23. Austin: Dale (3)
Da waren wir nun.
Alle zu hause, alle am Tisch sitzend, alle Dale anstarrend, der gar nicht mal richtig verstand, was hier los war und wer wir alle waren.
Trotzdem schien er keine Angst zu haben, sich nicht unwohl zu fühlen oder nervös zu sein. Er saß ruhig da und schaute auf die Mitte der Tischplatte. Er sah ein bisschen traumatisiert aus, aber, dass er sich an nichts erinnern konnte, hieß ja nicht, dass er nichts zu verarbeiten hatte.
Der Erste, der den Mund aufmachte, um etwas zu sagen, war Charlie.
„Austin..." Wie er meinen Namen aussprach klang ziemlich gereizt und auch irgendwie warnend. Er schien langsam nicht mehr geschockt zu sein, sondern eher wütend. „Was hast du schon wieder angestellt?"
Wieso immer ich?!
Wir saßen hier gerade vor einem wiederbelebten Toten, einem lebendigen Wunder und Charlie dachte, ich sei dafür verantwortlich? War ich Gott oder was?
„Gar nichts", wehrte ich ab. „Wir haben alles nach Plan gemacht. Die Geräte abgestellt, ihn zugedeckt und wollten ihn rausbringen, als er plötzlich aufgewacht ist. Ich habe damit nichts zu tun"
Ich wusste, Charlie wollte mich auffordern, es zu schwören, aber ich wusste auch, dass er mich nicht mehr für einen Mann hielt, auf dessen Wort man sich verlassen konnte. Das tat echt weh. Aber mittlerweile hatte ich so viel Schmerz erlebt, dass dieser einfach darin unterging.
„Am besten wir fangen mal beim Anfang an" Es war das erste Mal, dass ich Chad seit dem Krankenhaus wieder sprechen hörte.
Er atmete tief durch und sah seinen Bruder an. Dieser reagierte erst, als Chad seine Hand auf Dales legte, indem er den Blick hob und den Blick erwiderte.
„Ich versuche jetzt, dir alles zu erklären, was ich kann. Wenn du irgendetwas nicht verstehst, dann scheu dich nicht sofort nachzufragen, okay?"
Dale nickte leicht, warf mir einen kleinen Blick zu, so als wolle er überprüfen, dass ich noch immer anwesend war, obwohl ich ja direkt neben ihm saß, ehe er seinen Bruder fragend ansah und dieser zu erzählen begann.
„Wir leben in einer Welt, in der es Menschen und Vampire gibt. Vampire waren mal Menschen, die unter bestimmten Bedingungen leben und sterben mussten, um wieder geboren zu werden, als mächtigere Wesen. Die Menschen haben normalerweise keine Kräfte, aber es gibt auch ein paar Menschen, die es haben. Weil sie denken, es sei ihr Auftrag von Gott, jagen sie mit ihren Kräften die Vampire seit Jahrhunderten, aber weil das so nie vorgesehen war, hat der Großteil der Jäger seine Kräfte verloren. Durch den technischen Fortschritt und das übertragene Wissen aus den vorigen Jahrhunderten können Jäger trotzdem sehr gefährlich für Vampire sein und, wenn ein Jäger ein reines Herz hat, kann er an seinem 16ten Geburtstag seine individuellen Kräfte ausbilden. Du und ich, wir kommen aus einer Jägerfamilie, die seit Generationen keine Kraftausbildung mehr hatte. Bei uns haben sich die Gene so ziemlich verloren. Ich trage nicht mal die Jäger-DNA in mir. Aber du hast deine Kräfte ausgebildet..."
„Wie alt bin ich?", unterbrach Dale seinen Bruder leise.
Chad lächelte leicht, er schien erfreut, dass Dale die Zusammenhänge so weit zu verstehen schien. „Du bist gerade 23"
Dale nickte verstehend. „Wie alt bist du?"
„Ich bin 27"
Wieder nickte Dale. „Was ist meine Kraft?", fragte er dann.
Chad ließ seine Hand weiterhin auf Dales, den dies nicht zu stören schien. Oder er bekam es einfach nicht mit.
„Du kannst spüren, wenn Leute lügen"
Ich höre ein geflüstertes „Cool" von Boris und sah kurz zu ihm.
Klar war er geschockt, aber er schien derjenige von uns zu sein, der am besten mit der ganzen Situation klar kam. Für ihn war es kaum etwas besonders, dass jemand, der eigentlich mausetot sein sollte, bei uns am Tisch saß.
