Kapitel 13: Der Abend des Balles

Die Luft war an diesem Abend dünn und das letzte wenige was da war, wurde durch die New Yorker Abgaße unerträglich stickig.
Vielleicht kam es mir aber auch nur so vor, weil ich ein enges Kleid trug, das mir teilweise meine Atemwege zuschnürte oder es war mein hämmernde Herz in meiner Brust, weil ich diese Veranstaltungen einfach nur hasste.

Die zwei Wochen gingen schneller rum als mir lieb war und jetzt stand ich vor dem pompösen Gebäude, das die Ehre hatte diesen Wohltätigkeitsabend zu veranstalten.

Als ich Megan und Tilda irgendwann davon erzählte hatte, waren sie beide komplett aus dem Häuschen gewesen, vor allem Meg. Doch ich durfte keinen der beiden mitbringen. Trotzdem fanden sie es absolut aufregend und freuten sich für mich.

Wenn die nur gewusst hätten, wie unwohl ich mich auf diesen Bällen fühlte und was für eine Zumutung das für mich war.
Megan hatte mir eines ihrer wunderschönen Kleider geliehen. Natürlich hatte meine Mutter mir eines schicken lassen, doch ich hasste ihren Geschmack. Ich war dankbar das Megan mir da aushalf.

Und doch war es etwas zu eng. Megan schimpfte auf ihre Art mit mir, denn hätte sie es eher gewusst, dann hätte sie mir eines in meiner Größe schneidern können.

Mit einem letzten Blick über den dicken schimmernden Stoff und einem fetten Klos im Hals machte ich mich auf den Weg über die Straße auf das Gebäude zu. Es war ein blauer Teppich über die Treppenstufen ausgerollt und einige Paparazzi wollten natürlich das beste Bild von den bekannten hohen Köpfen schießen.
Jedoch wussten sie nicht genau wen sie da fotografierten, denn alle trugen eine Maske.

Ja, es war ein Maskenball der stattfand. Das sollte laut dem Veranstalter den Druck des Spendens herausnehmen. So wusste keiner wie viel wer spendete.
Ich fand das zwar unsinnig und überflüssig, war aber gleichzeitig auch froh mich hinter meiner Maske verstecken zu können.

Die Maske war das einzige, was ich von meine Mutter trug und sie mir für diesen Abend schicken ließ.

Jeder Schritt fiel mit schwerer und mit jedem Atemzug wurde ich nervöser. Hoffentlich lief der Abend glatt und ich würde mich nicht blamieren.

Am Eingang angekommen bemerkte ich wie Fotografen mich fixierten und das Blitzlicht Gewitter immer heftiger auf mich herein prasseltet. Gekonnte sah ich zweimal nach links und rechts. So konnten sie ihr Bilder schießen. 

"Wer sind sie? Wer ist der Designer dieses Kleides? Sind sie heute Abend das erste Mal hier? Wer ist ihre Begleitung?..."

Waren die Fragen die über mich hereinbrachen.

Doch ich beantwortete keine einzige sondern zeigte meine Einladung dem Türpersonal und entfloh so endlich dieser beengenden Situation.

Ich raffte mein weißes Kleid ein wenig, um die letzten Stufen zum Ballsaal zu bestreiten. Mein Kleid war komplett weiß. Es war bis zu meiner Taille eng anliegend und hatte einen herzförmigen Ausschnitt. Es besaß keine Träger und ich machte mir deswegen auch Sorgen. Ich hoffte es würde nicht verrutschen. Der Rest des Kleides war fließend und es endete knapp über dem Boden. Es hatte einen Schlitz an der rechten Seite und ging bis zur Mitte meines Oberschenkels. Ich war froh darüber. So hatte ich mehr Beinfreiheit.

Außerdem hatte Meg mir ein paar halbdurchsichtig Pumps geliehen.  Das alles wurde von meiner weißen mit Federn besetzten Maske abgerundet.

