88. Austin: Körper
Boris hatte mich ganz offiziell zum Grillmeister ernannt, aus dem ganz einfachen Grund, weil er keine Lust hatte, selbst herum stehen zu müssen, während alle anderen schon essen konnten.
Da ich ohnehin nichts essen konnte, stand ich also mit meinem Blutshake in der einen Hand und mit der Grillzange in der Anderen an dem neuen, zugegebenermaßen coolen Grill und versuchte mein Bestes. Ich fand, ich machte meine Arbeit ganz gut und, da noch keiner gekotzt hatte, musste ich wohl Recht haben.
Immer mal wieder zog ich an dem Strohhalm, der zu meinem Shake führte und spähte unschuldig in die Runde. Klar sah ich mir alle meine Freunde an, am liebsten Jay, aber ich warf am häufigsten ein überprüfendes Auge auf Phil.
Es wirkte fast so, als habe Silas ihn adoptiert, so kümmerte er sich darum, dass ihm keiner was zu leide tat.
Jay war vorhin auch schon ziemlich ausgerastet, als Silas mit Phil durch die Tür gekommen war und obwohl ich ihm am liebsten selbst die Visage blutig geschlagen hätte, hatte ich Jay festgehalten, bis er sich beruhigt hatte und mir versprochen hatte, dass er sich für so ein Arschloch nicht die Hände schmutzig machte. Er war das nicht wert. Ich akzeptierte ihn hier nicht, ich duldete nur seine Anwesenheit, weil Silas für ihn einstand und ich diesem vertraute.
Außerdem akzeptierte ich ja auch, dass der Teufel persönlich bei meiner Familie am Tisch saß, obwohl ich es nicht wirklich wollte oder unterstützte. Aber ich verstand nun dieses Sprichwort: Die Feinde meiner Feinde sind meine Freunde.
Ja, ich verstand es wirklich. Ich war einfach nur vorsichtig.
Mitten in einem Gespräch schaltete sich Luzifer plötzlich ein. Alle gaben Ruhe, weil er bis dato nichts von sich gegeben hatte.
„Wartet mal" Durch diese zwei einfachen Worte, holte er sich die Aufmerksamkeit aller.
„Du bist Silas' Schwester?" Er sah Mara dabei an und diese nickte.
Danach sah Luzifer viel zu ernst aus dafür, dass wir vorgehabt hatten, heute Abend mal alles zu vergessen.
„Was ist los?" Chad war der Erste, der sich traute, etwas zu sagen.
Es gefiel mir nicht, wie er Luzifer ansah. Besorgt. Er hatte Zuneigung im Blick. Vertrauen. Für den Teufel. Und ich wusste, ich war wahrscheinlich der letzte, von dem Chad etwas hören wollte, aber ich nahm mir vor, ihm klar zu machen, wen er mit diesen Emotionen ansah. Ich setzte einfach meine gesamte Hoffnung darauf, dass Chad hetero war. Laut eigener Aussage zu 100%.
Luzifer schüttelte den Kopf leicht, sah von Chad zu Mara und sagte ihr: „Was hast du mit deinen Kräften gemacht?"
Sie zog verwirrt die Augenbrauen zusammen, legte den Kopf fragend schief.
„Denk gar nicht erst daran zu lügen", redete Luzifer weiter. „Du bist Jägerin, dein Blut ist rein aber deine Essenz ist weg. Also was hast du damit gemacht? Wem hast du sie gegeben?"
Als er das sagte, spannte sich vor allem Chad sehr an und sah zu Mara. Alle erwarteten eine Reaktion.
Sie schien komplett überfordert. „Ich... ich weiß gar nicht, wovon du da redest!", behauptete sie.
Luzifer kniff die Augen zusammen. Man sah ihm an, dass er etwas Böses tun wollte, aber er kam gar nicht dazu, weil Phil übernahm. „Sieh mich an, Mara", forderte er.
Aus Verwirrung tat sie es. Er sah sie mit dem intensiven Blick an, der darauf hinwies, dass er seine Kraft anwandte und forderte somit die Wahrheit. „Was ist mit deiner Kraft passiert?"
