Kapitel 20
• C H R I S •
Summend lege ich das Besteck neben jeden Teller und tänzle dann zu meiner Mutter, um ihr die Schüssel mit dem Salat abzunehmen.
Lachend mustert sie mich. „Da scheint ja jemand sehr happy zu sein."
„Warum denn auch nicht? Gleich kommt mein wundervoller Freund und isst mit meiner Familie zu Abend. Da kann man doch wohl gut gelaunt sein."
„Wie süß du bist, wenn du verliebt bist", meint Mom und kneift mir in die Wange.
„Mom!", rufe ich aus und schlage ihre Hand weg.
Das tut vielleicht mal weh?
Ich kann es irgendwie immer noch nicht richtig begreifen. Matt und ich sind jetzt wirklich zusammen. Er und ich. Ein Paar. Ich habe nie für möglich gehalten, dass ich mal irgendwann wieder wirkliche Gefühle für jemanden empfinden würde. Aber er hat es geschafft. Mich aus meiner Hölle geholt. Mich aus der Dunkelheit der Einsamkeit gerettet. Es hätte mir nach Vincent nie etwas Besseres passieren können. Matty ist einfach unglaublich!
Vincent.
Wie es ihm wohl in der psychiatrischen Anstalt ergeht? Geht es ihm gut? Behandelt man ihn auch so, wie er es verdient? Er ist immer ein guter Mensch gewesen. Mit einem unglaublich warmen Herzen und einem bezaubernden Lächeln. Ich vermisse sein Lächeln. Und ihn vermisse ich auch. Manchmal.
Aber seine Eltern haben mir verboten, Kontakt mit ihm aufzunehmen. Ich wäre daran schuld, dass er eingewiesen werden musste. Als ob ich das jemals gewollt habe! Ich habe Vincent geliebt und ein Teil von mir wird es auch immer tun.
Nur muss ich nach vorne blicken. In meine Zukunft. Mit Matty. Meinem Matty.
Ich sprinte zur Haustür, als es klingelt. Bevor ich sie öffne, richte ich nochmal meine Haare und zerre meinen Pullover zurecht.
„Hey, Honey", begrüßt er mich lächelnd. Dieser Kosename bringt mich zum Schmunzeln.
„Honey?" Achselzuckend geht er an mir vorbei und zieht sich seiner Jacke aus.
„Ich bin noch in der Findungsphase", meint er und legt dann seine Arme um mich.
Zufrieden atme ich seinen Duft ein. „Du bist so süß."
Hinter uns höre ich Schritte. Als wir uns voneinander lösen, steht Dad vor uns.
Er umarmt meinen Freund kurz zur Begrüßung. „Schön, dich heute nochmal bei uns zu haben, Matt."
„Danke für die Einladung", erwidert er gut erzogen, seine Wangen haben aber einen leicht rosigen Farbton angenommen.
Seinen Rucksack lassen wir im Flur stehen und gehen zusammen ins Esszimmer. Doch als ich ihm den Stuhl zurechtrücke, klingelt es auf einmal nochmal an der Tür. Verwirrt schaue ich meinen Vater an, der sich zähneknirschend am Hinterkopf kratzt.
„Ich hatte nichts damit zu tun, mein Sohn. Das waren die Frauen." Er hebt entschuldigend die Hände. Und dann fallen mir die drei weiteren Teller auf dem Tisch auf. O Gott, bitte nicht!
Frustriert sehe ich zu Matthew, der bisher noch ahnungslos ist. „Matty, was sie jetzt auch immer sagt, sie meint es nicht so...Okay, doch tut sie. Aber sie ist eigentlich eine wirklich nette und coole Frau!" Verwirrt dreht er sich zur Tür, wo Tina mit verschränkten Armen vor der Brust steht und mich anfunkelt.
„Chrissieboy, du Stinker! Was fällt dir ein, deinen Freund in dein Haus zu holen und mich nicht einmal einzuladen?!"
Lachend gehe ich auf sie zu und drücke ihr einen Kuss auf die Wange.
„Und was lachst du jetzt so blöd, du Scheißer?" Sie breitet ihre Arme aus. „Komm her und begrüße mich richtig!"
Hinter ihr höre ich meinen besten Freund genervt sagen: „Gott, Mom, könntest du bitte ein bisschen runterfahren?"
„Evan-Baby, wenn ich dir peinlich bin, musst du es nur sagen. Du weißt doch, dass wir über alles reden können", erwidert sie und löst sich lächelnd von mir. „
Gut, du bist peinlich."
„Also wirklich, mein Freund, so hast du nicht mit mir zu reden! Ich bin immer noch deine Muttern, die dich beinahe zehn Monate herumtragen musste, weil du dir ja zu fein für die Welt warst!", meckert sie und sieht ihren Sohn provozierend an.
