81. Chad: Begehrenswert
Ich bemerkte viele Blicke auf mir, doch ignorierte sie und setzte mich zwischen Claire und Amy. Sie waren mir gerade die liebste Gesellschaft.
Dale... Jay konnte ich gerade einfach nicht ansehen und irgendwie war ich auch sauer auf Austin.
Rational wusste ich, dass er nichts dafür konnte, was die Engel entschieden hatten, aber ich hasste es, dass sein Glück mein Leid war.
Ja, vielleicht war es egoistisch, aber es brachte mich beinahe um, meinem Bruder gegenüberzusitzen und zu wissen, dass er nicht mein Bruder war und es auch nie wieder sein würde. Dass er tot war.
Es war zwar ein Trost, dass er wohl im Himmel war, aber ich vermisste ihn trotzdem. Ich wollte Zeit mit ihm verbringen. Und ich hatte mich immer noch nicht für unseren letzten Streit bei ihm entschuldigt.
Einer der Blicke lag besonders intensiv auf mir. Ich hob den Kopf, um ihn zu erwidern.
Luzifer musterte gerade meine Brust, dann meine Oberarme, meinen Hals, mein Kinn und dann gelangte sein Blick in meinen Augen an.
Er sah irgendwie ertappt aus, als er begriff, dass ich sein Starren bemerkt hatte.
Meine Augenbrauen zogen sich verwirrt zusammen.
Was zum Teufel? Oh... ich meine... Also... Ach scheiße.
Jedenfalls verstand ich nicht, was hier gerade los war oder wieso er jetzt leicht errötete.
„Sag mal, wird Luzifer gerade verlegen?", fragte Boris zwar nur an Silas gewandt, aber so, dass es alle hören konnten.
Der Genannte riss seinen Blick von mir los und schüttelte leicht verwirrt den Kopf.
„Einen Scheiß werde ich. Halt die Klappe!", giftete er Boris an.
Dieser sah zuerst aus wie ein Kind, das von seinen Eltern ziemlich übel getadelt wurde, aber dann fing er an zu lachen und fiel dabei fast vom Stuhl. Silas neben ihm grinste ebenfalls leicht und irgendwie schienen alle ein bisschen amüsiert zu sein.
Naja, Luzifer verhielt sich aber auch echt wie eine beleidigte Leberwurst. Aber ich hatte ja schon feststellen dürfen, wie zickig er sein konnte, wenn etwas nicht so lief wie er sich das vorstellte und er daran nichts ändern konnte.
Vielleicht hätte ich mir ein Shirt anziehen sollen, bevor ich runter gekommen war. Aber ich war davon ausgegangen, dass es keinen stören würde. Das tat es ja auch nicht direkt...
„Kann es sein, dass du auf Typen stehst?", fragte Boris Luzifer belustigt.
Dieser sah Boris an, die Augen leicht zusammengekniffen, die Arme verschränkt. „Und wenn?" Es klang trotzig wie er das sagte.
Boris wirkte amüsiert, als er abwehrend die Hände hob. „Hei, ich sag ja gar nichts. Ich stehe doch selbst auf Männer, ich bin bi"
Luzifer verdrehte die Augen. „Ihr Menschen und eure Definitionen. Warum muss man das denn einordnen? Wieso kommt es dabei in erster Linie auf das Geschlecht an, wenn man behauptet, seinen Gefühlen zu folgen? Ob man es glauben will oder nicht, bei uns im Himmel sieht man das alles nicht so eng. Engel haben kein Geschlecht..."
„Aber du bist doch ein Mann oder nicht?" Boris wirkte verwirrt, auch leicht überfordert.
Luzifer zuckte mit den Schultern. „In erster Linie bin ich ein Engel. Wir bestehen aus Energie und haben keinen Körper in irgendeiner Form, dem man ein Geschlecht zuordnen könnte. Aber jetzt im Moment in diesem Körper, da bin ich ein Mann, ja. Das heißt aber nicht, dass ich nicht, falls es eine geeignete Hülle gäbe, morgen als Frau vor euch stehen könnte"
Alle waren interessiert und beeindruckt davon, obwohl Boris der Einzige war, der das Gespräch ja wirklich mit Luzifer führte. „Und wie gehst du so vor bei Partnerwahl? Einfach nach Gefühl oder wie?"
