Your Choice

P. O. V. AVERY

"Ich kann das nicht..."
Murmelte ich immer wieder zu mir selbst, während Aiden schlief. Er sah so friedlich aus. So problemlos.
Ich kniff meine Augen zusammen und setzte mich leise neben ihn auf die Couch.
Noch immer waren wir in diesem gottverdammten Zimmer und kommen nicht raus, ehe ich mich entschieden hatte.
Ich hatte alles versucht um drum herum zu kommen und mich nicht entscheiden zu müssen.

Ich hatte Dad weiß machen wollen, dass die Schule nach uns fragen würde, oder Mom, oder Liis, doch er hatte bereits für alles gesorgt. Er hatte allen von meinem Handy aus geschrieben, dass ich mit Aiden einen 'Ausflug' machte und ich bald wieder kommen würde.
Was fiel einem bei diesem Satz auf?
Ich würde bald wiederkommen, nicht wir. Dad ging jetzt schon davon aus, dass ich mich dafür entschied, Aiden wieder in seine Hände zu geben, aber das konnte ich nicht tun.

Ich lehnte mich an die Lehne der Couch, direkt vor sein Gesicht und strich ihm einzelne Haarsträhnen aus dem Gesicht.
Erst als eine kleine Träne, auf das dunkelbraune Leder des Sofas prasselte, bemerkte ich dass ich weinte.
Warum musste alles so kompliziert sein, warum konnten wir nicht ein normales Leben führen, wie jeder andere.
Weil wir anders waren. Dachte ich mir selbst.

Aiden's Augen öffneten sich langsam und musterten mich mit Schmerz, in jeder Faser seines Körpers.  Ich wusste, dass es nicht an der Wunde an seinem Bauch lag, die zum Glück nicht allzu schlimm war. Trotzdem, soweit hätte es gar nicht erst kommen dürfen. Er wurde verletzt und das nur wegen mir.
Aiden seufzte. "Es ist okay Honey..." Er drehte sich auf den Rücken und starrte an die Decke. Ich wandte meinen Blick nicht von ihm ab. "Was meinst du?"

"Ich habe den Deal vergessen und auch als ich ihn wieder wusste nicht beachtet. Es ist meine Schuld und dafür soll niemand bestraft werden, vor allem nicht du."
Er sah mich an, doch in dem Moment wollte ich es nicht.
Ich wollte seinen Blick nicht sehen, ich wollte, dass er schlief und danach alles wieder in Ordnung war.

"Ich werde wieder für ihn arbeiten." Sagte er beschlossen und stand schmerzerfüllt stöhnend auf um zur Tür zu gehen. Ich reagierte schnell und stellte mich vor ihn.
"Spinnst du? Er wird dich kaputt machen!"
Mein Herz pochte gegen meinen Brustkorb.
"Was bringt mir ein glückliches Leben, wenn du nicht da bist, hm? Glaubst du wirklich ich lasse dich entscheiden ob du stirbst oder nicht?" Ich wich seinem Blick aus, es machte mir Angst. Nicht weil ich Angst vor ihm hatte, aber in seiner Stimme schimmerte so viel Entschlossenheit, was mich einfach nur beunruhigte.
Er würde es machen. Sich Opfern.
Für mich.

Er wollte sich wieder wehtun und rumkommandieren lassen.
Ich spürte seine Hände um meinem Gesicht und schloss meine Augen. Es beruhigte mich, auch wenn es grade eigentlich keinen Grund zur Beruhigung gab. Er gab sie mir.
"Sieh mich an Honey." Befahl er mit ruhiger Stimme.
Ich schluchzte auf, tat aber was er sagte. Ein kleines Lächeln legte sich auf seine Lippen.
"Gut, und jetzt, hör mir zu okay?" Widerwillig nickte ich.

