75. Austin: Liebling

Bis Raphael mir erzählt hatte, wer dieser Typ wirklich war, den er da plötzlich angeschleppt hatte, war ich ja noch ganz ruhig gewesen. Aber, als er dann von seinem Besuch bei Silas zurückkam und die Karten auf den Tisch legte, war ich schneller weg, als er gucken konnte.

Als ob ich meine Freunde mit dem Teufel alleine ließ! Was war nur mit Raphael los, sowas zuzulassen?!

Ich schwöre, ich war noch nie so schnell gerannt wie nun, um nach hause zu kommen. Ich kam mitten in der Nacht an, aber das war mir egal.

Ich sperrte hektisch die Haustür auf und wollte beginnen, das Haus nach Leichen zu durchsuchen, aber das war nicht nötig.

Nein, denn schon, als ich im Flur stand, hörte ich Dale nach mir rufen. „Austin!" Er winkte aus dem Wohnzimmer zu mir.

Schnell ging ich hinein und schaute mir alle an.
Sie sahen zwar nicht so aus, als sei bei ihnen alles bestens, aber ihnen ging es wohl körperlich gut.

Das Gesicht des Teufels sah mir entgegen. Ich musste zugeben, dass er verboten hübsch war. War wohl eine seiner Taktiken.

Der Beschützerinstinkt in mir ließ meine Krallen und Reißzähne entstehen und knurrte den Teufel an.

Mir war ja rational klar, dass ich wahrscheinlich keine Chance gegen ihn hatte und auch, dass gerade keine akute Gefahr bestand. Ich hasste einfach nur die Vorstellung, dass er mit meinen Freunden hier alleine gewesen war, die zwar in der Überzahl waren, aber bestimmt wehrlos gegen ihn.

Er erhob sich, als er meine Herausforderung erkannte. „Ganz ruhig, Austin. Ich will deinen kleinen Küken nichts Böses. Im Gegenteil."

Er erzählte mir irgendetwas von Apokalypse und seinem Bruder Michael, dann zog er eine Mitleidskarte, aber all das veränderte nichts.

Nein, nur, dass Dale mich zurückhielt, machte einen Unterschied.

Nachdem Luzifer mit seinen Erklärungen fertig war, starrte ich ihn weiterhin an. Ich wollte ihn einfach nicht hier haben, egal wie gut er seine Anwesenheit begründen konnte.

Ich spürte eine Wärme von meinem Arm ausgehen und dann auch von meiner Wange, als Dale mein Gesicht sanft, aber bestimmend zu sich drehte.

Er sah mich eindringlich aus seinen grün-grauen Augen an und ich wurde automatisch ruhiger. „Er tut uns nichts, ich bin mir sicher. Glaub mir, Austin. Alles ist gut"

Ich atmete tief durch, sah ihm weiterhin in die Augen und spürte, wie meine Reißzähne, sowie die Krallen sich zurückzogen.

Als ich wieder komplett menschlich war, atmete ich nochmal tief durch und musste ihn einfach umarmen. „Wenn er euch was tut, kann ich für nichts mehr garantieren", dabei sah ich die Anderen an, doch drückte Dale fest an mich, wobei ich meine Hand in seinem Lockenkopf vergrub.

Er erwiderte die Umarmung, doch schob mich dann leicht weg. „Er will uns helfen, das hast du doch gehört", meinte mein Junge.

Ich nickte leicht. „Aber ich vertraue ihm nicht"

„Dann vertrau mir" Dale sah mich fest an und ich konnte nicht anders als erneut zu nicken und ein leises „Okay" zu seufzen.

Ich ließ mich von Dale auf das Sofa neben sich ziehen. Er hatte seine Hand auf meinem Rücken, aber so, dass kein anderer es mitbekam und brachte mich somit dazu, mich einfach sicherer zu fühlen, obwohl wir nach wie vor im selben Haus waren wie der verdammte Teufel.

