5 - Reaktionsträge wie Helium
Die Bilder waren heute aufgenommen worden. Sogar vor wenigen Minuten, wie Professor Decker anhand des Zeitstempels erkennen konnte. Die beiden Insassen eines Hochsicherheitsgefängnisses, die für die Operation Schwefeldiamant ausgewählt worden waren, streiften seit guten zehn Tagen durch den Regenwald, auf der Suche nach einem nicht-existenten Edelstein.
Bisher hatten sie sich gut geschlagen, doch Ergebnisse waren rar gesät. Es war nichts Ausschlaggebendes passiert, was zum einen gut und zum anderen schlecht war, denn sie waren schließlich nicht für eine spannende Schnitzeljagd oder eine lustige Safari ausgewählt worden. Sie waren Aufziehmännchen, die man auf das verworrene Spielbrett gestellt hatte und darauf wartete, dass sie über das unbekannte Ziel stolperten, das der Spielleiter von seiner Warte aus nicht sah.
Auf manchen Bildern hatte die blonde Frau die gezinkte Karte in der Hand, die den beiden die Illusion der Orientierung vorgaukeln sollte. Damit sie nicht auf krumme Gedanken kamen. Eine Beschäftigung, die täuschende Vorstellung, sich auf ein Ziel zubewegen. Auf anderen aßen sie Früchte. Einige Bilder zeigten, wie sie an einen Baum gelehnt schliefen. Man konnte ihren gesamten Tagesablauf rekonstruieren. Ebenfalls war ein ausführliches Bewegungsprofil erstellt worden. Seit Tag drei liefen sie quasi im Kreis, mit leichten Abweichungen.
Die Annahme war die, dass die beiden früher oder später auf Hinweise stießen, die eine radioaktive Kontamination mit Pneumonid erkennen ließ. Wie es aussah, hatten sie diesen Hinweis nun gefunden. Das Bild, das Decker gerade in Augenschein nahm, zeigte die beiden auf dem Boden kauernd. Der groß gewachsene Mann hielt sich den Kopf, die Frau schien auf ihn einzureden. Es ging ihm offenbar nicht gut. Das konnte einerseits auf die drückende Hitze und die schwüle Luft zurückzuführen sein und andererseits ... Oh, nein. Oh, nein, nein, nein.
„Wir müssen sie da rausholen", murmelte Decker zu sich selbst. Der Druck stieg sekündlich um hundert Bar ... zweihundert Bar ... mehr als ein Mensch aushalten konnte. Eilig rannte der Professor zum Hörer, der noch auf dem grünen Estrich lag. Ein zartes Spinnennetz an feinen Rissen zog sich über das Display, doch es leuchtete noch.
„Hallo? Sind Sie noch dran?"
„Ich bin dran", antwortete die Stimme säuerlich.
„Wir müssen die Operation abbrechen! Hören Sie, wir müssen die beiden da rausholen! Sie hatten höchstwahrscheinlich Kontakt zu einem durch Pneumonid kontaminierten Objekt. Der Mann zeigt schon erste physische Reaktionen, das kann und will ich nicht verantworten", rief Decker in den Hörer.
„Das geht nicht. Die Probe ist nach wie vor verschwunden und wir müssen sie finden", entgegnete der andere mit Nachdruck.
„Vergessen Sie die Probe! Die beiden sind in ernster Gefahr!", schrie Decker außer sich.
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