Wieder zuckte Luzifer mit den Schultern. „Es kommt drauf an, was ich von der Person will und in welchem Zustand ich mich gerade befinde. Wenn ich in meiner Engelsgestalt bin und mit jemanden Kontakt habe, steht Aussehen logischerweise im Hintergrund. Es kommt da eher darauf an, wie kompatibel die Energien sind, auf welchen Ebenen sie sich verstärken, reizen und stimulieren können. In menschlicher Form, wenn ich nur auf das Eine aus bin, ist das Aussehen schon viel wichtiger. Aber wenn das Gefühl fehlt, lasse ich mich auch auf niemanden ein. Und wenn du jetzt genug von meinem Sexleben hast, könnten wir doch weiter unsere Mahlzeit einnehmen und uns dann wichtigeren Themen widmen als wie ich auf mein Kosten komme"
Obwohl Luzifer mit Boris sprach, warf er mir immer wieder kleine Blicke zu und verharrte schließlich verheddert mit meinem.
Ich schluckte, als ich bemerkte, wie intensiv er mich ansah, so als wollte er mir klar machen, dass ich ihm gefiel oder sowas, und als ich spürte, was das in mir auslöste. So ein nervöses Kribbeln in der Magengegend. Eine leichte Aufregung- und ich kannte mich gut genug, um zu wissen, dass ich gerade bestimmt rot wurde.
Ich riss meinen Blick von seinem los, als sich ein Grinsen auf seinem Gesicht ausbreitete und starrte stur auf meinen Teller, in der Hoffnung, dass keiner das eben Geschehene mitbekommen hatte.
Ich hatte wirklich nicht den Nerv, mich jetzt auf noch auf Gefühlsebenen zurecht finden zu müssen und mal abgesehen davon fand ich an Männern sexuell so gar nichts attraktiv, also hatte ich ja keinen Grund, mir Gedanken zu machen.
Ich verstand aber nicht, was Luzifer an mir finden sollte. Ich meine, ich sah nicht schlecht aus aber auch bestimmt nicht besonders gut. Naja, mein Körper war im Durchschnitt wohl schon ziemlich muskulös, aber das war ja nicht zur Deko da, sondern vom harten Jägertraining, wo ich bisher immer meine nicht vorhandene Jägerkraft körperlich hatte ausgleichen müssen. Und Leute von ihren Rollstühlen in ihre Betten zu schleppen oder in die Dusche, etc. war auch nicht gerade leicht, wenn man keine funktionellen Muskeln dafür hatte.
Ich hatte noch nie in den Spiegel gesehen und gedacht, wow, ein Wunder, dass dir die Frauenwelt nicht zu Füßen liegt. Das war auch gar nicht nötig gewesen. Neben Anni da konnte man ja auch kaum was besonderes sein.
Ich war mit ihr nur einmal auf dem roten Teppich gewesen, aber das hatte mir gereicht. Nicht nur, dass ich dank ihren Highheels fast kleiner gewesen war als sie, ich hatte diese Posen einfach nicht drauf gehabt und Anni hatte hinterher gemeint, man hatte gesehen, dass ich unsicher gewesen war, was für die Presse ein gefundenes Fressen dargestellt hatte.
Außerdem hatte ich seit Monaten psychische Probleme, mein ganzes Leben lang Schlafstörungen und ich war so langweilig wie man es nur sein konnte.
Selbst, wenn Luzifer nur ... ihr wisst schon was... von mir wollte, konnte ich mir nicht vorstellen, wie man an mir interessiert sein konnte. Es gab so viel bessere als mich.
Aber obwohl ich kein weiteres mal von meinem Teller aufblickte, wusste ich, Luzifer sah mich mit diesem verlangenden Blick an, der von seinem einseitigen Grinsen unterstützt wurde, was irgendwie aussah wie bei einem frechen Kleinkind, dass Stolz war auf den Ärger, den es für den Süßigkeitendiebstahl bekam. Irgendwie ließ mich das gleich viel wertvoller fühlen. Selbst, wenn er mich nur körperlich anziehend finden sollte.
Irgendwie gab es mir ein Stückchen von dem Teil an Sicherheit zurück, den Anni mir durch die Trennung genommen hatte. Das Wissen, begehrenswert zu sein.
Obwohl ich mich niemals auf den Teufel, einlassen würde, lenkte es mich für einen kurzen Moment ab, in seinem Blick zu sehen, dass er mich haben wollte und bereit war, sich dafür alle Mühe zu geben.
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