Charlie dagegen war alles andere als begeistert und Raphael und Silas versuchten, neutral zu bleiben.
Ich persönlich stand schon auf Dales Seite, seit ich ihm in die Augen sehen hatte. Ich spürte einfach, dass er bei uns dort war, wo er sein musste. Um den Rest konnten wir uns später kümmern.
„Wie funktioniert das?", fragte Dale Chad und zog somit meine Aufmerksamkeit auf sich.
Chad schien sich zu freuen, seinem Bruder alles erklären zu dürfen. „Du hast mir das so erzählt, dass du je nach Grad der Lüge ein Ziehen im Magenbereich spürst. Also wenn dir jemand eine kleine nicht schwerwiegende Lüge auftischt, dann merkst du es kaum, aber wenn dir jemand bewusst ins Gesicht lügt und das schwerwiegend, dann tut es fast schon weh"
Dale nickte verstehend.
Seine Kraft war ja echt praktisch. So konnte er gleich wissen, dass wir ehrlich mit ihm waren.
„Wer hat in unserer Familie noch Kräfte?", fragte er dann.
Chad schüttelte den Kopf. „Niemand. Sie sind nur körperlich besser bewandert, als normale Menschen, also schneller und stärker. Wir werden von klein auf zu Soldaten und Kämpfern erzogen, also können sie noch gut kämpfen, aber der einzige mit richtigen Jägerkräften bist du."
Dale nickte verstehend. „Kannst du auch kämpfen?"
Chad lächelte leicht und nickte. „Ich verliere aber trotzdem immer gegen alle aus unserer Familie. Ich bin einfach nicht so stark oder schnell wie ihr, egal, wie viel Mühe ich mir gebe. Außerdem mag ich keinen anderen wehtun. Und das hat ein Kampf nun mal so an sich. Das ist jetzt aber ohnehin kein Problem mehr. Unsere Familie und ich gehen getrennte Wege"
„Wieso?" Dale wirkte verwirrt darüber und legte den Kopf leicht schief.
Die beiden führten ein ziemlich vertrautes Gespräch, aber keinen von beiden schien unsere Anwesenheit zu stören. Sie hatten keine Geheimnisse vor uns. Sie waren unsere Freunde. Chad und Dale.
„Damit du das verstehst, muss ich die komplette Geschichte erzählen"
Dale nickte verstehend und blieb dann ruhig, damit Chad weiter erzählen konnte.
Er dachte kurz nach, wo er stehen geblieben war und machte dann weiter.
„Es gab einen Krieg zwischen den Vampiren und Menschen, der sehr viele Opfer gefordert hat, deshalb hat man sich vorgenommen, die Rassen zusammenzuschließen, um den Toten zu entgehen. Vor acht Jahren wurden die ersten Vampire offiziell in der Menschenwelt empfangen und sind integriert worden. Mit drei von ihnen sitzen wir gerade am Tisch. Charlie" Chad deute auf ihn. „Er ist einer der ältesten Vampire und gut mit dem König befreundet. Er tut immer ganz böse, aber so ist er gar nicht. Auf ihn kann man sich verlassen"
Charlie erwiderte das Lächeln, das Chad ihm zuwarf mit einem Nase kraus ziehen und Augen zusammen kneifen.
Dale machte einen verstehenden, aber ungläubigen Ton und Chad machte mit der Vorstellung weiter.
„Raphael ist der..."
Prinz... nein, das war er nicht mehr...
„Ähm... Naja, seine Familienverhältnisse sind ein bisschen kompliziert. Wenn du das genauer wissen möchtest, dann fragen wir ihn später mal, ob er darüber reden möchte"
Raphael hielt Dale die Hand hin.
Dieser schlug zaghaft ein.
„Sehen wir mal, was sich so ergibt...", meinte Raphael zu dem Vorschlag mit dem genaueren Vorstellen.
Dann war nur noch ich als Vampir übrig.
Chad deute auf mich. „Und Austin kennst du ja schon. Ich bin mit diesen ganzen Verrückten hier nur zusammenstoßen, weil er mit einem guten Freund von mir zusammen war."
Dale sah mich an.
Ich wurde total nervös unter seinem Blick, doch versuchte mir nichts anmerken zu lassen.
„Das ist auch nichts, was man so schnell erklären könnte", sagte ich mit leicht belegter Stimme, wich seinem Blick aus.
