78. Luzifer: "Teufelchen"

Bevor das Kapitel losgeht, hätte ich hier gerne eure Schätzungen, wer wen wohl "Teufelchen" nennen wird haha:)






Ich musste allen mindestens tausend Mal versichern, dass ich die Wahrheit sagte und war erleichtert, als Austin und sein Lover zurückkamen, da sie die Aufmerksamkeit auf sich zogen.

Austin legte Jaylin sofort eine Decke um die Schultern, der sie fester um sich zog. Er sah unsicher aus, wich jedem Blick aus.

Ich fühlte mich hier gerade ziemlich fehl am Platz und wusste, eigentlich hatte ich beim emotionalen Teil des Ganzen hier auch gar nichts mehr zu suchen. Deshalb ging ich. Es interessierte eh keinen, im Gegenteil, sie waren wohl eher froh, mich los zu sein.

Ich entschied mich, dass es wohl das Beste war, Chester zu suchen. Ich konnte kein Team brauchen, das kein Team war und Chester hatte auf mich wie sowas wie der Zusammenhalt der Gruppe gewirkt, die Rückversicherung, vielleicht auch der Alphawolf in einem Rudel aus verlorenen, orientierungslosen Welpen. Ja, das traf es ganz gut.

Da ich seine Präsenz bereits abgespeichert hatte, als er mich zu gegebenermaßen ziemlich heiß an eine Wand gepresst hatte, war ich bei meiner Suche zielsicher.

Es dauerte etwas, weil ich das meiste meiner Energie nicht hatte und nichts unnötig verbrauchen wollte und deshalb in menschlicher Schrittgeschwindigkeit lief, bis ich bei Chester ankam.

Es war mitten in der Nacht, er saß auf einer Parkbank in einem leeren Park. Er sah ziemlich verzweifelt aus, die Ellbogen auf den Knien abgestützt und das Gesicht in den Händen vergraben.

Hoffentlich weinte er nicht. Mit Tränen und Gejammer konnte ich gar nicht gut umgehen.

So richtig wusste ich auch gar nicht, was ich jetzt hier sollte. Trotzdem setze ich mich zu ihm.

Er merkte es, doch veränderte seine Position nicht, als er nuschelte „Was willst du?"

„Weiß nicht", gestand ich.

Ich wusste es wirklich nicht. Es hatte sich einfach richtig angefühlt, hierher zu kommen. Und wenn ich mir Freunde machen wollte, dann sollte ich wohl mal anfangen, Menschen zu helfen. Also wieso nicht Chester? Er schien es zu verdienen.

Es war eine Engelsfähigkeit, eine Person anzusehen und sofort ihr Wesen zu kennen. Ich wusste, dass Chester ein guter Mensch war, aber auch, dass er viel durchgemacht hatte. Dass er gerade am Tiefpunkt seines Lebens war und ich fühlte, dass er nicht die Hoffnung hatte, dass das jemals besser werden würde.

Ich seufzte schwer. „Hör zu, Chester..."

Als ich diesen Namen sagte, zuckte er zuerst zusammen und drehte sich dann geschockt zu mir. „Woher weißt du, wie ich heiße?"

Ich zog vielsagend die Augenbrauen hoch. „Ich bin der Teufel. Ich weiß wahrscheinlich mehr über dich als du selbst"

Er kniff die Augen zusammen, wandte sich mir komplett zu. „Zum Beispiel?"

Süß, er wollte mich herausfordern. Das konnte er gerne haben.

„Zum Beispiel, dass du nichts lieber willst als dich bei Jay zu entschuldigen, aber der Überzeugung bist, dass Dale dir das niemals verzeihen würde"

Er schluckte hart nach dieser ausgesprochen Tatsache und sah niedergeschlagen auf die Bank zwischen uns. „Du hast es leicht. du weißt sofort alles über jeden. Dir kann so eine Scheiße nicht passieren..."

