21. Austin: Dale(1)

Ich war doch ernsthaft aufgeregt. Aber ganz ehrlich, was wir hier abziehen wollten, war doch richtig kranker Scheiß. Im coolen Sinne.

Chads und meine Aufgabe war es, uns direkt um Dale zu kümmern, während Silas und Boris die Ablenkungen für die Ärzte gaben, Raphael bereit stand, seine Kraft im Notfall einzusetzen und Charlie am Hinterausgang für den Abtransport zuständig war.

„Bist du auch so nervös?", zischte Chad mir zu.

Wir liefen gerade zu Dales Zimmer und Chad kam so rüber, als sei er auf Koffein und Aufputschmitteln. Es würde mich nicht wundern, wenn er gleich wie ein Flummi zwischen Decke, Boden und Wänden auf- und abspringen würde.

„Ein bisschen, ja", gab ich zu, doch um mich stand es nicht halb so schlimm wie um ihn.

Ich genoss das alles ziemlich. Es war eine klasse Ablenkung und ich fand es toll, dass meine Freunde und ich endlich mal wieder etwas zusammen machten, selbst, wenn es harmlosere Unternehmungen gab als diese.

„Oh nein" Chads gute Laune verschwand ganz schnell, als er auf zwei Männer in schwarzer Uniform blickte, die vor einer Zimmertür standen.

„Ist das das Zimmer?", fragte ich nach. Chad nickte, man sah in seinem Hirn, wie es ratterte.

Anscheinend würde Raphael jetzt schon seinen Einsatz brauchen. „Keine Panik, ich rufe Raphael an, er macht das"

Chad hielt meine Hand fest, bevor ich mein Handy rauskramen konnte. „Lass es uns erstmal so versuchen."

Wenn er sich das zutraute, dann bitte.

„Okay. Denk daran, ich bin immer hinter dir", versicherte ich ihm.

Er nickte, sah mich dankend an und wir liefen möglichst unschuldig zu den beiden Typen, die wie verdammte Wachhunde vor der Tür standen.

„Hei Jungs", meinte Chad freundlich, doch versuchte nicht mal mehr seine Traurigkeit zu überspielen.

„Du weißt, dass wir dich nicht reinlassen dürfen, Chad" Chad und ich wurden kritisch gemustert.

Mein Begleiter nickte. „Ja, das weiß ich... und ich verstehe auch, dass ihr tun müsst, was euch befohlen wird, aber ihr habt bestimmt gehört, dass ich ihn nicht mehr sehen darf... Ich will mich einfach nur verabschieden."

Die beiden waren unnachgiebig, verneinten.

„Kommt schon, Leute, Er ist sein Bruder. Seid nicht so herzlos", versuchte ich es auch.

Wieder nichts.

„Ihr könnt doch einfach mit reinkommen und dann seht ihr schon, dass ich nichts tun werde, außer mich von ihm zu verabschieden. Bitte. Tony, was, wenn es sich um Finn handeln würde?" Chad hatte einen echt guten Hundeblick drauf, das musste man ihm lassen.

Der Typ, den er Angesprochen hatte, tauschte einen Blick mit dem andern aus.

Danach seufzte er. „Okay, aber wir kommen mit rein. Und wir machen das schnell, sodass keiner davon erfährt. Wenn ich dafür bestraft werde, dann bekommst du es doppelt so schlimm zurück"

Chad nickte schnell. „Danke. Ihr seid die besten"

„Schleim nicht so" Einer der Typen machte die Tür auf und ging voran.

Hinter ihm folgte Chad, der darauf bestand, dass er mich zur moralischen Unterstützung brauchte. Der Andere kam hinter mir und schloss die Tür wieder.

Sobald das passierte, tat Chad etwas das ich niemals von ihm erwarte hatte. Er schlug dem Typen vor sich ins Gesicht, packte ihn von hinten und umschloss seinen Hals mit dem Arm, sodass er keine Luft mehr bekam.

Ich verstand den Punkt des Ganzen und tat dasselbe bei dem hinter mir, solange, bis beide bewusstlos waren und wir sie vorsichtig auf den Boden ablegten.

„Silas muss ihnen nachher die Erinnerungen an uns blockieren"

Ich nickte, als Chad das sagte und tippte eine Nachricht für Silas in mein Handy, dass wir ihn hier brauchten. Danach überprüfte ich nochmal, ob die beiden Typen noch am Leben waren.

Beide hatten einen regelmäßigen Puls und sie atmeten. Gutes Zeichen.

Ich stand aus der Hocke auf und sah mich nach Chad um.

Er näherte sich gerade langsam dem Bett, in dem ein junger Mann lag. Chad war ganz auf den Jungen fixiert.

