48. Silas: Amateure
Es war mir egal, dass meine Wangen feucht waren und ich mir die Tränen nicht wegwischen konnte, weil ich immer noch angekettet war wie ein Tier.
Es war mir egal, dass meine Stimmbänder wohl abreißen würden, wenn ich weiterhin so brüllte und schrie.
Es war mir egal, dass ich mir noch alles brechen würde, wenn ich weiter so an meinen Ketten herum riss.
Es war mir alles egal.
Ich wollte nur noch zu Raphael.
Seit sie an ihm herum geschnipselt hatten, lag er regungslos auf dieser Liege, war nach wie vor nicht bei Bewusstsein.
Meine Schreie hatten nichts bewirkt. Mein Flehen hatte nichts verändert.
Meine Tränen hatten nichts gebracht.
Ich ging davon aus, mir jeden Moment einen Knochen zu brechen, da ich unaufhörlich an meinen Ketten herum zerrte, mit der Absicht irgendetwas zu tun, selbst, wenn es nichts half.
Zwar hatten sie ihm noch nichts getan, als ihn zu untersuchen und ihm aus verschiedenen Organen Flüssigkeiten abzuleiten, aber das war mir schon genug.
Ich konnte aber nichts ändern.
Nein, jemand anderes tat es. Als die Tür mal wieder aufging und Leute hereinkamen, war ich kurz vorm Verzweifeln. Ich dachte, jetzt würden sie Raphael endgültig etwas tun und ich würde zusehen müssen, aber etwas ziemlich Unerwartetes passierte. Denn nicht nur die Jäger kamen rein, nein, sie hatten Begleitung.
„Schaut mal, wen wir hier haben" Phil grinste amüsiert, als seine Leute Chad und Dale zu uns zerrten.
Geschockt starrte ich sie an.
Phil schien gut gelaunt zu sein und plauderte los. „Die wollten so tun, als würden sie zu uns überlaufen wollen. Nur wussten sie nicht, dass wir wissen, dass ihr mit ihnen befreundet seid." Er lachte leicht. „Man man man für wie dumm haltet ihr uns eigentlich? Aber ich finds toll, dass ihr hier seid. Ihr seid nur Ausnahmefälle, an euch kann man bestimmt toll experimentieren. Mum wird sich freuen"
Er deutete seinen Leuten, Chad und Dale zu uns zu ketten. Die beiden wehrten sich, aber es brachte nicht wirklich etwas.
Ich sah sie leidend an. „Sagt mir bitte, ihr habt Verstärkung dabei"
„Dann müssten wir lügen" Dale sagte das angespannt, sah an mir vorbei zu Austin.
„Lebt er noch?", fragte er dann mich wieder. In seinen Augen sah ich einen Schmerz, den man eigentlich nicht in sich trug, wenn es um das Leben eines Fremden, was Austin ja eigentlich für ihn war, ging...
„Noch", meinte ich schlicht.
Dale nickte.
Für einen Moment dachte ich echt, jetzt sei alles vorbei, aber dann fing Dale an schreiend zu singen. „Ey es wäääär schön blöd, nicht an Wunder zu glauben! Und es wääääär zu schön, um es nicht zu riskieren!"
Seine Singstimme klang ja eigentlich ganz schön, aber dieses Geschrei war schrecklich.
Alle starrten ihn verstört an, verständnislos. Wirklich alle.
Nur nicht Chad. Dieser nutzte den Schock, die Typen, die ihn anketten wollten, durch einen Schlag mit dem Ellbogen auf die Nase und einen Tritt in die Eier von sich loszubekommen und dann die Zwei von Dale wegzureißen.
Dem Einen zog er einen Säbel aus der Halterung der Hose und dem anderen eine Waffe.
Die Schusswaffe übergab er sofort an Dale und den Säbel hielt er für mich ziemlich sicher aussehend in der Hand.