Ich musste leicht lachen. „Dafür habe ich andere Probleme. Eher von kosmischer Größe. Glaub mir, Chester, es gibt schlimmeres. Und ich bin mir sehr sicher, dass die Seele deines Bruders, unabhängig davon, ob sein Körper hier noch gebraucht wird, im Himmel ist und es ihr dort gut geht. Dafür gebe ich dir mein Wort"

Er schüttelte leicht den Kopf. „Dein Wort nützt mir nichts, wenn ich nicht weiß, ob ich dem auch vertrauen kann"

„Was erwartest du denn jetzt von mir?", wollte ich leicht gereizt wissen. „Ich kann dir nicht beweisen, dass ich dein Vertrauen wert bin, weil ich das höchstwahrscheinlich nicht bin. Du musst selbst wissen, ob du dumm genug bist, auf das Gefühl in dir zu hören, das dir sagt, dass ich wahrscheinlich ehrlicher bin als jeder Andere. Aus dem einfachen Grund, weil ich so gut wie nichts mehr zu verlieren habe"

Er nickte leicht, wich meinem Blick erneut aus.

Diese friedliche Stille an diesem Ort, diese nächtliche Ruhe, das Vogelgezwitscher, der Mondschein... gingen mir tierisch auf den Sack. Ich hatte keine Lust mehr, hier herum zu sitzen, vor allem nicht, wenn meine Begleitung in so einer schlechten Stimmung war. Mir fielen lustigere Sachen ein, die ich mit Chester tun konnte.

„Das Trübsalblasen bringt dich nicht weiter, Menschchen", versuchte ich es wieder. „Deinem Bruder geht es gut, wo er jetzt ist und dein bester Freund ist am Leben. Dass er im Körper deines Bruders feststeckt und keine Ahnung hat, wer er ist, ist dumm gelaufen, aber das sollte ein Grund mehr für dich sein, ihm beistehen zu wollen. Das ist besser als, dass an deinem Bruder herum experimentiert worden wäre, das hätte nämlich mit ziemlicher Sicherheit seinen Frieden gestört. So bemerkt er nicht mal, dass sein Körper anderweitig genutzt wird..."

„Es geht mir nicht nur um das, was jetzt ist", unterbrach er mich. „Jay hat meinem Bruder das angetan. Du hast keine Ahnung, wie oft ich an seinem Bett gesessen und gebetet habe, dass er wieder aufwacht, wie viele Tränen ich dort vergossen habe. Wie schlecht es mir ging. Dafür ist Jay verantwortlich. Dale hat nur seinen Auftrag erfüllen wollen und Jay hat ihm sein Leben genommen. Ich kann ihm das nicht verzeihen"

„Hast du denn nicht zugehört?", fragte ich ihn ungläubig. „Er ist nun mal der Junge mit dem reinen Herzen und den schlechten Taten. Dafür kann er nichts. Und ich bin mir sicher, du wusstest schon immer, was er für eine Vergangenheit hatte"

„Ja", bestätigte er. „Aber trotzdem ist Dale mein Bruder. Das ist was anderes. Das macht es persönlicher... Es tut mehr weh"

Ich seufzte und rutschte ein paar Zentimeter zu ihm auf. Meine Hand legt sich auf seine Schulter. „Ich verstehe das. Die Familie ist einem das Wichtigste. Vor allem die Geschwister. Ich hätte, als ich klein war, alles dafür getan, um so einen großen Bruder zu haben wie dich. Einen, auf den man sich verlassen kann, der einem nur das Beste will und der einen beschützt. Glaub mir, Dale wird zu schätzen wissen, was du für ihn getan hast und für ihn empfindest. Aber es bringt dir nichts, nur noch in die Vergangenheit zu sehen und darauf, was alles schief gelaufen ist. Du kannst das nicht ändern. Du kannst die Zeit nicht zurückdrehen. Nicht mal ich kann das. Das einzige, was du tun kannst, ist das Beste daraus zu machen, was du hast. Und das sind gute Freunde, die alle ausnahmslos hinter dir stehen und mit dir in jeden Krieg ziehen würden. Also entweder du wirfst das weg, um in deinen vernichtenden Gefühlen zu baden und alleine unter dieser Last zu zerbrechen oder du rappelst dich auf, gehst wieder nachhause und sorgst dafür, dass die Opfer der Vergangenheit nicht umsonst gewesen sind"
Ich sah ihn intensiv an. Ich erkannte gerade keine Emotion in seinem Blick, hatte keine Ahnung, was in seinem Kopf vor sich ging.