In dem Moment, als ich seinem Blick folgte, spürte ich ein seltsames Ziehen in der Brust. Es war nur ein kurzer Moment, aber lange genug, um mich zu verwirren.

Ich beachtete weder die beiden Jäger weiter, noch Chad und ging auf das Bett zu, in dem Dale lag.

Er war ganz blass, seine Augen waren geschlossen, sein Brustkorb hob und senkte sich langsam, so als würde er schlafen. Allerdings bewiesen die ganzen Schläuche, die in seinen Körper hineinführten, dass er das nicht tat. Seine Beatmung war künstlich, genauso wie die Erhaltung seines Herzschlages und seine Ernährung.

Dieser Junge vor mir war tot, das wusste ich. Ich konnte es riechen. Aber trotzdem tat die Nähe zu ihm irgendetwas mit meinem Herz.

Als ich neben ihm stand, fasste ich irgendwie automatisch zu seiner Hand. Ich wusste nicht, wieso. Es fühlte sich richtig an in diesem Moment.

Chad ließ sich Zeit, seinen Bruder zu mustern, er sprach mit ihm, er entschuldige sich und er erklärte ihm, was wir vorhatten, obwohl er wusste, dass er es nicht hören konnte.
Trotzdem hatte ich nicht vor, Chad zu unterbrechen, weil ich es für wichtig hielt, dass er seinen Abschied bekam.

„Ich liebe dich, kleiner Bruder" Als Chad das zum Abschluss hauchte und ihm über den Kopf streichelte, wusste ich, der Abschied war hiermit beendet.

Chad sah von Dale zu mir. „Wie wollen wir es machen?"

Ich sah ihn aufmunternd an. „Silas kommt gleich her wegen deinen Kumpels da" Ich nickte zu den Jägern. „Boris steht bereit, die Ärzte abzulenken, Raphael ebenso. Jetzt müssen wir die Maschinen abschalten und die Schläuche aus ihm raus bekommen"

Chad nickte. „Ich kenne mich mit dem medizinischen Teil aus..."

Er erklärte mir, was wir alles beachten mussten, wir schalteten die Maschinen ab, die seinen Bruder am Leben erhielten und Chad hielt währenddessen eine von Dales Händen und strich mit der anderen über seinen Kopf, bis ich Chad leise mitteilte, dass nun auch sein Herz nicht mehr schlug.

Chad nickte verstehend und machte sich daran, die Schläuche aus Dales Mund und Nase zu holen, während ich ihn von denen an den Armen befreite.

Als Dale schlauchlos dalag, musterte Chad ihn eingehend.

„Alle aus unserer Familie finden, er sieht mir total ähnlich", meinte er, während er ihm die ziemlich langen Haare aus der Stirn strich.

Ich musterte den Jungen und musste zugeben, dass diese Leute Recht hatten. Klar sah Chad etwas reifer aus als sein kleiner Bruder, aber eine gewisse Ähnlichkeit war auf jeden Fall da.

„Er ist genauso hübsch wie du", bestätigte ich Chad lächelnd.

Er erwiderte es, wusste, dass das alles andere als ein Flirtversuch sein sollte.

„Dann wollen wir mal", seufzte Chad.

Wir beide griffen nach dem dünnen Laken das auf dem Jungen lag.

Ich sah ihn an. Und ich wusste nicht wieso, aber ich küsste seine Stirn.

„Gute Reise...", meinte ich leise zu dem jungen Mann.

Chad lächelte mich dankend an.

Dann zogen wir Dale das Laken über den Kopf, sodass er zugedeckt war, wie es nun mal bei Leichen so war.

Ich wollte zur Tür gehen und schauen, ob die Luft rein war, aber als ich gerade dabei war, griff Chad nach meiner Hand.

Ich drehte mich um und sah ihn fragend an.

Er stand auf der anderen Seite des Bettes. Sein Körper war erstarrt. Beide seiner Arme hingen an seinem Körper herunter, zumindest solange, bis er die Hände vor dem Mund zusammen schlug, als er auf meine Hand sah.

Geschockt und mit extrem schnell schlagendem Herzen blickte ich dorthin.

Mein Gefühl hatte mich nicht getäuscht. Jemand hielt meine Hand.

Ich war kurz davor zu kreischen wie ein Mädchen, als Dale sich plötzlich aufrichtete und das Laken von seinem Gesicht rutschte.

Er hielt meine Hand nach wie vor fest, doch starrte ausdruckslos geradeaus, während Chad und ich den Jungen ungläubig ansahen und nicht glauben konnten, was hier gerade passiert war.


















Ups...

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