"Ich weiß du willst das alles nicht und ich will es genau so wenig wie du, aber wenn es um eine Entscheidung geht, die verlangt zu sagen, ob ich wieder für jemanden abreiten soll, den ich abgrundtief hasse, oder dir dein Leben genommen wird, ist dir doch hoffentlich klar welche Entscheidung ich treffe.
Lass mich wieder für ihn arbeiten, wenn du nicht willst, dass ich Schmerzen habe, denn kein Schmerz wäre schlimmer als dich zu verlieren.
Du musst entscheiden Honey, und ich bitte dich hiermit aufrichtig, dich für und nicht gegen dein Leben zu entscheiden hörst du? Ich will, dass du das richtige tust, indem du dein Leben rettest. Ich werde nicht sterben, irgendwann bestimmt, aber nicht hier und ganz sicher nicht weil irgend ein Irrer denkt Kontrolle über mich zu haben. Ich werde an Altersschwäche sterben, mit dir in meinen Armen, mit unseren Kindern und Enkelkindern in der Mitte, in unserem Haus.
Vielleicht sterbe ich auch, indem ich einfach einschlafe, oder an meinen Zigaretten, mit denen ich mir fast täglich irgendein Nervengift einflöße, aber nicht hier und nicht jetzt.
Du musst mir vertrauen, ich schaffe das und ich werde es auch schaffen hier raus zu kommen. Das verspreche ich dir hoch und heilig!"

Er legte seine Lippen auf meine, wobei ich den salzigen Geschmack meiner eigenen Tränen schmecken konnte.
Ich konnte doch nicht...aber ich musste. Ich musste ihm vertrauen in dem was er tat.
Aber wenn ihm was passieren sollte...ich könnte es mir niemals verzeihen.
"Hey". Unterbrach er meine Gedanken.
"Du machst keinen Rückzieher verstanden! Keinen Rückzieher."
Er hielt mir seine Hand hin, die ich leicht lächelnd ergriff und sie zögernd schüttelte.
"Keinen Rückzieher." Wiederholte ich. In dem Moment ging die Tür schwungvoll auf und ich hatte direkt alles was ich eben gehört hatte wieder vergessen.
Bei ihm würde er zurückbleiben, bei diesem Psycho.

Ich ballet meine Hände zu Fäusten.
Er bluffte, er war mein Dad, er würde mich nicht töten! Niemals!
Selbstsicher trat ich vor und verschränkte die Arme vor meiner Brust.
"Ich nehme an du hast dich entschieden?" Meinte er grinsend. Wie gern ich dafür gesorgt hätte, dass ihm dieses ätzende Lächeln vergehen würde.

"Das habe ich." Ich blickte über meine Schulter zu Aiden, der ebenfalls mit verschränkten Armen dort stand, nur mit dem Unterschied, dass er eine Hand an seinen Bauch hielt, unter der sich die Wunde befand. Meine Entscheidung war getroffen.
Aiden lächelte unauffällig und nickte langsam.
Tu es!  Forderte sein Blick. 
Ich drehte mich weg, um seinen Gesichtsausdruck nicht sehen zu müssen, nachdem ich meine Antwort gegeben hatte.

"Ich höre!" Sagte Dad und sah mir gespannt in die Augen.
Ich atmete tief ein und aus.
"Lass Aiden gehen." Ich beäugte Dad ganz genau, seine Stirn legte sich in Falten, er war überrascht.
"Was? Nein, warte! Das war anders ausgemacht! Was soll der scheiß Honey!?" Schrie Aiden hinter mir und kam auf mich zu.

Dad schickte seinen Godzilla von Bodyguard zu Aiden, um ihn festzuhalten. Er währte sich, was aber nicht viel brachte. Der Mann war mindestens zwei Köpfe größer als Aiden und außerdem war er verletzt. Meine Augen brannten.
"Bring mich um, aber lass Aiden gehen. Du hast ihm einmal wehgetan, ich werde nicht zulassen, dass das ein zweites Mal passiert."

"Hör auf verdammt! Spiel nicht die starke! Lass es verfluchte Scheiße nochmal sein hörst du! Du hast es versprochen!" Mein Herz brach im tausend Teile.
Aiden weinte.
Noch nie, wirklich noch nie hatte ich so eine Panik in seiner Stimme gehört und diese Furcht, diese unerbittliche Angst in seinen Augen, machten mich schier wahnsinnig.
Dad lächelte. "Mutiges Mädchen. Na dann, komm mal mit mir kleines."