Mara stand sehr unter Anspannung, aber sie antworte sofort. „Ich weiß es wirklich nicht. ich verstehe sie ja nicht mal richtig. Das einzige Mal, dass ich sie bewusst eingesetzt habe war damals mit Torben und Anton. Sie haben mir Blut abgenommen und Anweisungen geben, mit denen es leichter gehen soll und..."
Als Phil den Blickkontakt änderte, hörte Mara auf zu reden und atmete erstmal tief durch.
„Wahrscheinlich haben sie dir kein Blut abgenommen, sondern -wie Luzifer es nennt- die Essenz deiner Kraft. Hast du sie seitdem jemals wieder angewendet?"
Mara schüttelte den Kopf.
Phil nickte verstehend. „Was war deine Kraft?"
Er hielt es nicht mehr für nötig, seine einzusetzen. Wir wussten alle, dass Mara auf unserer Seite war.
„Das weiß ich auch nicht so genau. Ich kann eine Verbindung zwischen Seelen erschaffen und erlaubt somit, eine andere Seele zu unterdrücken und dann den Körper zu übernehmen. Sowie bei Silas damals, als Torben ihn gewunden hat, Raphael umzubringen"
Luzifers Blick schoss zu Silas und dieser schaute beschämt weg. Es herrschte plötzlich eine bedrückende Stille. Keiner wusste mehr, was er sagen sollte. Irgendwie war es gut, dass Luzifer hier war. Er hatte eine Ahnung von diesem ganzen Kram.
„Okay", seufzte er und fuhr sich über das stoppelige Kinn. „War es Charlies Wunsch, Raphael zurückzubringen?"
Woher wusste er das?
„Ja", sagte Boris. „Aber Charlie wusste nicht, was er da tut..."
Luzifer nickte, er sah ernst aus, aber irgendwie auch leidend. „Wisst ihr, was passiert, wenn ihr über Raphael Wünsche äußert?", fragte er in die Runde.
Es war keineswegs eine rhetorische Frage, deshalb antworteten alle mit einem Kopfschütteln.
Wow, jetzt sah es aus wie eine Kindergartengruppe und so als sei Luzifer der Erzieher, der den Kindern ganz grundlegende Dinge beibrachte.
Er schob seinen Teller weiter auf den Tisch, damit er die Ellbogen auf der Platte abstellen konnte und erklärte. „Raphael heißt nicht ohne Grund Raphael. Er trägt den Namen eines Erzengels und er trägt seine Energie in sich, die ihn, obwohl er zum Teil Jäger und zum Teil Vampir ist zu einem himmlischen Wesen macht. Die Engel dulden seine Anwesenheit auf der Erde nur, weil er selbst nichts davon weiß, dass er engelsblütig ist und, weil sie ihn nutzen. Der stellt eine Verbindung zwischen den Menschen und den Engeln her, wenn man einen Wunsch äußert. Das heißt, nicht er erfüllt den Wunsch, sondern er teilt ihn den Engeln einfach unterbewusst mit und diese entscheiden dann, was sie damit machen. Charlies Wunsch, Raphael wiederzubeleben, haben sie genauso erfüllt, weil sie es ebenfalls so wollten. Aber meistens machen sie sich einen Spaß daraus, über die Menschen zu lachen, wenn sie ihre Wünsche ungenau formulieren und den Engeln somit die Möglichkeit geben, sie anders umzusetzen. Von den meisten Wünschen haben sie ja nichts, also sehen sie keinen Grund, sie zu erfüllen, außer sie haben dann ein wenig was zum Lachen. Jaylins Wunsch, seine Beine betreffend war eine Art Geschenk an Austin, weil sie wussten, dass er wegen des Tumors sterben würde und Austin noch ein bisschen Zeit in Normalität mit ihm geben wollten. Sein Leben retten wollten sie aber nicht, weil seine Seele aus einem Körper musste, damit er die Hülle für einen Engel sein kann. Michael braucht eine menschliche Hülle, um auf die Erde zu kommen und hier die Neuschöpfung einzuleiten, denn, wenn er es von Himmel aus macht, dann kann es sein, dass sich die Seelen dort zwischen den Sphären verlieren..."
Das Fleisch war mir plötzlich total egal, ich saß schneller am Tisch neben Jay, als einer von ihnen blinzeln konnte und fragte Luzifer: „Was will dieser Michael eigentlich genau? Und was will er von mir?"
