99. Silas: Sucht
Ich warf Philipp einen kurzen Blick zu. Er erwiderte ihn und nickte aufmunternd.
Ich atmete tief durch, doch versuchte mir nichts von meiner Anspannung anmerken zu lassen.
Dana, ich und noch Andere standen gerade um eine große Tafel verteilt. Auf ihr lag eine Karte, wo verschiedene Strategien gekennzeichnet waren. Dana weihte uns in einen Angriffsplan ein.
Nach den drei Monaten, die ich hier verbracht hatte, vertraute sie mir.
Ausschlaggebend dafür war wohl, dass sie durch eigene Quellen wusste, dass Raphael und ich uns getrennt hatten und somit auch verschiedene Wege gingen.
Ich hatte natürlich beweisen müssen, dass Dana mir vertrauen konnte. Mir hatte es nicht gefallen, das zu tun, das könnt ihr mir glauben, aber hätte ich den Schwanz eingezogen, dann würde ich jetzt nicht hier stehen und jede Kleinigkeit von ihrem Plan mitbekommen, mit dem sie die Vampire endgültig ausschalten wollte.
Ich hasste es, dass wir in den letzten drei Monaten mehr Menschen entführet hatten als in all den letzten Jahren zusammen, aber wir hatten eine neue Armee gebraucht und die Quote von Menschen, die die Prozedur überlebten, war nicht gut.
Ich hatte auch mal anwesend sein „dürfen", mir mitansehen, wie aus normalen Menschen Soldaten für einen Krieg gemacht wurden, der absolut nicht nötig war.
Ein wichtiger Aspekt war frisches Vampirblut.
Klar, ich hatte mich zuerst auch gefragt, wo sie das her hatte. Zumindest solange, bis ich die Kammer gesehen hatte, in der sie duzende Vampire gefangen hielt.
Sie hatte mir stolz erzählt, das sie diejenigen gewesen seien, die keine wirklich gefährlichen Kräfte hatten und, dass es deshalb ein leichtes gewesen war, sie gefangen zu nehmen. Man nahm ihnen Blut ab, konnte irgendwie die Essenz der Kraft daraus ableiten, und daraus ein Serum machen, das man den Menschen modifiziert spritzte, sodass es ihnen Vampirkräfte gab.
Da Dana mir nach langer Überzeugungsarbeit und einigen Toten endlich glaubte, dass Vampirblut giftig für Jäger war, hatte sie sich darum gekümmert, dass Jäger nur noch modifizierte Kräfte von Jägern bekamen. Wie Phil von Dale zum Beispiel und das schien ja ganz gut zu funktionieren.
Ich hatte in meiner Zeit hier auch etwas anderes herausgefunden. Etwas Wichtigeres. Nämlich, wie Dana die Menschen und Jäger kontrollierte. Nicht, weil diese von der Sache überzeugt waren oder so ähnlich, nein. Sie spritzte ihnen etwas, das aus Raphaels Kraft produziert worden war und die Betroffenen willenlos machte.
Nur, weil Dana mir vertraute, hatte ich das noch nicht injiziert bekommen. Und darüber war ich froh.
Ich wusste auch, was sie mit Maras Kraft gemacht hatten. Jemand aus Chads Familie hatte sie bekommen und hatte nun die Fähigkeit, ihre Seele in mehrere Teile aufzuteilen und in verschiedene Körper zu stecken. Dann gehörten ihr all diese Körper und sie konnte damit tun und lassen was sie wollte.
Als Phil und ich das erfahren hatten, hatte er sich erstmal darüber lustig gemacht und angemerkt, dass er das nutzen würde, um Orgien mit sich selbst zu haben, aber als ich ihm das Ausmaß dieser Kraft im nicht sexuellen Sinne klargemacht hatte, hatte er die Klappe gehalten. Man würde in einem Kampf nur gegen eine Person kämpfen, die aber mehrere Körper hatte und war somit chancenlos.
Obwohl ich noch nicht lange dabei war, wollte Dana, dass ich den Anführer ihrer Backstreet Boys spielte.
Ich hatte sie aber davon überzeugen können, dass ich zu wenig praktische Erfahrung hatte und es mir besser läge, mich nur um meinen Arsch zu kümmern. Der Sinn dahinter war einfach der, dass ich unauffällig agieren konnte, wenn keiner auf mich achtete.
Ein genaues Datum, wann der Angriff stattfinden sollte, hatte sie uns noch nicht genannt, doch sie meinte, wir sollten uns schon mal darauf vorbereiten, dass es die nächsten Wochen passierte.
Somit beendete sie die Besprechung, ich seufzte tief durch und ging zu Philipp, der weiter abseits hatte stehen müssen.
„Du machst das gut", lobte er mich.
Ich brummte nur eine Zustimmung.