„Schön, da wir jetzt geklärt haben, dass wirklich alle mich hassen, können wir ja weiter machen." Er setzte sich wieder in den Sessel.

Wenn Charlie das erfuhr... Naja, dazu müsste er auch erstmal wieder auftauchen...

„Am besten wir klären das mit euch..." Er sah mich und Dale dabei an.

Wie von alleine schoss mein Blick zu Dale und seiner mir.

Ich sah, dass er keine Ahnung davon hatte, worüber der Teufel hier sprach und ich vermittelte ihm, dass es mir gleich ging.

„Ihr seid anders als die anderen", begann Luzifer. „Ich habe den Vampirkreislauf damals erschaffen auf der Basis von Gewalt, Wut, Stärke und noch ein paar Feinheiten. Ich wollte, dass meine Babys Unruhe auf der Erde stiften, nur um meinen Brüdern und meinem Vater zu zeigen, dass sie mich nicht los sind, obwohl sie mich verbannt haben. Elijah sollte eigentlich nie zu dir werden..." Dabei sah er mich an. „...Du bist nicht von mir zum Vampir gemacht worden, sondern durch meinen Bruder Michael..."

„Was? Wer?", unterbrach ich ihn.

Er verdrehte die Augen genervt. „Michael, ältester Erzengel, eingebildeter Vollidiot, Mamikind, Vaters bester Arschlecker... ist ja auch egal. Jedenfalls warst du zurzeit deines menschlichen Daseins durch bestimmte Bedingungen eine Hülle. Es ist so, dass Engelswesen, wie die Elohim die Erzengel oder ich selbst, wenn wir alles an Energie ablegen, was wir haben, noch zu mächtig sind, um in einem menschlichen Körper auf der Erde wandeln zu können, ohne den ganzen Planeten in die Luft zu sprengen. Aber unter bestimmten Bedingungen gibt es Hüllen, die stark genug dazu sind. Elijah war eine davon. Die wichtigste Vorrausetzung sind laut der Schrift: 'Das Herz eines Engels, das die Taten des Teufels vollbringt' Ich persönlich finde das echt angreifend, aber naja das ist eine Diskussion für eine andere Zeit. Jedenfalls war Elijah als Hülle perfekt. Er war stark, er hatte ein reines Herz, doch hat das nie jemandem gezeigt. Naja, bis auf seinen Lover vielleicht... Die Jäger suchen schon lange nach den Hüllen, um Engel zu beschwören und sie auf ihre Seite zu ziehen. Elijah hätte der Erste sein sollen, in dem wirklich mal ein Engel auf die Erde kommt, aber er ist gestorben, bevor er seine Bestimmung erfüllen konnte. Michael hat mir nicht genau gesagt wieso, aber er hielt es wohl für nötig, ihm eine zweite Chance zu geben und hat ihn als Vampir zurückgebracht, weil das bis dato die einzigen Wesen waren, die vom Tod auferstehen können, ohne dass es groß Aufsehen erregt. Das ist der Grund für deine besonderen Kräfte, Austin. Kein Vampir hat solch einen Einfluss auf die Gesundheit, das Leben oder den Tod der Menschen wie du. Ich schätze, Michael hat wohl ein Auge auf dich geworfen. Du bist sein Liebling"

Das konnte ich nicht glauben.

Ich? Der Liebling eines Engels? Des Engels? Ich?! Schaut mich an, ich bin doch der, der ständig vom Schicksal gefickt wird! Als ob!

„Das kauft dir keiner ab, der mich kennt", schnaubte ich und verschränkte die Arme.

„Warte bis ich fertig bin, dann wirst du mir glauben", grinste der Teufel.

Also ließ ich ihn weiter sprechen, doch nicht in der Absicht, ihm auch nur eines seiner Worte zu glauben.

Wieso sollte ich auch? Er war der Teufel!

Okay, ich war vermutlich der Letzte, der Vorteile haben sollte, aber ganz ehrlich, bei keinem war das doch berechtigter als bei ihm...

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