An Jay zu denken, während Dale solche Gefühle in mir auslöste, war die reinste Folter. Ich war so eine schreckliche Seele.
Dale nickte verstehend und sah schließlich wieder zu seinem Bruder. Dieser sah es als Aufforderung, weiter zu reden.
„Sie sind an eine Schule mit Boris..." Er zeigte auf Charlies Freund, der vom anderen Ende des Tisches freundlich winkte und Dale dadurch dazu brachte, die Augenbrauen überrascht zusammenzuziehen, als er das sah.
Mich brachte es zum Schmunzeln. Boris war echt eine Nummer für sich.
„...und Silas gegangen" Chad deutete auf den Jungen, der auf meiner anderen Seite saß und da dieser in der Nähe war, konnte auch er Dale die Hand geben, um sich vorzustellen. Er kniff dabei Leicht die Augen zusammen. Ich wusste, er las seine Gedanken und es interessierte mich nichts brennender, als zu wissen, was er da sah.
„Sie sind auch aus einer Jägerfamilie, doch aus einer mächtigeren und älteren als wir."
Dale nickte wieder verstehend und sah zu Boris. „Was sind eure Kräfte?"
Naja, bei Boris war das kein gutes Thema, denn er hasste seine Kraft nach wie vor, aber trotzdem antwortete er lächelnd. „Ich kann in die Zukunft sehen. Ich sehe vor allem den Tod von Menschen"
Dale zog wieder die Augenbrauen leicht zusammen. „Das klingt nicht so schön"
Boris zuckte mit den Schultern. „Ist es auch nicht. Ich habe lange versucht, meine Kraft loszuwerden, vor allem, weil sie durch meine Verbindung zu Charlie noch stärker geworden ist, aber ich kann da nichts machen. Das ist ein Teil von mir und manchmal ist es auch ganz hilfreich..." Beim letzten Satz sah er mich kurz an.
Ich wusste nicht so recht, was dieser Satz jetzt zu bedeuten hatte, doch machte mir auch nicht groß Gedanken darum, als Silas an Boris' Aussage anschloss. „Ja also ich kann Gedanken kontrollieren. Ursprünglich konnte ich sie nur anhören, aber ich hab mich auch mit meinem Gefährten verbunden..." Er legte die Hand auf Raphaels. „...und bin seitdem um einiges stärker"
Dale sah verwirrt aus. „Was ist dieses Gefährten und Verbinden?"
Boris machte an dieser Stelle weiter. „Jeder Vampir hat einen Gefährten und ist nur mit diesem in der Lage, ein Kind zu machen... naja vorausgesetzt er ist vom andern Geschlecht. Jedenfalls ist das sowas wie Seelenverwandtschaft. Und wenn man sein Blut mit seinem Gefährten tauscht, dann wird man mächtiger, weil die Kräfte sich vermischen. Deshalb bin ich jetzt zum Beispiel um einiges stärker als normale Jäger und Charlie kann mich in meinen Visionen erreichen und spürt einen Teil von dem, was ich spüre, wenn's mal wieder drückt"
So wie er das sagte, war es ziemlich belustigend.
Ich hörte Silas deshalb auch kurz kichern und Boris sah deswegen stolz aus.
Ich schüttelte schmunzelnd den Kopf. Er hatte es erfolgreich geschafft, das alles hier aufzulockern.
Dales Verwirrung gab Charlie Anlass dazu sich ebenfalls zu Wort zu melden. „Das ist ein Teil von Boris' Kraft. Er spürt, wenn etwas nicht in Ordnung ist oder was Schlimmes passieren wird. Das fühlt sich beklemmend an, manchmal auch schmerzhaft. Das meint er damit. Er hat nur seine Eloquenz mal wieder auf dem Weg vom Kindergarten nach hause verloren"
Boris verdrehte Grinsend die Augen und hängte sich an Charlies Schulter, um ihn runterzudrücken und ihm einen Kuss auf die Wange zu geben. Charlie genoss es, man sah ihm das an, aber auch, dass er es nicht zeigen wollte.
„Okay", meinte Dale noch leicht verwirrt. „Und wie gings jetzt weiter?" Dabei sah er wieder an Chad, der sich daran machte, den Rest der Geschichte ebenfalls zu erzählen.
Wir beantworten gemeinsam die aufkommenden Fragen, bis wir an der Reihe waren, welche zu stellen.
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