Evan geht kopfschüttelnd an uns vorbei und begrüßt Matty. Die beiden reden über etwas, worüber mein Freund lacht. Matt sieht einfach so unglaublich süß aus, wenn er lacht.
„Der kleine Matt also?" Tina grinst mich wissend an und wuschelt mir durch die Haare. „Brav, mein Junge."
„Bin ich ein Hund?", brumme ich und versuche, ihr auszuweichen. Was haben die bloß immer mir meinen Haaren?
„Also eine Ähnlichkeit besteht auf jeden Fall", ärgert sie mich und geht dann zu den Jungs. „Hallo Matthew, schön dich zu sehen." Sie umarmen sich kurz.
Als sich jeder begrüßt hat, setzen wir uns an den Tisch. Mom verteilt das Abendessen auf die Teller und redet mit ihrer besten Freundin. Evan diskutiert mit Michael und Dad über das letzte Footballspiel. Und Matty und ich – wir genießen einfach diesen Moment.
• M A T T H E W •
Ich sehe mich am Tisch um. Wir reden über die dümmsten Sachen und lachen. So muss es sich anfühlen, glücklich zu sein. Eine Familie zu haben.
Als mein Blick auf Chris' und meinen verschränkten Händen fällt, lächle ich. So fühlt es sich an, zu leben.
„Also, jetzt erzählt mal." Tina zeigt mit ihrer Gabel zwischen uns hin und her. „Wie ist das entstanden?"
Wir sehen uns an und zucken beide mit den Achseln. „Einfach irgendwie. Durch Evan haben wir uns besser kennengelernt und sind zusammen über ein Wochenende zum Seehaus gefahren. Und ja, es hat einfach gefunkt", erzählt Chris und lächelt mich an. Ich kann nicht anders als dümmlich verliebt zurück zu grinsen. Wenn ich an unseren ersten Kuss denke, beginnt alles in mir zu kribbeln.
Tina wuschelt Evan durch seine braunen Haare. „Mein Sohn, Amor. Kannst stolz auf dein Werk sein. Die beiden sind zum Fressen süß!"
Wir alle lachen bei seinem Gesichtsausdruck.
„Toll, vor allem, weil ich das da erst gar nicht gewollt habe", brummt er.
Sie verdreht die Augen. „Ach Mensch, die beiden werden trotzdem mit dir spielen, mein Kleiner! Und Chris stand halt schon immer auf Zucker. Da kannst du ihm doch nicht verübeln, dass er sich in sowas Süßes wie unseren Mattyboy verknallt."
Diese Frau ist echt klasse. Ich mochte sie schon immer. Sie gibt einfach zu allem ihren Senf dazu, egal ob das die Leute wollen oder nicht. Es ist ihr egal, was die Menschen von ihr denken. Das bewundere ich sehr an ihr.
„Und wie reagieren die in der Schule darauf, dass ihr ein Paar seid?", fragt Philipp.
Ich zucke unmerklich zusammen und spüre, wie Chris sich neben mir anspannt. „Niemand weiß es. I-Ich wollte es noch geheim halten", murmle ich und stecke mir ein paar Bohnen in den Mund.
Die Eltern sehen mich überrascht an. „Aber warum?"
„Weil die dort verdammt homophob sind. Besonders Aaron und Nathan, diese Idioten", knurrt Chris und nippt an seinem Glas Wasser. „Und es geht genau genommen auch niemanden etwas an."
„Ach, seit wann kümmert es dich denn, was andere von dir denken, Chrissie?", fragt Evans Mutter ihn schmunzelnd, woraufhin er mit den Achseln zuckt.
„Mir ist es auch egal. Ich mache es wegen Matty. Wenn er bereit ist, werden wir uns schon öffentlich zeigen. Bis dahin habe ich ihn noch schön für mich allein." Er drückt mir einen dicken Kuss auf die Wange, woraufhin ich kichere.
„Ihr beide seid so goldig!", ruft Diana glücklich aus und lächelt uns an. „Aber Matthew, du musst dir keine Gedanken darübermachen, was andere über euch sagen könnten. Wenn die ein Problem damit haben, dann ist das ihr Pech. Solange ihr zusammen glücklich seid, ist alles gut", fügt sie hinzu, woraufhin ich nicke und die Hand ihres Sohnes drücke.
Er ist mir wirklich sehr wichtig. Und seine Mom hat Recht. Es sollte mich nicht interessieren, was man zu uns sagen würde. Es zählt nur, dass er und ich glücklich sind. Und das sind wir, wenn wir zusammen sind.
