Dann nahm er den Schlüssel und den Ausschenker in die Hand, legte sie an den unteren Teil des Fasses an und mit einem präzisen Schlag durchdrang er die Holzwand. Der Wein floss in seinem wunderbaren Rot in den Becher, den der Pater darunter hielt. Es freute ihn immer, wenn er diesen Moment genießen durfte und die Arbeit des Vorjahres begutachten konnte. Er hob den Becher in die Höhe.
„Auf eine wunderbare Feier." Anschließend nahm er diesen an seinen Mund und leerte den Inhalt mit einem einzigen Schluck.
Freudige Zurufe aus der Menge drangen durch den Raum und die Musikanten begannen wieder ihr Spiel aufzunehmen.
Als plötzlich ein lauter Knall, der einem Gewitter direkt über dem Kloster ähnelte, ertönte. Die Ferierfreude verfiel erneut in ein Schweigen die Türen zur Halle wurden gewaltsam aufgerissen und hauten mit voller Wucht gegen die geschmückten grauen Wände. Ein Man stand dort, der nur Schwach vom Licht des Raumes und der untergehenden Sonne beleuchtet wurde. Kami und der Pater erkannt ihn sofort an seiner Wolfskrone. Alle anderen starrten den Besucher an, der nun langsam fürstlich in die Mitte des Raumes trat, vor den Pater er war zwei Köpfe größer als der Mönch.
„Eine schöne Feier habt ihr hier", sagte er, „Warum war ich nicht eingeladen?"
„Du warst nie ausgeladen. Es stand dir frei zu kommen", antwortete der Pater gewohnt ruhig.
„Und so viel Essen." Gierig betrachtete er die aufwendig hergestellten Mahlzeiten.
„Ja, du hast Recht unser Koch hat wieder einmal großartige Leistungen vollbracht."
„Es wäre ein Jammer, falls dein Kopf in der Suppe landen würde", sagte Wulf.
„Oh, das stimmt. Dann würde niemand die Suppe mehr essen wollen und das wäre wirklich schade, um die ganze Arbeit, die da rein geflossen ist",
Es schien fast so, als würde der Pater die Situation nicht ganz verstehen, in der er sich gerade befand.
Auch Wulf hatte mit dieser Antwort nicht gerechnet und so bedurfte es einen Moment bis er sich faste und seine Worte wiederfand.
„Ich hoffe du hast inzwischen über das Angebot nachgedacht und verschwendest nicht mehr von meiner Zeit."
„Entschuldige bitte, die Vorbereitungen für das Fest haben mich zu sehr eingespannt, aber ich habe ja noch drei Stunden?", sagte der Pater, während er ein Becher mit Wein befüllte und es dem unerwünschten Gast freundlich hinhielt.
„Machst du dich über den großen Wulf lustig?"
„Nein, gewiss nicht. Aber probiere doch den Wein. Er ist von der neuen Ernte und die ist besonders gut, dieses Jahr."
Wulf nahm den Becher entgegen, roch dran und nahm einem Schluck. Doch kaum berührte das rote Gesöff seine Lippen senkte er den Kurg.
„Widerlich!", brüllte er und entleerte den Inhalt im Gesicht des Paters. Dann nahm er die rechte Hand an den Griff seiner Doppelaxt und trat dem Pater auf die nackten Füße.
„Drei Stunden keine Sekunde länger, haben wir uns verstanden. Sonst wird dein Kopf wirklich in der Suppe schwimmen und das wäre Schade, die schöne Suppe mit deinem hässlichen Kopf zu würzen." Dann drehte er um und verließ die Feier genau so schnell wie er gekommen war.
Kami war außer sich vor Wut. Aber nicht wegen Wulf, sondern über das Verhalten des Paters. Das war Gewiss nicht die Person, die er einst kannte. Er kannte einen anderen Mann, der sich Astor nannte und der den Besucher auf Ort und Stelle einen Kopf kürzer gemacht hätte, aber jetzt ist er verweichlicht. Sein alter Meister ist zu einem traurigen Abbilds seines damaligen selbst mutiert.
Der beschämte tropfnasse Pater hatte sich in seinen Raum zurückgezogen, um Kleidung zu wechseln und sich trockene Gewänder anzulegen. Kami entschied ihn zur Rede zu stellen.
***
Von alledem bekam Tobe nichts mit. Er folgte immer noch Carst, der geradewegs ins Dorf ging. Sie waren bereits eine Weile unterwegs und langsam beschlich Tobe ein ungutes Gefühl.
„Wo führst du mich hin", fragte Tobe, der immer ungeduldiger wurde.
„Zu Jess, wie ich dir bereits gesagt hatte", antwortete Carst.