Jays Hand auf meinem Bein berührte mich, aber sie änderte nichts an meinen Sorgen.
„Wenn ich das wüsste, müsste ich mich nicht mit euch Menschen abgeben, glaub mir, Austin", meinte Luzifer, doch es klang versöhnlicher, als es aufgrund seiner Wortwahl wohl den Anschein hatte.
„Könnte man Jays Seele wieder in seinen Körper stecken?", fragte Chad zusammenhanglos nach, sah dabei nur Luzifer an.
Er schloss kurz leidend die Augen, nicke aber dabei „Theoretisch ja."
„Wie?", setzte Chad hinterher, so als würde er sofort los stürmen und alles in die Wege leiten, sobald er wusste, was dafür nötig war.
„Sein Körper ist gerade aber nicht frei" Als Luzifer das sagte, sah Chad enttäuscht aus.
Ich verstand, dass er seinem toten Bruder nicht ständig ins Gesicht sehen wollte. Ich fand es auch nicht schön, Jay anzusehen und dabei einem Fremden entgegenzublicken.
„Ist Michael auf der Erde?", fragte Chad.
Luzifer klang bei seinem Ausatmen gereizt. „Nein, Chester, ich bin es. Ich habe gerade Jaylins Körper und ich bin nicht bereit, ihn vor Ablauf meiner Frist wieder herzugeben."
Er sprach es fest aus, bestimmt, aber irgendwie hörte ich auch eine Nuance Angst heraus.
„Das kann nicht sein, du sieht ihm nicht mal ähnlich", hauchte Chad.
Luzifer verdrehte die Augen. In der nächsten Sekunde saß uns Jay gegenüber und mein Herz setzte einen Schlag aus, als ich ihn sah. Es war wirklich er.
„Dabei, seinen Körper zu besitzen geht es nicht um die Form, sondern um die Hüllenfähigkeit an sich. Das Aussehen kann ich mir beliebig verändern" und das tat er, sodass er uns im nächsten Moment wieder so gegenüber saß, wie wir ihn kannten.
„Kannst du dir nicht einen anderen Körper suchen?" Chad klang flehend dabei.
Ich wollte in das Betteln mit einsteigen, aber sah an Luzifers Blick, dass es keinen Sinn machte. „Nein. Ein anderer Körper könnte mich keine Sekunde in sich aufnehmen und er würde ganze Erdplatten zerfetzen. Wenn dir das lieber ist, als diese Möglichkeit, die wir gerade ausschöpfen, dann bitte. Dann wird eine Neuschöpfung Michaels aber nicht mehr nötig sein"
Wieso kam mir Luzifer gerade so verletzt vor?
Chad hatte wohl keine Lust mehr zu diskutieren, er stand wortlos auf und ging ins Haus. Er tat das, was er immer tat, wenn er nicht mehr konnte. Er haute ab.
Ich wollte ihm ja hinterher und mich um ihn kümmern, aber die Neuigkeiten gab es nun mal hier draußen. Und Jay war mir, so weh die Wahrheit auch tat, wichtiger als Chad.
„Kann Michael auf die Erde kommen, solange du die Hülle hast?", wollte Silas wissen.
Luzifer schüttelte den Kopf. „Nein. Und soweit ich weiß, gibt es gerade auch keine Andere. Aber obwohl Michael so tut, als würde er so viel auf Regeln geben, bin ich davon überzeugt, dass er sich alles so zurecht biegt, wie es ihm passt und er trotzdem einen Weg finden wird, seinen Willen zu bekommen."
Das war ja alles ganz interessant, aber ehrlich gesagt war mir etwas anderes gerade wichtiger. „Kann Jay jemals seinen Körper zurückbekommen?"
Alle sahen mich an, als ich Luzifer das fragte.
Sein Kopfschütteln war ein harter Schlag, aber irgendwie hatte ich mir das ja auch denken können. Wäre ja auch zu schön gewesen.
„Tut mir leid für euch.", dabei sah er Jay und mich an und ich erkannte, dass er die Wahrheit sagte.
Irgendwie brachte mich das dazu, ihm zu vertrauen. Ich meine, er half uns hier, wie es sonst keiner konnte, er hielt keine seiner Informationen zurück, wenn wir danach fragten, obwohl er wusste, dass uns die Wahrheit nicht gefiel. Wie konnte so jemand bitteschön der Teufel sein?