„Wusstet ihr eigentlich, dass Evan vielleicht bald einen Freund hat?", wirft Chris auf einmal ein und grinst diesen an, der ihn nur geschockt anstarrt. Und ich bin mir sicher, er würde ihn gerade umbringen wollen.
„Evan, du hast einen Freund?", fragt Michael überrascht und sieht seinen Sohn mit offenem Mund an.
„Genau, was ist nun aus dem Date mit Wes geworden?", frage ich ebenfalls neugierig und denke an unserer Unterhaltung darüber zurück.
„Wes? Wer zum Teufel ist das und warum weiß ich nicht, dass du auf Typen stehst?!", ruft Tina verwirrt aus und scheint wütend darüber zu sein, dass sie nichts davon wusste. In ihrer Familie wird eigentlich über alles gesprochen.
„Leute, das ist nicht so. Es ist ganz harmlos. Ich, ähm..." Evan wirft uns einen tödlichen Blick zu. „Vielen Dank, ihr Idioten!" Er sieht total verzweifelt aus. Chris lacht, während ich den Lockenkopf mustere.
Er scheint es uns nicht übel zu nehmen, dass wir davon erzählen. Ich kenne Evan lange genug, um zu wissen, was in ihm vorgeht. Irgendwas anderes beschäftigt ihn.
„Wesley ist ein Arbeitskollege von Matt aus der Pizzeria. Und wie es das Schicksal so will, stehen die beiden total aufeinander", erklärt mein Freund neben mir.
„Jetzt sag schon, habt ihr euch nun verabredet oder nicht?", frage ich neugierig.
Wenn es sein muss, rufe ich auch Wes an. Er erzählt es mir bestimmt sehr gerne. Da bin ich mir sicher.
Evan guckt nach unten auf seinen Teller und stochert im Essen herum. „Du musst auch nichts erzählen. Ich kann Wes morgen bei der Arbeit einfach selbst fragen. Gar kein Problem..."
„Nein!" Er sieht mich panisch an. Da fällt mir der Groschen.
„Du hast ihn noch gar nicht gefragt, stimmt's?" Zähneknirschend nickt er.
„Und warum nicht? Ich meine, er ist scharf auf dich, durfte sogar schon an dir rumlecken, und du bist immerhin auch heiß auf ihn. Was ist dein Problem?", fragt Chris. Die Eltern sehen erst von ihm dann schockiert zu Evan. Dessen Kopf hat mittlerweile die Farbe einer Tomate angenommen.
„Wie, er hat an dir rumgeleckt?!", ruft Tina aus. „Mein Sohn, ich muss jetzt alles wissen, sonst explodiere ich!"
„Ich habe mich einfach noch nicht getraut, ihn zu fragen, okay? Keine Ahnung, warum. Und wir haben letztens auf unserer Party ‚Wahrheit oder Pflicht' gespielt, wo Wes halt Schokosoße von meinem Körper lecken musste", erzählt Evan, kann sich aber nicht dazu durchringen, seine Mutter anzuschauen.
Chris' Eltern fangen an zu lachen und auch Michael kann sich ein Schmunzeln nicht verkneifen. Nur Tina sieht aus, als würde sie ihren Sohn am liebsten töten. „Du willst mir also hier gerade erzählen, dass du schon einen halben Porno mit diesem Wes nachgestellt hast, dich aber nicht traust, ihn ins Kino einzuladen? Bist du dumm, oder so?!"
Anders kennt man den Umgang der beiden nicht. Sie mögen auf andere komisch wirken, aber wenn man diese Familie genauer kennt, weiß man, dass sie sich sehr lieben.
Ich wende grinsend meine Aufmerksamkeit zu Chris. Er beobachtet lachend das Schauspiel von Mutter und Sohn. Als hätte er meinen Blick gespürt, dreht er seinen Kopf zu mir und unsere Blicke verschmelzen miteinander. Schnell beugt er sich zu mir herüber und haucht mir einen Kuss auf die Lippen.
Meine freie Hand lege ich auf seinen Oberschenkel und streiche nach oben. Unter meinen Berührungen spannt er sich an.
„Du bist böse. Wir sitzen hier gerade am Tisch mit meiner Familie", murmelt er an meinem Mund, als wir uns voneinander lösen.
Unschuldig zucke ich mit den Achseln. „Hab keine Ahnung, was du meinst." Meine Hand fährt weiter nach oben. Er zieht scharf die Luft ein. „Ich mache doch gar nichts."
„Du bist der Teufel persönlich", zischt er und presst seinen Mund wieder auf meinen.
„Jungs, könntet ihr mal bitte aufhören, so süß zu sein?! Ich versuche gerade, meinen Sohn anzumeckern!", höre ich Tina irgendwo im Hintergrund rufen. Doch ich konzentriere mich ganz auf Chris.
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