Aiden's Blick galt jetzt meinem Dad.
Kalt und hasserfüllt.
"Krümm ihr auch nur ein Scheiß Haar du Wichser! Dann bist du dran!
Du weißt ich bin stärker als du! Ich werde dich töten! Hörst du mich?! Ich werde dir ein verschissenes Messer in die Kehle rammen!"
Binnen weniger Millisekunden rammte der Bodyguard, der ihn immer noch festhielt, eine Spritze in den Nacken, die ihn sofort viel schwächer werden ließ.
"Nein..." Hauchte er mit letzter Kraft.

Ich schluchzte leise, lächelte aber. Er würde nach Hause gehen, ins Internat und er würde gesund werden. "Keinen Rückzieher." War das letzte was ich ihm sagte, bevor ich mich umdrehte und mit Dad den Raum verließ.

~*~

P. O. V. AIDEN

Verdammt, mir tat alles weh.
Ich öffnete vorsichtig meine Augen, um sie direkte wieder zu schließen.
Gott war das hell!
Ich versuchte sie erneut zu öffnen, bis sie sich an das Licht gewöhnten, was eigentlich nur noch die Rest Sonne von draußen war.
Warte mal.
Als ich mich umblickte entdeckte ich, dass ich in meinem Zimmer war, im Internat.

Erschrocken sprang ich von meinem Bett auf und sah mich verzweifelt um.
Nein nein nein! Das musste ein Traum sein. Avery konnte niemals diesen Riesen Fehler gemacht haben! Ich fuhr mir mit beiden Händen durch die Haare und kniff die Augen zusammen. Die Verzweiflung wandelte sich ihn reine Wut um. Wenn er sie anfasste dann... Ich atmete tief durch.

Mein Herz pochte so laut, dass ich dachte es würde mir gleich entgegenspringen. Ich hatte versagt, ich hatte sie nicht beschützen können.
Nein! Jetzt war nicht die richtige Zeit für Vorwürfe! Ich musste zu Charles und ich wusste auch schon ganz genau wie ich dahin kommen würde.
Und was ich jetzt zu tun hatte.
Ich suchte nach meinem Handy, vergebens.
Dieser Bastard!

Ich rannte ohne weiter nachzudenken aus dem Zimmer, Richtung Mädchenwohnheim.
Es regnete in Strömen, aber das war mir im Moment ziemlich gleichgültig, ich musste Avery da raus holen, egal wie.
Vor ihrer und Liis' Tür bremste ich ab und hämmerte mehrmals dagegen.
Ich vernahm eine genervte Stimme von innen.
Liis war da!

Als sie mir die Tür öffnete ließ ich ihr keine Zeit um Fragen zu stellen, sondern drängte sie einfach rein und begann abgehackt und durcheinander zu reden.
"Avery's Dad... Er hat Avery! Sie hat die falsche Wahl getroffen, ich habe ihr gesagt sie soll es nicht tun! Ich muss sie da raus holen Liis! Gib mir dein Handy!"

Sie stand zwar mit offenem Mund vor mir, bekam jedoch kein Wort raus.
Ich blickte im Zimmer umher, entdeckte ihr Handy auf ihrem Bett und nahm es mir einfach. Ich wählte.
Es tutete, was mir vorkam wie Stunden, bis sich endlich die mir vertraute Stimme meldete.
"Hallo?"
"Dad! Ich bin's. Du musst mir helfen, jetzt gleich!" Hetzte ich.
"Was? Aiden junge, was ist los?" Er klang misstrauisch und besorgt zugleich.
Aber es blieb jetzt keine Zeit für eine Erklärung.
"Das erzähle ich dir wenn du hier bist! Beeil dich!" Ich seufzte. "Bitte Dad."

Ich hörte wie er irgendwas am anderen Ende der Leitung murmelte, er redete wahrscheinlich mit Mom. Bitte! Komm einfach her!
"Ich bin in einer stunde da!" Damit legte er dann auf. Ich lächelte leicht.
Als ich mich wieder zu Liis drehte, trug sie den gleichen verwirrten Gesichtsausdruck wie zuvor, ich drückte ihr das Handy in die Hand.
"Danke." Ich wusste nicht was ich sonst sagen sollte und rieb mir mit meinen Händen übers Gesicht.

