6 - Schillernd wie Quecksilber

Einige Zeit später saßen Arthur und Bianca auf zwei unbequemen Holzstühlen in einem kleinen, stickigen und unangenehm düsteren Büro, das vom Klima her ganz nah an den Amazonas-Regenwald herankam. Es konnte auch nicht allzu weit weg sein, denn der Flug mit dem Helikopter hatte nicht sonderlich lange gedauert. Von dort oben aus hatte Arthur die Andeutung eines schmalen Flusses zwischen den Kronen der Bäume sehen können. Er existierte also. Warum hatten sie ihn dann nicht gefunden?

Ein kleiner, rundlicher Mann trottete in den Raum und sah die beiden scheu an, als seien Bianca und Arthur die Professoren und nicht er selbst. Er platzierte sich mit gebührendem Abstand vor den beiden und musterte sie einen Moment zu lang. Seine Augen flackerten nervös wie eine um Sauerstoff kämpfende Flamme zwischen den beiden. Dann räusperte er sich verhalten.

„Wir haben festgestellt, dass der Schwefeldiamant nicht mehr im Amazonas vorkommt. Es tut mir leid, dass Sie beide die Strapazen unnötig auf sich genommen haben. Auch wenn das Projekt abgebrochen werden musste, sind Sie trotzdem ab sofort frei. Ich gratuliere!"

Arthur verschränkte die Arme vor der Brust. Bianca beugte sich auf dem Stuhl ein Stück vor.

„Sie wirken ganz schön nervös ...", merkte sie an. Spätestens jetzt wird er bereuen, Bianca rekrutiert zu haben, dachte Arthur und musste sich ein Grinsen verkneifen. Wie ein Hai, der Blut gewittert hatte, stürzte sie sich auf jede kleine Schwäche ihres Gegenübers. Die letzten Tage hatten gereicht, um Arthur diesen Charakterzug hinreichend zu demonstrieren. Sie war kein Maiglöckchen, oh nein, diese Frau war eine Engelstrompete, sie hypnotisierte ihr Opfer mit ihren Engelsaugen und spielte ihm dann das Gute-Nacht-Lied.

„Sind Sie nicht glücklich über Ihre Freilassung? Nun ja, natürlich werden Sie weiterhin überwacht werden. Zumindest die nächsten paar Jahre. Aber mit der Drohne sind Sie ja mittlerweile vertraut, nicht wahr ...? Aber ja, abgesehen davon: Sie sind frei. Freuen Sie sich", plapperte Professor Decker und wischte sich mit dem Handrücken über die Stirn. Sicherlich schwitzte er nicht nur wegen des feucht-warmen Klimas in dem engen Büro.

Arthur warf einen Seitenblick auf Bianca, die sich nun ebenfalls mit verschränkten Armen zurücklehnte und eine Augenbraue hochzog. Jetzt kam sie in Fahrt. Die salzige Furcht witternd würde sie jetzt Kurs auf ihr Opfer nehmen. Dabei musste Arthur an die erdfarbene Boa constrictor denken. Die schimmernde, gemusterte Haut, die dieselbe Farbe wie der Boden hatte, in die der riesenhafte Kapokbaum seine Wurzeln grub.

Eigentlich hatte Bianca ihn vor dem endlos langen Monstrum bewahrt. Hätte er ihr nicht ein Danke geschuldet? Für die Passionsfrucht hatte er sich bedankt, nicht aber dafür, dass Bianca sein Leben gerettet hatte. War das nicht verrückt? Naja, er war schlicht nicht dazu gekommen. Vielleicht sollte er es nachholen.

„Ich finde, wir haben ein bisschen mehr verdient. Dafür, dass wir beinahe von einer überdimensionierten Boa constrictor gekillt worden wären ...", fuhr sie fort. Die Frau war genial. Mit erwartungsfreudiger Nervosität spielte Arthur mit seinen Fingern an dem Seitennähten seiner beigen Cargohose herum.

Dem Mann namens Decker schien alles aus dem Gesicht zu fallen. Seine Hände wurden fahrig, noch wuseliger als die von Arthur. Sie entwickelten ein Eigenleben wie zwei kleine Nattern. Decker verschränkte sie hinter dem Rücken, wohl weil er nicht mehr wusste, wohin damit. Die Engelstrompete spielte immer weiter, immer weiter ...

„Gut. Sie erhalten ein ... Startkapital. Alles andere klären wir noch per Mail. Und jetzt ... würde ich Sie bitten, mein Büro zu verlassen."

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