Ich war mit alle dem nicht zufrieden, denn, ja, ich wusste jetzt zwar viel mehr, seit ich hier arbeitete, aber ich hatte Schwierigkeiten, alles, was ich hier tun musste, mit meinem Gewissen zu vereinbaren. Und wenn ich ehrlich war, dann hatte ich mich nicht mehr einmal getraut, meine Kraft anzuwenden, weil ich Angst hatte, dass sie nicht mehr da war. Ich hatte zwar noch direkt keinen umgebracht, aber es fühlte sich so an, da ich ein Teil dieser Organisation aus Mördern und Sadisten war.
„Jenkins!" Als ich meinen geschrienen Namen hörte, drehte ich mich um. Phil blieb ebenfalls stehen.
Wir sahen uns einen Mann an, der auf uns zulief und vor mir salutierte, obwohl er bestimmt doppelt so alt wie ich.
„Wer sind sie?", hakte ich unsicher nach.
„Thomas Newton, Sir. Ich weiß, dass sie Kontakt zu meinen Söhnen haben und ich wollte gerne wissen, wie es Dale geht..."
Nachdem Chad und Dale in unsere Gefangennahme damals reinspaziert waren, sollte ich mich nicht wundern, dass sein Dad wusste, dass sie zu mir gehörten.
„Ich habe nicht wirklich Kontakt zu ihnen. Tut mir leid, Sir", wiegelte ich ab.
Ich hatte behauptet, mit meinem früheren leben abgeschlossen zu haben, dann konnte ich jetzt nicht anfangen etwas auszuplaudern. Außerdem war Dale nicht Dale, doch das zu erklären wäre nur zu umständlich und für Jay vielleicht auch gefährlich.
Man sah Thomas an, dass er mir nicht glaubte und mir klarmachen wollte, dass ich ihm die Wahrheit zu sagen hatte, aber auch, dass er zu großen Respekt vor mir hatte.
Er verabschiedete sich und ging.
Phil und ich liefen weiter durch den Flur. „Ach ich liebe es, dass dir alle in den Arsch kriechen wollen. Sie haben Respekt vor dir. Das macht vieles einfacher", meinte Phil, als er seinen Arm um meine Schultern legte.
Ich schnaubte. „Sie haben Angst vor mir, Philipp. Das ist ein kleiner aber feiner Unterschied"
„Mir doch egal, die tun alles, was du willst und das ist es was zählt" Wir gingen ins Lager, weil ich Lust auf Nachschub hatte.
Ich war schon ganz zittrig, so sehr freute ich mich auf den nächsten Schuss.
„Vielleicht solltest du ein bisschen langsam machen mit Raphaels Serum. Es scheint dir zwar gut zu tun, aber wir haben nicht unendlich viel davon...", meinte Philipp.
„Wenn es alle ist, finde ich schon einen Weg, an Raphaels Blut zu kommen. Und bis dahin..." Ich zuckte mit den Schultern, piekte die Spritze in den Deckel des Glases und zog sie komplett auf.
„Silas, komm schon, nicht so viel...", versuchte Phil es. Er sah irgendwie besorgt aus.
Ich verdrehte die Augen. „Es zeigt kaum mehr eine Wirkung, wenn ich weniger nehme..."
Phil schüttelte den Kopf. „Doch das tut es, nur spürst du es halt nicht..." Er stockte, als er begriff und hauchte „Silas" aus großen Augen.
Ich schüttelte den Kopf und wollte es mir einfach geben, doch er hielt meine Hand auf. „Du nimmst es gar nicht, weil es dich stärker macht, sondern weil es sich für dich so anfühlt, als würdest du Raphael dadurch näher sein", erläuterte er leicht geschockt. „Du bist süchtig danach"
„Jetzt laber doch keinen Scheiß und gib mir meine Spritze!", beschwerte ich mich.
Ganz tief in meinem Inneren wusste ich, dass er Recht hatte. Kein einziges Mal, wenn ich mir dieses Zeug zuführte dachte ich daran, dass es mir helfen würde, größer, stärker, schneller und besser zu sein. Nein, ich dachte an Raphael, bildete mir ein, dass er somit irgendwie bei mir war und achtete nur auf das Gefühl von Heimat, das auch er immer in mir ausgelöst hatte.
Ich vermisste Raphael und ich brauchte dieses Serum, um nicht darunter zu zerbrechen.
„Vergiss es. Ab jetzt gebe ich dir die Spritzen und auch nur in der richtigen Dosis. Du machst dich sonst kaputt", beschloss Phil. Er spritzte das Serum wieder ins Glas und wollte alles verstauen.
„Phil, bitte!"
„Vergiss es!", fauchte er mich an.
Gerade, als er den Koffer, der Raphaels Essenz aufbewahrte, ins Regal schieben wollte, packte ich mir seinen Kopf, knallte ihn an die Wand, sodass er bewusstlos zu Boden glitt.
Ihm ging es gut, er war nur bewusstlos, daher beachtete ich ihn nicht weiter, sondern kümmerte mich darum, mir zuzuführen, was mir zustand.
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