61. Austin: Verlust
Ich machte für heute im Reich Schluss, als ich sah, wie Silas aus dem Palast stürmte und dabei sogar drei Vampire mit einem Schulterrammen aus dem Weg beförderte.
Sie sahen ihm böse hinterher, doch taten nichts.
Dafür beendete ich meine Arbeiten und eilte Silas hinterher. „Hei, wohin denn so eilig?"
„Nachhause. Hier bin ich ja nicht mehr erwünscht" Er wollte beleidigt wirken, doch ich sah ihm an, wie verletzt er war.
„Wie meinst du das?", fragte ich verwirrt.
„Egal" Er schüttelte den Kopf.
Ich ging mit ihm, da er offensichtlich nicht reden wollte und gerade deshalb auf mich so wirkte, als könne man ihn keine Sekunde aus den Augen lassen.
„Hast du nicht noch was zu arbeiten?", fragte er mich genervt. Er wollte wohl alleine sein.
„Ne, keine Lust mehr für heute. Außerdem sind wir ja fast fertig und den Rest bekommen sie ja auch noch ohne mich hin"
„Mhm", brummte er nur.
„Erzählst du mir, was los ist?", bat ich ihn einfühlsam.
Er schnaubte. „Sowie du uns erzählt hast, wie es dir seit drei Jahren geht?"
Autsch.
„Ich will dir nur helfen, das ist kein Grund jetzt angreifend zu werden, Silas" Ich sah ja, dass es ihm schlecht ging und er hatte ja auch recht, deshalb nahm ich mir diese Antwort mal nicht so zu Herzen.
Er seufzte. „Tut mir leid. Ich bin gerade... Durcheinander"
„Hast du dich mit Raphael gestritten?"
Seine Schritte wurden etwas langsamer. Ich sah ihm an, wie erschöpft er war. Müde. Traurig. Hoffnungslos.
„So in etwa", meinte er, sah auf seine Füße.
Ich seufzte. „Ich weiß, ich bin echt der Letzte, dem man diesen Satz abkaufen würde, aber wenn du nicht redest, dann kann ich dir auch nicht helfen"
„Du kannst mir ohnehin nicht helfen" Silas sah wieder auf, schüttelte leicht den Kopf. „Raphael dreht völlig am Rad. Er denkt, er könnte einfach so mit mir Schluss machen und unsere Verbindung trennen..." Er tippte sich auf die Stirn, um mir zu zeigen, was er davon hielt.
„Hier, schau, er hat mir sogar den Ring zurückgegeben" Silas hielt mir die Kette hin, die er bisher fest in seiner Faust gehalten hatte.
Ich sah ungläubig darauf und dann in Silas' Gesicht, der ebenso ahnungslos wirkte wie ich.
„Ihm geht's gerade schlecht. Er kommt schon wieder zu Sinnen", tröstete ich Silas und legte einen Arm um seine Schultern.
„Das weiß ich ja. Aber ich würde gerne für ihn da sein, weißt du? Er braucht mich, das weiß ich. Ich bin ihm nicht böse, dass er versucht, selbst mit der Situation klarzukommen. Ich weiß auch, dass ich nichts ändern kann. Aber ich will ihn durch all das nicht verlieren." Er sah traurig auf den Boden und ich seufzte.
Ihm zu sagen, dass er ihn durch die Trennung eigentlich schon verloren hatte, war gerade wohl eher kontraproduktiv. Ich meine, dass Raphael nach einer Möglichkeit suchte, die Verbindung zu lösen, bewies, dass es ihm todernst war mit der Trennung.
Wir alle wussten, es wäre das Beste für Raphael, wenn er sich von Silas helfen ließ. Aber ich kannte ihn auch gut genug, um zu wissen, dass jetzt ein Punkt erreicht war, an dem er nicht mehr tatenlos vor sich hin trauern wollte. Und ich wusste auch, dass handeln bei dieser Wut ganz und gar nicht gut war. Aber sich ihm in dem Weg zu stellen, wenn er so drauf war, kam einem Selbstmord gleich und deshalb hatte ich vor, ihn noch ein paar Tage ausspinnen zu lassen und ihm dann den Kopf zu waschen.
Er war zwar jetzt mein König, aber das änderte nichts daran, dass er trotzdem noch sowas wie mein kleiner Bruder war. Jetzt, nachdem er seine Eltern und irgendwie auch Charlie verloren hatte, weil dieser nicht mehr aufzufinden war, war ich seine letzte Bezugsperson, die ihn seit seiner Kindheit begleitet hatte. Ich ging davon aus, das würde ihm etwas bedeuten. Aber mir war auch klar, dass man mich nach den letzten drei Jahren nicht mehr wirklich als Beziehungsberater ernst nehmen konnte.
Mir ging es zwar besser die letzte Zeit, aber das war nicht mein Verdienst, sondern Dales.
Verdammt, ich freute mich, ihn nach einer Woche zwischen all den stinkenden Leichen und all dem Schmerz, darüber, was meiner Familie passiert war, wiederzusehen.
Ich wollte ihn mal so richtig in den Arm nehmen. Ich wollte wieder händchenhaltend mit ihm im Bett schlafen. Ich wollte an den Punkt zurück, wo es mein größtes Problem gewesen war, meine Gefühle für Dale aufgrund derer für Jay zu verdrängen. An den Punkt, wo nicht mehr als die Hälfte meiner Rasse kaltblütig abgeschlachtet worden war. Denn, dass das alles passiert war, hieß nur eines; Der Krieg hatte begonnen.
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