In der Mitte des Dorfes am Brunnen blieben sie schließlich stehen.
„Wir sind da!" sagte Carst.
„Was wir sind da?"
Tobe war verwundert, nirgends war eine Spur von Jess zusehen.
„Hier ist nur der Brunnen. Carst willst du mich verarschen?"
Carst lachte nur.
„Du hast sie doch nicht etwa..." Tobe rannte zum Brunnen und schaute hinein. Dann spürte er den Tritt in seinem Rücken, der ihm von den Füßen riss.
Verdammt, die eine Regel seinem Gegner niemals aus den Augen zu lassen, wie konnte ich nur so dumm sein, fluchte Tobe leise in sich rein, als er durch die Gegend flog. Schmerzen schossen ohne Verzögerung durch seine Gliedmaßen. Unsanft kolidierte er mit einer Wand, knallte erbarmungslos dagegen. Carst hatte alle seine Orbs in den einen Kick gesteckt und dieser hatte Tobe voll erwischt.
„Ach wo. Ich bin doch kein Monster. Ich habe sie nicht in den Brunnen geworfen." rief Carst ihm zu, mit seinem gewohnten höhnischen Unterton.
Tobe bemerkte, wie seine Arme mit einem Seil auf dem Rücken gefesselt wurden. Es waren Carsts Brüder. Sie schienen die ganze Szenerie aus dem Schatten der Gassen verfolgt zu haben. Erst jetzt waren sie in Erscheinung getreten und fesselten den am Boden liegenden Tobe. Als sie mit seinen Armen fertig waren verbanden sie seine Beine und verschnürten ihn zu einem Päckchen, sodass er sich nicht mehr von selbst bewegen konnte. Dann zogen sie ihn über dem Boden und lehnten ihn an den Brunnen.
„Was soll das Carst. Du hast versprochen, dass du keine Spielchen machst!" ,schimpfte Tobe adrenalingeladen. Über seinen Augen klaffte ein Riss der Blut über sein Gesicht laufen lief. Welch grausige Gestalt er gefesselt im Schlamm und Dreck gelegen, der vollkommen Willkür der Schläger ausgesetzt.
„Was soll was?" fragte dieser.
„Du hast gesagt du machst keine Spielchen?" Verzweiflung stieg in Tobe auf. Neben der eigene Wut auf sich selbst, ihm Vertrauen geschenkt zu haben. Er spührte die tränen aufkommen, die seine Sicht verschwammen.
„Achso das, dass ist doch kein Spielchen. Sagen wir es ist eher eine Zusatzleistung." s
„Was hast du vor?"
„Erstmal warten", sagte Carst nur. „Außerdem hab ich genug von deiner Stimme knebelt ihn bitte. Mehr von seinen dummen Fragen ertrage ich nicht."
Sie saßen eine Weile. Tobes Beine schliefen ein. Die Position, in die sie ihn verfrachtet hatten, war äußerst unbequem. Voller Respektlosigkeit nutzte Carst tobe als bequemen Sitz, dessen panische Rufe durch das Knebeltuch gedämpft waren und sich in der stillen Nacht verloren. Denn alle, die in der Lage waren sie zu hören, vergnügten sich auf dem Sommerfest, und ließen das Dorf menschenleer. Dann trat eine Gestalt aus dem Dunklen. Seine Schritte hallten hohl von den Wänden der Häuser. Sie waren schwer, sein Gang eitel und vornehm. Er trug eine Fackel, die den ganzen Platz erleuchtete. Tobe konnte ihn im ersten Moment nicht erkennen. Seine Position ließ ihn die andere Richtung blicken. Erst als der Ankömmling langsam um den Brunnen schlich und Tobe in die Augen schaute, erkannte Tobe den schwarzen Wolfsmantel und den widerlichen Knochenhelm, dessen Augen kurzzeitig gelb aufleuchteten.
Seine Knochigen Finger strichen an Tobes Kinn entlang, bewegten den geknebelten Kopf und betrachtete den Jungen aus allen Winkeln, um dann zu sagen: „Was für eine wunderbare Ware du bist Kleiner und so jung. Unberührt, ungeschunden. Ich wette du wirst mir ein schönes Sümmchen einspielen, mehr als noch das Mädchen."
In Tobe stieg Panik auf. Er hoffte, dass er gerade die Worte missverstanden hatte. Am liebsten würde er schreien, aufwachen aus dem Alptraum. Die Finger, die durch sein Gesicht streiften und langsam in sein Haare übergingen, verschwinden lassen und diesen fürchterlichen Schädel auf dem Haupt des Mannes nicht anschauen wollen. Er schloss seine Augen in der Hoffnung, dass alles was hier passiert nicht echt sein würde. Doch die Finger drückten seine Augenlider auseinander und dann sah er die Augen des Mannes direkt vor sich. Kein Blatt Papier würde dazwischen passen.
