52. Austin: Gemeinsamkeiten
„Wieso?", fragte Dale mich verwirrt. Er schien nicht geschockt zu sein, nicht abgeschreckt davon, dass ich den Mann auf dem Gewissen hatte, den ich so sehr liebte.
„Er war krank. Todkrank. Wir haben es als einzige Möglichkeit gesehen, dass er vielleicht als Vampir wieder zurückkommen kann." Ich lächelte traurig, versuchte, meine Tränen zurückzuhalten. „War ein Irrtum" Meine Stimme klang schwach dabei und Dale blickte mich leidend an.
Aber ich sah in seinem Blick, dass er mich verstand. Seine nächste Frage bewies das. „Und du wartest immer noch darauf, dass sich das Gegenteil beweist?"
Es war eher eine rhetorische Frage.
Ich nickte trotzdem, ohne ein Wort zu sagen.
„Was, wenn er morgen hier vor der Tür stehen würde? Wenn er plötzlich wieder am Leben wäre?", fragte Dale mich.
Ich sah ihn verwirrt an, da ich den Sinn hinter was-wäre-wenn-Fragen noch nie verstanden hatte.
Er beantworte die Frage selbst, als er begriff, dass ich es nicht tun würde. „Du hättest trotzdem noch Gefühle für mich. Und ich auch für dich. Vielleicht glaubst du nicht daran, dass das zwischen uns auch nur annähernd das sein könnte, was du mit Jay hattest. Aber ich weiß mit Sicherheit, dass es mehr ist als nur eine Schwärmerei oder eine Fixierung." Er schüttelte leicht den Kopf, rutschte näher an mich heran und legte seine Hand auf meine. „Austin, es gibt so vieles, über das ich mir Gedanken machen könnte. Wie ich früher war, wie meine Familie war, wie ich ins Koma gefallen bin, wie ich wieder auferstanden bin. Aber für mich bist du das einzig wichtige."
Ich wusste, dass er jedes seiner Worte so meinte und das bedeutete mir ja auch echt viel, aber ich verstand nicht, was das für einen Unterschied machen sollte. Es änderte nichts daran, dass ich nicht bereit war, Jay für einen Anderen, egal wie die Gefühle auch waren, aus meinem Herzen zu verdrängen.
„Ich weiß, du kannst das nicht nachvollziehen", meinte er traurig. „Aber ich bin davon überzeugt, dass ich nur am Leben bin, um bei dir zu sein. Und das reicht für mich aus, um um dich zu kämpfen, egal was für Gründe du hast, dich nicht auf das alles einzulassen."
Es war die romantischste und süßestes Kampfansage, die jemals ein Mensch gemacht hatte und das nur für mich.
Natürlich fühlte ich mich geehrt. Aber ich wolle nicht, dass er seine Zeit für mich verschwendete.
„Dale", seufzte ich, nahm dabei seine Hand, die auf meiner lag. „Das hat keinen Sinn. Das wird dir nur wehtun. Auf die Dauer wird es dich kaputt machen..."
„Das ist es mir wert", versicherte er mir schnell.
Wieso musste er auch so verdammt sturköpfig sein?
„Ich will nicht dafür verantwortlich sein, wenn es dir schlecht geht" Ich sah ihn leidend an, bittend, diese Idee wieder zu verwerfen.
Er begann doch eiskalt zu lächeln. „Du verstehst mich nicht, Austin. Das ist doch der Spaß"
Nein, das verstand ich wirklich nicht.
Verwirrt kniff ich die Augen zusammen.
Er zuckte mit den Schultern.
Er sah dabei so unschuldig aus, dass man ihm so eine Entschlossenheit gar nicht zumuten würde. Vor allem, weil ja einfach alles gegen uns sprach. Seine Herkunft, meine Rasse, seine Vergangenheit, sein Bruder, meine Gefühle für Jay.
