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T A M A R A

Am Tag darauf war ich überrascht, als es Zuhause im Fuchsbau an der Tür klopfte, denn wir erwarteten eigentlich keinen Besuch. Ich signalisierte Mom, dass ich die Tür öffnen würde, da sie das Geschirr spülte und riss die Haustür auf. Ich erblickte als Erstes bloß Blumen. Bei näherem Betrachten stellte ich fest, dass es weiße Tulpen waren. Mir wurden jene Tulpen vorsichtig in die Hände gedrückt. Oliver stand dort und begrüßte mich schüchtern mit einer vorsichtigen Umarmung, um die Blumen nicht zu zerquetschen. Ich war etwas verwundert von der Geste, denn mir hatte noch nie ein Junge - oder eher ein Mann - Blumen geschenkt. Dad hatte Mom ab und an Blumen von seinem ohnehin knappen Gehalt besorgt (mittlerweile verdiente er wirklich gut) und sie damit nach der Arbeit überrascht, aber dass mir je jemand einen Blumenstrauß bringen würde, hätte ich wirklich nicht erwartet.

»Hallo, Tara«, sagte er nervös und kratzte sich an seinen braunen Haaren.

»Danke für die Blumen, Oliver. Komm doch rein.« Ich ging vor und stellte die Tulpen in eine Vase. Unterdessen trat Oliver ein, wurde von Mom herzlich mit einer ihrer kräftigen Umarmungen begrüßt, und ich nahm im Augenwinkel wahr, wie sie mir grinsend zuzwinkerte.

»I-Ich... habe mir... würdest du heute mit m-mir gleich in ein Muggel-Kino ge-hen?«, stotterte er leise.

Ich drehte mich kurz zu Mom um, die froh nickte. »Gerne«, sagte ich und wandte mich wieder zu Oliver. »Ich ziehe mir nur kurz eine Jacke und Schuhe an.« Schneller denn je schlüpfte ich in meine Winterstiefel und warf mir meinen dicken Mantel und einen kuscheligen Schal über. »Bis später, Mom.«

»Viel Spaß euch«, hörte ich Mom noch rufen, bevor ich die Tür hinter uns schloss. Vor uns erblickte ich eines der Muggel-Autos, das offenbar Oliver gehörte, denn er öffnete mir die Tür, geleitete mich in das Innere des Wagens und schloss die Autotür. Nachdem er sich neben mir niedergelassen hatte, schnallte er sich an, ich machte es ihm nach, und er startete den Wagen. Meine Vermutung, dass der Wagen nicht verzaubert war, bestätigte sich. Wir fuhren etwa eine Stunde bis zu dem Kino und dort bezahlte Oliver für uns beide die Kinokarten, obwohl ich dagegen protestierte.

Der Film stellte sich als ein Horrorfilm heraus.

Ich mochte keine Horrorfilme, da ich oft mitfieberte und nicht selten Kommentare von mir abgab, obwohl ich dadurch die Handlung der Protagonisten nicht beeinflussen konnte. Es kamen auch Szenen, bei denen ich mich sehr gruselte und meinen Kopf ängstlich an Olivers Schulter vergrub. Als eine Leiche eingeblendet wurde, kämpfte ich mit den Tränen, denn es erinnerte mich an Fred. Oliver schien das bemerkt zu haben, denn er zog sich aus dem Kinosaal in den Raum, wo man wartete, bis man in den Kinosaal gelassen wurde.

»Tut mir leid, dass ich ausgerechnet einen solchen Film ausgesucht hatte«, flüsterte Oliver mir ins Ohr, während er mich fest umarmte. Und seine bloße Anwesenheit reichte aus, damit meine Tränen verebbten und das Zittern, das meinen Körper heimgesucht hatte, aufhörte.

»I-Ich bin schw...-ach...«, hauchte ich gegen seine Brust und spürte, wie er sein Kinn auf meinem Kopf ablegte. »Ich wollte mit Fr-Freds Tod abschließen u-u-und heule jetzt...«

»Hör mir zu.« Oliver ließ mich los, drückte mein Kinn nach oben und zwang mich somit, ihm in seine braunen, warmen Augen zu schauen. »Du bist alles andere als schwach. Du warst bei dieser verdammten Schlacht und hast deinen Bruder sterben sehen. Er hatte noch sein ganzes Leben vor sich, das kann man nicht bestreiten. Aber du bist stark. Dass du hier vor mir stehst, beweist, dass du nicht schwach bist. Andere in deiner Situation hätten sich schon längst umgebracht.«

Ach Oliver, wenn du nur wüsstest...

»Vergiss das bitte nicht, Tara, okay?«, fuhr er fort. »Du bist eine starke, kluge, hübsche Frau und hast bloß viele Schicksalsschläge durchleben müssen.«

»Diese blöden Emotionen sind schuld...«, nuschelte ich.

»Und das macht dich zu einem Menschen«, sagte er. »Du verspürst Gefühle und das ist es, was dich zu einem Menschen macht; dass du kein perfektes Leben hast und trotzdem weitermachst - das ist keine Schwäche, Princess. Das ist eine Stärke, die nicht jeder besitzt.«

Und es waren genau die Worte, die mir Mut machten. Vielleicht war es auch einfach die Tatsache, dass ich mich von dem Tag an wohler als bei George in Olivers Nähe fühlte.

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(730 Wörter)

Ja, ich lebe noch. Ich hatte viel Stress. Mir wurde meine Zahnspange entfernt und ich bin glücklich. Der Stimmungskiller war wohl, dass ich einen achtseitigen Praktikumsberich schreiben musste.

Schaut doch mal bei ,,Hey Angel" vorbei, wenn ihr traurige Enden mögt.

All the love as always.

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