„Austin, können wir bitte kurz reden." Jay drückte mein Bein leicht, auf dem seine Hand lag, sodass ich zu ihm sah. „Allein", setzte er noch hinzu.
Ich nickte.
Wir standen auf und ich folgte ihm einfach ins Haus.
Klar, wären wir im Garten geblieben, hätten die Anderen nur zugehört.
Wir setzen uns ins Wohnzimmer und ich sah ihn fragend an.
Er seufzte und hielt mir ohne etwas zu sagen seine Hand hin.
Ich ahnte, was er wollte, zögerte, aber legte schließlich meine in seine.
Er schluckte und sah von unseren Händen in mein Gesicht hoch. „Wäre ich noch in meinem Körper, hättest du nicht gezögert", stellte er fest.
Und er hatte Recht.
Ich seufzte, raufte mir mit der freien Hand die Haare. „Was erwartest du denn von mir? Ich verspreche dir, dass ich an meinen Gefühlen für dich nichts geändert hat. Aber ich kann nicht so tun, als sei alles noch wie zuvor, denn ich sehe dich an und erwarte den Jungen zu sehen, den ich liebe, aber erkenne dich nicht wieder. Ich weiß, du kannst nichts dafür und ich bin dir ja auch nicht böse, nein, ich bin dankbar, dass du wieder da bist, aber... Ich vermisse auch deinen Körper, weißt du? Das gehört halt irgendwie zu dir. Ich kann nicht einfach so umschalten..."
„Ich habe versprochen, dir Zeit zu geben", setzte er an mein Gemurmel an. „und ich will das wirklich tun. Aber je mehr ich von den Anderen und dir über mich höre, desto mehr lerne ich mich selbst kennen und weiß, wer ich bin. Wenn ihr mir erzählt, was wir gemacht haben, dann laufen die Szenen wie Filme in meinem Kopf ab und... Es ist als würde ich mich an mein Leben erinnern, aber nicht in meiner Perspektive, sondern als Zuschauer oder so. Jedenfalls weiß ich immer mehr davon, was so passiert ist und wer ich bin. Aber ich brauche dich, damit du mir bei dem wichtigsten Teil hilfst, denn obwohl ich so gut wie gar nichts weiß, bin ich mir sicher, dass du die meisten und stärksten meiner Gefühle in mir ausgelöst hast. Und ich weiß, wie du dich fühlst, wenn du mich ansiehst, denn ich fühle dasselbe, wenn ich in den Spiegel sehe, aber ich kann es einfach nicht ändern. Vielleicht ist es viel verlangt, aber... vielleicht kannst du, damit es für mich gerecht wird, meinen Körper vergessen und dich, wenn du mich ansiehst nur auf mich konzentrieren. Die Gefühle. Die Berührungen..."
Er drehte sich komplett mir zu, ließ meine Hand dazu los und drehte mich ebenfalls so, dass ich ihm gegenüber saß.
„Mach die Augen zu", forderte er. Es klang nicht nach einem Befehl, sondern eher nach einer Bitte. Ich tat es.
„Und jetzt vergiss mal, wie ich gerade aussehe und wie ich beim Sprechen klinge, okay? Ich weiß, das ist schwer, aber bitte gib dir Mühe"
Ich leckte mir kurz über die Lippen, aber nickte, um ihm mein Einverständnis zu signalisieren. Ich stellte mir vor, dass mir nicht mehr Chads kleiner Bruder gegenübersaß, sondern Jays Körper. Die blauen Augen, die mich schon vom ernsten Moment an fasziniert hatten, das hübsche Gesicht. Der tolle Körper. Das Tattoo an seiner linken Seite. Sein...
Okay, nein Austin, aus! Das war nicht Sinn und Zweck der Übung!
Ich verfluchte mich selbst dafür, dass er mich irgendwie anmachte, obwohl ich ja nur an ihn dachte. Ich atmete tief durch, zog einen Duft in die Lungen, der Jays verdammt ähnlich war. Mir kam in den Sinn, dass vermutlich das Jays Duft war und ich ihn bisher einfach nicht richtig hatte riechen können, weil der Tumor ja Teil seines Blutes gewesen war und ich auch diesen gerochen und mir eingebildet hatte, er würde zu ihm gehören.
