16. Charlie: "Kampf"
Schon als Boris und ich zu unserer Haustür liefen, roch ich, dass sich innerhalb mehr als nur 3 Personen befanden und wurde aufmerksam, indem ich Boris hinter mich zog.
„Was ist los?", fragte er mich verwirrt und auch etwas besorgt.
Er sah echt wahnsinnig süß aus heute, aber darauf wollte ich jetzt mal nicht genauer eingehen. Das kam später noch.
Jedenfalls teilte ich ihm mit, dass ich roch, dass wir Besuch hatten und Boris begann sich zu freuen, weil er davon ausging, Austin hätte „jemanden" gefunden. Also eine Person, mit der er nachts seinen Spaß haben konnte.
Als ich aber dabei war, die Haustür aufzuschließen, roch ich, dass der Geruch von Chad kam und als ich dann auch das Boris mitteile, sah er ziemlich enttäuscht aus.
Kein Wunder. Chad war so hetero wie man es nur sein konnte. Er würde niemals etwas mit Austin anfangen. Und ehrlich gesagt fand ich das gut so. Das hatte mehrere Gründe.
Zum einen würde ich es nicht gutheißen, wenn Austin vom einen Bett ins nächste hüpfen würde, da ihm das bei seiner Trauer nicht weiterhelfen, sondern ihm nur ein schlechtes Gewissen machen würde.
Zum anderen vertraute ich Chad schlichtweg nicht. Klar er war immer nett und freundlich und er hatte mir bisher noch keinen Grund gegeben, ihm zu misstrauen, aber eben auch keinen, es nicht zu tun.
Er war ein Jäger. Natürlich war es ein Pluspunkt, dass er uns das von sich aus erzählt hatte und, da er nicht nach Jäger roch, war es eine Tatsache, dass er kein Jägerblut hatte, also auch keine Kräfte, die uns irgendwie schaden konnten, aber trotzdem... Es störte mich, dass er, obwohl er nach Jäger roch, einen relativ reinen Geruch hatte.
Er war ein bodenständiger Mann, er hatte nicht viel, doch war mit dem zufrieden, was er hatte. Er freute sich über die kleinen Dinge im Leben. Und etwas, das der Menschheit verloren gegangen war: Er besaß Nächstenliebe und er lebte sie. Er liebte es, anderen bei seinem Job, aber auch außerhalb davon zu helfen. Das machte ihn zu einem guten Mann. Einem Mann mit reinem Herzen... Und das wiederum machte ihn gefährlich für uns.
Instinktiv wusste ich, dass er keiner Fliege etwas zu leide tun würde. Ich wusste auch, dass ich meinen Instinkten vertrauen konnte. Ich war einfach nur gerne auf alles vorbereitet und lieber zu vorsichtig statt zu wenig.
Boris ging, nachdem wir das Haus betreten hatten, sofort ins Wohnzimmer zu den Anderen, während ich mir erstmal die Schuhe auszog.
Ich hasste Schuhe. Total einengend. Ich mochte es auch nicht in einem Bett zu schlafen, da mir der Boden eigentlich lieber war, aber, da Boris es nicht toll fand, auf dem kalten Boden zu schlafen und ich es nicht toll fand, ihn alleine im Bett schlafen zu lassen, teilten wir uns das Bett. Und Boris' Nähe machte diese dumme Matratze wieder wett.
Auch ich ging ins Wohnzimmer, in dem Raphael, Silas, Austin und Boris auf dem Sofa verteilt saßen.
Es kam selten vor, dass wir mal alle zeitgleich hier waren und deshalb war es so ziemlich das erste Mal, dass ich sah, wie unser Sofa komplett genutzt wurde.
Ich gab zuerst Chad die Hand und setzte mich dann in meinen Sessel. Und der war echt nur meiner. Ich machte da nur für Boris eine Ausnahme, aber auch nur, wenn er nichts aß. Ich hasste seine Angewohnheit, auf dem Sofa zu essen. Er machte seine Krümel nie weg und ich wollte keine Flecken auf meinem Platz.
Da Boris gerade aber nicht mit Essen beschäftigt war, sondern mit reden, ließ ich ihn auf meinem Schoß sitzen, als er sich darauf setzte, während er ein Gespräch weiterführte, das er schon mit Chad begonnen hatte.
Es ging bisher nur darum, was Chad denn hier machte.
Nachdem geklärt war, dass Chad eine Weile bei uns wohnte und auch, wieso das Ganze, kamen wir auf das Thema zu sprechen, das ich schon erwartet hatte.
„Sagt mal, was ist eigentlich mit euch los? Hat Oma euch verprügelt?" Silas sah Boris und mich belustigt an.
Ich verdrehte die Augen und Boris lachte. „Nein, wir haben gekämpft"
Wir hatten deutlich sichtbare blaue und rote Flecken überall, was man auch ganz gut sah, allein an Boris Wange oder meinem Hals.
Alle, wirklich alle sahen uns kritisch an, weil sie nicht glauben konnten, dass ich mit Boris kämpfen würde.
„Sei mir nicht böse, aber, wenn du mit Charlie kämpfst, überlebst du das nicht, Boris", meinte Raphael.
Er hatte ja Recht, aber man musste auch anmerken, dass Boris seit unserer Zeremonie nicht so einfach zu verletzen war und deutlich weniger Schmerzempfinden hatte.