Ich blieb da stehen wo ich mich zuletzt hingestellt hatte, weil ich schon genug vollgetropft hatte. Ich war klitschnass von dem Unwetter draußen.
Ich dachte an Dinge, die Avery grade passieren könnten, wenn sie denn überhaupt noch lebte, und fluchte leise.
Ich vergaß jeglichen Schmerz den ich vorher noch in meinem Bauch spürte.
Eine Hand legte sich auf meinen Arm und ich zuckte leicht zusammen.

"Was ist passiert Aiden...?" Fragte Liis besorgt, während Sie sich mein blutiges Shirt ansah.
Ich sah sie unsicher an, wusste nicht ob sie mich für mein Ungeschick hassen würde.
"Ich, wir, waren gefangen. Sie wollte sich entscheiden, aber sie hat sich falsch entschieden. Es war alles geplant Liis, es war alles anders geplant! Ihr Dad ist ein Psycho, er will sie töten und ich wollte ihn töten, aber ich habe es nicht geschafft. Ich habe versagt. Mein Dad wird mir helfen Sie da raus zu bekommen, hoffe ich, und dann werde ich ihn umbringen". Ich spürte wie heiße Tränen meine Wangen runter liefen. "Und ich weiß nicht einmal ob sie überhaupt noch lebt..."

Ich rechnete damit, dass sie mich jetzt ohrfeigen, oder einfach rauswerfen würde, doch das tat sie nicht, stattdessen umarmte sie mich und strich mir einfühlsam über den Rücken. "Hey...Gib dir nicht die Schuld Aiden, das ist das letzte was ihr jetzt helfen wird." Sie schluchzte und ich erwiderte die Umarmung zögernd.
"Warum tut er sowas..." Murmelte sie gegen meine Schulter.

Erneut schloss ich die Augen und schüttelte vorsichtig den Kopf. "Sie hat es dir nicht erzählt, stimmt's?"
Liis' Arme lösten sich von mir und sie musterte mein Gesicht. "Was erzählt?"
Typisch Avery. Sie behielt alles für sich, bis es sie letztendlich selbst zerfraß.
"Uns bleibt eine Stunde, ich hoffe das reicht um dir alles zu erklären." Ich machte es mir zur Aufgabe sie einzuweihen, nicht weil ich Avery's Geheimnisse ans Licht bringen wollte, nein. Ich brauchte jemanden, mit dem ich reden konnte, der rein gar nichts mit dem allen hier zu tun hatte. Liis war eine gute Seele, sie würde es entweder verstehen oder nicht, wie sie am Ende urteilte, war ganz allein ihr überlassen .

~*~

"Ja aber ich verstehe nicht ganz was ich bei der ganzen Sache für eine Rolle spiele..."
Dad war mittlerweile hier, ich konnte ihm nicht erzählen was genau Sache war, weil er alles regeln würde, mit Geld und Macht seiner Kontakte, aber das alles war viel zu riskant. Ich kannte Charles gut, er wusste genau so gut wie ich, dass es Avery's sicherer Tod wäre wenn ich mir Hilfe suchen würde.
Ich suchte mir zwar Hilfe, aber nicht mit einer, mit der er je gerechnet hätte.

"Du musst mich hinfahren! Telefonier mit ihr, mach irgendwas, du musst doch wissen wie man an ihre Adresse kommt!" Liis neben mir ging unruhig von links nach rechts, was mich komischerweise nicht nervös machte. Ich verspürte Hoffnung als ich die Augen meines Dad's sah. Er konnte mir helfen.
"In Ordnung, lass mich etwas rumtelefonieren. Ich beeile mich, versprochen!"
Er verließ Avery's und Liis' Zimmer.