Als ich den Saal betrag schlug mir mein Herz bis zum Hals. Ich wurde von einigen neugierigen Blicken gemustert, als ich den Saal am Rand langsam durchquerte. Meine Familie war das erste Mal seid Jahren wieder auf einer Veranstaltung hier in New York. Ich hielt Ausschau nach meinen Eltern und fand sie nach einigen Umherirren fast in der Mitte des Saales unter dem größten Kronleuchter.

Das war nicht wirklich verwunderlich, denn meine Mutter liebte es im Mittelpunkt zu stehen, ich dagegen eher weniger.

Sie unterhielten sich mit einem anderen Ehepaar in ihrem Alter. Langsam ging ich auf sie zu und war bedacht nicht zu stolpern. Ich ging bewusst als erstes auf meinen Vater zu, der am wenigsten teilnahm am Gespräch.

"Vater?!"

Fragte ich vorsichtig und mein Vater drehte sich strahlend um.

"Yara mein Mädchen! Schön das du bist. Du siehst so erwachsen aus."

Sagte er liebevoll und drückte leicht meine Hand und gab mir anschließend ein Kuss auf die Wange.

Meine Mutter unterbrach ihr Gespräch und sah mich missmutig an. Irgendetwas schien ihr wie immer nicht zu passen. Doch ich wusste, das sie sich zurückhalten würde so lange das andere Ehepaar uns hören konnte. Sie setzte ihr gespieltestes Lächeln auf und sagte:

"Darf ich euch die zweite meiner Töchter vorstellen, wenn ihr euch noch erinnern könnt. Ihr Name ist....."

"YARA!"

Unterbrach ich meine Mutter mitten im Satz und reichte den Herrschaften meine Hand, die beide lächelnd annahmen und schüttelten.

"Mercedes!" korrigierte meine Mutter.

"Sehr stürmig die Kleine..."
Entgegnete der Mann und sah etwas abfällig zu mir herüber.

"Entschuldigt bitte das Benehmen meiner Tochter!"
Meine Mutter war immer noch genauso freundlich und verpasste mir unauffällig einen Hieb in die Rippen.

Ich würde später einiges zu hören bekommen, da war ich mir sicher.

"Mhhh...wieso nennst du dich Yara?"
Fragte die Frau und zog ihre Augenbraue nach oben.

"Weil das mein neuer Rufname ist, ich habe ihn beim Amt ändern lassen." Entwich es mit etwas zu spitz.

Sie ignorierte meinen Kommentar und sagte stattdessen:

"Mein Sohn müsste im gleichen Altern sein wie du! Vielleicht kennst du ihn ja noch von früher. Wir haben mal nebeneinander gewohnt!"
Sagte die Frau weiter freundlich aber ihre Freundlichkeit erreichte nicht ihre Augen. Sie blieben trüb, wie vorher.

Ich zuckte desinteressiert mit den Schultern, statt eine Antwort zu geben und bekam sofort wieder den Ellenbogen meiner Mutter in meine Rippen gestemmt. Damit forderte sie mich auf endlich zu antworten.

"Es tut mir leid Misses Zander, daran kann ich mich nicht mehr erinnern..."

Antwortete ich und sie nickte. Danach unterhielten sie sich ohne mich weiter und ich griff nach einem Sekt, weil ich wusste ich würde das hier ohne Alkohol nicht überstehen. Er schmeckte mir nicht und so schluckte ich ihn in einem runter ohne das es jemand mitbekam.

Nachdenklich überlegte ich mir, ob ich mir noch einen zweiten genehmigen sollte. Doch so weit kam es nicht.

Ich dachte mich hätte keiner gesehen, bis ich bemerkte das mich zwei grüne Augenpaare aus der ferne scannten. Es war ein junger Mann, der kurz darauf auf mich zusteuerte. Schnell drehte ich mich weg und tat so als ob ich ihn nicht gesehen hätte.

Er gesellte sich ziemlich zügig neben die Eheleute Zander und ein seltsames Gefühl machte sich in meinem Bauch breit.

"Darf ich euch vorstellen, Blake Zander, unser Sohn. Er studiert hier in New York Medizin. Ich glaube die Hochschule liegt direkt neben der von Mercedes."

Blake's Vater suchte meine Augen.

Ich dagegen rang mit den letzten bisschen Luft das ich hatte.