„Und diese wunderschöne Augenfarbe erst. Das ist großartige Ware, du bist die beste Ware, die ich jemals gefunden habe", schrie der Mann voller Euphorie.
Alles was Tobe machen konnte war panisch zu schreien, aber durch den Knebel in seinem Mund kamen nicht mehr als laute Stöhntöne hervor. Er wollte weg, aber es ging nicht, der Brunnen und die Seile fesselten ihn an der Stelle.
Dann zog der Mann langsam die Fingerspitzen an seinem Gesicht entlang und löste das Tuch das um den Mund von Tobe gebunden war. Tobe wollte nach Hilfe rufen, doch sein Gegenüber legte ihm die Hand vor den Mund und hielt seinen Finger symbolisch vor seinen.
„Psst! Wir wollen ihn doch nicht wecken. Oder?"
Dabei zeigte er auf den Knochenhelm. Der Griff an Tobes Mund war so stark, dass dieser sich öffnete. Im nächsten Moment fühlte Tobe, wie der Mann seinen Fingern über seine Zähne führte. An jedem einzelnen legte er ihn kurz ab, schaute ob dieser wackelte. Aber sie waren alle fest und das schien dem Mann zu gefallen. Zufrieden wandte er seinen Blick nach oben und schaute in den Himmel, der Bewölkt und dunkel war. Kein Stern war zu erkennen. Nur die traurige bedrückende Finsternis über dem Dorf.
Wulf nahm den Blick runter, schaute Carst an. Eines musste er dem Fetten lassen. Er hatte es geschafft die beiden Kinder hierher zu bringen. Anfangs hatte er es ihm nicht zugetraut, aber die Summe, die er ihm versprach, ließ ihn wohl über seine Grenzen hinauswachsen. Wie dem auch sei er konnte bereits das Gold hören, das in seine Hände geschüttet werden würde. Das klirren des Geldes war das schönste Geräusch für ihn. Aber erst einmal würde er zu seinem Wort stehen. Er griff in seine Tasche und holte einen kleinen Sack heraus und warf es dem Fetten zu. Dieser fing den Beutel, öffnete ihn und betrachtete die funkelnden Steinchen.
„Danke Sir", sagte Carst und wollte gehen.
„Warte nicht so schnell."
Carst drehte sich um und fing einen weiteren Gegenstand. Es war ein Seil.
„Was soll ich damit?", fragte Carst
„Was hält du davon, wenn du es anlegst und dich und deine zwei Freunde genauso verschnürst wie ihn", dabei zeigte er auf Tobe, der immer noch schnappatmend angsterfüllt in die Dunkelheit starrte.
„Soll das ein Scherz sein?", fragte Carst entsetzt.
Wulf nahm die Doppelaxt von seinem Rücken in die rechte Hand. Grinsend ging auf Carst zu, dabei ließ er die Scheide auf dem Boden schleifen. Es entstand eine tiefe Furche, als würde ein Pflug durch einen Acker aus frischer Erde gezogen werden. Dann holte er aus und schlug knapp an Carsts Kopf vorbei in den Brunnen. Der Hieb war von solch Heftigkeit, dass es den Brunnen mit seinem schönen Holzdach in tausende kleine Stücke zertrümmerte. Nur die Stelle, an der Tobe gefesselt saß, war verschont geblieben. Schließlich wollte Wulf seine Ware nicht verletzen. Überall lagen Splitter des Holzdaches und Steine der Brunnenmauer und die Axt steckte zur hälfet fest im Boden. Dann lehnte er sich auf den Griff und schaute Carst an.
„Sehe ich aus als würde ich Witze machen?"
Im nächsten Moment schoss seine Hand nach vorne und griff um Carsts Hals. Er drückte ihn mit überwältigender Kraft zu Boden, legte seine Kehle unter die Scheide der Axt. Die scharfe Klinge hinterließ eine dunkelrote Blutlinie auf Carsts Hals.
Carsts Augen vergrößerten panisch versucht er sich zu wehren. Er strampelte versuchte sich aus dem Griff zu lösen. Doch dieser hielt ihn wie Eisenring am Boden und wurde bei jeder Bewegung nur fester. Seine Kehle wurde zusammengedrückt. Das Atmen wurde zunehmend schwerer und die scharfe Klinge schnitt immer weiter in seinen Hals. Dann ertönten verzweifelte Worte und Wulf stoppte die Axt. Die Schnittwunde, die er dem Kind zugefügt hatte, war nicht tief und erst recht nicht tödlich, aber es genügte das man das machte was er wollte.