"Ich komme mit!" Sagte Liis plötzlich total entschlossen.
Ich drehte mich zu ihr und schüttelte den Kopf. "Nein, das kommt gar nicht in Frage! Dir wird nur was passieren und das ist das letzt was ich jetzt noch will. Du bleibst hier und ich halte dich auf dem laufenden!"
Sie seufzte und kippte ihren Kopf leicht nach rechts. "Aiden Keeth, du bist gar nicht so ein herzenskaltes Arschloch wie ich immer dachte."

Ich schmunzelte. "Das nehme ich mal als Kompliment."
Die angelehnte Zimmertür sprang auf und Dad kam rein. "Ich hab die Adresse, komm, wir fahren hin. Und dann erklärst du mir was du vor hast!"
Das würde ich sicher nicht, aber ich würde ihm was anderes erzählen.
"Bis später." Sagte ich zu Liis und nickte ihr einmal zu.
"Bis später... Pass auf dich auf, und bring Avery wieder zurück, meld' dich!" Erneut nickte ich und rannte mit Dad los.
Ich wusste, dass Liis mich verprügeln würde wenn ich zurückkommen sollte.
Ich hatte nämlich gar kein Handy dabei.

~*~

"Danke Dad, du hast mir grade wirklich einen Riesen Gefallen getan!" Ich wollte aussteigen und auf das kleine weiße Haus zulaufen, als mich ein Arm zurück riss.
"Mal ganz langsam mein Freund, was ist hier eigentlich los?" Ich sah auf meine Armbanduhr und schnalzte mit der Zunge.
"Keine Zeit für eine Erklärung." Ich rannte los. "Ich melde mich morgen, oder übermorgen. Grüß Mom, und Sydney!" Ich hoffte, dass er nickte, einverstanden war und verschwand.
Und das tat er dann glücklicherweise auch.

Ich las das Namensschild an der Klingel, richtete meine nassen Haare so gut es ging und klingelte.
Wem wollte ich eigentlich was vormachen, ich war klatschnass und blutverschmiert.
Durchatmen. Die Stunde der Wahrheit.
Ich vernahm Schritte, ein Klicken, jemand schaute durch den Spion, ein Zögern und dann wurde die Tür geöffnet und eine junge Dame stand vor mir.
Sie schien ziemlich selbstbewusst für eine Frau, die vor einem von Kopf bis Fuß tattoovierten, über 1,90 großen Jugendlichen stand, der nebenbei aussah als hätte er eine Woche unter einer Brücke geschlafen.

"Guten Abend. Ich bin Aiden Keeth, der Freund von Avery." Sie lächelte abrupt.
"Du bist also der Junge, der meiner kleinen Tochter den Kopf verdreht hat hm..."
Ich lächelte nun ebenfalls. "Der bin ich."
Sie trat einen Schritt beiseite und bat mich reinzukommen.
Als ich die Tür hinter mir schloss war sie verschwunden, tauchte aber nach wenigen Sekunden mit einem Handtuch wieder auf.
Ich bedankte mich erneut.

"Nun, Aiden. Was verschafft mir die Ehre, und wo ist Avery?" Fragen, auf die ich ungern antworten wollte, es aber musste.
Sie steuerte Richtung Küche zu und ich folgte ihr.
"Hören Sie..." Begann ich zögernd. "Avery ist in Gefahr. In großer Gefahr!"
Blitzschnell griff sie nach einem Messer und hielt es schützend vor sich. Erst jetzt verstand ich. Sie dachte ich wäre die Gefahr. "Gott nein! Sie verstehen da was falsch. Ich bin der letzte Mensch, der ihrer Tochter auch nur ein Haar krümmen würde!"

Sie atmete ein und aus und legte das Messer weg.
Sie stützte sich mit der einen Hand am Herd ab, während die andere über ihre in Falten gelegte Stirn fuhr.
"Es...es tut mir leid... Ich bin bei so welchen Sachen nur ziemlich paranoid und mein Mutterinstinkt spielt verrückt..."
Sie sah wieder auf zu mir. "Aber, warum ist sie dann in Gefahr? Was ist passiert?"
Das wäre die zweite Person der ich heute beichten musste, was Charles für ein Mann war, doch es machte mir plötzlich nichts mehr aus. Jeder sollte wissen, was er für ein Mensch war.
"Ich muss meinen Mann informieren." Meinte sie panisch. Ich legte meine Hände auf ihre Schultern und sagte. "Fragen Sie die Gefahr um Hilfe, vor der sie eigentlich flüchten sollten?"