"Hallo Mercedes!"
Sagte er mit seiner rauen Stimme.

Er war mein Blake, mein Kindheitsfreund, den ich Jahre nicht gesehen hatte. Die Augen, ich wusste doch, das ich sie kannte. Selbst unter der Maske konnte ich erkenne das es der selbe Blake war, den ich vor ein paar Wochen als Tilda's und Megan's Freund vorgestellt bekommen habe.

Er grinste schelmisch. Wahrscheinlich weil er meinen überraschten Blick wahrgenommen hatte. Ich musste unglaublich dämlich aussehen, so wie ich ihn anstarrte. Aber alles wirkte so Surreal. Hatte er mich auch erkannt?

"Darf ich um einen Tanz bitten?"
Fragte er freundlich und trat näher an mich heran.

"Natürlich darfst du, nicht war Mercedes!"

Antwortete meine Mutter für mich und sah mich auffordernd an. Bevor ich reagieren konnte nahm er mich bei meiner Hand und zog mich auf die Tanzfläche. Es war ein langsamer Walzer der spielte.

Blake zog mich näher an sich und wie selbstverständlich legte ich meinen Arm auf seinen und hielt weiter seine andere Hand fest. Er führte gut und mein Körper erinnerte sich an die Schrittfolge von ganz alleine. Am Anfang beobachteten unsere Eltern uns, das konnte ich aus meinem Augenwinkel erkennen.

Doch Blake führte uns immer weiter in die Menschenmenge, bis uns keiner mehr sehen konnte. Dann kam er ganz nah an mein Ohr und flüsterte:

"Merci!"

Seine Stimme war heiser und belegt.

Stromschläge durchzuckten meinen Körper. Er hatte mein "Kinder-Ich" nicht vergessen. Kannte er denn auch Yara?

Er grinste mich breit an.

"Du bist noch schöner als früher!" schmeichelte er mir im Flüsterton.

Ich lief Puderrot an. Sollte ich ihm verraten das ich eigentlich Yara war? Das ehemalige dicke Mädchen, das mit seinen zwei besten Freundinnen befreundet war. Aber was würde er dann von mir denken? Würde er mich hassen? Oder würde er dann nichts mehr mit mir zutun haben wollen wegen meines Statutes?

Ich war so unentschlossen, wusste nicht was richtig oder falsch war. Unter allen Umständen wollte ich es vermeiden, dass er dachte ich wäre auch eine dieser verwöhnten Zicken, die hier herum stöckelten

"Weißt du ich habe all die Jahre immer wieder an dich gedacht. Gerade erst vor zwei Wochen wieder. Ich habe mich gefragt wie es dir wohl geht und ob du auch an mich denkst. Warum hast du dich nie bei mir gemeldet?"

Er brachte mich dazu, mich einmal um mich selber zu drehen.

Das war eine gute Frage. Warum hatte ich das nie? Weil ich noch so jung war? Weil meine Mitschüler mich so schlimm gemobbt haben, das ich an nichts anderes mehr denken konnte?

Er sah mich mit seinen intensiv grünen Augen an. Er wollte eine Antwort, von der ich selber nicht wusste, wie sie lautete. Die Situation wurde mir so unbehaglich, das ich abrupt stehen blieb. Ich ließ ihn einfach mitten auf der Tanzfläche stehen und rannte förmlich davon.

Ich lief ohne zu wissen wohin, bis an einem Seiteneingang endlich an die frische Luft kam. Scharf zog ich die Luft in meine leeren Lungen. Warum war ich einfach weggelaufen? Jetzt konnte ich ihm definitiv nicht mehr unter die Augen treten.

Ich musste hier weg! Das war mein wichtigster Gedanke in diesem Moment.

Irgendwie schaffte ich es ohne großes Aufsehen zurück zu meinen Eltern in den Ballsaal. Blake war nirgendwo zu sehen, was mich etwas aufatmen ließ. Ich schaffte es auch früher weg zu kommen. Wie ist mir bis heute ein Rätsel. Das einzige was sich wie ein Stempel auf meine Haut brannte, waren die Demütigungen meiner Mutter, die ich über mich ergehen lassen musste.