Aber er wollte nicht aufgeben. „Ich weiß, dass es wehtun wird. Das tut es jetzt im Moment auch. Aber es ist der schönste Schmerz, den man haben kann, denn er wird durch Liebe verursacht"
Als er das Wort sagte, bekam ich seine Gänsehaut.
Er war sich in alle dem so sicher, obwohl wir uns ja eigentlich kaum kannten.
Er nannte es Liebe.
Was war es denn für mich? Eine Schwärmerei kam nicht annähernd ran. Verknallt sein auch nicht. Es war etwas viel tiefergehendes, aber wirklich Liebe? Wie sollte das funktionieren? Vor allem konnte ich doch nicht zwei Männer zeitgleich lieben! Das war falsch. Das war unehrlich. Das war einfach nicht ich.
„Ich denke, jetzt solltest du doch gehen", gab ich leise zurück, ließ seine Hand los. Ich wich seinem Blick aus, doch erkannte genau, wie er den Kopf schief legte und mich musterte. „Was, wenn ich nicht gehen will?"
Wann war er eigentlich so mutig geworden?
Und wieso klang er gerade so als hätte er Spaß daran, mich zu provozieren?
„Dann ist mir das egal", gab ich zurück und verschränkte die Arme.
Er zog grinsend einen Mundwinkel hoch. „Gut, dann ist es mir auch egal, dass du mich nicht hier haben willst"
Er legte sich hin, machte es sich gemütlich und seufzte dann. „Ich finde es nämlich echt schön hier"
Ungläubig sah ich ihn an.
Er war ja richtig frech. Das schlimmste war, diese Art, dieses Provokante, dieses Rebellische, das kannte ich schon von Jay. Ich wusste ja, dass ich auf solche Jungs stand.
Aber es gefiel mir nicht, dass Dale wohl Gemeinsamkeiten zu Jay hatte. Das war gefährlich in meinem Unterfangen, nicht komplett in meine Gefühle für ihn zu stürzten.
„Ich denke, du braucht noch ein bisschen Schlaf", schmunzelte er zu mir hoch.
Er wollte, dass ich mich zu ihm legte. Dieser Wicht.
Mit einem Brummen rutschte ich wieder auf die Matratze, doch im gebührenden Abstand zu dem Jungen, der mir erfolgreich den Kopf verdrehte.
„Ich denke, du brauchst Manieren"
Er lachte leicht. „Tja die hat mir nie einer beigebracht und wenn doch, erinnere ich mich nicht. Eine bessere Ausrede gibt es doch nicht"
Er drehte sich auf die Seite und strahlte mich an.
Es schien ihn echt glücklich zu machen, mit mir im Bett zu liegen, und das obwohl wir bestimmt gut einen halben Meter zwischen uns hatten. Von alleine drehte ich mich ebenfalls auf die Seite, sodass ich ihm direkt gegenüber lag.
Er rutschte ein Stück zu mir, trug eine leichte Unsicherheit im Blick, aber auch Freude, vor allem, als ich ihm auch noch ein Stückchen näher rutschte.
So waren unsere Nasenspitzen etwa 10 Zentimeter voneinander entfernt, ich konnte ihn gut riechen, seinen Duft nach Licht und Liebe, spürte seinen Atem leicht und sah ihm einfach nur in die Augen. Er tat nichts anderes.
Ich weiß nicht, wie lange das so ging.
Ich spürte ein großes Verlangen in mir, ihn in den Arm zu nehmen oder mich an ihn zu kuscheln und sah in seinem Blick, dass es ihm genauso ging, aber ich war ihm unendlich dankbar, dass er nichts tat, da ich ihn nicht zurückweisen müssen wollte.
Ich legte eine meiner Hände zwischen unseren Gesichtern flach auf der Matratze ab und sah ihn abwartend an.
Er lächelte leicht, legte seine Hand auf meine.
Mehr passierte nicht.
Wir sahen uns einfach an, ich spürte die Wärme, die sich von meiner Hand auf in meinen gesamten Körper ausbreitete und konnte nicht anders als mit einem leichten Lächeln meine Augen zu schließen.
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