Sie verengte die Augen und fragte "was meinst du damit?"
"Es ist denke ich besser, wenn sie sich setzen..." Wir gingen zu einer weißen Ledercouch und setzten uns. Ich musste mich beeilen wenn ich wollte, dass Avery sicher aus der ganzen Sache rauskam. Mein Plan hatte sich zwar umändern müssen, doch das hatte ihn eigentlich nur verbessert.
Jetzt musste es einfach klappen.
"Okay, hören sie, es mag sich seltsam für sie anhören und vielleicht glauben sie auch ich lüge, aber ich versichere ihnen mit meinem Leben, dass ich niemals lügen würde, wenn es um ihre Tochte geht. Ich liebe Avery und wenn es darum geht, mein Leben oder ihrs zu schützen, schütze ich ihrs."

~*~

"Das glaube ich einfach nicht, ich...ich kann es noch immer nicht glauben was du mir da erzählst..." Das sagte sie nicht zum ersten Mal.
"Verstehen Sie jetzt, warum wir uns beeilen müssen? Es hängt von Avery's Leben ab und sie müssen es mit mir zusammen durchziehen! Als Team! Sonst klappt es nicht, in Ordnung?"
Ihre Tränenbedeckten Augen glänzten in meine und ich verstand. Sie war dabei.

"Bist du sicher? Bist du dir zu 100 Prozent sicher junge?" Ich nickte. Und es war, als würde ich all meine Euphorie und Überzeugung in dieses Nicken stecken, was letztendlich klappte.
Sie nickte ebenfalls.
Ich stand auf und wartete darauf, dass Mrs. Edison mir folgte, doch ich vernahm nur ein Schluchzten. Bitte nicht. Liis trösten, grade noch machbar, aber eine erwachsene Frau, der ich grade erzählen musste, dass ihr Mann ein mehrfacher Mörder und Psycho war, der Ihre Tochter in seiner Gewalt hatte um sie zu töten, war was ganz anderes.

Ich wollte wieder zu ihr, doch sie stand mit einem Mal auf und strich ihre Kleidung glatt. "Nein, es geht mir gut, wir müssen los, du hast recht! Wir müssen Avery von diesem kranken Psycho befreien!"
Das wollte ich hören!
Es würde Charles von innen auffressen, seine Frau mit solch einem Hass ihm gegenüber zu sehen. Meine Fingerspitzen kribbelten bereits vor Aufregung, jedoch nicht, weil ich ihn traurig sehen wollte, sie kribbelten vor Mordlust. Ja, tatsächlich.
Das hatte ich zuletzt gespürt, als ich Melcome aus dem Weg geschafft hatte. War es gemein wenn ich sagte, dass es mir trotz meiner Veränderung noch immer nicht leid tat..

"Komm, wir nehmen meinen Wagen, es ist eine knappe halbe Stunde von hier. Ich will mein Baby da endlich rausholen."
Sie griff nach ihren Autoschlüsseln und einer Jacke und rannte zur Vordertür, dicht gefolgt von mir.
Jetzt konnte es losgehen.

~*~

"Sie wissen was sie zu tun haben, stimmt's?" Mrs. Edison nickte. Ich hatte nie nach ihrem richtigen Namen gefragt, auch wenn ich wusste wie sie hieß, aber dafür war jetzt auch keine Zeit.
Wir befanden uns vor dem alten großen Haus, nahe der Waldlichtung. Der Mond schien bereits durch jegliche Sträucher und Bäume. Es war meine Zeit.
"Und vergessen sie nicht, Ruhe bewahren. Leise und strukturiert vorgehen, wie ausgemacht!" Wieder ein Nicken ihrerseits.
Okay, Showdown.

Ich ging auf die Haustür zu, die ich so sehr hasste und klopfte mit einem dumpfen Aufschlag gegen das massive Holz.
Nichts.
Ich klopfte erneut und da öffnete sich schon die Tür. Der Pisser höchstpersönlich stand vor mir und mir gefiel, dass seine Gesichtszüge mir verrieten, dass er mit jemand anderen als mir gerechnet hatte.