Er musterte mich eingehend, so als wollte er irgendetwas überprüfen. Als er dann damit fertig war, sage er: „Wow. Du hattest ja in der Hölle mächtig Zeit, solche Reden vor dem Spiegel zu üben, mh?"

Perplex erwiderte ich seinen nun amüsierten Blick. Ich machte mir hier Mühe, ihn aufzumuntern und er machte sich über mich lustig? Und da sollte man die Menschen nicht hassen? Vater, was hatte ich mir hier nur angetan?!

„Weißt du was?", motzte ich und nahm die Hand wieder von seiner Schulter. Er hatte meine Anwesenheit nicht verdient. „Vergiss alles, was ich gesagt habe, such dir ein Hochhaus und spring runter. Wir sehen uns dann in der Hölle wieder"

Somit stand ich auf und ging.

Ich machte mich doch hier nicht zum Affen für so einen Waschlappen.

Was dachte er eigentlich, wer er war?

Was fiel ihm ein, so respektlos mit mir umzugehen?

„Hei, Teufelchen!"

Ich hörte ihn rufen und wusste, dass er sich mir annäherte, doch drehte mich nicht zu ihm um.

Er rannte zu mir und atmete schon etwas schneller, obwohl das nur gut hundert Meter gewesen waren. Das war ja nicht mal ein Flügelschlag.

„Du bist ja ziemlich schnell beleidigt", stellte er fest. Ich schnaubte. „Ich hab gerade zum ersten Mal in meinem Leben versucht, für einen Menschen da zu sein und ihm zu helfen und was machst du? Du ziehst es ins Lächerliche. Denkst du das ist für mich hilfreich dabei, wieder ein Engel zu werden? Nein. Du bist scheiße." Den Abschluss brummte ich nur noch und verschränkte die Arme.

Aber er schien seine gute Laune wiedergefunden haben, denn er lachte leicht. „Du bist gar nicht so schlimm wie man sich den Teufel vorstellt. Im Gegenteil. Du bist eher nett, hilfsbereit, sensibel..."

„Halt den Mund oder ich nähe ihn dir im Schlaf zu!", zischte ich bedrohlich.

Man ging davon aus, er würde jetzt erschrocken sein und abhauen, aber nein, er grinste und tat so, als seien seine Lippen ein Schloss, das er mit einem Schlüssel zusperrte und diesen dann wegwarf.

Ich verdrehte die Augen. „Du nervst"

Er brabbelte ohne die Lippen voneinander zu lösen und das die ganze Zeit, während er neben mir herlief.

Ich versuchte ihn zu ignorieren, aber es misslang mir kläglich. „Okay, Chester, mach den Mund wieder auf und rede wie der normale Mensch, der du bist, aber wenn du mich noch einmal sensibel nennst, dich über mich lustig machst oder auf die Idee kommen solltest, was Nettes über mich zu sagen, dann mache ich meine Drohung wahr" Ernst sah ich ihn an.

Er lächelte leicht und sprach dann wieder normal. „Du bist lustig"

Ich stöhnte frustriert auf. „Und du nach wie vor scheiße. Ich mochte dich mehr, als du kurz davor warst zu heulen, da warst du wenigstens ruhig"

„Ich bin eigentlich immer relativ ruhig. Aber manchmal teste ich auch gerne Grenzen aus. Sowie jetzt. Und vielleicht habe ich Glück und du bringst mich um. Dann bin ich wenigstens all meine Sorgen los..."

Ich hielt abrupt an und packte ihn am Unterarm, wohl so schmerzhaft, dass er geschockt die Augen aufriss.
„Sag das nie wieder, hast du mich verstanden?!"

Keine Ahnung, wieso ich jetzt so darauf reagierte, dass er es für besser hielt zu sterben, um seine Sorgen los zu sein, eigentlich war das ja ein ziemlich normaler Gedanke, wenn man an einem Punkt stand, wo Chester sich gerade befand. Aber irgendwie machte es mir Angst. Ich wollte ihn auch nicht umbringen. Zum einen, weil mich das direkt ins Nichts befördern würde und zum anderen... Keine Ahnung. Einfach weil eben.

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