Ich spürte eine zarte Berührung an meinem Unterarm, wusste, er strich vorsichtig mit seinen Fingerspitzen darüber und bekam sofort eine Gänsehaut an der Stelle, wegen dieses Kribbelns, das kleine Stromstöße in meinen Körper schickte.
Er tat dasselbe bei dem anderen Arm.
Ich musste irgendwie lächeln.
Es fühlte sich so an, als sei er hier. Mein Jay. Ich wusste, das war er.
Er nahm sich wieder meine Hand zu sich und malte mit der Fingerspitze ein Herz auf meinen Handrücken.
Dann hob er die Hand an und ich spürte seine Lippen dort.
Ich fühlte mich, als sei ich hier genau richtig, als sei alles davon richtig. Und nahm mir vor, meine Hand nie wieder zu waschen.
Er summte eine beruhigende Melodie, doch klang dabei wie mein Jayjay und das machte alles nur umso besser.
Obwohl meine Augen geschlossen waren, fühlte ich, wie sie sich mit Tränen füllten. Freudentränen.
Ich hatte ihn so sehr vermisst und erst jetzt wurde mir so richtig bewusst, dass ich ihn zurück hatte. Mein Baby. Meinen Schatz. Meinen Jayjay.
Ich wollte die Augen nie wieder öffnen, weil gerade einfach alles perfekt war. Es gab nur ihn und mich. Keine Probleme, weil er den falschen Körper hatte, keine Sorgen um den verdammten Weltuntergang keinen Stalker-Erzengel, der mir den Arsch leckte. Nur Jay und mich.
Die ersten Tränen verließen meine Augen und suchten sich ihren Weg über meine Wangen.
Ich lächelte nach wie vor, einfach, weil ich glücklich war. Weil Jay mich glücklich machte. Jetzt in diesem Augenblick. Nach all den Tränen, die ich aus meinem Schmerz und meiner Trauer heraus für ihn vergossen hatte. Nach jedem Schrei, den ich an Gott gerichtet und durch ihn gefleht hatte, mir Jay zurückzubringen. Nach jeder Nacht, in der ich mich so einsam gefühlt hatte, dass ich einfach nicht mehr weiter wusste. Nach jedem Tag, der für mich ohne Jay einfach keinen Sinn mehr gemacht hatte. Nach jeder Stunde, die mir vorgekommen war wie eine ganzes Leben ohne ihn. Nach jeder Minute, die nicht ausgereicht hätte, um zu beschreiben, wie sehr ich ihn liebte. Nach jeder Sekunde, die mich nur daran erinnert hatte, jedes Mal aufs Neue, dass alles ein Ende hatte und Jays lange da war. Nach jedem Herzschlag, mit dem ich gekämpft hatte, um überhaupt ohne ihn am Leben sein zu können und jedem Atemzug, der mir bewusst gemacht hatte, was er mit seinem letzten getan hatte. Damals, im See, unter Wasser, als er seinen aufgesparten Atem rausgelassen hatte, um mir ein letztes Mal zu sagen, dass er mich liebte.
Nach all dem saß ich jetzt hier und wusste, dass es egal war. Dass alles egal war. Solange ich einfach nur ihn hatte.
Ich spürte seinen Atem an meinem Gesicht, als er begann, meine Tränen wegzuküssen und ich wusste, das war der Moment, in dem ich mich entscheiden musste, ob ich weiterhin an alles und jeden denken sollte, oder einfach das Geschenk annehmen, das mir gemacht wurde. Ich traf meine Wahl, indem ich blind nach seinem Kopf tastete und mein Gesicht dann seinem zudrehte, sodass er bei seinem nächsten Kuss nicht mehr meine Wange erwischte, sondern meine Lippen.
Dieser Kuss war anders als der, den ich ihm geschenkt hatte. Es war kein Trost- oder Beruhigungskuss. Es war ein Kuss, der bewies, dass unsere Liebe stark genug war, alle Hindernisse zu überwinden. Und es war die Erneuerung des Versprechens, dass ich ihn bedingungslos liebte und das auch immer tun würde.
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