"Wo ist Avery?" Fragte ich hart.
Er krächzte ein Lachen hervor. "Hast du etwa schon vergessen, was den Deal ausmacht?"
Ich ließ mir die Wut die ich seit eben wieder verspürte nicht anmerken und sprach monoton und leicht grinsend weiter. Ich wusste, dass es Momente gab, in denen er Angst vor mir hatte.
"Wo. Ist. Sie?" Ich trat einen Schritt näher und er schluckte schwer, doch ich wusste, dass eine einfache kleine Bedrohung nicht viel bei ihm bewirkte.

"Das habe ich dir bereits gesagt, der Deal ist vorbei. Du bist ein freier Mann Keeth."
Er sprach mich mit Nachnamen an, er bluffte.
"Wenn ich auch nur noch einmal fragen muss, hole ich meine kleine Überraschung aus meinem Auto!" Er blickte jetzt grinsend über mich hinweg und sein Lächeln verschwand abrupt. Er wollte losrennen weil er das Auto anscheinend erkannte, doch ich schubste ihn zurück. "Ich geben ihrem erbärmlichem Ich, noch eine letzte Chance.
Wo ist Avery?"

Meine Stimme klang wie loderndes Feuer. Er wusste, dass er mir besser antworten sollte. Ich war auf Rache aus, das war ihm jetzt klar.
"Sie lebt! Wo ist meine Frau du elender-" ich unterbrach ihn schnell und schmunzelte.
"Na na, ich wäre an ihrer Stelle netter zu mir. Ich brauche nur mit dem Finger zu schnipsen und sie ist tot." Charles holte aus und traf mich mit der Faust im Gesicht. Darauf hatte ich mich natürlich eingestellt.

Ehe er zum Auto seiner Frau laufen konnte trat ich ihm in die Kniekehle und er fiel.
Aus trotz und ich gab zu, auch aus Belustigung, trat ich ihm zweimal doll in den Magen. Na huch, da war mir doch aus Versehen mein Fuß auf dem nassen Boden ausgerutscht. Gleich zweimal hintereinander. Ich Tollpatsch.

Er stöhnte schmerzerfüllt auf und krümmte sich, während der starke Regen auf uns herab prasselte. "Wo...wo ist meine Frau?"
Ich verdrehte die Augen. Konnte der Typ nicht einfach mal die Klappe halten?
Huch, also glatt dreimal hintereinander ausgerutscht, und jetzt auch noch direkt in sein Gesicht. Das war aber auch wirklich rutschig hier!
"Wo ist sie?" Sein Schrei klang wie Donner, der bis tief in den Wald hinein schallte.

"Vielleicht lebt sie, vielleicht ist sie aber auch schon verblutet. Ich weiß nicht recht, sie sind der Psychologe. Wie lange dauert es bis ein Körper dieser Größe verblutet, wenn man ihm die Pulsadern aufschneidet?"
Mit einem lauten Schrei rappelte er sich auf und sprang auf mich. Ich spürte wie die Wunde an meinem Bauch aufriss, doch das stoppte mich nicht.
Seine Faust traf mein Gesicht ein paar mal und ich schmeckte wieder Blut, es war mir egal. Solange ich Avery so hier raus bekäme und Charles ein für alle mal aus dem Weg schaffte, war es mir egal.

"Du dreckiger kleiner Hurensohn! Wo ist sie!" Bevor er erneut zuschlagen konnte, kam mein kleiner Plan um die Ecke geschlichen und huschte Richtung Haus.
Bitte versau es nicht...
Ich wendete das Blatt und schmiss mich auf ihn. Der Regen erschwerte ihm die Sicht, was ich als Chance ergriff und meine Faust in sein Gesicht fliegen ließ.
Ich atmete schwer als er mich von sich stieß und wieder auf mich einschlug.