Dale sah die Waffe in seinen Händen überfordert an und blickte dann zu Chad, der die Situation deutlich für uns zum Besseren gewandt hatte.
Phil konnte ihn nur ungläubig anstarren. „Man sagt, du hast keine Kräfte"
Chad zuckte mit den Schultern. „Hab ich auch nicht. Wahrscheinlich sind deine Leute einfach nur schlecht ausgebildet"
Ich sah zu den vier Männern, die Chad gerade innerhalb weniger Sekunden ausgeknockt hatte und dann mit einem leichten Grinsen wieder zu Phil.
„Den Schlüssel bitte", verlangte Chad.
Phil kniff die Augen leicht zusammen. „Du glaubst doch jetzt nicht ernsthaft, dass..."
Er wurde durch einen lauten Knall unterbrochen.
Der Ton hallte in meinen Ohren nach, ich sah geschockt auf die Wand, in der ein Loch prangte.
Dale hatte die Waffe abgefeuert.
„Wir sind nicht zum Spaß hier", sagte er zu Phil. „Rück den scheiß Schlüssel raus. Und das am besten, bevor mein Finger nochmal so gefährlich zuckt und die nächste Kugel zwischen deinen Augen landet"
Wir waren doch erst seit 10 Tagen hier, wie hatte sich Dale in dieser Zeit von einem unsicheren Jungen zu einem Mann entwickelt?!
Egal, es half jedenfalls, denn Phil fasste in seine Hosentasche, holte den Schlüssel raus und warf ihn zu uns rüber. „Dankeschön. Warum nicht gleich so?", freute sich Dale, hob den Schlüssel auf und übergab die Schusswaffe an Chad.
„Der Abzug ist echt empfindlich. Ups", flüsterte er ihm zu.
Ich musste fast lachen. Aber nur fast.
Zuerst machte Dale meine Ketten ab.
Ehe ich mich versah, hatte ich auch schon Chads Waffe in der Hand, damit er den Säbel besser halten konnte. Ich ging zu einem der am Boden liegenden Typen, suchte sie nach Schlüsseln ab, aber es schien nur einen zu geben.
Also musste ich damit warten, Raphael zu befreien, bis Dale Austin losgemacht hatte.
Als das erleidet war und Austin auf den Boden runter rutschte, nahm ich mir von Dale den Schlüssel, der versuchte, Austin durch Worte und leichte Schläge auf die Wagen wachzubekommen.
„Schade, dass Raphael nicht wach ist", meinte ich, während ich ihn los machte. „Ich würde gerne sehen, wie er euch alle fertig macht" Dabei blickte ich kurz zu Phil, doch kümmerte mich sofort wieder um mein Baby.
Sobald er frei war, nahm ich ihn hoch, warf ihn über meine Schulter und übergab Chad den Schlüssel.
„Was jetzt?", fragte ich.
Er sah mich leicht überfordert an. „Ich bin nicht davon ausgegangen, dass wir soweit kommen...", gestand er mir.
„Was seid ihr eigentlich für Amateure?" Phil schien genervt zu sein.
Ich sah zu ihm und den anderen etwa zehn Männern, die nur auf ein Kommando zu warten schienen, um auf und loszustürmen. Und so wie es jetzt aussah, würden wir diesen Kampf verlieren.
Alle wussten das, aber Phil schien es zu genießen, die Macht in dieser Situation zu haben, obwohl eine Waffe auf ihn gerichtet wurde.
Er begann zu grinsen und ich wusste, er würde sofort den Befehl geben.
Genau in diesem Moment begann es in meinen Ohren zu schallen, ein unglaublich heller Ton erklang, ein Licht begann wie aus dem nichts zu scheinen. Es wurde total heiß, bedrückend, es fühlte sich an als würde die Luft jeden Moment explodieren.
Mir wurde schwindelig, alles in mir versuchte einfach nur, Raphael nicht fallen zu lassen. Und dann spürte ich nur noch, wie ich selbst fiel.
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