„Warte wir machen was du sagst tu ihm nichts!", rief einer der Brüder panisch. Sie nahmen die Seile und legten sich und Carst Fesseln um. Carst, der gerade dem Tod entgangen war, leistete keinen Widerstand. Die Freude die er eben in seinem Körper vorhanden war, ist schlagartig verschwunden. Stattdessen heulte er laut, aber auch das hörte niemand, denn das Dorf war leer. Anstatt zwei Gefangenen hatte Wulf nun Fünf und das freute ihn im höchsten Maßen.
***
Der Schmied ging zurück. Der Wein schmeckte ihm zwar, aber dieser Mönch der ihn betrunken ansprach, das seine Kinder aufhören sollen, diesen Wicht zu drangsalieren, ging ihm gehörig auf den Sack. Er hatte seine eigenen Probleme. Seine Frau war vor einem halben Jahr verstorben und er war immer noch nicht darüber hinweg. Seine Trauer ertränkte er in Alkohol und seine Kinder erinnerten ihn immer nur Schmerzhaft an die vergangenen Tage. Häufig wachte er in seiner Schmiede auf ohne zu wissen, was in der letzten Nacht geschehen war. Seine Kinder betrachteten ihn mit Furcht. Er will es nicht das es passiert, aber wenn er zu viel getrunken hatte, bekamen seine Kinder immer mehr blau Flecken. Überall an ihrem Körper konnte man sie inzwischen sehen. Er war in letzter Zeit so leicht reizbar. Den Mönch wollte er auch nicht umboxen, kann ja keiner ahnen, dass der nach nur einem Schlag zu Boden geht. Aber er hatte auch keine andere Möglichkeit gesehen. Wütend schlug er die Hauswand vor ihm. Doch sie war stabil seine Hand nicht. Seine Knöchel begannen zu bluten. Betrunken und wuterfüllt taumelte er den Weg weiter, als er über ein Stück eines Holzdaches stolperte, er fiel nicht, sondern konnte sich fangen. „Wer legt denn bitte Mitten auf den Weg eine solche Stolperfalle?", nuschelte der Rausch des Alkohol aus ihm.
Er schaute sich um. Er sah einen zerstörten Brunnen und vier Kinder aneinandergefesselt in einer Reihe und einen zwielichtigen Kerl, der die Kinder an einer Leine führte, als wären sie Hunde.
Moment sind das nicht meine?
Erst jetzt fiel ihm auf das eines weinte. Das waren ganz sicher seine Kinder. Wer ist der Typ.
„Hör jetzt auf zu heulen du Fettes Miststück." hörte er ihn rufen und dann sah er den Typen zuschlagen. Nein niemand schlägt seine Kinder! Außer er.
„Ey! Du Vogel was soll das? Lass meine Kinder in Ruhe", schrie er und bewegte seinen Muskulösen Körper auf ihn zu. Er nahm ein langes Stück Holz vom Boden auf, das besonders splittrig aussah.
Wulf merkte erst jetzt das er unerwarteten Besuch hatte. Unhöflichen unerwarteten Besuch! Er war schließlich kein Vogel. Jede konnte doch sehen, dass er Wölfe mochte und keine Vögel. Er ließ den Schmied herankommen, dann griff er seine Doppelaxt und schlug zu. Die Axt traf auf den Kopf und spaltete den Körper in der Mitte mit einem sauberen, schnellen Hieb. Entgegengesetzt fielen die zwei Teile auseinander. Blut sickerte in den trockenen Untergrund und dieser nahm es auf, wie Sand Wasser verschlucken würde. Vor den Augen der Kinder. Die voller Angst und Trauer um ihren Vater begannen mit Entsetzen zu schreien. Tobe merkte wie Übelkeit in ihm aufstieg. Der Anblick des Toten war abscheulich. Das Schlimmste daran war, dass er die Person kannte. Eben lebte der Schmied noch, wollte ihnen helfen. Jetzt war er sauber in zwei gleiche Teile getrennt worden. Letzte Nerven des Toten ließen seine Glieder noch ab und zu zucken. Auch Tobes Körper begann unkontrolliert vor Furcht zu zittern. Er war nicht mehr Herr seiner Gedanken und Gefühle, alles zudem er jetzt in der Lage war, war es den Befehlen des Mannes zu gehorchen und einfach nicht zu sterben. Bis dann ein Knebel um seinen Mund gebunden wurde und ziehende Bewegungen an der Leine ihn in eine Richtung zwang. Einen Weg zurückzulegen, weg aus der grausigen Szenerie und weg aus dem Dorf Richtung Wald. Welch Zynismus, dass der Mann der die Kinder aus den Ketten befreite sie nun erneut in Ketten legte.
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