Der Mann hatte einen kräftigen Schlag, das musste man ihm lassen.
Trotzdem war er schwächer und um einiges verletzlicher als ich. Ich war nicht umsonst trainiert worden, um mich jetzt nicht gegen jemanden wie ihn wehren zu können.
Ich vernahm Schritte und hoffte, dass Charles sie nicht hörte. Und das tat er auch nicht.
Als ich vorsichtig über seine Schulter hinweg sah, erkannte ich Mrs. Edison, und nah an Sie gedrückt, Avery! Ich wollte lachen, schreien und weinen, aber ich wusste sie sorgte sich um mich und ihre Sorge, könnte vielleicht noch für Probleme sorgen. Ich hoffte einfach Mrs. Edison hörte auf ihren eigenen Verstand und auf meine Worte.

"Wenn sie tot ist dann..." Charles drückte seine bloßen Hände gegen meine Kehle und ließ seine ganze Wut an ihr aus. Sein Adrenalin trieb ihn jetzt. Ich schnappte nach Luft, wie ein Ertrinkender und versuchte ihn von mir zu schubsen, aber mir wurde langsam schwindelig.
Nein verflucht! Nicht so! So werde ich sicher nicht sterben!
Und damit sollte ich auch recht behalten, als jemand Charles mit einem harten Gegenstand gegen den Kopf schlug und er bewusstlos neben mir zusammensackte.

Ich schloss wie so oft heute die Augen und lies meinen Kopf in den nassen aufgewühlten Boden sinken als ich sie wieder öffnete und sofort lächelte.
„Ich war noch nie so froh, dass du mal nicht auf mich hörst Honey!"
Sie half mir auf und schloss mich sofort und ohne irgendwas zu sagen in meine Arme um dann zu weinen. Ich drückte sie an mich, als würde ihr Leben davon abhängen.
Als ich zum Auto sah, erkannte ich Mrs. Edison, die weinend dort stand.
Sie weinte nicht wegen ihrem Mann. Nicht wegen so jemanden. Sie weinte um ihre Tochter, die jetzt wieder in Sicherheit war.

"Komm Kätzchen, Zeit nach Hause zu fahren." Sie drückte sich immer noch an mich und machte auch nicht den Anschein mich jemals wieder loszulassen.
Ich küsste ihren Kopf ein paar mal und sagte "deine Mom ist echt klasse weißt du..."
Ich hörte sie kichern und es schien als würden plötzlich alle Vögel wieder fliegen, obwohl sie nichts sahen und als wäre die Welt ein kleiner perfekter Bereich, der sich nur um uns zwei bewegte.
Wie sehr ich ihr kleines Lächeln und dieses süße W vermisst hatte, wurde mir erst jetzt bewusst.

Sie löste sich mit rot unterlaufenden Augen von mir und lächelte unsicher.
"Was machen wir mit ihm?" Ihre Augen wanderten zu Charles, der immer noch bewusstlos am Boden lag. Ich hatte nicht mehr das Gefühl ihn töten zu wollen, seit ich Avery wieder in meine Arme geschlossen hatte.
"Darum kümmere ich mich! Nehmt mein Auto, ich habe hier alles im Griff, vertraut mir." Meinte plötzlich eine Stimme hinter uns, die sich als die, von Mrs. Edison herausstellte. Avery lächelte. "Nochmals, vielen Dank Mom."
"Dank nicht mir." Sagte sie und nickte zu mir. "Dank ihm. Er hat mit seinem Leben darum gekämpft, deines zu beschützen. Er ist ein klasse Typ Schätzchen!"

"Ich weiß." Antwortete nicht Avery, sondern ich und bekam einen Schlag ab.
"Immer werde ich geschlagen...." Meinte ich theatralisch.
Wir setzt uns ins Auto und atmeten beide tief durch.
"Das war mit Abstand der beschissenste Ausflug seit langem!" Avery stimmte mir nickend zu. "Und mit Abstand das beste Ende des Tages."
Ich startete den Motor und grinste.
"Da kenne ich noch einen viel besseren Abschluss. Du und ich. Und unsere Sachen, die neben meinem Bett auf dem Boden liegen."
Ein weiterer Schlag traf meine Schulter.
Das endete wohl nie.


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