„Es war ja auch nicht so ein Kampf" Boris zeigte eine Faust und tippe sich dann auf die Lippe. „...Sondern so ein Kampf. Wir haben uns gegenseitig Knutschflecken verpasst" Er kicherte danach total süß und ließ sich ein bisschen an mich sinken.
Ich musste lächeln, weil diese Aktion so dämlich gewesen war und strich über seine Oberschenkel, die über meinen lagen.
Unsere Freunde und auch Chad sahen uns ungläubig an. „Charlie macht bei sowas mit?"
Hei, ich war vielleicht alt aber doch kein Spaßverderber!
Boris lachte und fuhr beiläufig mit der Hand meine Brust entlang. Die Stellen, an denen er mich berührte, wärmten sich wohlig auf und ich sah ihn lächelnd an, als er antwortete.
„Er hat sogar angefangen!" Er tat so, als sei er total empört. „Ich hab friedlich meinen Schönheitsschlaf gemacht und dann wache ich auf, weil irgendwas an mir herumsaugt wie ein Tintenfisch."
Er tippte auf den Knutschfleck auf seiner Wange, der zu unserem kleinen Krieg geführt hatte. „...und das konnte ich natürlich nicht auf mir sitzen lassen. Ich meine, wie scheiße sieht das denn bitte aus?!"
Jetzt verstanden wenigstens alle, wie es dazu gekommen war und wirkten amüsiert. „Das heißt, ihr seid jetzt voll mit diesen Knutschflecken?"
Boris nickte.
Mir fiel auf, dass ich ihn schon seit geraumer Zeit lächelnd anstarrte und wie krank das wohl herüberkommen musste.
Ich schwöre beim Allmächtigen, ich wollte meinen Blick gerade von ihm losreißen, als er mich anschaute und mein Lächeln erwiderte.
Er gab mir einen Kuss.
Er hatte wohl bemerkt, wie ich ihn angestarrt hatte, doch zum Glück hielt er mich deshalb nicht für seltsam. Das war immerhin in unseren gemeinsamen Jahren schon öfters vorgekommen. Ich gab's ja zu, wenn es um Boris ging, dann wurde ich ein kleiner Träumer... Zum Glück sagte keiner was dazu.
Peinlich, Charlie. Benimm dich endlich mal wie ein Mann, also wirklich! Manchmal verhielt ich mich echt wie ein verknalltes Teenager-Mädchen.
„Hei, ihr habt ein Zimmer!"
Boris und mir wurde ein Kissen an den Kopf geworfen.
Als er den Kuss löste, um das Kissen aufzuheben, sah ich zu den Anderen und erkannte nur noch, wie Silas sich hinter Raphael versteckte, der am Lachen war.
Boris stürzte sich bewaffnet mit dem Kissen auf seinen Cousin, der ziemlich unmännlich aufkreischte und Raphael als Schutzschild verwenden wollte, aber der befreite sich und machte Boris Platz, um sich an Silas zu rächen.
Mein Freund sprang auf Silas drauf, sodass er keuchte, und hüpfte dann sitzend auf seinem Bauch herum, während er ihn mit dem Kissen schlug.
„Na du kleiner Arschficker, jetzt nicht mehr so mutig!", gab Boris von sich.
Ich musste lachen. Er dachte oft einfach nicht nach, was er von sich gab. Deshalb liebte ich ihn ja so. Boris versuchte gar nicht erst, sich zu verstellen oder eine Show zu machen. Er war echt. Er war mutig genug, es zu sein.
„Geh weg, du Schwuchtel!", gab Silas zurück, konnte sich aber nicht wehren, weil er sein Gesicht mit den Armen vor dem Kissen beschützte.
„Ich zeig dir gleich Schwuchtel!" Damit drehte Boris Silas gewaltvoll auf den Bauch und biss ihn, nach umständlichen Verrenkungen, in den Hintern.
„Auuu!!!", jaulte Silas.
„Da stehst du doch drauf, Faggy!" Boris klatschte Silas kräftig auf den Hintern, doch musste aufhören, als Silas begann, sich zu wehren und sich dabei rangelnd mit Boris über das Sofa rollte, wobei beide Austin und Chad erwischten.
Eine Weile sahen wir diesen Kindern beim „Spielen" zu, bis sie atemlos auf dem Sofa lagen, weil sie sich so verausgabt hatten.
„Du wirst besser", meinte Silas schwer atmend und klopfte Boris stolz auf die Wange.
„Weißt du...", begann Boris, während er sich aufrichtete und durch die chaotischen Haare fuhr. „Jeder hat seine Qualitäten. Du kannst besser kämpfen, ich sehe besser aus. Aber an einer von beiden Sachen kann man nichts ändern."
Er grinste, warf Silas einen neckischen Luftkuss zu und hüpfte dann zu mir rüber, gab mir einen Kuss. Einfach so.
„Wofür war der jetzt?", lächelte ich, als ich meine Hände an seine Hüften legte.
Aus dem Augenwinkel sah ich, wie Silas Boris einen bösen Blick zuwarf, aber es war mir eigentlich egal.
„Einfach, weil ich dich liebe", lächelte Boris und gab mir nochmal einen.
Alle bekamen es mit, aber trotzdem gehörte dieser Moment irgendwie nur uns.
Ich war so verliebt in Boris, so glücklich mit ihm.
Ich hatte keine Ahnung, wo wir in ein paar Monaten stehen würden.
Im Kampf. An unterschiedlichen Fronten.
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