Wie immer war mein Vater ein Stiller Beobachter und sagte nichts, was zusätzlich immer wieder schmerzte wie Messerstiche.

Als ich endlich durch den Hintereingang entfloh, suchte ich hektisch mein Handy aus meiner kleinen Handtasche heraus.

Ich hatte kein Geld dabei, weil meine Eltern mir den kostspieligen Chauffeur besorgt hatten, der mich hingefahren hatte. Eigentlich sollte er mich auch wieder heimfahren, doch ich wollte so wenig Aufmerksamkeit wie möglich auf mich ziehen. Deswegen musste ich hier bleiben.

Unter einem Tränenschleier tippte ich wild auf meinem Handybildschirm herum.

Als erstes rief ich Megan an. Doch weder Megan noch Tilda gingen an ihr Telefon. Auch nach mehreren Versuchen nicht. Nervös lief ich auf und ab und beschoss schließlich Everil anzurufen. Er ging sofort dran.

"Hey Yara, alles in Ordnung?"
Fragte er mit seiner tiefen Stimme.

Die Tränen standen mir schon in den Augenwinkeln und ich musste mich zusammenreißen um sie zurück zuhalten.

"Kannst du mir sagen, wo Tilda und Megan sind?"
Ignorierte ich seine Frage.

"Die beiden haben einen Mädelsabend im Kino geplant."

Ein leises Wimmern entfloh meine Lippen und ich konnte nichts mehr sagen. Wie sollte ich jetzt nach Hause kommen?

"Wo bist du Yara?"
Fragte Everil jetzt etwas besorgter als vorher.

Ich schildere kurz meinen Standort, er versprach mir mich umgehen abzuholen und legte sofort auf. Keine fünfzehn Minuten später strahlten mich zwei Autoscheinwerfer an, am Steuer saß Everil. Ich lief auf ihn zu und öffnete sofort die Beifahrertür. Everil fuhr umgehend los ohne Fragen zu stellen.

Langsam entspannte ich meine Muskeln etwas und zog endlich diese blöde Maske von meinem Gesicht. Ich beobachtete die Straßenlichter, während mir leise die Tränen über die Wange rollten. Irgendwann bog Everil auf den Vorplatz meines Wohnheimes und stellte den Motor ab. Bevor ich ausstieg, bedankte ich mich herzlich bei ihm. Doch ich war keine zehn Meter gegangen, da bemerkte ich, wie er mir gefolgt war.

Schweigend lief er neben mir, bis er sich doch auf einmal zu Wort meldete.

"Du musst nicht reden wenn du nicht willst, aber ich bin ein guter Zuhörer und manchmal tut es einem gut sich auszusprechen."

Er blieb kurz darauf stehen und ich tat es ihm gleich. Neben uns befand sich eine alte Holzbank und er setzte sich darauf. Ich tat es ihm gleich. Danach griff er nach einer Zigarettenschachtel in seiner inneren Jackentasche und bot mir auch eine an. Ich war zwar keine Raucherin aber ganz selten an besonders schlimmen Tagen genehmigte ich mir eine.

Und heute war definitiv so ein Tag.

Mit einem einfachen "Danke" griff ich nach dem Stengel und Everil half mir meine anzustecken, bevor er sich selber Feuer machte.

Ich zog einmal kräftig und blies den Qualm in die klare Nachtluft. Sofort merkte ich wie mein Körper das Nikotin aufnahm und meine Muskeln entspannten sich weiter, bis mir alles scheiß egal war.

Hier war die Luft schon ganz anders als noch wie vor eine halben Stunde.

Sie war reiner und dichter und langsam wurde mein Kopf durch sie wieder klarer...

Ohhh, 😢

Arme Yara....
Wie ihr jetzt wohl spätestens festgestellt habt, kennen sich Yara und Blake schon von früher! Und nicht nur das, Yara ist auch Merci das kleine Mädchen aus dem Prolog...

Ist Blake wohl dahinter gekommen, was meint ihr? Und wie wird Yara jetzt weiter vorgehen? Wird sie es ihm sagen?

So viele Fragen....die werde ich euch bald beantworten😁😉

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